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Full text of "Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde"

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ZEITSCHRIFT 


FÜR 


ÄGYPTISCHE  SPRACHE 


UND 


ALTERTUMSKUNDE 


MIT  UNTERSTÜTZUNG  DER  KÖNIGLICH  SÄCHSISCHEN  GESELLSCHAFT  DER  WISSENSCHAFTEN 

HERAUSGEGEBEN  VON 

GEORG  STEINDORFF 


VIERUNDFÜNFZIGSTER  BAND 


MIT  31  ABBILDUNGEN  IM  TEXT  UND  4  TAFELN 


LEIPZIG 

J.  C.  HINRICHS'sche  BUCHHANDLUNG 

1918 


Die    »Zeitschrift   für  Ägyptische  Sprache  und   Altertumskunde 
wurde  begründet   1863   von   Heinrich  Brügsch  und   herausgegeben  von  : 

C.  R.  Lepsius  mit  H.  Brugsch   1864  —  1880, 

C.  R.  Lepsus  mit  H.  Brugsch,  A.  Erman,  L.  Stern    1881  — 1884, 

H.  Brugsch  und  L.  Stern   1885  — 1888, 

H.  Brugsch  und  A.  Erman   1889  —  1893, 

H.  Brugsch  und  A.  Erman  mit  G.  Steindorff   1894, 

A.  Erman   und   G.  Steindorff    1895  — 1906, 

G.  Steindorff  seit   1907. 


Inhalt  des  54.  Bandes. 

Seite 

Bonnet,  IL    Die  Königshaube  (mit  8  Abbildungen) 79 — 86 

Leeutr,  G.  ran  der.    External  Soul.  Schutzgeist  und  der  ägyptische  Ka 57 — 64 

Sethe,  K.    Zur   Komposition    des    Totenbuchspruches   für   das   Herbeibringen    der   Fähre    (Kap.  99. 

Einleitung) 1  — 15 

—  Ein  altägyptischer  Fingerzählreim 16 — 39 

—  Das  Pronomen  1.  sing,  n-nk  und  die  Eingangsworte  zum  17.  Kapitel  des  Totenbuches  .  40 — 49 

—  Die  angeblichen  Schmiede  des  Horus  von  Edfu 50 — 54 

—  Zum  Inzest  des  Snefru 54 — 56 

—  Zum  partizipialen  Ursprung  der  Suffixkonjugation 98 — 103 

—  Die  Bedeutung  der  Konsonantenverdoppelung  im  Sahidischen  und  die  Andeutung  des  «  durch 

den  übergesetzten  Strich 129 — 131 

Spiegelberg,  TT.    Ein    Heiligtum    des    Gottes   Chnum    von    Elephantine    in    der   thebanischen   Toten- 
stadt (mit  1  Abbildung) 64—67 

—  Die  Darstellung  des  Alters    in    der   älteren    ägyptischen  Kunst   vor  dem  Mittleren  Reich    (mit 

1  Tafel  und  7  Abbildungen) 67 — 73 

—  Eine  Bronzestatuette  des  Ainon  (mit  1   Tafel  und  1   Abbildung) 74 — 7(i 

—  Der  Maler  Heje 77 — 79 

—  Eine  Totenliturgie  der  Ptolemäerzeit 86 — 92 

—  Der   demotische    Papyrus    der   Stadtbibliothek    Frankfurt  a.  M.     (Ein  Ehevertrag)     Mit    einem 
juristischen  Beitrag  von  Joseph  Partsch  (mit  1  Tafel) 93 — 98 

—  Der  ägyptische  Possessivartikel 104 — 110 

—  Demotische  Kleinigkeiten  (mit  1  Tafel  und  14  Schriftbildern) 111 — 128 

—  Tricvxyva-i; 128—129 

—  Koptische  Kleinigkeiten 131  — 135 

Miszellen : 

Möller,  G.    Drei  Thuerisiiguren  des  Berliner  Museums 138 — 139 

Schäfer,  H.    Tretmaschinen  zur  Bewässerung  im  alten  Ägypten 140  —  141 

Sethe,  K.    (      /? c±  \nö-t.  Xanie  des  Steinbockweibchens 136 — 13^ 


—  Die  sogenannten  Xilgötter  mit  den  Wappenpflanzen  der  beiden  Länder 138 

Spiegelberg,  W.    Das  Heiligtum  der  zwei  Brüder  in  Oxyrhynchus 140 

Nachruf.     Adolf  Rost 142 — 143 

Erschienene  Schriften 143 — 146 


[54.  Band.]         K.  Sethe:    Der  Totenbuchspruch  für  das  Herbeibringen  der  Fahre. 


Zur  Komposition  des  Totenbuchspruches  für  das  Herbeibringen 

der  Fähre  (Kap.  99.    Einleitung). 

Von  Kurt  Sethe. 


Der  von  Grapow  in  den  Urkunden  des  ägypt.  Alt.  V  145 — 1801  veröffent- 
lichte und  damit  erst  der  wissenschaftlichen  Untersuchung  eröffnete  Totenbuch- 
text2,  der  den  Titel  »Spruch  für  das  Herbeibringen  der  Fähre«  trägt,  besteht 
aus  verschiedenen,  sich  deutlich  voneinander  scheidenden  bzw.  gegeneinander 
abgrenzenden  Bestandteilen,  die  voraussichtlich  ursprünglich  einmal  selbständig 
oder  wenigstens  voneinander  getrennt  bestanden  haben  werden. 

Der  Text  liegt  uns  in  3  Handschriften  des  Mittleren  Reiches  vor,  deren 
zeitliches  Verhältnis  sich  aus  der  Gestalt,  die  das  berühmte  17.  Kapitel  des 
Totenbuches  in  ihnen  hat3,  klar  ergibt. 

B  (Har-hotep),  spätestens  der  11.  Dynastie  auch  nach  der  Orthographie  zu- 
zuweisen. 

C  (Sat-ebiastet),  durch  den  gleichaltrigen  Sarg  des  nach  Sesostris  I.  benannten 

O^  DU  (abgekürzt  ®  DU)  in  die   12.  Dynastie  datiert. 

D  (Berliner  Sarg  des  Mentu-hotep),  nicht  genau  datierbar,  aber  nach  Toten- 
buch 17  sicher  um  ein   beträchtliches  jünger  als   C. 

Von  einer  vierten  Handschrift  I  sind  nur  kleinste  Bruchstücke  des  Textes 
erhalten;  sie  kommt  für  uns  kaum  in  Betracht  Da  auch  C  den  Text  nur  zum 
Teil  und  von  vielen  Lücken  unterbrochen  enthält,  sind  wir  im  wesentlichen 
auf  die  beiden  Handschriften   B  und  D  angewiesen. 

Für  das  Neue  Reich  liegt  uns  nur  eine  Abschrift  Pb  vor,  nach  der  Naville 
den  Text  als  Einleitung  zu  Kapitel  99  publiziert  hat.  Sie  zeigt  den  Text  im 
allgemeinen  in  einem  geradezu  unglaublichen  Zustande  der  Verwahrlosung  und 
bricht  zudem   mitten  im  Texte,   in  Abschnitt  9,   ab.     An  einer  Stelle  weist    sie 

auch  statt  zweier  fehlender  Worte  den  Vermerk  f^f\  td  9mJ  w$r  »zerstört  ge- 
funden« auf,  der  ausdrücklich  den  schlechten  Erhaltungs-  oder  Überlieferungs- 
zustand ihrer  Vorlage  bezeugt4.  Anderseits  finden  sich  an  manchen  Stellen 
aber   auch  Anzeichen   dafür,    daß    der  N.-R.-Text   auf  eine  Version  des  M.-R.- 


:)  Im  folgenden  einfach  nach  Seiten-  und  Zeilenziffern  zitiert.  —  2)  Die  folgenden  Aus- 
einandersetzungen, die  auf  Grapow's  Arbeit  fußend  über  sie  hinauszuführen  suchen,  sollen  deren 
Verdienste  natürlich  in  keiner  Weise  schmälern.  —  :!)  Hierüber  gedenke  ich  später  einmal  be- 
sonders zu  handeln. 

4)     158,1/2  statt  der  Worte    i — .  i^l-^r^.  des  alten  Textes  156,3/4:    von  Grapow   verkannt. 

Zeitschr.  f.  Ägypt.  Spr.,  54.  Band.  I 


K.  Sethe:    I)<t  Totenbuchspruch  für  das  Herbeibringen  der  Fähre.  |54.  Band. 


Textes   zurückgeht,    die   stellenweise   besser    war,    als    die   uns    vorliegende,    so 
/.  B.  in  Abschnitt  5   (S.  4)   und  8   (S.  6  Anm.  1). 

Vier    Teile    sind    es,    in    die    sich    der    Spruch    noch    deutlich    zu    scheiden 
scheint.     Sie  mögen  liier  durch  die  römischen  Ziffern  I— IV  bezeichnet  werden1. 


'Ö' 


I  (Abschnitt  1). 

Den  Anfang  macht  eine  kurze,  den  Gegenstand  des  ganzen  Spruches  ei- 
gentlich schon  völlig  erschöpfende  Anrufung  an  den  »Fährmann«  (mhntj),  ohne 
Nennung  des  Namens  (Abschnitt  1).  Nach  dem  Gebrauch  der  Pyramiden- 
texte wird  er  vom  Toten  aufgefordert,  ihm  »dieses«,  d.  i.  sein  Schiff,  herbei- 
zubringen: I)  jj/vw^  ^\  »bring  mir  dies«2.  Der  mit  mythologischen  Anspielun- 
gen auf  den  Kampf  zwischen  Horus  und  Seth  auf  der  Ostseite  des  Himmels  (d.  h. 
dort,  wohin  die  Reise  des  Toten  gehen  soll)  versehene  Text  stellt,  wie  das 
schon  Grapow  richtig  gesehen  hat,  die  jüngere  Version  eines  uns  in  den  Py- 
ramidentexten in  zwei  Varianten  (Pyr.  594.  946)  erhaltenen  Fährmannspruches 
dar,  der  dort  beidemal  gleichfalls  als  Einleitung  eines  längeren,  mit  unserem 
Totenbuchtext  aber  nicht  identischen  Spruches  verwendet  erscheint. 

II  (Abschnitt  2-6). 

Hierauf  folgt  in  den  Abschnitten  2—6  eine  Reihe  von  Wechselreden 
zwischen  dem  gleichfalls  aus  den  Pyramidentexten  bekannten  Ml-ltf-f  »der 
hinter  sich  schaut«'  und  dem  Toten.  Während  der  Jf/-A/-/  aber  dort  in  den 
Pyramiden,  der  Bedeutung  seines  Namens  entsprechend,  überall  selbst  als 
Himmelsfährmann  auftritt,  der  dem  Toten  sein  Schiff  bringen  und  ihn  auf  jene 
Seite  des  Himmels  übersetzen  soll,  wird  er  hier  jedesmal  in   einer  stereotypen 

Anrufung  aufgefordert,   eine  dritte  Person,   den    ^     jj,  aufzuwecken:    » Jf/-^-/, 

AAAAAA       \ I 

weck  mir  den  ckn  auf,  so  wahr  du  mit  Leben  versehen  sein  willst*;  siehe,  ich 
komme.« 

')  Die  Bezifferung  der  Abschnitte,  in  die  der  Text  gegliedert  ist.  ist  die  gleiche  wie 
bei  Gravow. 

-)    Das   i]    J]  in  der  auf  den  Namen  einer  Frau   lautenden  Hs.  C  (147,13)  kann  nur  ein 

AAMM         d 

r.  TT   A/WWN 

Schreibfehler   für  (j    ]]     .       sein,    wie    diese    Hs.  nach    ihrer  Orthographie   das  inj  n-j   des  Textes 

schreiben  mußte 

3)    Mi-hi-f,  nicht  Mii-lti-f,  wie  Grapow  liest,  lautet  der  Name  überall  in  den  Pyramiden  wie  hier. 
')    Ich  sehe  keinen  Grund,  diese  wörtliche  Übersetzung  der  aus  den  Grabbildern  des  Alten 

Reiches  bekannten   Bittbeschwörungsformel  9    \I  ^3^  t\    •¥"  (phir.  |   ^  °  fi^v  T  Daressy' 

Mastaba  de  Mera  544.  570)  durch  die  von  Grapow  gewählte  freie  Übersetzung  «wenn  du  kannst« 
zu  ersetzen,  die  aus  der  wörtlichen  Bedeutung  nicht  ohne  weiteres  ableitbar  ist  und  zudem  in 
vielen   Fällen  gar  nicht   paßt.     Es   scheint  nicht  unmöglich,  daß  ebendieses   hn-k  m  enh  (hier  zum 

Teil   ö     vi  rf^r^t  geschrieben)     in     dem     seit    dem     Neuen     Reich    üblichen  9  *T*    ■  /fw|  V\    "T- 

X  WWW,  I |  X  A/WVW    I  _cFVS-     1 


Band  54.|  K.  Sethe:    Der  Totenbuchspruch  filr  das  Herbeibringen  der  Fähre.  •! 


Wer  dieser  rkn  ist,  geht  aus  Teil  IV  hervor,  wo  er  dem  Toten  das  Schiff 
bringen  soll1.  Es  ist  also  gleichfalls  ein  Himmelsfährmann.  Als  solcher  soll 
er  natürlich  auch  hier  aufgeweckt  werden.  In  Abschnitt  4  ist  das  auch  deut- 
lich ausgesprochen  in  der  Antwort,  die  der  Tote  auf  die  Frage  »wozu  soll  ich 
dir  denn"  den  <kn  aufwecken?«;  gibt:  »damit  er  mir  dieses  Schiff,  die  dmd-t 
Hnm-w,  bringe3  aus  dem  H//r/j-See«    (151,2/3). 

Der  JD-hJ-f  erscheint  hier,  wie  man  sieht,  zu  einer  Art  Mittelsmann  de- 
gradiert: mit  Ausnahme  der  eben  zitierten  Stelle  tritt  diese  neue  Rolle  jedoch 
nur  in  der  stereotypen  Anrufungsformel,  die  am  Anfang  eines  jeden  Abschnitts 
sich  wiederholt,  »weck  mir  den  ckn  auf«  hervor,  nicht  aber  in  den  kurzen 
Gesprächen,  die  sich  an  diese  Worte  anschließen  und  die  aus  allerhand  Fragen 
und  Einwänden  des  angeredeten  3L'-h>-f  und  den  Antworten,  mit  denen  ihnen 
der  Tote  begegnet,  besteht.  Hier  verrät  sich  uns  noch  auf  Schritt  und  Tritt, 
daß  der  J//-A/-/  auch  in  diesem  Text  einst  seine  ursprüngliche  Rolle  als  Fähr- 
mann gespielt  hat. 

So  in  Abschnitt  4,   wo  der  Tote  auf  den  Einwand  des  Ml-hl-f.  das  Schiff 

(das  nach  dem  jetzigen  Wortlaut  der  ckn  bringen  soll)   sei   zerlegt  (II c  1 

mit  stammhaftem  /)  auf  der  Werft4,  erwidert:  »nimm  (  "^  (j  )  seinen  Back- 
bord (t!-wr),  mach  ihn  zu  seinem  Spiegel  (Hinterteil,  imj-t  nds-t).  nimm  seinen 
Steuerbord  {imj-t  wr-fj,  mach  ihn  zu  seinem  Bug  (wld-t:  Var.  hl-t-s  »sein  Vor 
derteil«)«\    Es  ist  recht  bemerkenswert,   wie  diese  ursprüngliche  imperativische 

•  so  wahr  meine  Nase  mit  Leben  versehen  ist«  des  Königsschwures  seine  Fortsetzung  hatte.  Vgl.  die 
Ersetzung  des  alten   ?J^ft  der  Hs.  B  durch  8  «$"  ^  bei  D  (162,4)  und  $Jfe  j§)  im    Neuen 

Reich  (163,  17).  Dort  würde  nach  dem  Zusammenhang  ein  Wort  für  »Jungfrau«  in  der  Tat  vor- 
liegen können:  das  Waschen  der  Kopftücher  {cfn-t),  von  dem  dort  die  Rede  ist,  paßt  nur  auf 
Frauen  (vgl.  auch  efn-t  als  Kopftuch  der  Eileithyia). 

')  Grapow  ist  geneigt,  in  dem  ckn  den  Osiris  zu  vermuten  (Deutscher  Text.  S.  57.  Anm.  3). 
Das  scheint  mir  durch  seine  ganze  Rolle  wie  durch  die  Nennung  »dieses  herrlichen  Gottes«  aus 
seinem  Munde  (178,8)  ausgeschlossen  zu  sein:  denn  damit  kann  doch  selbst  wohl  nur  Osiris  ge- 
meint sein.     Nach  Lacao,  Text,  relig.  88,  52  scheint  ckn  eine  Eigenschaft  des  Gesichts  auszudrücken: 

B      f^   I  «3>     I 

A     ö    v  '  *^]e  c^"  'n  bezng  auf  das  Gesicht  sind«. 

A/WWA  TT      I    I        I        | 

2|    Lies  i       bei  B.     Die   Lücke   ist   bei  Grapow  zu  groß  angegeben;    sie  paßt  gerade 

zu  dem  allein  erforderlichen  Zeichen,  das  hier  ergänzt  ist. 

r\  TT       £^  n     AAAAAA 

::l    Grapow  hat  das  (J    ])  dieser  Stelle,  die  im  Papyrus  Westcar    1\  Q^k  ^     geschrie- 

/wwv\  ^=^_  J  J  TT 

bene  Form  des  sdm-f,  die  speziell  auch  gerade  im  Finalsatz  gebräuchlich  ist  (Verbum  II  §  270; 
Erman,     Vgypt.  Gramm.3  §  266  b).    verkannt.      Er    übersetzt     «was    er    bringt«;    dies    würde    doch 

l\'wwvai^_  heißen  müssen. 

*)    Oder   »zerlegt  in  Werfthölzer«? 

°|  Diese  augenscheinlich  uralten  Bezeichnungen  für  die  4  Seiten  des  Schiffes,  von  Grapow 
wenig  passend  mit  den  Himmelsrichtungen  (Ost,  Nord.  West,  Süd)  in  Zusammenhang  gebracht, 
haben  zunächst  wohl  den  4  einander  im  Dienst  ablösenden  »Wachen«   \<>mfa>  si),   in  die  die  Schiffs- 

1* 


K.  Si .im-:    Der  Totenbuchspruch  für  das  Herbeibringen  der  Fähre.  |">4.  Band. 


Fassung,  die  die  älteste  der  Handschriften  B  noch  treu  bewahrt  hat,  die  aber 
zu  dem  gegenwärtigen  Zusammenhang  schlecht  paßte,  im  Lauf  der  Zeit  ab- 
geändert  wird.  Die  jüngeren  Handschriften  (C,  D.  I)  nehmen  den  Satz  »es  ist 
zerlegt  auf  der  Werft«  nicht  mehr  als  Einwand  des  Mi-fy-f,  sondern  ziehen 
ihn  zu  der  Rede  des  Toten.  Das  geht  daraus  hervor,  daß  sie  ihn  nicht,  wie 
sie  sonst  mit  den  Reden  des  Mi-fai-f  (und  weiterhin  des  cJcn)  tun,  rot  schreiben1. 
Die  folgenden  Imperative  aber  ersetzen  sie  durch  die  1.  sing,  des  §dm-f,  so  daß 
nun  der  Tote  selbst  das  zu  tun  erklärt,  was  einst  der  angeredete  J//-/?/-/ hatte 
tun  sollen:  «ich  nehme  seinen  Backbord,  ich  mache  ihn  zu  seinem  Spiegel« 
usw.",   was   völliger  Unsinn  ist. 

Ähnlich  liegt  die  Sache  auch  bei  dem  nächstfolgenden  Abschnitt  5.  Hier 
lautet  der  Einwand  des  Mi-fy-f  auf  die  Aufforderung  »wecke  mir  den  ckn  auf« 
in  der  ältesten  Handschrift  B  noch  so  »wer  wird  uns3  dieses  Schiff  denn  be- 
wachen?«, als  ob  der  Mi-fyi-f,  und  nicht  der  ckn,  zusammen  mit  dem  Toten 
über  das  Schiff  verfügen  solle.  In  den  jüngeren  Handschriften  (C,  D)  ist  das 
für  den  Ursprung  des  Textes  so  bezeichnende,  jetzt  jedoch  nicht  mehr  hinein- 
passende »uns«  beseitigt,  im  Neuen  Reich  aber,  dessen  Text  hier  offenbar  auf 
eine  andere  Version  des  M.-R. -Textes  zurückgeht,  durch  »dir«  ersetzt.  Das  war 
aber  nur  halbe  Arbeit,  da  die  Antwort  des  Toten  unverändert  geblieben  ist: 
»hole  dir  den  Schwanz  des  snnuntj-Tieres,  setze  ihn  dir  an  sein  (des  Schiffes) 
Ende,  er  wird  es  bewachen«4.  Sie  läßt  den  ursprünglichen  Sachverhalt  noch 
deutlich  erkennen:  niemand  anders  als  der  angeredete  3If-h>-f  selbst  war  hier 
als  Eigentümer  des  Schiffes   gedacht. 


mannschaft  eingeteilt  wurde  (so  von  der  Schiffsmannschaft  des  Sonnengottes  Lacau,  Text,  relig.  35), 
den  Namen  gegeben.  Danach  sind  dann  auch  die  gleicherweise  sich  ablösenden  und  als  »Wache« 
(.sy)  bezeichneten  Priesterphylen  benannt  worden,  deren  es  zeitweise,  schon  vor  der  Reform  des 
Ptolemaios  Euergetes'  L,  5  statt  4  gegeben  zu  haben  scheint,  da  im   Alten  Reich  außer  den  4  mit 

den  obigen  Namen  versehenen   Phylen  auch  eine  solche  namens  -j(-  I  vorkommt  (Urk.  I  58. 

Daressy,  Mastaba  de  Mera  555,  wo  die  » Spiegel «-Phyle  nach  Erman's  Kollation      -\i-      -^^  heißt). 

l)  Das  gleiche  freilich  auch  148,  3  bei  der  Frage  »wer  bist  du  denn,  der  da  kommt;1«,  die 
rot  geschrieben  sein  sollte,  aber  schwarz  geschrieben  ist. 

-j    Die   Hs.  C    hat   das   Suffix   1.  sing.,   wie   sie   stets  tut,   durch    |    bezeichnet   (bei    Grapow 

153,  12 — 14    übersehen);    sie  schreibt  also:  (1 1]  I  ?       V*11^3^  ''     ^  uat  es  einmal  in  seiner 

Weise  durch  (I  |  (hinter  dem  (1(1)  bezeichnet,  sonst  aber  hat  er  einfach  nach  alter  Weise  nur  (1(1 
für  diese  Verbindung  des  stammhaften  j  mit  dem  Suffix. 

')    /WWVN    von   Grapow    im  Anschluß    an    Maspero    irrig    ■  gelesen. 

')  Grapow  übersetzt  statt  der  Imperative  »hole  dir«  und  »setze  dir«  (mit  dem  üblichen 
Dativus  ethicus)  hier  und  an  den  ähnlichen  Stellen  der  Abschnitte  6.  12.  14  »ich  bringe  dir«  und 
»ich  setze  dir«.  Die  1.  sing,  wird  aber  in  sämtlichen  Handschriften  unseres  Textes  sonst  regel- 
mäßig bezeichnet  (Ausnahmen  nur  147,1.  153,7.  168.11.  179,9,  an  den  letzten  beiden  Stellen 
in  tw-j  »ich  bin«).  Im  übrigen  würde  aber  auch  eine  solche  Auffassung  an  der  durch  den  Dativ 
»dir«  gegebenen  Sachlage  nichts  ändern.  Dieses  »dir«  zeigt  den  Angeredeten  in  der  Rolle,  die 
nach  der  Anrufung  am  Anfange  des  Abschnittes  eigentlich  der  den  spielen  sollte. 


Hand  •")  J.|  K.  Sethe:    Der  Totenbuchspnicli  fiir  das   Ilerbeibringen  der  Fähre. 


Noch  deutlicher  wird  dies  aber  im  Abschnitt  6.  Dort  lautet  die  Frage 
des  Mi-fri-f,  die  seinen  Einwand  auf  das  Verlangen  des  Toten,  ihm  den  ckn 
aufzuwecken,,  enthält:  »wer  soll  es  (das  Schiff)  dir  denn  mit  mir  zusammen 
bringen?«»  (Var.  »mit  wem  soll  ich  es  dir  bringen?«)1  und  die  Antwort  des 
Toten  »bringe  (oder  hole)  dir  es  (Var.  »du  sollst  es  bringen«)  mir  zusammen 
mit  dem  (ersten)  besten  der  Götter«.  Hier  ist  es  zugleich  klar,  wie  das  Ver- 
langen des  Toten  ursprünglich  gelautet  haben  muß;  nicht  »weck  mir  den  ("Jen 
auf« ,   sondern    » bring  mir  das  Schiff« . 

Im  Einklang  hiermit  wird  auch  nachher  in  demselben  Abschnitt  6  stets 
nur  davon  geredet,  wie  der  Mi-fy-f  das  Schiff  auszustatten  habe.  Vom  ekn 
ist  hier  nirgends  die  Rede. 

Sein  Name  wird  in  dem  uns  beschäftigenden  Teile  II  unseres  Spruches 
eigentlich  überhaupt  nur  in  der  Anrufungsformel  »weck  mir  den  chi  auf« 
genannt2,  und  das  steht,  wie  eben  gezeigt  wurde,  offenbar  erst  sekundär  an 
Stelle  eines  älteren  »bring  mir  dies«.  Die  notwendige  Schlußfolgerung  muß 
dann  aber  sein,  daß  auch  da,  wo  auf  den  ckn  oder  seine  Aufweckung  in  irgend- 
einer Weise  Bezug  genommen  wird,  ohne  daß  er  genannt  wird,  eine  Textänderung 
anzunehmen  ist.     Es  sind  die  folgenden  drei  Stellen : 

Abschnitt  2  (148,  6):  in  der  Antwort  des  Toten  auf  die  Frage,  wer  er  sei:  »ich 
bin  es,   der  seinen  Vater  aufweckt,   wenn  er  schläft«.     Das  wird  ein  Zusatz  sein. 

Abschnitt  3  (149,  11 — 13):  Antwort  auf  die  Frage:  »du  willst  überfahren, 
damit  du  was  thuest?« :  »(damit)  ich  hebe  seinen  Kopf,  ich  erhebe  seine  Stirn, 
er  erläßt  einen  Befehl  an  euch,  ein  Befehl  ist  es,  den  er  an  euch  erlassen 
wird«.  Hier  wird  ursprünglich  statt  des  Pronomen  3.  masc.  sing,  die  1.  Person 
oder  gar  nichts  gestanden  haben.  Ein  »ich  erlasse  einen  Befehl  an  euch«  würde 
auch  wohl  besser  in  den  Zusammenhang  des  Ganzen  passen. 

Abschnitt  4    (151,  2  3):    die    oben    S.  3    erwähnte    Stelle:    »wozu   soll   ich 
dir  denn  den  (Jen  aufwecken?«    —    »damit  er  mir  bringe   ......      Hier  müssen 

Frage  und  Antwort  umgestaltet  sein,  und  das  um  so  gewisser,  als  gerade  hier 
in  dem,  was  folgt,  noch  deutlich  die  ursprüngliche  Rolle  des  Ml-ty-f  durchblickte. 

Was  die  Umwandlung  der  in  diesem  Teile  II  unseres  Totenbuchspruches 
steckenden  Anrufung  des  Fährmanns  Ml-hl-f  verursacht  hat,  ist  klar;  es  muß 
die  Zusammensetzung  mit  dem  Teile  IV  (Abschnitt  11 — 16)  gewesen  sein,  in 
dem  der  ckn  selbst  als  Fährmann  angerufen  wird.  Der  Widerspruch,  daß  einmal 
der  Ml-ht-f.  das  andere  Mal  der  ckn  in  dieser  Rolle  angerufen  war,  sollte  dadurch 
beseitigt  werden,   daß  man  den  Mi-hi-f  zum  Vermittler  des  Geschäftes  machte. 


1)  Grapow  wieder  irrig:  »wer  ist  es,  der  es  dir  mit  mir  zusammen  brachte?«  in  der  Frage 
und  »du  hast  es  mir  gebracht«  in  der  Antwort.  Das  macht  die  ganze  Frage  sinnlos,  die  damit 
ihren  Zweck,  ein  Einwand  zu  sein,  völlig  verfehlt.  Auch  hier  gilt,  was  oben  S.  4  Anm.  4,  gegen 
eine  solche  Deutung  gesagt  wurde.  Das  Suffix  1.  sing,  wäre  hier  gegen  die  allgemeine  Regel  un- 
bezeichnet,  hier  überdies  aber  auch  im  Gegensatz  zu  der  Antwort,  wo  es  richtig  ausgeschrieben  ist. 

2)  Ausnahme  nur  die  gleich  wieder  zu  erwähnende  Stelle  151,2  des  Abschnittes  4. 


K.Skhh::    Der  Totenbuchspruch  für  das  Herbeibringen  der  Fahre.  |~>4.  Hand. 


III  (Abschnitt  7—9). 

Mit  Abschnitt  7  treten  wir  in  den  dritten  Bestandteil  des  Spruches  ein. 
Er  besteht  ans  einer  Reihe  von  H  (eigentlich  4)  Abschnitten1,  die  jeder  wieder 
mit  derselben  stereotypen  Anrufung  des  Ml-hl-f  beginnen,  wie  wir  sie  vorher 
im  Teil  II  vorfanden.  Daß  es  sich  hier  aber  in  Wahrheit  nicht  um  eine  Fort- 
setzung dieses  Teiles  handelt,  sondern  um  einen  neuen  selbständigen  Text,  der 
erst  sekundär  mit  ihm  verbunden  worden  ist,  geht  schon  aus  den  ersten  Fragen, 
die  der  Mf-fri-f  an  den  Toten  richtet,  hervor:  »wer  bist  du  denn,  der  da  kommt?« 
(165,  6)2  und  »wie  welches  Kommen  bist  du  denn  gekommen,  wie  welches 
Heraufsteigen  bist  du  heraufgestiegen?«  (160,  8/9)3.  Das  sind  beides  Fragen, 
die  an  den  Anfang  des  Gespräches  gehören,  nicht  mitten  hineinpassen,  nach- 
dem soundsoviel  andere  Fragen  bereits  gefallen  und  beantwortet  sind,  wie 
das   in  den  Abschnitten   '2 — 6   geschehen  ist1. 

In  der  Tat  ist  die  erste  Frage  (in  der  ersten  Hälfte  des  Abschnitts  8)  »Aver 
bist  du  denn,  der  da  kommt?«  eine  Dublette  der  Frage,  mit  der  in  Abschnitt  2 
das  Gespräch  zwischen  dem  Ml-hl-f  und  dem  Toten  begann  (148,  3).  Ebenso 
ist  auch  die  folgende  Frage  (in  der  zweiten  Hälfte  des  Abschnitts  8,  die,  wie 
gesagt,  einen  neuen  Abschnitt  für  sich  bildete)  »sagst  du,  daß  du  zur  östlichen 
Seite    des    Himmels    überfahren    willst?    du    willst    überfahren,    damit    du    was 

M    Abschnitt  8  besteht  aus  zwei  Abschnitten,  dem  Stück  165,  3 — 14,  schließend  mit 


(s.  u.).  und  einem  zweiten  Stück  165,  14 — 166,7.  beginnend  mit  [Iaww*    ^|  v. ■*  (bei  D         |  *• — ^  . 

Frage   ohne   die   Partikel  in)    und    endigend   mit  []-<2>-  (beiD).  Vor  dem  letzteren  Stück  sind, 


so  möchte  man  annehmen,  die  stereotypen  Anrufungsworte  165,  3—  5  ausgefallen.  .Merkwürdiger- 
weise felden  sie  aber  gleicherweise  in  beiden  Handschriften  des  Mittleren  Reiches  (B  und  D).  da- 
gegen sind  sie  im  Texte  des  Neuen  Reiches  richtig  da.  Dieser  könnte  hier  also  unter  Umständen 
auf  eine  bessere  Version  des  M.-R. -Textes  zurückgehen.  Möglich  wäre  aber  auch,  daß  sich  in 
dem  Fehlen  der  Anrufungsworte  noch  ein  älterer  Zustand  des  Textes  verrate,  der  ursprünglich, 
als  er  noch  selbständig  war,  überhaupt  ohne  jene  Anrufungsformel  bestanden   haben   könnte. 

-)  Diese  Frage  und  ihre  Antwort  (»ich  bin  ein  Zauberer«)  stehen  in  der  IIs.  B  nicht  nur 
hier  in  Abschnitt  8,  sondern  auch  in  Abschnitt  7  (160,  6/7).  Sie  sind  dort  wohl  sicher  inter- 
poliert: denn  daß  sie  in  Abschnitt  8  au  ihrer  richtigen  Stelle  stehen,  ergibt  sich  aus  dein  Vergleich 
mit  Abschnitt  11  und  mit  dem  gleichfalls  nur  in  B  eingeschobenen  Stück  hinter  Abschnitt  3 
(s.  u.  Anm.  4).  Frage  und  Antwort  wären  in  Abschnitt  8  aber  sinnlos,  wenn  sie  schon  vorher 
in    Abschnitt  7   zwischen   den   gleichen  Beteiligten   gefallen   waren. 

:i)  Grapow:  »wie  wer  bist  du  ein  Kommen  gekommen:1  wie  wer  bist  du  ein  Emporsteigen 
emporgestiegen?«.  J\  {] (I  bedeutet  aber  (gegen  Erman,  Ägypt.  Gramm.3  §508)  nicht  »wer?«,  son- 
dern »was?«  und  mit  einein  folgenden  Genitiv  verbunden  (der  Konstruktion  der  neutrischen  Deinon- 
strativa  wie  nU  im   entsprechend)    »welches«,   z.B.  „       \^>  O   »welche    Zeit?«    eigtl.  »welches 


.       T--1    A^/\A^A 


ö 

von   Zeit:'«    iL  »wann.'.«      — «—  [1  (1  ^\V^  ■"^rtV'   »welche  Fähre?«    Pyr.  494  a. 

')    Aus  diesem  Grunde  ist  es  auch   klar,  daß  der  Abschnitt  8,    der  in  der  IIs.  B  hinter  Ab- 
schnitt 3  eingeschoben   ist  (I.Iarliotep   430—433),   dort  nicht  hingehört  und   von   Grapow   mit  Recht 

beanstandet   worden    ist.      Die   stilistischen   Unterschiede  bestätigen  das. 


Band  54. |  K.  Sethe:    Der  Totenbuchspruch  für  das  Herbeihringen  der  Fähre. 


tust?1«  eine  Dublette  der  Frage  in  Abschnitt:)  (149,8  — 10).  Nur  die  Antwort 
ist  in  beiden  Fällen  hier  in  Abschnitt  8  eine  andere  als  dort  in  den  Ab- 
schnitten 2  und  3.  Wir  haben  es  in  unserem  Teile  III  also  wohl  mit  einer 
Parallelversion  zu  tun,  die  ursprünglich  neben  der  Schwesterversion  des  Teiles  II 
gestanden  hatte,  jetzt  aber  hinter  sie  gesetzt  ist,   als  ob   sie  sie  fortsetze. 

Zwischen  diesen  beiden  Parallel  Versionen  lassen  sich  nun  aber  auch  deutliche 
Unterschiede  terminologischer  oder  stilistischer  Art  beobachten.  Für  die  Version 
des  Teiles  III  (Abschnitt  7 — 9)  ist  es  charakteristisch,  daß  sich  der  Tote  auf  die 
Frage,  wer  er  denn  sei,  als  Zauberer  bezeichnet:  »ich  bin  ein"  Zauberer«  (100,  7. 
165,  7)  und  demgemäß  auch    »o  du  Zauberer«  angeredet  wird  (165,  14.  168,  10). 

Sodann  schließt  der  Wortwechsel  zwischen  dem  Toten  und  dem  Ml-lii-f 
im  Teil  III  öfters  mit  einem  Ausruf  des  letzteren  (als  solcher  kenntlich  an  der 
roten  Schrift):  (]  ^  *=*  172,  3  (D).  (|^^<=>  165,  16  (B)  =  \<s>§\  (D)- 
(|-<2>-  hinter  166,  /    (D  nach  Passalacqua"s  Kopie,  fehlt  bei  Grapow).   N<n>-p|| 

vor  150,16  (als  Schluß  des  hier  in  Hs.  B  eingeschobenen  Stückes,  das  eine 
Vorwegnähme  des  Abschnittes  8  bedeutet).  Es  ist  darin  wohl  der  aus  den 
Beischriften  der  Schiffsbilder  des  Alten  Reiches  und  aus  Pyr.  1252  b  I  (1  -cs>- 1=> Y\  I 

bekannte  Anruf  <s>- s=> ^K  ir  tw    »sieh«,    »gib  acht«    (von  "         »sehen«,    eicop^, 
Verbum  I  §  351))  zu  erkennen,   dessen  Pluralform,   mit  demselben  emphatischen 
>  wie  bei  uns,   in  <s>-~~  >  t\    ^/  Pn['  y  jj  r\   )>se^et  m  das  Ei«  Lacau, 

Text,  relig.  17,  23  (angeredet  die  Götterneunheit)  vorzuliegen  scheint.  Hin- 
sichtlich der  Orthographie  sind  die  analogen  Schreibungen  Au  \^\  V  M  \h  u'  *" 
für  das  aus  s?w  tw  »hüte  dich«  hervorgegangene  synonyme  s?w-t  zu  vergleichen3. 
Diese  beiden  Eigentümlichkeiten  kommen  in  den  zu  Teil  II  gehörenden 
Abschnitten  2 — 6   nicht  vor. 


J)  Auch  diese  Frage  ist,  jedoch  ohne  die  Antwort,  in  einer  der  Handschriften  (D)  irrig  ai 
anderer  Stelle  wiederholt  (169,8/9  in  Abschnitt  9).  Das  Fehlen  der  Antwort  und  das,  was  im  Zu 
sammenhange  folgt,  lassen  sie  dort  sinnlos  erscheinen.    —    -)    Grapow:    »der«. 

'')    Die  Abschnitte  7—9  gebrauchen  ferner  gern  die  Einführung  der  Fragen  durch      75     (1 

D  v>    »was    ist    denn  ...?«    (168.  12.   165.14.  in   Hs.  D)  oder  in  anderer  Orthographie  und  mit 
Einschiebung    der   enklitischen    Partikel  t   —JT'  1  \\  ~V\  D  "v\   (165.14.    in    Hs.  C),     I       ^\D  ^ 

(ib..    in  Hs.  B).     In    den    früheren  Abschnitten    kommt    diese    Form    der  Frage  wenigstens    in    der 
ältesten    Fassung,    die    die    Hs.  B    bietet,    nicht    vor.      An    der    Stelle    157.  4    hat   diese   Fassung 

J\    Ijlj  ^jj  *^\     D  Y\  ,  wo  die  jüngere  Fassung  in  D  ein  offenbar  verderbtes     h    j]  \\       D  «sS. 


Aü^, 


die  des  Neuen  Reiches  ein  korrektes      J\  '       \J  v\    hat.      Eine    andere    Gelegenheit,    ein 

»was  ist  das  und  das?«   auszudrücken,   kommt  leider  im  Teil  11  nicht  vor.    An  der  Stelle  158,  13, 

wo   der  N.-R.-Text    eine   solche  Frage   mit  \, ^0  v       pt-*r~f-sj  aufweist    (d.  i.  eine  seltsame 

Schreibung  für  \   £\/\  ,  zu  der  sich  ein  Seitenstück  I    v\  ptj-r-f-sw  in  den 

Glossen    des   Kap.  17,    Z.  83  und  94   der   NAViLT.K.'schen  Ausgabe,    in    der    Handschrift  Pc   findet), 
hat  der  M.-R.-Text  einen  ganz  anderen  Wortlaut. 


8  K.  Sk  rm: :    Der  Totenbuchspruch  für  das  Herbeibringen  der  Fähre.  [54.  Band. 


Inhaltlich  unterscheidet  sich  der  die  Abschnitte  7 — 9  umfassende  Teil  III 
unseres  Textes  vom  vorhergehenden  Teile  II  aber  darin,  daß  er  sich  gar  nicht 
mit  der  Zusammensetzung  des  Schiffes  beschäftigt  (dies  folgt  erst  in  Teil  IV), 
sondern  nur  nach  dem  Toten  fragt,  wer  er  sei,  wie  er  zum  Himmel  gekommen 
sei,  ob  er  satt  («voll«)  und  wohl  versehen  sei,  ob  er  im  vollen  Besitze  seiner 
»beiden  Glieder«  (Arm  und  Bein)  sei,  was  er  getan  habe,  ob  er  seinen  Weg 
kenne,  wer  ihn  fuhren  werde,  wer  seinen  Namen  »diesem  herrlichen  Gotte« 
(d.  i.  wohl  dem  Osiris)  sagen  werde  und  dergleichen,  also  lauter  Fragen,  die 
mit  der  Überfahrt  im  Schiffe  nichts  zu  tun  haben,  und  die  ebensogut  jedes 
andere  Wesen,  dem  der  Tote  begegnet,  an  ihn  richten  könnte,  als  gerade  der 
Fährmann.  Diese  Fassung  des  Teiles  III  paßt  daher  zu  der  Rolle  des  Mittels- 
mannes, der  den  eigentlichen  Fährmann  ekn  erst  aufwecken  soll,  wie  sie  dem 
angerufenen  J//-A/-/  in  der  Redaktion  unseres  Totenbuchtextes  an  Stelle  seines 
eigentlichen  Berufes  als  Fährmann  zugewiesen  ist,  weit  besser,  als  es  bei  dem  Arorher- 
gehenden  Teil  II  der  Fall  war,  bei  dem  dieser  sein  älterer  Beruf  noch  allerwärts  un- 
verhüllt durchblickte.  Es  wäre  denkbar,  daß  liier  im  Teile  III  die  Vermittlerrolle 
der  angeredeten  Person  ursprünglich  oder  älter  gewesen  sei,  und  daß  hier  vielmehr 
der  Name  des  Mi-lii-f  dafür  aus  dem  vorhergehenden  Teile  II  geborgt  gewesen  sei, 
während  dort  bei  Teil  II  das  Umgekehrte  der  Fall  war.  In  diesem  Falle  müßte 
der  Teil  III  mit  dem  Teile  IV  bereits  vor  der  Zusammenstellung  des  ganzen  Spruches 
in  der  Weise,  wie  er  es  jetzt  tut,  durch  Abschnitt  10  (s.  u.)  verbunden  ge- 
wesen sein. 

IV  (Abschnitt  11-16). 

Dieser  vierte  und  letzte  Teil  des  Spruches  enthält  Anrufungen  an  den 
vorher  immer  in  3.  Person  genannten  chi,  in  denen  dieser  nunmehr  selbst  vom 
Toten  aufgefordert  wird,  ihm  das  Schiff  oder,  wie  es  hier  in  Übereinstimmung 
mit  dem  uns  im  Teile  I  (Abschnitt  1)  entgegentretenden  alten  Brauche  der 
Pyramidentexte  heißt,    »dies«    zu  bringen. 

Verbunden  ist  dieser  Teil  IV  mit  dem  vorhergehenden  Teile  III  durch  den 
überleitenden  Abschnitt  10,  in  dem  zunächst  noch  die  Person,  die  den  chn 
aufwecken  soll,  ganz  wie  zuvor  angerufen  wird,  diesmal  aber  mit  dem  Einwände 
antwortet,  der  chi  wolle  nicht  aufwachen.  Darauf  heißt  sie  der  Tote  einen 
Zauberspruch,  der  allerlei  Drohungen  enthält,  hersagen.  Das  hat  denn  auch 
die  erwünschte  Wirkung.  Unwillig  fährt  der  chi  aus  dem  Schlafe  auf  und 
fragt:    »was  ist  das?  ich    bin1  doch  beim   Schlafen.« 

Nun  kann  der  Tote  den  cht  selbst  auffordern,  ihm  das  Schill"  zu  bringen. 
Das  geschieht  in  den  Abschnitten  11 — 16  in  einer  Form,  die  völlig  den  vorher- 
gegangenen Anrufungen  des  Ml-hl-f  entspricht:  »c/pi  bring  mir  dies,  so  wahr 
du  mit  Leben  versehen  sein  willst,   siehe,  ich  komme.« 


')    wnn-j  gewiß  nicht  die  s'dm-n-f-F onn,  wie  Grapow  denkt,  sondern  die  emphatische  Form 
des  sdm-f,  die  gerade  als  Hilfsverbum  so  häufig  ist 


Band  ')4.|  R.  Sethe:    Der  Totenbuchspruch  für  das  Herbeibringen  der  Fähre.  i) 

Es  ist  klar,  daß,  wenn  Teil  III  von  Haus  aus  oder  jedenfalls  schon  vor 
der  Komposition  des  ganzen  Totenbuchspruches  mit  Teil  IV  zusammengehangen 
haben  soll,  wie  das  oben  als  möglich  ausgesprochen  wurde,  dies  nicht  ohne 
diesen  überleitenden  Abschnitt  10  der  Fall  gewesen  sein  kann.  Anderseits 
wird  dieser  Abschnitt  10,  wenn  Teil  III  etwa  ebenso  selbständiger  Entstehung 
gewesen  sein  sollte  wie  Teil  IL  die  nachträgliche  Zutat  des  Redaktors  sein 
müssen,  der  dem  Totenbuchspruch  die  Gestalt  gab,  in  der  er  jetzt  vor  uns 
liegt,   oder  jedenfalls  Teil  III  und  Teil  IV  zusammensetzte. 

Für  einen  ursprünglichen  oder  jedenfalls  älteren  Zusammenhang  der  Teile 
III  und  IV  spricht  nun  in  der  Tat  manches.  Was  oben  als  stilistisch-termino- 
logische Eigentümlichkeit  des  Teiles  III  festgestellt  wurde,  kehrt  auch  im  Teile  IV 
wieder.  Auch  hier  wird  der  Tote  fortwährend  in  gleicher  Weise  als  «Zauberer« 
bezeichnet  (171,  12.   172,  13.  173,  10.  174,  9.  175,  14.  177.  7.  14.  178,  7),  und 

die  eigentümliche  Form  des  Fragesatzes  ~7r"[)(]  d"y\  (D)  oder  B«  "k^O  y  (B) 
ist  auch  hier  mehrmals  zu  belegen  (173,  13.  174,  3.  177,  6.  13).  Dagegen 
findet  sich  der  Anruf  jp  *  hier   nur   einmal    in  Hs.  D  am  Ende  des  Ab- 

schnittes 11,  der  eine  einfache  wörtliche  Wiederholung  von  Abschnitt  8  ist 
und  sich  durch  das  Fehlen  der  für  den  Teil  IV  charakteristischen  Besonderheit, 
von  der  sogleich  die  Rede  sein  soll,  von  den  Abschnitten  12 — 16  stark  abhebt. 
(Zu  Abschnitt  15   s.  u.) 

Diese  Besonderheit,  die  den  Teil  IV  sowohl  von  Teil  II  wie  von  Teil  III 
unterscheidet,  liegt  in  der  Formulierung  des  Einwands,  mit  dem  der  angerufene 
rhi  dem  Toten  begegnet.     Er  ist  jedesmal  ebenso  stereotyp  gefaßt,  wie  diese 

Anrufung  selbst  und  lautet  in  der  älteren  Hs.  B  stets  so :  (1 /vww  ()  ^(1  ^   {  0  y  ®  t\ 

in  iw-j  tr  shm-kwj  m  tm  in  n-k  hkf-j  pw  dp-t  tn  pw  n  wn-t -s   »vermag 

ich  denn  (nicht),   (es)  dir  nicht  zu  bringen,   o  Zauberer?     Es  ist  (der  Fall),  daß 

dieses   Schiff   keine hat.«      Die   Frage,   die   hier   der  Angeredete   stellt, 

ist  offenbar  eine  höfliche  Form  der  Ablehnung  der  Bitte:  sie  hat  den  Sinn:  du 
mußt  mir  erlauben,  das  Schiff  nicht  zu  bringen3.    Wir  müssen  im  Deutschen  in 

]j    D.  (I  v\  [I       ohne  die  Fragepartikel  (1  ww\*  ,  die  in  dieser  Handschrift  auch  sonst  öfter  fehlt. 


B)    Var.^^H    und  ^s  . 

3)    Der  Satz  scheint  in  der  Hs.  I)  schon  nicht  mehr  verstanden  worden  zu  sein;  sie  schreibt 
^as  tm  n        ^,  (I I  >  als  ob  es  der  Name  des  Gottes  Atum  oder  die  1 .  sing,  des  sdm-f  sei,  während 

ohne  Zweifel  der  Infinitiv  vorliegt  (abhängig  von  m,  das  das  Objekt  von  shm  »vermögen«  anzu- 
knüpfen ptlegt,  und  zwar  das  substantivische  wie  das  infinitivische).  —  Das  Fehlen  des  selbst- 
verständlichen  pronominalen  Objekts  (es)  bei     J]      ist  echt  ägyptisch,  vgl.  nur  aus  unserem  Texte: 

»kennst  du  die  beiden  Städte?«  »ich  kenne  (sie)«  177,  10 — 12,  sowie  Sethe-Partscii,  Demot.  Bürg- 
schaftsurkunden, Urk.  7,  §  19:  auch  im  Koptischen  ist  noch  dieselbe  Eigentümlichkeit  zu  beobachten. 

Zeitschr.  f.  Ägypt.  Spr.,  54.  Band.  2 


10  K.  Sethe:    Der  Totehbuchspruch  für  das  Herbei  bringen  der  Fähre.  [54.  Hand. 


dem  Fragesatz,  der  die  Antwort  »ja«  erwartet,  ein  »nicht«  einschieben  (wenigstens 
wenn  wir  die  Partikel  ir  mit  »denn«  übersetzen  wollen).  Der  zweite  Satz,  ein 
mit  pic  »c'est  que«  gebildeter  Nominalsatz  (Identitätssatz),  dessen  Prädikat  ein 
ganzer  Satz  ist1,  gibt  die  Begründung  für  die  Weigerung.  Grapows  Übersetzung 
»Besitze  ich  es  vollständig?  Was  ich  dir  bringe,  das  ist  dieses  Schiff«  ist 
grammatisch  unmöglich2  und  verfehlt  den  Sinn,  der  doch  gerade  eben  darauf 
hinausläuft,   daß  das  Schiff  nicht  gebracht   werden  kann  oder  soll. 

In  der  Aufzählung  dessen,  was  dem  Schiffe  fehle,  durch  den  ckn,  und  in 
den  Anweisungen,  die  ihm  daraufhin  der  Tote  für  den  Ersatz  der  fehlenden 
Teile  gibt,  berührt  sich  der  Text  liier  eng  mit  dem  Teile  II,  der,  wie  das  oben 
ausgeführt  wurde,  aus  einer  selbständigen  Parallelquelle  von  Teil  III  geflossen 
sein  muß.    Hinsichtlich  der  äußeren  stilistischen  Gestaltung  des  Textes  zeigt  sich 

eine  auffällige  Übereinstimmung;  beiderseits  werden  dieselben  mit  ^-r^rfzkl  •  •  •  •   I 

»ihr  ....   ist  nicht  da«   gebildeten  Einwände  (vgl.  172,  15.   173,  14  ff.   175,  16 

qrj   A/v\A^  /www  r\    &. 

J]  »hol  dir«    und  A o  I   v\ 

/VWSAA     V^.^vO  V ^0     T      —11. 

(bzw.    I)  (j  1\     I    »setz    dir    es    hinein«    gebildeten  Anweisungen    gebraucht  (vgl. 

175,17—176,2.  172,16 —173,1  mit  154,9/10.  155,12.  156,6.12).  Inhalt- 
lich ergänzen  sich  dagegen  Teil  II  und  Teil  IV;  was  hier  dem  Schiffe  fehlen 
soll  und  was  als  Ersatz  dafür  vorgeschlagen  wird,  ist  nicht  dasselbe  wie.  dort. 
Während  es  sich  im  Teile  II  mehr  um  den  Bau  des  eigentlichen  Schiffes  zu 
handeln  scheint,  scheint  hier  nur  von  den  Geräten  die  Rede  zu  sein,  die  man 
zum  Regieren  des  Schiffes  beim  Segeln  und  beim  Landen  gebraucht.  In  dem 
einzigen  Falle,  wo  ein  und  dasselbe  Ding  in  jedem  von  den  beiden  Textteilen 
zum  Ersatz  für  einen  anderen  Schiffsteil  bzw.  ein  anderes  Schiffsgerät  vorgeschlagen 
erscheint  (»die  Schlange  in  der  Hand  des  Hmn«  176,1  und  156,12)  und  wo 
also  ein  direkter  Widerspruch  zwischen  beiden  Textteilen  oder  doch  eine  ihre 
Zusammengehörigkeit  ausschließende  Parallelität  vorzuliegen  scheint,  beruht  die 
Nennung  des  betreffenden  Ersatzdinges  an  der  zweiten  Stelle  (176.  1)  erst  auf 
sekundärer  Interpolation :  der  Name  des  Hm//  erscheint  hier  erst  in  der  jüngeren 
Hs.  D  eingefügt. 


1)    Vgl.  meinen  Nominalsatz  §  102  ff.    Das  Demonstrativ  in  dp-t  tn  »dieses  Schiff«  duldet  keine 
andere  Erklärung.     Diese  Worte  sollten  eigentlich  den  Genitivausdruck  eines  Satzes  ^-fW^S^  x- 


»es  ist  niclit  da  das  x.  dieses  Schiffes«,  d.  i.  »dieses  Schiff  hat  kein  x.«   (ÄZ.  50,  111) 

U      Ol  AA/WVA 

und  dieser  Satz  selbst  das  Prädikat  des  ganzen  Identitätssatzes  bilden:  sie  sind  aber  hervorgehoben 
und  gehen  daher  dem  Q  v\  voraus,  das  nach  den  alten  Wortstellungsgesetzen  notwendig  an  die 
zweite  Stelle  des  ganzen  Identitätssatzes  hinter  den  ersten  selbständigen  Betonungskomplex  gehörte. 

2)    »Besitze   ich  es  vollständig«   müßte  doch  heißen:    \\  ^^  f\  %>  j\    ^    {  0  6  ®  t\    ^"^  h 
(j  ^  'v^  M.    Jll]  'n   'lu'-J  tr  shm-kii:j  im-s  tm-tj;   »was  ich  dir  bringe«   aber    J\  /VWVVA  (1 


AVWVN     f.    /WWVA 


Band  ">4.|  K.  Skthk:    Der  Totenbuchspruch  für  das  Eierbeibringen  der  Fähre. 


Unter  diesen  Urnständen  wäre  es  schließlich  nicht  ganz  unmöglich,  daß 
die  stilistisch  übereinstimmenden  und  sich  inhaltlich  gewissermaßen  ergänzenden 
Partien  der  Schiffsbeschreibung  in  den  Teilen  II  und  IV  unseres  Spruches  letzten 
Endes  Trümmer  eines  und  desselben  größeren  alten  Textes  gewesen  seien,  die 
auf  Umwegen  in  unserem  Spruche  wieder  zusammengekommen  sein  würden, 
nachdem  sie  zuvor  getrennt,  in  verschiedenen  Zusammenhang  gesetzt,  weiter 
überliefert  worden  waren.  In  diesem  Falle  würde  aber  der  Teil  III,  der  sich 
so  scharf  vom  Teile  II  schied  und  als  Parallelversion  dazu  herausstellte,  und 
ebenso  die  Worte  des  chi,  die  seine  höfliche  Weigerung  enthalten  und  in  denen 
er  den  Toten  als  Zauberer  anredet,  erst  sekundär  nach  der  Trennung  von  Teil  II 
und  Teil  IV  an  den  Teil  IV  herangetreten  sein. 

Eine  besondere  Bewandtnis  hat  es  noch  mit  dem  Abschnitt  15,  dem  allein 
unter  den  Abschnitten  des  Teiles  IV  (abgesehen  von  dem  oben  besprochenen 
besonderen  Falle  des  Abschnittes  11)  die  für  diesen  charakteristische  Einwands- 
frage  (S.  9)  fehlt.  Dieser  Abschnitt  15  lautet  so:  »cht,  bring  mir  dies,  so  wahr 
du  mit  Leben  versehen  sein  willst,  siehe,  ich  komme.«  —  »Welches  sind  denn 
jene  beiden  Städte,  o  Zauberer?«  —  »Es  sind  die  lh-t  (Horizont)  und  die 
ssmt-t,  so  wähne  ich.«  —  »Du  kennst  jene  beiden  Städte,  o  Zauberer?« 
»Ich  kenne  (sie)«.  —  »Welches  sind  denn  jene  beiden  Städte,  o  Zauberer?«  — 
»Es  sind  die  dwl-t  und  das  Binsenfeld.« 

Hier  nimmt  die  erste  Frage  des  (Ten,  die  auf  die  stereotype  Anrufung  folgt, 
anstatt  wie  sonst  stets  einen  Einwand  zu  enthalten,  auf  den  Schluß  des  vor- 
hergehenden Abschnittes  14  Bezug,  wo  von  »den  beiden  Seen  zwischen  jenen 
beiden  Städten«  die  Rede  war.  Das  ist  schon  sehr  auffallend;  eine  solche  Be- 
zugnahme auf  das  Vorhergehende  findet  sich  sonst  nie,  vielmehr  hebt  in  je- 
dem Abschnitt,  wie  das  ja  auch  der  jedesmaligen  Wiederholung  der  stereotypen 
Anrufungsformel  entspricht,   das  Gespräch  wieder  von  neuem  an. 

Der  ganze  Abschnitt  15  liegt  uns  nun  aber  überhaupt  nur  in  der  alten 
Hs.  B  vor.  Die  Hs.  D,  die  einzige,  die  wir  daneben  für  diesen  Teil  unseres 
Spruches  noch  besitzen,  bietet  davon  nur  die  Schlußsätze:  »Welches  sind  denn 
jene  beiden  Städte?«  »Es  sind  die  dwl-t  und  das  Binsenfeld«.     Und  zwar 

bilden  diese  Sätze  dort  einfach  den  Schluß  des  Abschnittes  14,  indem  sie  sich 
ganz  sinngemäß  an  den  dort  vorkommenden  Satz,  der  »jene  beiden  Städte« 
nannte  (176,  7 — 10),  anschließen. 

Dort  (in  D)  ist  der  Text  also  offenbar  in  Ordnung;  in  B,  das  sich  hier 
trotz  seines  höheren  Alters  einmal  als  minder  gut  erweist  als  D,  ist  er  er- 
weitert. Und  diese  Erweiterung  ist  recht  durchsichtiger  Natur.  Die  ersten 
Sätze,  die  in  Abschnitt  15  auf  die  Anrufung  des  chi  folgen  (»welches  sind  denn 
jene  beiden  Städte,  o  Zauberer?«  —  »es  sind  die  th-t  und  die  ssmt-t«)  sind 
nämlich  eine  einfache  Dublette  des  eben  zitierten  Wortwechsels,  der  in  B  den 
Schluß  des  Abschnittes  15,  in  D  den  Schluß  des  Abschnittes  14  bildet  (»welches 
sind   denn  jene    beiden  Städte,    o  Zauberer?«    —    »es    sind   die  dwl-t  und  das 


12  K.  Sit mi::    Der  Totenbuchspruch   für  das  Herbeibringen  der  Fähre.  [54.  Band. 

Binsenfeld«).  Die  Frage  ist  beidemal  die  gleiche,  die  Antwort  eine  andere; 
es  liegen  also  wieder  einmal  zwei  Parallelversionen  vor,  die  durch  den  Redaktor 
des  Spruches  hintereinander  gesetzt  worden  sind,  als  ob  sie  sich  fortsetzten, 
gerade  wie  das  oben  bei  den  Teilen  II  und  III  unseres  Spruches  zu  beob- 
achten war. 

Beide  Versionen  hintereinander  in  einem  und  demselben  Gespräch  (Ab- 
schnitt) sind  eigentlich  geradezu  widersinnig.  Der  Tote  kann  doch  vernünftiger- 
weise dieselbe  Frage  nicht  einmal  so,  gleich  darauf  aber  so  beantworten.  Diesen 
Widerspruch  auszugleichen,  war  augenscheinlich  der  Zweck  der  Sätze,  die 
zwischen  die  beiden  Dubletten  eingeschoben  sind.  Der  erste  j)  J  &  v&  h  0 <===> 
»so  wähne  ich1«  läßt  einen  Zweifel  des  Antwortenden  über  die  Richtigkeit  seiner 
Antwort  erkennen  und  gibt  dem  Fragenden  Anlaß,  die  fast  drohend  klingende 
Zwischenfrage  zu  stellen:  »du  kennst  (doch)  jene  beiden  Städte?«.  Darauf  die 
Antwort:  »ich  kenne  (sie)«  und  dann  die  Wiederholung  der  Frage  »welches 
sind  denn  jene  beiden  Städte?«,  worauf  nun  die  endgültige  richtige  Antwort 
erfolgt,   wie  sie  in  D  allein  am  Ende  des  Abschnittes  14  gegeben  ist. 

Mit  Abschnitt  16  endigt  unser  Text  in  beiden  Handschriften  ohne  rechten 
Abschluß.  Der  clpn  hat  ein  Bedenken  geäußert,  den  Toten  als  Mann,  der  seine 
Finger  nicht  zählen  könne,  überzusetzen ;  darauf  versichert  der  Tote,  er  könne 
sie  zählen,  und  führt  das,  wie  ich  unten  in  einem  besonderen  Aufsatz  zeis'e, 
auch  aus".  Man  erwartet  nun  irgendeine  Erklärung  des  cfrn,  daß  er  zur  Über- 
fahrt bereit  sei,  aber  nichts  dergleichen  steht  da.  Dabei  bricht  der  Text  in 
beiden  Handschriften  nicht  etwa  aus  Raummangel  mit  dem  Ende  der  Schrift- 
fläche ab,  wie  das  bei  Totb.  Kap.  17  so  oft  der  Fall  ist,  sondern  es  folgt  auf 
den  Schluß  unseres  Textes  sogleich  ein  anderer  Text,  in  B  sogar  in  der  näm- 
lichen Zeile  nach  vorhergehendem  Schlußstrich.  Man  sieht  daraus,  daß  unserem 
Texte  hier  nichts  fehlt.  Als  natürlicher  Abschluß  des  Gespräches  wird  wohl 
die  Handlung  des  Fährmannes,  der  nun  nach  Widerlegung  seines  letzten  Ein- 
wandes  sein  Schiff  herbeibringt,   gedacht  sein. 

Ergebnis. 

Als  sicheres  Ergebnis  der  vorstehenden  Untersuchung  darf  wohl  betrachtet 
werden,  daß  der  uns  beschäftigende  Totenbuchspruch  aus  den  folgenden  4  Be- 
standteilen zusammengesetzt  ist: 

')  Daß  »wähnen«  die  Bedeutung  des  Verbums  ib  ist,  geht  aus  der  Stelle  in  der  Geschichte 
des  Schiffbrüchigen  deutlich  hervor:  »ich  wähnte,  es  sei  die  Brandung  des  Meeres«  (in  Wahrheit 
war  es  die  Schlange,  die  durch  die  Bäume  brach),  vgl.  Vogelsang,  Komm,  zur  Bauerngeschichfe  S.  227. 

2)  Es  ist  möglich,  daß  dieses  Textstück,  dem  in  I)  die  übliche  Abschnittseinleitung  fehlt  (sowohl 
die  den  Teilen  II— IV  gemeinsame  Anrufung  des  (Ten  als  die  für  Teil  IV  charakteristische  höfliche 
Ablehnung  in  Gestalt  der  auf  S.  9  besprochenen  Frage),  ursprünglich  auch  selbständig  bestanden 
hat  und  erst  sekundär  in  den  Teil  IV  hineingekommen  ist,  also  gewissermaßen  einen  Teil  V  dar- 
stellt.    Siehe  hierzu  (hu  erwähnten  Aufsatz. 


Band  ")4.]  K.  Sethb:    Der  Totenbuchspruch  für  das  Herbeiln-ingen  der  Fähre.  1  H 


I.  einer  kurzen  Anrufung  des  Fährmannes  zum  Überholen  ohne  Nennung 
seines  Namens,   die  aus  den  Pyramidentexten  stammt  (Abschnitt  1); 

II.  einer  ähnlichen  längeren,  in  Abschnitte  (2 — 6)  gegliederten  Anrufung 
an  den  Ilimmelsfahrmann  Mf-hf-f  (»der  sich  umsieht«),  der  ursprünglich 
ebenfalls  dem  Toten  sein  Schiff  bringen  sollte,  allerlei  Fragen  an  ihn  stellte 
und  die  mangelhafte  Beschaffenheit  seines  Schiffes  als  Einwand  vorbrachte,  um 
nicht  zu  fahren,  jetzt  aber  nach  dem  Muster  von  III  nur  noch  aufgefordert 
wird,   den   in  IV  auftretenden  Fährmann  chi  aufzuwecken; 

III.  einem  Text  (Abschnitt  7 — 9),  der  ein  ähnliches  Zwiegespräch  zwischen 
dem  als  Zauberer  bezeichneten  Toten  und  einem  Wesen,  dem  er  bei  seiner 
Ankunft  im  Himmel  begegnete,  enthält.  Der  Angeredete  ist  jetzt  nach  dem 
Muster  von  II  Ml-fyi-f  genannt,  obwohl  er  nicht  selbst  das  Amt  des  Fährmannes 
versieht,  sondern  diesen,   den  in  IV  genannten  ckn,  nur  aufwecken  soll; 

IV.  einer  in  Abschnitte  (11  — 16)  gegliederten  Anrufung  des  ckn  genannten 
Himmelsfährmannes,  ähnlicher  Art  wie  II  und  anscheinend  verwandte  Textele- 
mente enthaltend.  Der  Text,  der  sich  durch  eine  besonders  formulierte  höf- 
liche Weigerung,  den  Toten  zu  fahren,  von  II  unterscheidet,  bezeichnet  den 
Toten  als  Zauberer  wie  in  III,  vielleicht  nach  dessen  Muster.  Er  ist  mit  III 
durch  eine  sinngemäße  Überleitung  verbunden  (Abschnitt  10),  die  vielleicht  älter 
als  die  Zusammensetzung  mit  I  und  II  sein  könnte. 

Der  Endredaktion,  die  das  Stück  II  mit  den  Stücken  III  und  IV  zu  dem 
jetzt  vorliegenden  Gesamtspruch  vereinigte  und  jedenfalls  auch  die  erwähnten 
Ausgleichungen  zwischen  II  und  III  vornahm,  wird  vermutlich  die  uniforme 
Gestaltung  der  Anrufung  mit  ihrer  Bittbeschwörung  in  allen  Sprüchen  von  2 — 16: 
»N.  N.,  tu  mir  das  und  das,  wenn  du  mit  Leben  versehen  sein  willst.  Siehe, 
ich  komme«  angehören.  Diese  Form  der  Anrufung  mag  trotzdem  schon  vor- 
her einem  der  Teilstücke  angehört  haben,  dem  sie  entnommen  wurde.  Ihr 
unregelmäßiges  Fehlen  vor  der  2.  Hälfte  des  Abschnittes  8  (S.  6  Anm.  1)  scheint 
dafür  zu  sprechen,   daß  das  jedenfalls  nicht  Teil  III  gewesen  ist. 

Der  mutmaßliche  Stammbaum  der  Stücke  wird  sich  auf  Grund  des  eben 
Gesagten  etwa  so  darstellen: 

ii  +  rv(?)  m 

>v 

\ 

in  +  IV 

1  +  II  +  III  +  IV 

Anhang. 

Den  vorstehenden  Auseinandersetzungen  seien  im  folgenden  noch  einige 
Bemerkungen  angefügt,  welche  die  Erklärung  einzelner  Punkte  des  Textes  be- 
treffen und  oben  im  Gange  der  Untersuchung  keinen  Platz  finden  konnten. 


14  I\.  Si  im;:    Der  Totenbuchspruch  für  das  Herbeibringen  der  Fähre.  [54.  Band. 


151,17.         =>'^\(|0ci  \\Jj\    (B)  —   nebenbei    eine    Übergangsschreibung   von 

altem  <  >^o  zu  jüngerem  ^(jfjo  (so  C,  D)wie^^(j(jv  O^ll  U' *' ~~ 
kann  nicht  mit  dem  folgenden  Namen  des  Horus  verbunden  werden,  wie  Grapow 
wollte  (»Statue  des  Horus«),  da  das  Wort  immer  nur  die  weibliche  Statue  be- 
zeichnet. Es  wird  der  Name  der  Göttin  sein,  die  griechisch  Tplcpig  heißt.  Der 
Name  des  Horus  wird  zum  folgenden  Satz  gehören  und  dem  »Auge  des  Horus« 
parallel  sein  (Subjekt  eines  nominalen  Nominalsatzes,  in  dem  das  aktive  Partizip 
das  Prädikat  ist). 

156,2/3.    Die  Worte  M^llJfin1-    WSOfS°  ^  sin" 


gewiß  nicht  mit  Grapow  zu  übersetzen:  »mit  was  ist  es  (ausgerüstet)?«  —  »es 
ist  (ausgerüstet)  mit  den  Flügeln  des  #-w/-Tieres«,  sondern:  »womit  geschieht 
es? «  -  » es  geschieht  mit  den  Flügeln  des  tt-mr-wj-TieTes. «  Das  bezieht  sich  nämlich 
auf  das  unmittelbar  vorhergehende  »das  tl-mr-wj-Tier  ist  in  sein  (des  Schiffes) 
Vorderteil  gesetzt,  es  (dieses  Tier)  führt  es  (das  Schiff)  zu  dem  Orte,  wo  du 
bist«.  Die  obengenannte  Frage,  die  sich  daran  anschließt,  will  wissen,  wie  dies 
geschieht:  die  Antwort  lautet:  mit  seinen  Flügeln.  Das  II  von  /w-.s  ist  also  wie 
so  oft  (z.  B.  im  Koptischen  eic)  unpersönlich  zu  fassen.  Genau  ebenso  ist  auch 
im  N.-R.-Text  das  entsprechende  (j  ^ !)  ^  ^J)  JJ_^|j)  Ij  ^^^^^"  1^^' 
zu  übersetzen,  ob  das  Suffix  in  der  Frage  nun  nur  versehentlich  fehlt  oder  ob 
das  unpersönliche  suffixlose  h%\  beabsichtigt  ist.  Grapow's  Wiedergabe  an 
dieser  Stelle  »ich  bin  mit  was?«  —  »es  ist  der  Flügel  des  .  .  .  .«  hat  offenbar 
das  h  von  h*    >  verkannt  und  gibt  keinen  Sinn. 

157,3/4.  Das  llJZt^^'  das  ^kapow  Schwierigkeit  machte,  ist  doch 
wohl  einfach  »dieses  alles«  und  bezeichnet  wie  später  in  den  Sonnenhymnen 
sein  Synonym  1 .1  <==> <0>  ^    3  «die  ganze  Schöpfung«. 

161,3.     In  dem   Satze  [1  &  Js% "=^^  |  f^PXP  ™  "^P™^ 

liegt  wohl  ein  Gegenstück  zu  den  Sätzen  mit  f  "  und  dem  Pseudopartizip 
vor.  Mr  »die  Nacht  verbringen«  dient  hier  als  Hilfsverbum ;  es  wird  zu  über- 
setzen sein:  »in  der  Nacht  wurden  ihre  Rinder  geschlachtet,  ihre  Gänse  erwürgt« 
(eigtl.  »ihre  Rinder  brachten  die  Nacht  zu,  geschlachtet«  usw.).  Grapow's  Über- 
setzung  »ich  habe gemacht  (irfr)«  ignoriert  zwei  Tatsachen,  nämlich  daß 

Sdr  sonst  ein  intransitives  Verbum  ist  und  daß  das  Suffix  1.  sing,  in  unserem 
Texte  sonst  bezeichnet  zu   werden  pflegt. 

161,  17.  In  der  Hs.  D  sind  die  Worte  f  "J™^1k1^^  ^  dUFCh 
rote  Schrift  als  Worte  (Zwischenfrage?)   des  angeredeten  Ml-ht-f  charakterisiert. 


')    Es  folgt  das  oben  S.  1   erwähnte  firj\  *]]&,■ 


Band  54.]  K.  Sethe:    Der  Totenbuchspruch  für  das  Herbeibringen  der  Fähre.  1  •> 


Sie   gehören   also    auch   nicht   mit   dem   vorhergehenden  ^K\         — <?    I  »sie 

mähen«  zusammen,  sondern  bilden  wohl  einen  selbständigen  Satz:  »ihr  Spelt 
war  fomwt-t.«  Das  Wort  ktm-wt-t,  für  das  Grapow  eine  Parallele  aus  dem 
»Amduat«  beibringt,  wo  es,  mit  ^  determiniert,  dem  npr  »Korn«  gegenüber- 
steht, wird  wohl  ein  Seitenstück  zu  «^  v^  JL,  (1  v\  JL,  '  <v  y  ILk 
sein:  wie  diese  Ausdrücke  wird  es  eine  göttliche  Personifikation,  etwa  des  Ernte- 
segens, bezeichnen,  das  personifizierte  kirn,  wie  Rnn-wt-t  das  personifizierte  rnn 
»Nahrung«  ist.  Ob  von  k!m  »Garten«  (^wm)?  Das  bei  B  darauffolgende  ^  ^z^> 
wird  durch  das,  übrigens  schwarz  geschriebene,  also  wieder  die  Rede  des  Toten 
aufnehmende  ^^^  bei  D  als   »du  entfernst«    erwiesen. 

166,6.    (l-o=-(l (1  (I  /wws^*^-  <g\  ( )  kann  doch  nur  »ich  bereite  euch  ein 

1  /www  ^  —         rr\^>  |     |     | 

Mahl«  bedeuten;  nicht  »mir  wird  von  euch  ein  Mahl  bereitet«  (Grapow);  das 
»endungslose«  Passiv  lautet  ja  <e>- v\  und  die  Präposition  (j/vwwv  wird  in  geschieht- 

f\      f  /wwv\  1 

licher  Zeit  nicht  mehr  mit  Suffixen  verbunden.     Die  Variante  in  D  -ca>-  (I I 
»ich  bereite  dir«,   die  das  »euch«  durch  »dir«   ersetzt  hat,  bestätigt  meine  Auf- 
fassung.   Auch  an  der  Parallelstelle  162,  9  ist  die  angeredete  Person  (J//-A/-/),  nicht 
der  Tote,  der  Empfänger  des  Mahles.  Zur  Schreibung  von  frj-jvgl.  ob.  S.  4  Anm.  2. 

168,16.  ^^ ^^ U£7  y£7 c±  Jn  nicht  »der  Königszwillingssohn«  (Grapow), 
sondern  »das  Königskinderpaar«,  d.  i.  Schu  und  Tefnut,  zu  lesen  st-tj  bjtj,  wie  in 
der  Var.  bei  D  5>=  Jgfo  :  vgl.  meine  Bemerkungen  bei  Steindorff,  Grabfunde  II  18, 
Anm.  2.  Daß  der  dualische  Ausdruck  für  das  Paar  hier  in  der  älteren  Fassung 
von  B  als  mask.  Singularis  behandelt  ist  (R^^l\  c  ^  »es  führt«),  hat  sein  Gegen- 
stück  in  Totb.  17,   Abschnitt   14   (Urk.  V  28,1/2),   wo  man   liest:    »^\V<^ 

D^il^lll i  Ä ^klX*-  "daS  ist  die  »Mg«M^W  -üe 

beiden  Türflügel),  durch  die  mein  Vater  Atum  ging«  und  vor  allem  in  der  Be- 
handlung des  ganz  gleichartigen  Ausdrucks  für  dasselbe  Götterpaar  Schu  und 
Tefnut  Rw-tj  »das  Löwenpaar«,  ebenda  Abschnitt  33  (Urk.  V  86,  3) :  AAAW  ©%^ 
Jl — i^^*  os^,  jl^rVf  "wie  gegründet  ist  dein  Haus,  o  Löwen  paar«  (hier  noch  im 
Neuen  Reich!). 

169,  2.  J/vwwn  ^| /www  ^z^  Jn  Y&  vs\  $  nicht  »der  Bruder  des  ältesten  Sokaris« 

r\  ~         J!s  /WWW      .  R 

(Grapow),  sondern  »der  älteste  Bruder  des  Soker«,  vgl.  I  ^\  ^=*  Y%  »der  äl- 
teste  leibliche  Sohn  des  Königs « . 

170,12.     In  ^==^(1   liegt  wohl    eine  Fehlschreibung   für  die  sdm-f- 

AA/WNA  X         /VWW\       I 

Form  snsn-j  vor,  wie  sie  bei  Verben,  die  auf  n  ausgehen,  so  häufig  sind  (Ver- 
bum  II  §  290.   297.   380). 

172,  16.     |  ,    »Feuerbohrer?« 


L6  K.  Skihk:    Ein  altägyptischer  Fingerzählreim.  |">4.  Band. 


Ein  altägyptischer  Fingerzählreim. 

Von  Kurt  Sethe. 
L 

Uer  von  Naville  als  Einleitung  zum  Kap.  99  bezeichnete  Totenbuchspruch 
für  das  »Herbeibringen  der  Fähre«,  über  dessen  Zusammensetzung  ich  im  An- 
schluß an  die  neue  Ausgabe  von  Grapow  (Urk.  des  ägypt.  Altert.  V  145  ff.)  oben 
gehandelt  habe,  endigt  mit  einem  Abschnitt  (16  bei  Grapow),  in  dem  der  Himmels- 
fährmann cku  dem  Verlangen  des  Toten,  ihm  die  Fähre  zu  bringen,  den  Ein- 
wand entgegenhält,  er  dürfe  eine  Person,  die  ihre  Finger  nicht  zählen  könne, 
nicht  zu    »jenem  herrlichen   Gotte«,   d.  i.  vermutlich  Osiris,   überfahren. 

Die  Fassung  des  Zwiegespräches,  das  in  dieser  merkwürdigen  Spitze  gipfelt, 
weicht  in  den  beiden  Handschriften  des  Mittleren  Reichs,  die  wir  von  dem  Texte 
hier  allein  besitzen  (B  und  D  nach  Grapow's  Bezeichnung),  stark  voneinander  ab. 

In  der  älteren  B  (Harhotep)  ist  es  eingeleitet  durch  die  Anrufung  des  ckn  und 
seine  in  die  Gestalt  einer  Frage  gekleidete  Weigerung,  beides  in  der  stereotypen 
Form,  die  den  letzten  Teil  des  in  Rede  stehenden  Totenbuchspruches1  charakte- 
risiert: »ckn,  bring'  mir  dies,  so  wahr  du  mit  Leben  versehen  sein  willst.  Siehe 
ich  komme«.  —  »Vermag  ich  denn  (nicht),  (es)  dir  nicht  zu  bringen,  o  Zauberer?« 

Der  begründende  Satz,  der  diesen  Worten  des  Fährmanns  nach  dem  Brauche 
des  Textes  folgt  (Grapow  178,  8 — 10),  hat  im  vorliegenden  Falle  aber  eine 
andere  Fassung  als  sonst.  Nicht  die  mangelhafte  Ausrüstung  des  Schiffes  wird 
hier  geltend  gemacht,  sondern  eben  die  vermeintliche  Unwissenheit  des  Toten, 
der  nicht  einmal  seine  Finger  zählen  könne  (wir  würden  sagen:  der  nicht  ein- 
mal bis  drei  zählen  kann) :         ])  h         ^  |  3        ^ä  0  ■-w--     (j /WWNA  | 


A/WW\     /WWW 


18'  J^\^  JV^MIK'    'Dieser  herriiche  Gott 

wird    sagen:    ,Hast   du    mir    einen  Mann    übergefahren,    der   seine  Finger  nicht 
zählen  kann?'«2 


')   In  der  genannten  Arbeit  über  die  Koniposition  des  Spruches  von  mir  als  Teil  IV  bezeichnet. 

2)  n  rh-f  ist  Zustandssatz,  der  hier  genau  wie  im  Koptischen  den  Relativsatz  nach  dem  in- 
determinierten s  «ein  Mann«  vertritt.  In  tnw  liegt  vermutlich  nicht  der  Infinitiv  des  Verbums  tnj 
-unterscheiden',    vor,  der  weiblich  sein  müßte,  sondern  ein  Nomen  »Zahl«,   »Zählung«,  das  aus  der 


Verbindung   <=>  ,   ^  ,    „l)ei  jedesmaligem«    (als  Konjunktion    »sooft  als«)   bekannt  ist.     Das 

gewöhnliche  Wort    für   »Zählung«,    das    z.  B.  in    den    amtlichen  Benennungen  der  Jahre  nach  den 

Vermögenszählungen  gebraucht  wird,  ist  dagegen  auch  weiblich:  ^^=j  . 

ü  c± 


iJ.ind  .')4.|  k    Skthe:    Ein  altagyptiscber  Fingerzahlreim.  1/ 


Hierauf  folgt  dann  eine  längere  Entgegnung  des  Toten,  die  nach  der  Lage 
der  Dinge  die  Beweisführung,  daß  er  seine  Finger  zählen  kann,  enthalten  wird 
(Grapow  178,  11  — 179,  2).  Dieses  letztere  Textstück  ist  es,  das  den  eigentlichen 
Gegenstand   der  nachstehenden  Untersuchung  bilden   wird. 

In  der  jüngeren  Hs.  D  (Berliner  Sarg  des  Alentuhotep)  fehlt  dagegen  die  dem 
obigen  Satze  in  B  vorangehende  stereotype  Gesprächseinleitung  (Anrufung  des 
'hu  und  seine  Gegenfrage)  ganz,  wie  das  in  derselben  Hs.  D  gleicherweise  auch 
bei  dem  vorhergehenden  Abschnitt  15  der  Fall  war.  Dort  war  es  aber  augen- 
scheinlieh, daß  der  scheinbar  rudimentäre  Zustand,  in  dem  der  Text  in  der 
jüngeren  Hs.  D  vorliegt,  tatsächlich  der  ursprünglichere  war,  und  daß  die  Fassung 
der  älteren  Hs.  B  eine  sekundäre  Erweiterung  dieses  älteren  Zustandes  darstellt. 
Es  wäre  an  sich  möglich,  daß  auch  in  unserm  Falle  etwas  Ähnliches  geschehen 
sei,  und  daß  der  Text  ebenso  wie  dort  erst  durch  den  B-Redaktor  künstlich 
den  anderen  Abschnitten  12 — 14  angepaßt  worden  sei.  Doch  ist  die  Überlieferung 
des  Textes  in  dem  weiterhin  folgenden  Stück  (Grapow  178, 11  ff. — 179,  Uff.),  das 
uns  hier  speziell  beschäftigen  soll,  im  allgemeinen  in  der  Hs.  B  augenscheinlich 
besser  als  in  der  Hs.  D.  Auch  läßt  sich  nicht  verkennen,  daß  der  Text,  wie 
er  jetzt  in  D  dasteht,  eigentlich  in  der  Luft  schwebt.  Man  vermißt  dort  ent- 
schieden eine  Einleitung  in  der  Art,  wie  sie  bei  B  vorhanden  ist.  Die  unver- 
mittelte Einführung  unseres  Textstückes,  das  bei  D  als  Fortsetzung  des  in  sich 
abgeschlossenen  Abschnittes  14  15  erscheint,  könnte  ja  noch  ein  Zeugnis  für 
seine  fremde  Herkunft,  eine  Folge  seiner  einstigen  Selbständigkeit  sein;  in  der 
Zusammensetzung  mit  dem  aus  den  verschiedensten  Elementen  aufgebauten  Ge- 
vnntspruche  wirkt  sie  jedenfalls  störend  und  bedurfte  notwendig  einer  Um- 
redigierung,   wie   sie  in  B  vorliegt. 

Der  Text  in  D   (Grapow  179,  4 —8)   lautet  einfach   so:    PfPP'^^JIV 

*w_^3* ^K\  h^^   »[Sagst]    du,    daß    du    zu   dem  Aufenthaltsorte  jenes   herrlichen 

Gottes  überfahren  willst?     Er  wird  sagen:    , Fährst  du  einen  Mann  über,   [der] 
seine  Finger  [nicht]   zählen   [kann]?'     So  wird  er  sagen4.« 

Zwischen   diese  Rede  des  Fährmanns,    die   inhaltlich   der  oben  aus  B  mit- 
geteilten genau  entspricht,  und  die  längere  Entgegnung  des  Toten,   in  der  er, 


-=o»c 


1  Lepsius  ergänzt  (nach  Passalacqua's  Kopie?)  am  Anfang  der  Lücke  (I  (I  .  Man  erwartet 
nach  den  Parallelstelh-n  M'vww  |K a>  (Grapow  169,8)  oder  nur  *^|  v. x>  (ib.  168.  3).  In  Ab- 
schnitt 3  (ib.  149.  8)  hatte  die  Hs.  offenbar  fehlerhaft    ^^  ' 

'-)  Lepsius  ergänzt  (nach  Passalacqua ?) 


!)  Lepsius  ergänzt  die  ganze  Lücke  (nach  Passalacqua  ?i .     Lies  <^>  ,-^-V.     Oder 

sollte  ein  Wort  für  »vergessen«,  »nicht  wissen«  darin  stecken?  c= 

4)  Das  Jci-f  hat  hier  noch  deutlich  die  futurische  Bedeutung,  die  dem  Tempus  sdm-kl-f  und 
dem  partikelhaften  Gebrauch  von  ks  eigen  ist. 

Zcitselir.  f.  Aitypr.  Spr„  54.  Hand.  3 


18  K.Si  im:    Kin  altägyptischer  Fingerzählreim.  |54.  Band. 

wie  gesagt,  vermutlich  den  Beweis  dafür  antreten  wird,  daß  er  seine  Finger 
zählen  könne,  schiebt  sich  hier  in  I)  noch  eine  kurze,  ans  zwei  Sätzen  bestehende 
Wechselrede  ein,  die  diese  Vermutung  augenscheinlich  geradezu  bestätigt  (Grapow 
179,  i)  — 10).     Der  Tote   erwidert  nämlich  auf  die  obigen  Worte  des  Fährmanns: 

|%  q  ^z^Kljl^      1  vfi  \    Micn    kann    [meine  Finger]   zählen«    und   erhält 

darauf  zur  Antwort:  ~    31  <£f=~=  t\  ""     D<=>|jCß\^>¥\  ii    »so  zähle  (sie)  [mir] 

doch   auf  nach    Finger,   nach  Zehe,   damit  [ich]   (es)  höre«1. 

Was  nun  folgt  (Grapow  179,  11  ff.)  —  eben  jene  längere  Entgegnung  des  Toten, 
von  der  oben  angekündigt  wurde,  daß  sie  der  eigentliche  Gegenstand  dieser 
Zeilen  sein  werde,  hier  in  D  durch  die  schwarze  Farbe  der  Schrift  als  Worte 
des  Toten  charakterisiert  —  wird  hiernach  nichts  anderes  enthalten  können,  als 
eine   Aufzählung  der  Finger  bzw.  Finger  und  Zehen   in   irgendeiner  Form. 

IL. 

Dieses  Textstück,  dem  wir  uns  nunmehr  zuwenden  wollen,  besteht  aus  einer 
Reihe  kurzer  Sätze  oder,  um  es  gleich  zu  sagen,  Verse  (Stichoi),  die  in  der  2.Pers. 
mask.  sing,  gefaßt  sind,  und  die  mit  dem  übrigen  Inhalt  des  Totenbuchspruch.es 
in  keinerlei  Zusammenhang  oder  Beziehung  stehen.  Man  denkt  dabei,  wenn  man 
sich  den  mutmaßlichen  Zweck  dieses  Textstückes  vor  Augen  hält,  unwillkürlich 
an  etwas  wie  die  Reime,  mit  denen  wir  unsern  Kindern  die  Finger  zählen": 


v\     |  PI  ^  I  ^K^  !    V\     I  G-Tl^x  X  4  N_  "  du  nast  ^ie  Götterneunheit  (um  dich)  versammelt 

mit  deinen  beiden  Händen  als  zehn  Götter  (dich  eingerechnet),  gezählt  an  deinen  Fingern,  als  zehn 
Götter,   gezählt   an    deinen    Zehen«,    Berl.  Pap.  3055,  15,  2/3    (Amonsritual);    ähnlich    ib.  16,  9/10; 

ff]  ^\(|  »zähle  meine^')  Kinder«,  Pyr.  1871  b  (Rede  des  Atum  an  Schu).     V\   ü  wird  an 

unserer  Stelle  die  bei  Imperativen  gebräuchliche  enklitische  Partikel  sein.  Was  dahinter  fehlt, 
wird  nur  vw«  als  defektive  Schreibung  für  /www  M  |  »mir«,  wie  die  Hs.  für  gewöhnlich  schreibt, 
oder  »sie«   (die  Finger),  wozu  der  Raum  auch  ausreichen  würde,  gewesen  sein  können.     Das 

folgende  <cr>,  das  über  den  beiden  nebeneinandergestellten  Zeichen  der  demnach  wohl  koordiniert 
zu  nehmenden  Worte  für  »Finger«  und  »Zehe«  steht  (vielleicht  beim  Lesen  von  sth  »Zehe«  zu 
wiederholen),    wird  distributive  Bedeutung  haben  (x«r«  bcty.TvXov  yjtoos  y.cci  y.ara  hctx.7vy.ov  ~oboo). 

Zu   der  Verbindung  dbc  s>h    »Finger   und  Zehe«  vgl.  Harhotep  415:     ^l^a*  ^T  ^\       [Tt -" flll 

VL>      ^  ^Jv    »ich  bin  eingetreten  in   Finger    und  Zehe  des  Osiris«.     In  unserem    Falle    wird 

/vww\   -CP^>-  \ — / 

die  Koordination  nicht  die  Bedeutung  von  »und.,  sondern  von  »oder«  haben,  da  der  nachher 
folgende  Text,  wie  sein  Wortlaut  zeigt,  nur  die  Finger,  nicht  die  Zehen  zählt.  Hinter  sdm  »hören«, 
dessen  m  noch   in  Passalacqua's  Kopie  als  erhalten  gegeben  zu  sein  scheint,  ist  gerade  Raum  für 

das  Suffix  1.  sing.  (I  |  :    Das  selbstverständliche  pronominale  Objekt   »es«    ist    (ebenso  wie  eventuell 

vorher  beim  Imperativ  tnj  »zähle«  und  wie  sicher  bei  Grapow  172, 13.  177,12)  unbezeichnet,  vgl. 
dazu  kopt.  ÜTepoY-c(oTM  -^e  üa'i-uecmrY  »als  die  Brüder  (es)  gehört  hatten«,  Steindorff,  Kopt. 
Gramm.8  S.  20*. 

-\   Vgl.  hierzu  Wilhelm  Grimm's  Kleinere  Schriften  III.  449. 


Band  54.] 


h.  Sinn:    Kin  altägyptischer  Fingerzählreim. 


IS) 


1.  »Das  ist  der  Daumen.« 

2.  »Der  schüttelt  die   Pflaumen.« 

3.  »Der  liest  sie   auf.« 

4.  »Der  trägt  sie  nach   Haus.« 

5.  »Und  der  kleine  Schelm  ißt  sie  alle  miteinander  auf.« 

Soll  eine  solche  Deutung  für  unsern  Text  zutreffen,  so  wird  die  Zahl  der 
Verse,  aus  denen  er  besteht,  entweder  5  oder  10  oder,  falls  Finger  und  Zehen 
gezählt  werden  sollen,  20  gewesen  sein  müssen.  Grapow,  der  nach  dem  Zweck 
des  Ganzen  gar  nicht  gefragt  zu  haben  scheint1,  unterschied,  lediglich  nach  dem 
Satzbau,  in  der  Fassung  der  Hs.  D  8,  in  der  der  älteren  Hs.  B  aber  9  Satzzeilen. 
Schon  ein  flüchtiger  Blick  auf  den  Text  von  B,  wie  er  bei  Grapow  abgedruckt 
ist,  überzeugt  aber  davon,  daß  der  5.  Satz  (Grapow  178,15)  doppelt  so  lang 
als  die  andern  ist.  Teilt  man  ihn  da,  wo  bei  Grapow  der  Buchstabe  d  steht, 
so  hat  man  in  B  die  erforderlichen  10  Verszeilen,  deren  jede  aus  2  bis  3  He- 
bungen  zu   bestehen  scheint". 


B. 


1). 


I.  Ü^P 


I    _^r 


^ 


fM 


»Du  hast  die   eine  genommen.« 


»Du  hast  die   eine   genommen.« 


2.  ^P 


<<~^  a 


^5P 


»Du  hast  [als  zweiteri  die  eine  ge-      »Du  hast  die  einen  zwei  (oder  Schwestern) 
nommen.«  (?). 


genommen.« 


itka^:fteM3'  i 


»Du  hast  ausgelöscht,  was  du  getan      »Du  annullierst  es  (fem.)  am  Kopfe  des 
hast«  [lies:  es  ausgelöscht  an  ihm].  Horus.« 

v  AAA/V 

L=4 


»Du  hast  es  (fem.)  abgewischt  an 
ihm. « 

5  ^jk^  \  & 

»Gib  mir  doch« 


/WWNA     /WVAAA  9 


•/' 


6. 


; 


»Ich  habe  dir  gegeben  das  W{asser](?)« 

»was  (gern)  gerochen  wird,  an  mein      »der  beiden  (fem.),  die  sich  deinem  Ge- 
Gesicht.« sichte  zugesellen  in   ...  .« 

»Löse  dich  nicht  los  von  ihm  (fem.).«       »Löse  dich   nicht  los  von  ihm  (fem.).« 


')  Er  begnügt  sich  damit,   zu  sagen,    daß  die  Übersetzung,  die  er  gibt,  sehr  problematisch 
sei.  —  2)  Die  fetten  Buchstaben  (a,  b.  c  .  .  .  .)  verweisen  auf  die  Bemerkungen,  die  dem  Texte  folgen. 

3* 


20  K.  Sinn::    Ein  altägyptischer  Fingerzählreim.  [54.  Hand. 


»Du  hast  das  Auge  aufgebrochen.« 

. L, 


B.  D. 

»Schone1   seiner  (fem.)  nicht.«  »Schone  seiner  (fem.)  nicht.« 

'•'•  mä'~r;  PST 

»Du  hast  das  Auge  erleuchtet.« 

MAMA      ^T-r-^ 

10.    A-ü/1  vft         , 

»Gib   mir  das   Auge.«  »Gib  mir  das   Auge.« 

Bemerkungen  zum  Text. 

a)  /um  Wechsel  der  Schreibungen  h^jp  ^4  und  ^Jp  h$  vgl.  (j c  ^  ^jj  H  neben 
^R  Harhotep  189—190. 

b)  Die  Determinierung  von       |    a    »die  eine«,    das   auf  das  Auge   (ägypt. 

fem.)  des  Horus  zu  gehen  scheint  (s.  u.),  als  göttliche  Person  mittels  des  Zeichens 
der  Frau  bei  B  entspricht  der  allgemeinen  Tendenz  der  Handschrift,  die  sich  im 
Determinieren  kaum  genug  tun  kann. 

c)  Das  w  bei  |  J]  in  B  ist  sehr  zweifelhaft.  Es  sieht  aus,  als  ob  es 
getilgt  (ausgestrichen)  wäre.  Das  würde  zu  dem  nur  einmal  gesetzten  Deter- 
minativ   Jj    passen,    das    bei    einer   wirklichen   dualischen   Form  wc-tj  kaum   er- 

■    /www 

laubt  wäre.       -   Das  Element  ,   das  dem  Texte  in  B  fehlt,   wird  dort  ieden- 

falls  nach  D  herzustellen  sein,  da  das  Wortspiel  ein  solches  Element  notwendig 

fordert  (s.  u.  Abschnitt  IV).     Da   dieses  sn-tj  bei  D  vor  dem  Worte  ,. 

'  t  o  1 1         J  o  1 1 

steht,  und  da  der  in  unserm  Texte  herrschende  Strophenbau  die  gleiche  Wort- 
folge auch  für  B  erwarten  läßt  (s.  u.  Abschnitt  III),  so  kann  es  nicht  wohl  das  Kar- 
dinalzahlwort »zwei«  selbst  sein,  sofern  man  es  mit  ,,  zu  einem  Zahlaus- 
druck verbinden  will,  sondern  es  wird  in  diesem  Falle  nur  selbst  das  gezählte 
Wort  sein  können,  sodaß  man  also  wohl  oder  übel  »die  einen  zwei«  oder  »die 
einen  beiden  Schwestern«  zu  übersetzen  hätte.  Das  klingt  recht  seltsam  und 
wenig  glaublich,   gibt  auch  keinen  vernünftigen  Sinn.    So  sieht  man  sich  denn 

|    /WWW  >  r-i^         s->. 

auf  den  Weg  der  Emendation  verwiesen.    Diese  kann  bei         ,  oder  bei  . . 

bzw.  |  3  einsetzen.  Das  Nächstliegende  ist,  daran  zu  denken,  daß  das 
letztere  aus  einem  alten  *    ~  jl  jj  wt-tj,   defektiv  geschrieben  a,  verderbt  sein 

könne,  der  2.  Sing,  des  Pseudopartizips  von  wc  »allein  sein«,  das  ja  bekanntlich 
im  Ägypt.  der  gewöhnliche  Ausdruck  für  unser  adverbielles  »allein«  (solus,  seul) 
ist:  it-n-k  sn-tj  w^-tj  »du  hast  die  beiden  (Augen)  allein  genommen«.    Doch  würde 

r)  Oder  »habe  Mitleid«,    »erbarme  dich«,  s.  u.  Abschnitt  VI. 


Band  .')4.|  I\.  Si  im  :    Kin  altägyptischer  Fingerzählreim.  21 


ein    solcher  Wortlaut  im  Widerspruch   zum  Verse   1    stellen,    der  ja  schon  den 
ersten  Finger    »die  eine«    nehmen  ließ.   —   Demnächst  wäre  an  eine  Emendation 

I    AWW 

des  |  in  das  Ordinalzahlwort  in-nw-t  »die  zweite«,  in  der  Orthographie  von  B 

iAAAAAA  .     AAAAAA  H 

„     \\  (vgl.  J  nV\\D  ©  »das  zweite  Mal«  Harhotep  405),  zu 

denken    »die  zweite  der  einen«,   d.  i.  das  Auge,   das   das  zweite  zu  dem  »einen« 
in  Vers   1    genannten  bildete. 

Schließlich   bietet  sich  noch  eine  dritte  Möglichkeit,  die  das  Gegenstück  zu 
der  an  erster  Stelle   erörterten  Emendation  mit  dem  Pseudopartizip  wc-tj  bildet, 

nämlich   anzunehmen,   daß  wirklich,   wie   es  der  Befund  in  B  nahelegt,   '7   oJ) 

zu   lesen  sei,   wie  in  Vers  1,   und  daß  dies  wie  dort  als  singularisches  nominales 

i/wwv\ 
seiner- 
seits eine  derartige  Pseudopartizipialform  von  dem  Zahlverbum  |~  »zwei machen«, 

»der  zweite  sein«    enthalte,   das  ich   in  meiner  Arbeit:    »Von  Zahlen   und  Zahl- 
worten bei  den  Ägyptern«  S.  119  aus  den  Pyramidentexten  nachgewiesen  habe, 


wo   es   im  Parallelismus  zu  jenem  andern  Verbum      ,      »allein    sein«    vorkommt 

(»er  läßt  dich  allein  sein«  .  .  .  »er  läßt  dich  zweiter,  d.i.  zuzweit,  sein«  Pyr.  232c). 
Unser  Satz  würde  dann  also  lauten:  »du  hast,  indem  du  zweiter  warst  (d.  i.  selb- 
zweit),  die  eine  genommen«.  Der  zweite  Finger  wäre  damit  als  Helfershelfer  des 
ersten  Fingers  beim  Nehmen  hingestellt,  was  in  der  Tat  am  Platze  w^äre,  da  der 
erste  Finger  das  Nehmen  schwerlich  allein  hätte  bewerkstelligen  können  (s.  hierzu 
Abschnitt  VII).  Dieser  Lösung,  die  wohl  in  jeder  Hinsicht  die  beste  ist,  wäre 
nur  das  eine  nachzusagen,  daß  das  Pseudopartizip  eine  unregelmäßige  Stellung 
im  Satze  hätte.  Nach  den  Wortstellungsgesetzen  wäre  es  eigentlich  hinter  dem 
mutmaßlichen  Objekt  k<4  zu  erwarten1.  Der  Vers  mit  seinem  Reim  (s.  u.  Ab- 
schnitt III)  würde  diese  Durchbrechung  der  allgemeinen  Regel  aber  wohl  recht- 
fertigen. 

Es    scheint   aber    auch  nicht  an  analogen  Beispielen   einer  solchen  Durch- 
brechung bei  dem  entsprechend  gebrauchten  Verbum  wc  »allein  sein«  zu  fehlen,  vgl. 


AAAAAA     AAAAAA 


Cf 


s^  |  j  m  w  yy    „  er  bringt  dir  allein  (eig.  indem  du  eins  bist)  die  Doppel- 


1 

kröne«  Pyr.  1381;  JLZj<&^6  ^  ö  D  %^\~ ^  ^>~~~ ^  »du  issest  dir  dies 
dein  Brot,  du  allein  (eig.  indem  du  eins  bist)  das  eine«  Pyr.  1226  (nach  M. ;  bei 
P.  durch  Ersetzung  der  2.  sing,  durch  den  Namen  des  Toten  und  die  3.  sing, 
gestört;  bei  N.  ganz  mißverstanden).  Hier  liegt  beidemal  ein  deutlicher  Gegen- 
satz des  w--tj  »du  allein«  zu  einem  nachfolgenden  Zahlausdruck  vor;  auf  ihm 
dürfte  die  unregelmäßige  Wortstellung  beruhen,  die  auf  eine  Art  Hervorhebung 
des    »du  allein«    hinausläuft.      Unser  Fall   scheint   nun   ganz   ähnlich   zu  liegen; 

SA  tk      X>  V- a  "iß  dieses  allein"   Pyr.  1941:  es  folgt:    »gib 

/wwvs  Sil'  ^ — *  ü  _zr  _zr       a  i 

(es)  nicht  deD   Menschen«. 


22  K.  Sethe:    Hin  altSgyptischer  Fingerzählreim.  [54.  Band. 


denn  auch  in  ihm  ist  das  auf  das  vorangestellte  »du  zuzweit«  folgende  Wort 
(Objekt  des  Satzes)  ein  Zahlausdruck  »die  eine«,  der  in  gewissem  Gegensatz  dazu 
stehen  könnte.  Insbesondere  ist  die  Analogie  zu  der  Stelle  Pyr.  1226,  woiC-tj 
iC"  »du  allein  das  eine«  unserm  sn-tj  irr-l  »du  zuzweit  die  eine«  genau  entspricht. 
geradezu  schlagend. 

Ich  möchte  denken,  daß  diese  Analogien  aus  den  Pyramidentexten  eigent- 
lich geeignet  sein  sollten,  den  letzten  Zweifel  an  der  Richtigkeit  der  oben  zu- 
letzt vorgeschlagenen  Deutung  der  in  Rede  stehenden  Worte  unseres  Verses  zu 

beheben.     Was  schließlich   die  Orthographie  des  Wortes  j  anlangt,  so  würde 

sie  gar  nicht  einmal  der  Berichtigung  bedürfen;  sie  würde  der  korrekten  Defektiv- 
schreibung .   für  vf-tj  »du  bist  allein«   entsprechen,   indem  sie  wie  diese  das 

Determinativ  des  Verbalstammes,  das  Zahlzeichen,  richtig  hinter  der  defektiv 
geschriebenen  Endung  a  zeigte. 

(I)    In  B  endet   hier  eine  Zeile,    daher  ist  das  letzte  Wort  infolge  Raum- 

-<E>- 

mangels  stark  gedrängt  geschrieben.     Die  von  Maspero  herrührende  Lesung 
für  die  unter   (1  I  nebeneinander  stehenden  Zeichen  ist  von  Lacau  bei  seiner  Kolla- 
tion mit  Recht  angezweifelt  worden.     Sie   wird  nach   der  Photographie  zu   ur- 
teilen,  was  das  ^r^>  anlangt,   sicher  falsch,  hinsichtlich  des  <u>-  möglicherweise 

unrichtig  sein.     Falls  wirklich  -o^  dasteht,  wäre  (1       >  »was  gegen  ihn  ge- 

tan  worden  ist«    (oder  (I  »was   du  gegen  ihn  getan  hast«?)  zu  er- 

warten und  so  dürfte   der  Text  in   dem  Falle   gewiß  zu  emendieren  sein  (s.  u. 
Abschnitt  IV).      Ich    möchte    aber    nach    der    Photographie    denken,    daß    ij       ' 
dastehe,  und  daß  dies    1(P    >  zu   lesen  sei  (vgl.  Pyr.  86a;   und   89c?);   es  scheint 
nicht  unmöglich,   daß   das   so  seltsam  gestellte  (I  erst  nachträglich  zu   dem 

bereits  (ziemlich  in  der  Mitte  der  Zeile)  dastehenden  I  hinzugesetzt  sei.  Damit 
würde  das  immerhin  seltsame  (11  aus  dem  Satze  verschwinden  und  dieser  würde 

genau  seinem  Zwillingsbruder,  dem  Satze  4,  entsprechend  gebaut  sein.  Auch 
der  abweichende  Text  von  D  (tljm-k  ij)  würde  zu  der  Lesung  <7////-//-/.-  ij  ir-f  vor- 
trefflich passen.  Zu  dem  Worte  ihm,  das  in  I)  das  chm  von  B  vertritt,  s.  u. 
Abschnitt  IV. 

e)    Line  besondere,   vom  Buchstaben   r   verschiedene  Form  des  o,  die  die 

Hs.  sowohl  für  ; i\  wie  in  der  Verbindung    1\  -Q. fl  w  gebraucht,  z.  B.  in  t\ 


»siehe«,    UA/WWV1$\  ü fl  htm    »wer?«. 

f)    Das   o  fehlt    irrigerweise    bei   Grapow.      Dasselbe  Verbum  in    gleicher 
Schreibung  Harhotep  242/3  :  »erfreut  ist  die  Nase  der  Götter«    II /ww^  |  /»  Q7\  I 
r^^Wv      ^    "si(>   riecncn    Sern   den   -^"ft   ^er  Göttin  [//'/]-//"/•/«.     An   sich 


Band  54.]  K.  Sjethe:    Ein  altägyptischer  Fingerzählreim.  2B 


könnte  die  Form  $n§n-t  auch  aktives  Partizip  »was  riecht«,  also  die  Nase,  sein, 
doch  zeigt  gerade  die  eben  angeführte  Stelle  das  Verbnm  nicht  von  der  Nase 
selbst,    sondern   von  den  Lebewesen,    die  mittels  der  Nase  riechen,    gebraucht. 

g)    Lies    'w^™  ?      Oder  ob   ^z^>  NL.    bzw.   ^=^>  ^  NL.  zu  lesen   und  zu  über- 

AAAAAA  A/VWNA        ^ZJ  A/WV\A  ^£-1 

setzen  ist  »gib  mir  das  Verletzte«?  Dann  wäre  eine  partitive  Genitivverbindung 
mit  dem  Anfangsworte  des  folgenden  Verses   anzunehmen.     Das    *        »dein  Ge- 


sicht«   des   6.  Verses    spricht   aber   entschieden  dafür,    daß   hier  »dir«     zu 

lesen   ist. 

//)  Fehlt  hier  etwas  oder  ist  das  v\  überhaupt  nur  Dittographie?  Oder 
ist  es  defektive  Schreibung  für  0^,      »da«? 

i)     Die   Lesung  shd  scheint  sicher. 

III. 

Die  oben  vorgeschlagene  Teilung  des  fünften  Satzes  findet  ihre  Bestätigung, 
wie  man  sie  sich  schöner  kaum  denken  kann,  durch  eine  Beobachtung,  die  einer 
meiner  Zuhörer,  Herr  Drd.  Adriaan  de  Bück  aus  Holland,  machte,  als  ich  die 
Sache  im  Kolleg  vortrug.  Er  sah,  daß  die  Glieder  des  dritten  Satzpaares,  wie 
es  durch  diese  Teilung  entstanden  ist,  die  Verse  5  und  6,  in  der  Fassung  von 
B   sich  reimen1,   ebenso   wie   die  Glieder  der  beiden  folgenden  Satzpaare: 

5   endigt  auf  n-j   »mir«    (um),   ()   auf  hr-j  »mein   Gesicht«    (gp&t). 

7   und  8   endigen  beide   auf  im-i   »von  ihm«    (mmoc). 

9  und   10   endigen  beide  auf  jr-t   »Auge«    (*ßret,   tpi  bei  Plutarch). 

Zum  mindesten  ein  unechter,  wenn  nicht  ein  echter,  Reim  wird  auch  bei 
dem  ersten  Satzpaar  vorgelegen  haben,  in  welchem  Satz.l  auf  wc-t  »die  eine« 
(oyev  <  *ewcift)  ausgeht,  Satz  2  aber  nach  der  handschriftlichen  Überlieferung 
anscheinend  auf  den  Dualis  desselben  Wortes  wc-tj  ausgehen  würde.  Diesen 
Dualis,  dessen  Existenz  bei  einem  Worte  wie  wc-t  »die  eine«  von  vornherein 
recht  fraglich  erscheinen  muß,  könnte  man  sich  nach  dem  Muster  von  ujoyeiT 
<  *Swejtej  etwa  *o<YeiT  <  *w^ejtej  vokalisiert  denken,  sodaß  sich  beide  Wort- 
formen etwa  auf  einer  Aussprache  *cw^7t,  *ewclte  berührt  haben  könnten.  Indessen 
bedarf  der  überlieferte  Text  von  Vers  2,  wie  oben  ausgeführt  wurde,  notwendig 
der  Emendation.  Unter  den  Vorschlägen,  die  dafür  gemacht  werden  konnten, 
war  einer,  bei  dem  das  Schlußwort  des  Verses  eben  die  Vokalisation  der  eben 
angezogenen  Form  ujo^cit  haben  würde;  bei  den  beiden  anderen  würde  es  da- 
gegen   mit   dem    des    ersten  Verses    völlig    übereingestimmt   haben.      Zu  diesen 


*)    Sie  würden  sich  auch  in  D  reimen,  wenn  man  bei  (rwvK.)  und     *      '  (^pa^u)  teilen 

könnte  oder  wenn  in  Vers  5  wirklich  aa/vwa  «Wasser«  (Mooy,  achmim.  M&y)  zu  lesen  und  in 
Vers  6  das  ^\  wirklich  im  »da«  (jüM^y.  achmim.  ÄiAio)  vorstellen  sollte.  —  Dieser  Text  bei  D  ist 
aber  /weifellos  stark  verderbt. 


24  K.  Sinn:    Ein  altagyptischer  Fingerzählreim.  [54.  Band. 


letzteren  beiden  Emendationen  gehörte  nun  auch  diejenige,  die  entschieden  das 
höchste,  nahezu  an  Gewißheit  grenzende  Maß  von  Wahrscheinlichkeit  besaß. 
Bei  dem  schließlich  noch  übrigbleibenden  zweiten  Paare,  den  Sätzen  3 
und  4,  ist  leider  die  Überlieferung  bei  B  unsicher;  bei  I),  wo  zudem  einer  der 
beiden  Sätze  zu  fehlen  scheint,  weicht  die  Textfassung  stark  von  B  ab.  Daß 
die  Richtigkeit  der  de  BucK'schen  Beobachtung  durch  diesen  einen  Fall  nicht  in 
Frage  gestellt  werden  könnte,  selbst  wenn  er  sich  wirklich  als  Ausnahme  her- 
ausstellen sollte,  scheint  klar.  Tatsächlich  läßt  sich  für  den  Satz  3  aber,  wie  wir 
sehen  werden  (Abschn.  IV),  so  oder  so  wohl  der  richtige  Text  von  B  herstellen, 
und  dabei  scheint  es  auf  alle  Fälle  sicher    daß  auch  dieser  Satz  mit  demselben 

Worte  n  tr-f  »an   ihm«   (epoq)   endigte  wie  sein  Zwillingsbruder,   der  Satz  4. 

Wie  dem  aber  auch  sein  mag,  es  kann  kein  Zweifel  sein,  daß  wir  es  in 
unserm  Fingerzähltext  mit  dem  ältesten  Beispiel  des  Beinies  in  Ägypten  und 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach  auch  dem  ältesten  Reime  auf  Erden  überhaupt  zu 
tun  haben.  Dabei  handelt  es  sich,  im  Gegensatz  zu  den  altarabischen  Reim- 
gedichten,  nicht  um  einen  durch  das  ganze  Gedicht  fortlaufenden  Reim,  sondern 
um  Reimpaare  mit  wechselndem  Reim. 

Die  sich  reimenden  Verse  gehen  in  drei,  wenn  man  den  (im  Grunde  kaum 
noch)  zweifelhaften  Fall  des  Verses  2  hinzunimmt,  sogar  in  vier  von  den  fünf 
Fällen,  die  das  Gedicht  aufweist,  auf  ein  und  dasselbe  Wort  aus,  sodaß  also 
jedesmal  das  betreffende  Wort  nicht  auf  ein  anderes  gleich  endigendes  Wort, 
sondern  auf  sein  eigenes  Duplikat  reimt.  Der  einzige  Fall,  der  eine  Ausnahme 
bildet,  indem  in  ihm  zwei  verschiedene  Wörter  den  Reim  bilden  (5  K&.I,  0  £P*^)- 
ist  das  B.  Verspaar.  Es  wird  kein  Zufall  sein,  daß  dies  gerade  das  Verspaar  ist, 
in  dem  sich  beim  Zählen  der  Finger  der  Übergang  von  der  einen  Hand  zur 
andern  vollzieht. 

Man  kann  den  Tatbestand  demnach  dahin  feststellen,  daß  unser  Text  beim 
Zählen  der  Finger  einer  Hand  nur  den  Reim  mit  gleichem  Reimworte  anwendet 
und  nur  zugleich  mit  dem  Wechsel  der  Hand  auch  das  Reimwort  wechselt. 
Danach  wird  nunmehr  auch  die  oben  noch  immer  als  offen  behandelte  Frage 
nach  der  Herstellung  des  zweiten  Verses  mit  aller  Bestimmtheit  dahin  zu  be- 
antworten sein,  daß  dieser  Vers  notwendig  gleich  dem  ersten  Vers  auf  den 
Singularis  i  oj)  geendigt  haben  muß.  wie  das  die  wahrscheinlichste  der  vor- 
geschlagenen  Emendationen  ja  auch  voraussetzte. 

Noch  etwas  anderes  ist  an  den  Reimen  unseres  Textes  zu  beobachten,  das 
leichtlich  ein  wesentliches  Charakteristikum  der  hier  angewendeten  Reimtechnik 
sein  könnte.  Wenn  man  die  Reimworte  der  verschiedenen  Verspaare  miteinander 
vergleicht,  so  zeigt  sich  ein  eigentümliches  Verhältnis  zwischen  ihnen,  und  zwar 
sowohl  hinsichtlich   ihrer  Vokalisation   wie  ihres  sonstigen  Baues. 

Das  erste  Verspaar  hat  einen  klingenden  Reim;  das  Reim  wort  ist  ein  vorn 
betontes  zweisilbiges  Wort  "'eirrlft  mit  dem  Vokal  %  in  der  offenen  Tonsilbe  und 


Band  54.]  K.  Sethe:    Ein  altägyptischer  Fingerzahlreim. 


ausgehend  auf  die  unbetonte  Femininalendung  -pt  (alt  vielleicht  -al).  Das  gleiche 
ist  bei  dem  letzten  (5.)  Verspaar  der  Fall,  dessen  Reimwort  *jtret  (alt  vielleicht 
\jirat)   lautet. 

Dagegen  hat  das  2.  und  ebenso  das  4.  Verspaar  einen  stumpfen  Reim;  das 
Reimwort  ist  beidemal  ein  hinten  betontes  Wort,  das  im  Koptischen  nach  Ver- 
lust eines  anlautenden  (j  mit  einer  durch  den  Hilfsvokal  e  (Vorschlagsvokal  vor 
der  anlautenden  Doppelkonsonanz)  gebildeten  Nebensilbe  e  beginnt  und  in  der 
—  nebenbei  beidemal  durch  ein  Pronominalsuffix  —  geschlossenen  Tonsilbe  den 
Vokal  ö  (alt  vielleicht  a)  enthält.  Das  2.  Verspaar  endigt  auf  *ejröf  »an  ihm« 
(alt  vielleicht  *ejräf),  das  4.  Verspaar  auf  *ejmö*  »von  ihr«   (alt  vielleicht  *fjmas). 

Es  scheint  sich  hier  also  außer  dem  völligen  Gleichklang  der  Reimworte, 
der  innerhalb  eines  und  desselben  Verspaares  besteht,  noch  eine  Art  Assonanz 
oder  innerer  Reim  zwischen  den  Reimworten  der  verschiedenen  Verspaare  zu 
zeigen,  ähnlich  den  Assonanzen  der  von  Littmann.  Sardis  VI  S.  58  ff.  nachge- 
wiesenen altlydischen  Gedichte  aus  der  Achämenidenzeit.  Und  zwar  folgen  sich 
diese  Assonanzen  in  der  2.  Hälfte  des  Gedichtes  in  umgekehrter  Folge  als  ihre 
Korrelata  in  der  1.  Hälfte:   ab  —  b'  a'. 

Eine  merkwürdige  Stellung  nimmt  auch  in  dieser  Hinsicht  wieder  das  die 
Mitte  des  Gedichtes,  gewissermaßen  seine  Wende  bildende  3.  Verspaar  ein.  Man 
kann  sagen,  daß  es  in  sich  den  innerhalb  der  einzelnen  Verspaare  bestehenden 
Reim  mit  der  zwischen  den  Reimworten  der  verschiedenen  korrelaten  Verspaare 
bestehenden  Assonanz  (näj,  ehraj)  vereinigt.  Dabei  sind  die  beiden  hier  auftreten- 
den Reimworte  wieder  in  gleicher  Weise  gebaut;  sie  sind  beide  mit  demselben 
Pronominalsuffix  j  gebildet,  das  mit  seiner  halbvokalischen  Aussprache  i  dem 
Reim  auch  noch  ein  unterscheidendes  Merkmal  gegenüber  den  anderen  Reimen 
gegeben  haben  wird. 

Alles  dies  könnte  mit  dem  besonderen  Zwecke  des  Textes  zusammenhängen. 
Beim  Zählen  der  Finger  wird  man  naturgemäß,  wenn  man  beide  Hände  gleicher- 
weise hält,  an  der  zweiten  Hand  die  Finger  in  umgekehrter  Folge  zählen  als 
an  der  ersten  (s.  u.  Abschn.  VII).  Bei  der  Verteilung  der  Assonanzen,  wie  sie 
oben  festgestellt  wurde,  würden  in  diesem  Falle  die  sich  entsprechenden  Finger 
der  beiden  Hände  durch  eine  Assonanz  miteinander  verbunden  gewesen  sein, 
der  erste  und  zweite  (*ew^tjef)  mit  dem  zehnten  und  neunten  Cß/^t),  der  dritte  und 
vierte  {*ejröf)  mit  dem  achten  und  siebenten  (*ejmös),  während  der  fünfte  und  der 
sechste  geradezu,  aber  mit  verschiedenen  Wörtern,  aufeinander  reimten  (näj,  ehräj). 

Das  Schema  des  ganzen  Gedichtes,  das  demnach  einen  recht  kunstvollen 
Bau  aufzuweisen  scheint,   stellt  sich  also  so  dar:   aa  bb  c  c'  b'b'  a'a'. 

Was  im  übrigen  den  Bau  der  Verse  im  einzelnen  anlangt,  so  ist  er,  wenn 
man  den  unsicheren  Fall  des  Verses  3  hinzunimmt,  in  drei  von  den  fünf  Fällen 
(1 — 2.  3 — 4.  7 — 8)  innerhalb  desselben  Verspaares  so  streng  parallel  gestaltet,  daß 
nur  je  ein  Wort  in  den  beiden  aufeinander  reimenden  Versen  verschieden  war. 

Zeitschr.  f.  Ägypt.  Spr.,  .i4.  Band.  4 


26 


K.Siiin:    Ein  altägyptischer  Fingerzählreim. 


[54.  Band. 


IV. 

Die  Deutung  als  Fingerzähltext,  die  dem  uns  beschäftigenden  Textstücke 
oben  gegeben  wurde,  im  allgemeinen  und  die  Teilung  des  fünften  und  sechsten 
Verses  im  besonderen,  erfährt  aber  noch  in  einem  anderen  Punkte  ihre  Be- 
stätigung. Wer  sich  die  Verse,  wie  sie  oben  abgedruckt  sind,  etwas  genauer 
betrachtet,  wird  sogleich  bemerken,  daß  sie  in  der  bei  den  Ägyptern  so  be- 
liebten Manier  mit  einem  Wortspiel  oder  Wortanklang  auf  den  Namen  der  ihnen 
entsprechenden   Ordnungszahl  Bezug  nehmen.     Vgl. 


I     ^Jl  wC't    »die   eine« 


l      wc  »eins« 

a 


sn-fj  »indem   du   zweiter  bist«  (?). 
rhin    »löschen«    (B), 
ihm    »annullieren«    (D). 
~  * — 1\  fd   » abwischen « . 
A ü  dj  » geben « .  er: 

|/wwva|  I        <(Pöh    iii&n-t    »was    gern    ge-       I- 
rochen   wird«    (B), 

II  II  susn-tj  »die  beiden,  die  sich  ge- 

sellen  zu«   (D)1. 

'  ^  ^  J\  sfhh    » sich   loslösen « . 

I  ü®         •'  ~~  I 

h>ll>    »schonen«    (o.  ä.).  ® 


e=a 


sn  »zwei«. 
,  //////  »drei«. 

\\\  fd  » vier « . 
,    dir  »fünf« 


sra. 


4tS  »sechs« 


III    ifh  »sieben«. 


^^ 


hmn  »acht« 


9.   P?^^  W   »erleuchten«    (B), 
1  -31  id,   »aufbrechen«   (D). 


D [1       ))       Ml  jisd  » neun > 


10.   A o   dj  »geben«. 


k^ 


md  »zehn«. 


Wie  man  sieht,  widersteht  hier  der  Vergleichung  eigentlich  nur  eines  der 
in  Frage  kommenden  Zahlwörter,  das  an  letzter  Stelle  genannte  Zahlwort  für  10. 
Der  ihm  entsprechende  Vers  ist  dem  fünften  Verse  in  Form  und  Inhalt  gleich- 
artig gebaut;  er  hat  das  gleiche  Kennwort,  das  zum  Namen  der  Zahl  5  und 
nicht  zu  dem  gewöhnlichen  Namen  der  Zahl  10,  wie  er  uns  sonst  bekannt 
ist,   paßt. 


')  Zu  beachten  die  Wiedergabe  des  doppelten  s,  das  in  den  verschiedenen  Formen  des  Zahl- 
wortes  infolge  Wegfalls  des  trennenden  r  bzw.  i  früh   zu  einem  8  zusammengefallen  zu  sein  scheint. 


Band  54.]  K.  Sethe:    Ein  altägyptischer  Fingerzählreim.  2/ 


5.  A flls*.  •& flQ  $  dj  m  n-j   »gib  mir  doch«. 

10.   A o  Q  vÄ       "  djn-jjr-t   »gib  mir  das  Auge1«. 

Vielleicht  darf  man  daraus  den  Schluß  ziehen,  daß  hier  bei  der  Zählung 
der  Finger  beim  zehnten  Finger  an  Stelle  des  gewöhnlichen  Zahlwortes  md  »zehn« 
an  einen  anderen  Ausdruck  gedacht  war,  der  wie  das  Zahlwort  für  5  mit  dem 
Worte  für  »Hand«  zusammenhing,  also  etwa  den  Dualis  »beide  Hände«  oder 
auch  den  Singularis  »Hand«,  weil  mit  dem  zehnten  Finger  wieder  eine  Hand 
vollständig  wurde". 

Von  den  übrigen  Wortspielen  sind  uns  zwei  auch  anderwärts  bekannt,  näm- 
lich die  mit  ihm  und  fd  der  beiden  Verse  3  und  4,  die  ein  kongruent  gebautes  Paar 
bilden.  Sie  kommen  bereits  in  den  Pyramiden  texten  zusammen  vor;  nur  geht 
dort  das  erstere  {ihm)  nicht  auf  die  Zahl  3  {hnit),  sondern  auf  die  mit  den  gleichen 
Konsonanten  beginnende  Zahl  8  (hmn).  Pyr.  1978  (=  Harhotep  79)  heißt  es  von 
Horus  mit  Bezug  auf  den  als   Osiris  gedachten  Toten: 

.«        p^  I 


d 


qTv--HH1 


Ö  IT]       'SXQ 


'|  Den    [mperativ  & 0    »gib«    hier  etwa    nach  alter  Weise  imj  (moi)  zu  lesen,  verbietet  sich, 

da   der  Text  dieses  Wort  nach  seinem  sonstigen  Schreibgebrauch  mit  V\     und  mit  anderem  _ o- 

Zeichen    schreiben    würde,    wie    er    das  ja   auch  mit  der  enklitischen  Partikel  m  im  fünften  Verse 


tat.      Harhotep  344    findet   sich    für  imj    in  der  Tat  die  Schreibuna;   (    V\  .     Denkbar  wäre 

also    höchstens,   daß   eine   alte   Schreibung    ü, ß  .    che   ursprünglich  imj  bedeuten  sollte,   später   von 

den  Schreibern  des  Mittleren  Reiches  fälschlich  als  dj  gedeutet  worden  sei.  Daß  das  gleiche  Ver- 
sehen alier  in  den  beiden  so  stark  voneinander  abweichenden  Handschriften  B  und  D  vorliegen 
sollte,   macht  diesen   Ausweg   nicht  eben   wahrscheinlich. 

-)  Es  sei  hierbei  an . die  Vermutung  erinnert,  die  ich  in  meiner  Arbeit  »Von  Zahlen  und 
Zahlworten  bei  den  Ägyptern«  8.  23  u.  "24  über  ein  verlorenes  altes  Urzahlwort  für  10.  das  dem 
ägyptischen  und  dem  semitischen  Sprachzweige  gemein  gewesen  sei.  ausgesprochen  habe.  Ich 
forderte  dafür  damals  ein  Wort,  das  entweder  »die  beiden  Hände«  (vom  selben  Stammele?  wie 
das  Zahlwort  5)  oder  die  Finger  (wie  db'  »10000«)  bezeichnete,  und  wies  auf  die  Möglichkeit  hin. 
eine  in  der  letzteren  Richtung  verlaufende  Spur  in  -so^eoT  »zwanzig«  zu  finden,  das  der  Dualis 
davon  sein  könnte.  Jetzt  könnte  jemand  auf  den  Gedanken  kommen,  unsere  obige  Stelle  viel- 
mehr als  Spur  in  der  anderen  Richtung  zu  deuten.  -xo-yioT.  das  ich  etymologisch  mit  dhc  »Finger« 
verbinden  wollte,  könnte  die  Zahl  der  Finger  und  Zehen  bezeichnet  haben,  doch  kenne  ich  db<- 
sonst  nur  in  der  Bedeutung  »Finger«.  Auch  würde  die  Erhaltung  des  t  am  Ende  von  •soyioT 
unerklärlich  sein,  wenn  es  sich  etwa  um  ein  Kollektivuin  *db6c*t  handelte:  sie  würde  eben  Hin- 
durch die  Erklärung  als  Dualis  ihre  Begründung  finden.  —  übrigens  könnte  ein  Wortspiel  zwischen 

einem    alten    Zahlwort    für    10  dbr-t  und    dem    Verbum    & Q    »geben«    wohl    nur   dann    in    Frage 

kommen,  wenn  entweder  der  Text  noch  aus  dem  Alten  Reich  stammte  (s.  dazu  unten  Abschnitt  IX). 
oder  dieses  eventuelle  dbc-K  wie  dbr  »Finger«  sonst  in  allen  seinen  andern  Ableitungen,  im 
[Mittleren   Reich   zu  dbc-t  geworden   wäre. 

:i)  Der  Schluß  nach  dem  Paralleltexte  im  Grabe  des  Psammetich  (Rec.  de  trav.  17)  ergänzt, 
wo  das  Verbum        —  ebenso    wie   bei  Harhotep   und   in    dem  gleich   zu  zitierenden  Texte  Pyr.  746 

durch  ersetzt  ist:  dadurch  ist  das  Wortspiel  zerstört. 


28  K.  Sinn:    Kin  altägyptischer  Fingerzählreim.  [Ö4.  Band. 


»er  hat  abgewischt  [fd)  das  Schlechte,  das  an  N.N.  war,  an  seinem  vierten 
(fd-iiw)  Tage, 

»er  hat  annulliert  (hm)  das,  was  gegen  ihn  getan  worden  ist,  an  seinem 
achten   (hnnt-iiw)  Tage«. 

Dasselbe  Wortspiel  findet  sich  in  entstellter  Form  noch  einmal  Pyr.  74(), 
wo  einmal  Horus,  das  andere  Mal  Seth  als  Handelnder  auftritt: 


®  Ollll 

^  A/VSAAA  IUI 


»Horus  hat  getilgt  (dr)  das  Schlechte,  das  an  N.N.  war,  in  seinen  vier 
Tagen  ((fd-t), 

»Seth  hat  annulliert  {ijim)  das,  was  er  gegen  N.N.  getan  hat,  in  seinen 
acht  Tagen  (hmii-t)«. 

Hier  erscheint,  in  Übereinstimmung  mit  der  Fassung  D  unseres  Textes,  statt 

des  Verbums    ^    l\        chm  »auslöschen«  im  Parallelismus  mit        "  »abwischen« 


ein  mit  dem  Zeichen  der  Negation  versehenes,  dem  Verbum  ®  ¥\  ~-n-~  J}>"  "nicht 
wissen«  ähnelndes,  in  der  defektiven  Schreibung  der  ersten  Stelle  Pyr.  1978 
sogar  völlig  gleichendes  Verbum  (j^¥l  •*-"-"  ihm,  das  oben  provisorisch  mit  »an- 
nullieren« übersetzt  wurde.  Es  könnte  darin  unter  Umständen  wohl  eine  ältere 
Form  eben  jenes  Wortes   chn    »auslöschen«    gesucht  werden,   wenn  man  an  die 

Entwicklung  der  Wörter  ü  ®  ¥^  »Ufer«    und  (1      ^K  *=g=>   »Dämmerung«    zu 

späteren  1\    .      und  ^K  f=^=i   denkt.      Zu    der   Bedeutung    »auslöschen« 

würde  das  Determinativ  der  Negation,  das  man  in  alter  Zeit  ja  auch  bei 
(1         __n_^,  »verbergen«   findet,   gut  passen,  ja  besser  als  das  spätere  }}.     In   der 

1  /vwws  "5? 

Tat  kann  das  (1  des  Verbums  ihn  nicht  wohl  das  (1  prostheticum  sein,  da  dieses 

weder  in  den  Pyramiden  im  Tempus  sdm-n-f  (wie  an  der  Stelle  Pyr.  746)  noch 
im  Mittleren  Reich  im  Tempus  sdm-f  (wie  in  unserer  Hs.  D)  am  Platze  ist. 
Bedenklich  ist  nur,  daß  die  Form  ^  1\  ,  die  bei  einer  solchen  Erklärung  ja 
jünger  als  ihm  sein  müßte,  doch  gleichfalls  schon  in  den  Pyramiden  belegt  ist1. 
Die  oben  angeführten  Parallelen  ans  den  Pyramidentexten  sind  in  mehr- 
facher Hinsieht  wertvoll.  Nicht  nur,  daß  sie  eine  klare  Bestätigung  für  das  Wort- 
spiel geben,  sie  verhelfen  uns  auch  zur  Herstellung  des  in  der  Hs.  B  unsicher 
überlieferten  Satzschlusses  in  unserm  Verse  3.     Dieser  wird  danach,   falls  nicht 

^  (^  via^  ^l'Jl^^/^/A  \  j  £&,  "gelöscht  ist  die  Flamme,  nicht  wird  gefunden 
das  Licht«  Pyr.  247  a.  Aiicli  in  dem  sehr  alten  Text  der  Hausweihe,  der  sich  in  den  Tempeln  der 
18.  Dyn.  von  Luksor  und  von  Medinet  Habu  aufgezeichnet  findet,  kommt  das  Verbum  bereits  in  <\n- 

Schreibung      _     v\   £ /]    vor    (Gayet,   Louxor  pL  12,2/3.     Dümichen,    Hist.  [nschr.  2.36a1,  2). 


Band  ">4.|  K.  Sethe:    Hin  altägyptischer  Fingerzählreim.  29 

die  oben  Abschn.  II,  Note  d  ins  Auge  gefaßte,  dem  parallelen       ~; i\ 


am  besten  entsprechende  Lesung  «^11.  'ü  möglich   sein    sollte,    so 

lauten  müssen:   ^M^l  (b*H0S^-*-^I)   IPT'C    '*"    ^ 
ausgelöscht  (bzw.  annulliert)  das,   was  gegen  ihn   getan    worden  ist«,   eventuell 

mit  dieser  Abänderung  des  Schlusses:  (I  »was   du  gegen   ihn  getan 

d      V «    1  as^ 

hast«,  falls  Maspeho's  Lesung;  auf  besserem  Grunde  beruhen  sollte,  als   es 

der  Fall   zu  sein  scheint.     Auf  jeden  Fall  gewährleisten   uns  jene  alten   Paral- 
lelen, daß  unser  Vers  3  wie  sein  Zwillingsbruder,  der  Vers  4,  auf  (1        *   endigte. 

V. 

Diese  Parallelen  aus  den  Pyramidentexten  führen  uns  zugleich  aber  auch 
in  den  Gedankenkreis,  in  dem  sich  unser  Text  bewegt..  Es  ist  der  Mythus  des 
Osirisgeschlechtes,  um  den  es  sich  in  beiden  Fällen  handelt.  Dort  in  den  Pyra- 
midentexten ist  von  der  Übeltat  die  Rede,  die  Seth  an  Osiris  begangen  hat,  und 
die  von  Horus  bzw.  von  Horus  und  Seth  wieder  gutgemacht  wird.  Hier  in 
unserem  Texte  handelt  es  sich  augenscheinlich  um  das  Auge  des  Horus,  das  Seth 
ihm  beim  Kampfe  ausgerissen  hat.  Li  den  Sätzen  9  und  10,  also  in  dem  letzten 
Verspaar  des  Textes,  wird  »das  Auge«  geradezu  genannt.  In  Satz  10  wird  auch 
gesagt,  daß  es  dem  Redenden  gegeben  werden  solle,  was  man  auf  die  Rückgabe 
des  Auges  an   Horus   durch  Thoth  beziehen  könnte  (s.  jedoch   unten). 

Dieses  mythische  Auge  ist  unverkennbar  auch  gemeint,  wenn  es  in  Vers  1 
und  anscheinend  auch  in  Vers  2  heißt,  der  Angeredete  habe  »die  eine«  genommen. 
Diese  eine,  die  in  der  Hs.  B  als  Göttin  determiniert  ist,  ist  das  eine  Auge  (im 
Ägyptischen  Femininum)  des   Horus,   das  ihm  durch   Seth  geraubt  wurde. 

In  den  übrigen  Versen,  die  zwischen  diesen  Anfangs-  und  jenen  Schluß- 
versen des  Textes  stehen,  ist  das  Auge  zwar  nicht  direkt  mit  Namen  genannt, 
aber  Pronomina  personalia  der  3.  fem.  sing,  nehmen  wiederholentlich  darauf  Be- 
zug. So  ganz  deutlich  in  den  Versen  7  und  8,  von  denen  noch  unten  näher 
zu  reden  sein  wird.  Auch  in  Vers  4  und  vermutlich  auch  in  Vers  3  kommt  ein 
solches  Pronomen  als  Objekt  vor.  Hier  würde  man  nach  den  oben  zitierten 
alten  Parallelen  aus  den  Pyramidentexten  aber  eher  an  das  Üble,  das  Seth  dem 
Osiris  oder  Horus  getan  hat,  denken :  doch  belehrt  uns  die  Fassung,  die  Vers  3 
in  der  Hs.  D  hat,  »du  annullierst  es  oder  löschst  es  aus  am  Kopfe  des  Horus«, 
daß  wenigstens  dieser  Redaktor  das  \\  »es«  des  Textes  auch  hier  persönlich  ge- 
faßt und  auf  das  ja  unmittelbar  vorher  als  »die  eine«  genannte  Auge  des  Horus 
bezogen  hat,   der  hier  sogar  selbst  geradezu  mit  seinem  Namen  genannt  wird. 

In  Vers  6,  der  mit  Vers  5  zusammen  einen  Satz  bildet,  scheint  dagegen  von 
einem  wohlriechenden  Gegenstande  die  Rede  zu  sein,  der  in  oder  an  das  Gesicht 
des  Redenden  gesetzt  werden  soll.     Daß  auch  das  keineswegs  die  Beziehung  auf 


.50  K.  Sethe:    Ein  altägyptischer  Ffngerzäblreim.  [54.  Hand. 


das  Horusauge  ausschließt,  lehren  die  Pyramidentexte,  die  fortwährend  von  dem 
Wohlgeruch  II  ^  I  des  Horusauges  reden,  der  seinem  Besitzer  oder  Empfänger 
anhafte  (Pyr.  I8d.  19.  20.  1803.  2072ff.  usw.)  und  die  Nase  der  Götter  erfreue: 
wird  doch  auch  der  Weihrauch  wie  das  wohlriechende  Öl  (Parfüm)  geradezu  als 
I  [orusauge   bezeichnet ' . 

So  scheint  denn  das  Auge  des  Horus  in  der  Tat  überall  den  Gegenstand 
unseres  Textes  zu  bilden.  Daß  seine  direkte  Nennung  erst  ganz  zum  Schluß 
erfolgt,  wird  beabsichtigt  sein,  sozusagen  ein  Kunstgriff  des  Verfassers.  Was 
vorher  nur  geheimnisvoll  angedeutet  wurde,  wird  zum  Schluß  verraten.  Me- 
trische  Gründe  können  dafür  wohl  kaum   in   Betracht  kommen. 

VI. 

Wir  kommen  nun  zu  der  Frage:  wer  ist  der  in  der  1.  Person  Redende  und 
wer  der  in  der  2.  Person  mask.  sing.  Angeredete  in  unserm  Text?  Die  Verse  10 
»gib  mir  das  Auge«  und  5/6  »gib  mir  was  gern  gerochen  wird,  an  mein  Ge- 
sicht« könnten  so  gedeutet  werden,  daß  Horus  der  Redende  sei,  insofern  man 
dabei  unwillkürlich  an  die  Rückgabe  des  geraubten  Auges  an  ihn  denkt.  Doch 
sollte  man  dann  in  Vers  i)  und  10  wohl  »mein  Auge«  statt  »das  Auge«  er- 
warten. Dies  Bedenken  wird  durch  die  Fassung,  die  Vers  3  bei  D  hat,  unter- 
stützt; denn  dort  ist  der  »Kopf  des  Horus«  genannt,  Horus  selbst  also  sicher 
nicht  als  redend  gedacht.  Da  die  Fassung  von  D  aber  auch  sonst  Veränderungen 
in  der  Personenverteilung  aufweist,  wie  z.  B.  die  2.  sing,  statt  der  1.  sing,  in 
Vers  6  und  anscheinend  umgekehrt  die  1.  sing,  statt  der  2.  sing,  in  Vers  5,  so 
kann  dies   nicht  allzu  schwer  ins   Gewicht  fallen. 

Suchen  wir,  ehe  wir  diese  Frage  weiter  verfolgen,  erst  mal  die  andere  zu 
beantworten,  wer  mit  der  angeredeten  Person,  die  in  sämtlichen  10  Versen  vor- 
kommt, gemeint  ist.  Dabei  haben  wir  uns  angesichts  dessen,  was  eben  für  die 
Hs.  D  festgestellt  werden  mußte,  zunächst  nur  an  die  Hs.  B  zu  halten.  Nach 
den  beiden  ersten  Sätzen  würde  man  an  Seth  denken ;  er  ist  es  ja,  der  das  Auge 
genommen  hat.  Auch  bei  Vers  3  »du  hast  es  ausgelöscht  an  ihm«  würde  nach 
der  oben  zitierten  Stelle  Pyr.  746  an  Seth  gedacht  werden  können,  der  dort  als 
Tilger  des  von  ihm  verübten  Frevels  erschien;  indes  war  es  ja  recht  zweifel- 
haft, ob  bei  uns  hier  nicht  das  Horusauge  selbst  als  Objekt  der  Tilgung  ge- 
meint war.  Immerhin  würde  ja  aber  auch  in  diesem  Falle  die  Beziehung  der 
2.   Person  auf  Seth  nicht  unpassend  sein. 

Anderseits  würde  Vers  10  »gib  mir  das  Auge«  eher  an  Thoth  denken  lassen. 
der  dem  Horus  das  geraubte  Auge  wiederbrachte,  vorausgesetzt,  daß  man  den 
Satz  trotz  der  oben  geäußerten  Bedenken  noch  dem  Horus  in  den  Mund  legen 
darf.     Die   Beziehung   auf  Thoth   würde   bei   den  Versen  7   und  8  zu  einer  be- 


')    Das  Ol  \\r\\M  daher  oft  auch    HrQ  \si     »das  an  der  Stirn  des  Horus  befindliche«, 

SIT      o    I  Ä 


z.  B.  ÄZ.  13.91. 


Bond  '>4.|  K.  S :    Ein  altägyptischer  Fingerzählreim.  31 


achtenswerten  Übereinstimmung  mit  den  Pyramidentexten  führen;  dort  kommen 
dieselben  Sätze  mit  ihrem  ganz  eigentümlichen,  höchst  altertümlichen  Bau,  den 
die  Schreiber  unserer  Handschriften  kaum  noch  verstanden  haben  dürften  (s.  u. 
Abschnitt  IX),   gerade   an   diesen  selben  Gott  gerichtet  vor. 

»Thoth,  eile,  nimm  den.  der  dem  Osiris  schadete  I  1  \\),  hole  den,  der 
über  den  Namen  des  X.  X.  übel   redete,   tu  ihn   in    deine  Hand   —   viermal   zu 

rezitieren  -.,  ^J^H^"-     -»"^k^^^lk^   "löse 
dich    nicht   los    von    ihm,    hüte    dich,    daß    du    dich    nicht    loslösest    von    ihm«, 
;    Pyr.  16'. 

»Thoth«    f\   0 T ^  fl ^z^6 N  v\    |1  ^^  Y\  ^Zv'ilo    »verschone    (od.   ä.)    nicht 

irgend  jemand,   der  den  König  gehaßt  hat«,   Pyr.  1336a. 
Zum  letzten   Satze   vergleiche   auch : 
»Thoth  hat  dir  deinen  Feind  niedergeworfen,  geköpft  zusammen  mit  seinem 

q  r-i    AAAAAA     r\    es 

Gefolge«  ^n^T^i  I  (1  v\   ^^.      »nicht  gibt  es  einen,   den  er  verschont  (od.ä.) 

hätte«,  Pyr.  635". 

Daß  die  verschiedenen  Verse  unseres  Textes  aber  bald  an  diese,  bald  an 
jene  Person  gerichtet  sein  sollten,  ohne  daß  dies  irgendwie  zu  erkennen  ge- 
geben wäre,  ist  nicht  eben  wahrscheinlich.  So  finden  wir  denn  auch  das  in 
der  ersten  dieser  Stellen  (Pyr.  16)  vorkommende  Wort  m  sfhh-1:  im-f,  das  mit 
unserem  Verse  7  fast  wörtlich  übereinstimmt,  in  den  Pyramiden  anderwärts 
auch   in  der  Anrede   an   Osiris  gebraucht: 

»Osiris  N.  N.,    empfange  das  Wasser,   das  im  Auge  des  Horus  war«,    ls\  M 

*!rtr^z^|jl\    I    »löse    dich  nicht  los  von  ihm   (dem  Auge)«.   Pyr.  43  <v  (ergänzt 

,   s.  Nachtrag  zu  meiner  Ausgabe). 
»Horus    hat    dir   deinen  Gregner    unter   dich    gelegt,    damit  er  dich    trage« 
Vv  ,_/w  l^~^-^6(]  ¥\*~      »löse  dich  nicht  los  von  ihm«,  Pyr.  642  (sehr  alter 

Text  mit  ^s^   für    »dich«);   vgl.  Pyr.  1890. 


Das  zeigt,  wie  zu  erwarten,  daß  tatsächlich  eine  Notwendigkeit,  ein  solches 
altheiliges,  gewissermaßen  geflügeltes  Wort  stets  nur  auf  ein  und  dieselbe  Person 
zu   beziehen  oder  an   ein  und  dieselbe  Person   zu  richten,   nicht  vorlag. 

Sieht  man  von  allen  solchen  mythologischen  und  literarischen  Rücksichten 
ab  und  sucht  die  angeredete  Person  unseres  Textes  nur  aus  diesem  selbst  her- 
aus zu  bestimmen,   so  wird  es  das  Wahrscheinlichste  sein,   daß  es  eben  die  ein- 


i)    |  v^*  offenbar  dem  späteren    (]  j^^  entsprechend.    Vgl.  ^  j^_^*|f  ^f) 

■^      in  einci-  Abschrift  aus  ptolemäischer  Zeit.  Ann.  du  serv.  15,  *2U'2. 

-|    Der  Paralleltext    Harhotep  44    hat  [  ^.^  J  O  (1  ¥\    *~     •    wo    das    Deter- 


minativ des   Herzens  auf  eine   Bedeutung;  wie   »Mitleid  haben-    hinweist. 


32  K.Sitiik:    Ein  altägyptischer  Fingerzählreim,  [54.  Band. 

zelnen  Finger  selbst  sind,  die  in  den  »Sätzen  angeredet  werden;  das  Wort  dit 
»Finger«  ist  ja  Maskulinum.  Gerade  so  geht  ja  auch  in  unserem  deutschen 
Fingerzählreim  das  Demonstrativum  »der«  auf  den  betreffenden  Finger.  Nur 
so  kommt  eine  innere  Beziehung  zwischen  den  Sätzen,  die  die  Finger  aufzählen, 
und  diesen  selbst  zustande  neben  der  äußerlichen  durch  die  Wortspiele  gege- 
benen Beziehung  zu  den  Zahlen.  Jeder  Finger  würde  dann  gewissermaßen  seine 
besondere  Rolle  haben,  die  er  im  Mythus  vom  Horusauge  gespielt  haben  sollte. 
Bezieht  man  demgemäß  die   2.  Person  in   unserm  Texte  auf  die  Finger,  so 

erinnert  der  Vers  7    ¥^ü fl  '  ^  ^         U  «r^l'  "löse  dich  nicht  los  von  ihm  (dem 

Auge)«,  der  einen  der  Finger  des  Seth  anzureden  scheint,  an  eine  gewiß  recht 
alte  Spruchformel,  die  im  Tempelritual  beim  Öffnen  des  Götterschreines  ge- 
braucht wurde: 

\\  3  |  %\  :    lo    »(iezogen  wird  der  Finger  des  Seth  aus  dem  Auge  des  Horus, 

sodaß  es  gesund  wird.  Es  löst  sich  der  Finger  des  Seth  vom  Auge  des  Horus, 
sodaß  es  gesund  wird«,  Berlin  P.  3055,  3,8/9  (Moret,  Rituel  du  culte  divin  S.  42). 

Vers  9   aber  mit  seinem    1}    "y  Q]\  »du  hast  das  Auge  erleuchtet« 

L-    erinnert  an  Pyr.  48,  ergänzt  nach  dem  Paralleltexte  der   T  7^  (s.  die  Ersatz- 

stücke zum  Einkleben,  die  ich  meiner  Ausgabe  der  Pyramidentexte  in  einem 
Nachtrag  beigegeben  habe).     Dort  wird  dem  Toten  angeboten 

im  ersten  Verse:  |  Pl M — ^  ~%\  l^^^^v  j^   >>a^er  Finger  des  Seth,   der 

das  weiße  Auge  des  Horus   sehen  macht«,  Pyr.  48<7, 

im  zweiten  Verse:  <s>u^|q  I?    "^)@|[l «das  Aveiße  Auge  des  Horus, 

das  auf  dem  Finger  des  Seth   leuchtet  (oder  erleuchtet  wird?)«,  Pyr.  486.      y^ 

Auch  hier  ist  von  einem  Finger  des  Seth  die  Rede,  den  er,  wie  es  scheint, 
in  das  weiße  Auge  des  Horus  —  d.  i.  das  Mondauge,  eben  das,  welches  er 
raubte  —  gestoßen  und  der  dieses  Auge  zum  Leuchten  und  Sehen  gebracht 
haben  soll. 

Daß  der  Vers  9  auch    in  der  abweichenden   Fassung   bei  D    I  IT1  <s>- 

»du  hast  das  Auge  aufgebrochen«  an  einen  Finger  des  Seth  gerichtet  ist,  ist 
ohne  weiteres  anzunehmen,  da  es  sich  dabei  um  einen  ausgesprochen  feind- 
seligen Akt  gegen  das  Horusauge  zu  handeln  scheint.  Doch  ist  diese  Fassung, 
wie  so  oft  bei  D,   wieder  stark   verdächtig,  verderbt  zu   sein. 

Ein  Finger  des  Seth  wird  auch  in  dem  Verse  1  angeredet  sein  müssen,  der 
von  dem  Raube  des  Horusauges  durch  den  Angeredeten  spricht:  »du  hast  das 
eine  (d.  i.  das  eine  Auge  des  Horus)  genommen«.  Und  ebenso  wird  voraussicht- 
lich auch  der  Vers  8  nur  an  einen  Finger  desselben  Gottes  gerichtet  sein  können, 
da    der  negative  Satz   mit  Jittb,   ob  er  nun    »schone  seiner  nicht«    oder  sonstwie 


Hand  .')4.|  I\.  Sethk:    Hin  altägyptischer   Fingerzählreim.  Ho 


zu  übersetzen  sein  möge,  jedenfalls  nach  den  zitierten  Stellen  aus  den  Pyramiden- 
texten (Pyr.  1336.  635)  wieder  eine  feindselige  Handlung  gegen  das  Auge  enthält. 

Daß  auch  die  Verse  3  und  4,  selbst  wenn  sie  von  der  Tilgung  eines  Un- 
rechtes reden  sollten  und  nicht,  wie  es  vielmehr  den  Anschein  hat,  von  der 
Auslöschung  und  Abwischung  des  Auges  selbst  redeten,  sehr  wohl  an  einen 
Finger  des  Seth  gerichtet  sein  könnten,  lehrt  die  oben  zitierte  Parallele  Pyr.  746, 
in  der  Seth  selbst   das  von   ihm  verübte  Böse   getilgt  haben  soll. 

So  kommen  wir  denn  bei  nicht  weniger  als  6  Versen  unseres  Fingerzähl- 
reimes (1.  3.  4.  7.  8.  9)  zu  der  Beziehung  auf  einen  Finger  des  Seth,  und  es  fragt 
sicli  nun,  ob  die  gleiche  Deutung  nicht  auch  auf  die  übrigen  4  Verse  anwend- 
bar ist.  Ist  die  Wahrscheinlichkeit,  daß  sich  die  Sätze  unseres  kleinen  Textes 
an  die  Finger  verschiedener  Personen  richten,  an  sich  schon  sehr  gering,  so  wird 
sie  es  noch  mehr  durch  das  Fehlen  jedweder  Andeutung  in  dieser  Richtung 
und  durch  die  unregelmäßige  Verteilung  der  auf  Finger  des  Seth  zu  deutenden 
Verse  innerhalb  der  Reihe  der  10  Verse1.  In  der  Tat  besteht  denn  wohl  auch 
kein  ernstliches  Bedenken  gegen  die  Beziehung  der  übrigen  Verse  auf  Finger 
desselben  Gottes. 

Vers  10,  der  zur  Übergabe  des  geraubten  Auges  an  den  Redenden  aufzu- 
fordern scheint,  »gib  mir  das  Auge«  würde,  wenn  er  von  Horus  gesprochen 
wäre,  wie  gesagt  am  besten  auf  den  Finger  des  Thoth  bezogen  werden,  der  dem 
Horus  das  geraubte  Auge  wiedergebracht  haben  soll.  Doch  hindert  nichts,  auch 
eine  Aufforderung  an  den  Räuber  selbst  darin  zu  sehen,  der  den  Raub  heraus- 
geben soll,  von  einer  andern  Möglichkeit  ganz  zu  geschweigen,  von  der  nach- 
her noch  die  Rede  sein  soll. 

Das  gleiche  gilt  auch  von  den  Versen  5  und  6,  die,  wie  das  Grapow  richtig  ge- 
sehen hat,  zusammen  einen  Satz  zu  bilden  scheinen,  der  etwas  Ähnliches  aussprach. 

Vers  2  endlich,  dessen  Wortlaut  nicht  ganz  richtig  überliefert  zu  sein  scheint 
und  oben  zu  verschiedenen  Deutungsversuchen  Anlaß  gab,  ist  seinem  Zwillings- 
satze 1  so  ähnlich  und  gleichgebaut,  daß  auch  bei  ihm  die  Beziehung  auf  die 
gleiche  Person,  d.  h.  ebenfalls  auf  einen  Finger  des  Seth,  von  vornherein  wahr- 
scheinlich ist.  Sie  wäre  sicher,  wenn  die  oben  S.  6  an  letzter  Stelle  vorgeschlagene 
Auffassung  des  überlieferten  Textes  »du  hast  selbzweit  eine  genommen«,  wie  ich 
denken  möchte,  als  gesichert  gelten  darf;  denn  nach  dieser  würde  der  zweite 
Finger  ja  ausdrücklich  als  Mitschuldiger  des  ersten  Fingers  bezeichnet  sein. 

Das  Ganze  darf  nach  alledem  wohl  für  einen  Spruch  gelten,  in  dem  die 
Finger  des  Seth  angeredet  werden.  Wer  ist  nun  aber  der  Redende?  Es  wurde 
oben  zunächst  an  Horus  gedacht,  und  der  Gedanke  hätte  unzweifelhaft  etwas  Ver- 
lockendes, den  Fingerzählreim  dem  Horuskinde  in  den  Mund  zu  legen.  Das 
scheitert  ja  aber  schon  daran,   daß  Horus  hier  nicht  als  Kind  gedacht  sein  kann, 


'l    Je    drei    in   den    beiden  Hälften  der  Reihe,  unterbrochen  einmal  an  zweiter  und  fünfter, 
das  andere  Mal   an   erster   und  fünfter  Stelle  der  je   einer  Hand   entsprechenden   Reihenhälfte. 

ZeiUchr.  f.  Agypt.  Spr.,  54.  Band.  5 


34  K.  Sethe:    Ein  altägyptischer  Fingerzählreim.  |">4.  Hand. 


\ 


sondern  als  Mann  gedacht  sein  muß,  der  im  Kampfe  mit  Seth  sein  Auge  ver- 
loren hat.  Andere  Gründe,  die  gegen  die  Beziehung  der  ersten  Person  in  unserem 
Texte  auf  Horus  sprechen,  wurden  schon  oben  geltend  gemacht.  Wer  aber  kann 
dann  noch  der  Redende  sein?  Die  Antwort  ist  wohl  einfach:  da  der  Spruch 
vom  Toten  angewendet  wird,  um  seine  Finger  zu  zählen,  so  wird  gewiß  auch 
die  mythische  Person,  der  er  eigentlich  in  den  Mund  gelegt  war,  ihre  eigenen 
Finger  damit  gezählt  und  apostrophiert  haben. 

Es  wird  also  im  Verfolge  unseres  oben  gewonnenen  Ergebnisses  Seth  selber 
dahinter  zu  suchen  sein.  Und  das  hat  denn  auch  nicht  die  mindeste  Schwierig- 
keit. Im  Gegenteil:  die  Sätze  7  und  8,  die  ein  Verbot  zuungunsten  des  Horus- 
auges  enthalten,  »löse  dich  nicht  los  von  ihm«  und  »schone  seiner  nicht«,  be- 
kommen überhaupt  erst  Sinn,  wenn  es  Seth  selbst  ist,  der  so  seine  Finger  anredet. 
Er  fordert  sie  darin  auf,   das  geraubte  Auge  festzuhalten  und  nicht  zu  schonen. 

Im  Verse  1  0  aber,  der  zunächst  von  der  Rückgabe  des  Auges  an  Horus  zu 
handeln  schien,  ist  nun  davon  die  Rede,  daß  der  betreffende  Finger  des  Seth 
diesem  das  erbeutete  Auge  geben  soll,  d.  h.  in  den  Mund  stecken,  damit  er  es 
verschlucke  (vgl.  Pyr.  61a.  88 c.  92c),  oder  an  seine  Stirne  setzen  (vgl.  Pyr.  84«) 
nach  dem  Muster  des  Sonnenauges,  um  seine  Feinde  zu  schrecken  (vgl.  Pyr.  53. 
2073  r),  sei  es  nun  als  wirkliches  Auge  zum  Sehen,  sei  es  symbolisch  als  Uräus- 
schlange,  Krone,   Salbe  oder  Schminke. 

Der  letztere  Gedanke,  das  Setzen  an  die  Stirne,  scheint  deutlich  in  Vers  5/6 
ausgesprochen  zu  sein,  wo  Seth  nach  der  Fassung  von  B  zu  seinem  fünften  und 
sechsten  Finger  sagt:  »gib  (oder  gebt?)  mir  doch  was  (gern)  gerochen  wird,  an 
mein  Gesicht1«. 

Man  könnte  hiernach  daran  denken,  daß  dort  bei  Vers  10  der  eine  Gedanke, 
das  in  den  Mund  stecken,  hier  bei  Vers  5  der  andere,  das  an  die  Stirne  setzen, 
gemeint  sei,  indem  es  sich  um  die  beiden  Augen  des  Horus  handele,  von  denen 
das  eine  von  der  einen  Hand  des  Seth  (10.  Finger)  in  seinen  Mund  gesteckt, 
das  andere  von  der  andern   (5.  Finger)  an   seine  Stirn  gesetzt  sei. 

Außer  der  1.  und  2.  Person,  die  hier  (wenigstens  für  die  Fassung  von  B) 
als  Seth  und  seine  Finger  ermittelt  worden  sind,  und  dem  Pronomen  3.  fem. 
sing.,  das  sich  auf  das  Horusauge  bezieht,  kommt  in  unserm  Texte  auch  noch 
die  3.  masc.  sing,  vor  in  den  Versen  3  und  4:  »du  hast  es  ausgelöscht  an  ihm« 
und  »du  hast  es  abgewischt  an  ihm«,  falls  das  hier  mit  »an  ihm«  übersetzte 
ir-f  nicht  etwa  die  emphatisierende  Partikel  sein  sollte,  was  nicht  eben  wahr- 
scheinlich ist.  Gemeint  kann  damit  nach  dem  Zusammenhange  wohl  nur  Horus 
sein;  das  wird  denn  auch  durch  die  Variante,  die  die  Hs.  D  in  Vers  3  dafür 
bietet,  bestätigt:    »an  dem  Kopfe  des  Horus«. 


M  Die  Passung  von  I)  mit  ihrem  »dein  Gesicht«,  kann  natürlich  nicht  zu  einem  Finger 
gesagt  sein  sollen.  Der  Text  ist  hier  offenbar  verderbt  oder  der  ursprüngliche  Sinn  des  Ganzen 
vergessen.  Hier  könnten  höchstens  die  Rollen  vertauscht  sein,  indem  der  Finger  den  Seth  an- 
redete:   »ich    halte   dir   gegeben  das  Wasser  (?)  der   beiden,   die  sich  deinem  Gesichl  zugesellen«. 


Band  .">j.|  K.Si  mik:    Ein  altägyptischer  Fingerzählreim.  35 


VII. 

Für  die  Ermittlung  der  Reihenfolge,  in  der  unser  Text  die  Finger  abzählt, 
bieten  uns  wohl  die  beiden  letzten  Verse  des  Textes  einen  Ausgangspunkt. 
Wenn  die  Deutung,  die  oben  (Abschnitt  VI)  dem  Verse  9  »du  hast  das  Auge 
erleuchtet«  auf  Grund  einer  Stelle  aus  den  Pyramidentexten  gegeben  wurde, 
zutrifft  und  hier  von  einem  Stoß  in  das  Horusauge  die  Rede  ist,  so  wird  der 
Finger,   um   den   es   sich   hier  handelt,   wohl  ein  Zeigefinger  gewesen  sein. 

Hierzu  stimmt,  daß  zum  zehnten  Finger  gesagt  wird:  »gib  mir  das  Auge«. 
Denn  das  paßt  nur  auf  den  Daumen,  der  den  andern  Fingern  gegenüber  beim 
Greifen  eine  besondere  Rolle  spielt  und  daher  von  den  Griechen  als  atvTiVetp, 
von  andern  Völkern  als  großer,  starker  oder  männlicher  Finger  bezeichnet,  auch 
wohl  gar  nicht  zu  den  Fingern  gerechnet  wird.  Nur  vom  Daumen  kann  man 
mit  einigem  Rechte  sagen,  daß  er  etwas  tue  wie  das  Geben  des  Auges,  wozu 
tatsächlich  zum  mindesten  zwei  Finger  gehören ;  denn  er  muß  ja  unter  allen 
Umständen  einer  von  diesen  beiden  Fingern  sein,  während  die  Rolle  seines 
Partners  von  jedem  der  andern  Finger  oder  auch  von  allen  zusammen  über- 
nommen  werden  kann. 

Ist  das  richtig,  so  muß  der  Finger,  auf  den  der  sechste  Vers  geht,  der 
kleine  Finger  derselben  Hand  sein.  Nun  bildet  aber  dieser  Vers  als  einziger 
unter  allen  mit  seinem  Paargefährten,  dem  vorhergehenden  fünften  Verse,  zu- 
sammen einen  Satz,  in  dem  also  beide  Finger  zu  demselben  Tun  aufgefordert 
werden.  Es  wird  daher  dieser  fünfte  Finger,  der  letzte  der  andern  (zuerst  ab- 
gezählten) Hand,  voraussichtlich  ebenfalls  ein  kleiner  Finger  und  nicht  etwa 
der  Daumen  gewesen  sein.  Es  ist  anzunehmen,  daß  eben  die  Gleichheit  der 
beiden  Finger,  die  beim  Übergange  von  einer  Hand  zur  andern  aufeinander- 
folgten,  zur  Zusammenfassung  ihrer  Sprüchlein   in  einen  Satz  geführt  hat. 

Diese  Kombination  wird  durch  den  Inhalt  des  Doppelverses  in  überraschen- 
der Weise  bestätigt:  »gib  mir  doch,  was  gern  gerochen  wird,  an  mein  Gesicht«. 
Das  scheint  zwar  auf  den  ersten  Blick  im  Widerspruch  zu  stehen  mit  dem,  was 
soeben  über  die  Rolle  des  Daumens  beim  Geben  uesas-t  wurde.  In  Wahrheit 
ist  das  Objekt  des  Gebens  hier  aber  ein  anderes,  das  unter  ganz  besonderen 
Verhältnissen  steht:  »Was  gern  gerochen  wird«  ist  offenbar  die  Salbe,  das 
wohlriechende  Öl,  das  dein  Ägypter,  wie  gesagt  (Abschnitt  V),  als  Verkörperung 
des  Horusauges  oder  aus  ihm    kommend  galt1.      Diese    Form    des   Horusauges, 

x)  Auch  in  der  abweichenden,  vermutlich  verderbten  Fassung  der  Hs.  D  könnte  »das  W[asser] 
der  beiden,  die  sich  deinem  Gesichte  zugesellen«,  falls  die  Ergänzung  »Wasser«  richtig  ist.  auf 
das  öl  als  Ausfluß  der  beiden  Horusaugen  "eben.    Vielleicht   ist  der  Dualis  hier  aber 

^    :^_  o  m  m  o  1 1 

ebenso  unrichtig   wie  in   \  eis   2  der  Dualis  ,  .  .  so  daß  auch   hier  nur  von  dem  einen  Horus- 

auge die  Rede  wäre.     Das  Verbum  »sich  gesellen-    könnte  dagegen    unter  Umständen  das 

ältere  gewesen  und  erst  später  in  das  anscheinend  jüngere  Verbum    l/wwv\  II    /&  QT\  »gern  riechen« 
umgedeutet  worden  sein.  s.  u.  Abschnitt  IX. 


B6 


K.  Sinn:    Ein  altägyptischer  Fingerzahl  reim. 


[54.  Band. 


die  Salbe,  das  öl,  wird  nun,  wie  die  ägyptischen  Tempelbilder  immer  wieder 
zeigen1,  tatsächlich  mittels  des  ausgestreckten  kleinen  Fingers  der  geballten 
Faust  an  das  Gesicht  der  damit  zu  versehenden  Person  geführt.  Es  hängt  das 
mit  der  natürlichen  Kolle  des  kleinen  Fingers  zusammen,  den  der  Mensch  un- 
willkürlich gebraucht,  wenn  er  etwas 
wie  Salbe,  Mus  oder  Honig  ohne 
Löffel  oder  anderes  Gerät  aus  einem 
engen  Topf  nimmt.  F]ben  dieser  Fin- 
ger ist  es  ja  auch,  dessen  man  sich 
bedient,  um  sich  ins  Ohr  zu  fahren, 
daher  der  kleine  Finger  in  vielen 
Sprachen  geradezu  »Ohrfinger«  (di- 
gitus  auriculäris)  heißt. 

War  der  fünfte  Finger  gleich 
dem  sechsten  ein  kleiner  Finger,  so 
muß  der  erste  Finger  wieder  ein 
Daumen  gewesen  sein.  Und  in  der 
Tat  wird  zu  ihm  wieder  etwas  ge- 
sagt, was  ebenso  wie  das  zum  zehn- 
ten Finger  Gesagte  wohl  nur  zum 
Daumen  paßt:  »du  hast  die  eine  (d.i. 
das  eine  Auge)  genommen«.  Wenn 
zu  seinein  Nachbar,  dem  zweiten  Fin- 
ger, etwas  Ähnliches,  wahrscheinlich 
damit  Zusammenhängendes,  gesagt 
wird,  so  wird  er  als  Zeigefinger  mit  dem  Daumen  zusammen  die  Tat  getan  haben 
sollen,  die  hier  jedem  einzelnen  von  ihnen  zugeschrieben  wird.  So  führen  auch 
diese  Erwägungen  auf  dieselbe  Deutung  des  Satzes,  die  oben  (Abschnitt  II,  Be- 
merkung c)  an  letzter  Stelle  als  die  innerlich  wahrscheinlichste  und  grammatisch 
einfachste  vorgeschlagen   wurde:    »du  hast  als   zweiter  die  eine  genommen.« 

Ein  ähnliches  Verhältnis,  wie  es  hier  zwischen  Daumen  und  Zeigefinger 
angenommen  wurde,  kann  übrigens  auch  in  dem  entsprechenden  Falle  des  neunten 
und  zehnten  Fingers  vorliegen.  Nachdem  der  neunte  als  Zeigefinger  das  Auge 
aufgespießt  hat  oder  —  das  wäre  nun  auch  wohl  möglich  —  mit  der  Spitze 
berührt  hat,  soll  nun  der  Daumen  zufassen,  um  es  mit  dem  Zeigefinger  zu- 
sammen dem  Redenden  zu  geben. 

Nach  diesen  Feststellungen  können  wir  uns  nun  wirklich  ein  genaues  Bild 
von  der  Art  machen,  in  der  beim  Gebrauch  unseres  Textes  die  Finger  abgezählt 


Der  König  salbt  den  Gott. 


')    Z.  B.  Lepsius,  Denkmäler,  Text  IV  80  (danach  die  obige  Abbildung).    Moret,   Caractere 
religieux  de  la  royaute  S.  166.     Lepsius,  Wandgemälde  Tai".  6.  14.    Karaak  Chonstempel  mit  der 

Beischrift  "■ — \  ^     -öl  opfern  seinem  Vater«   (nach  eigener  Abschrift). 


I5;mh1  54.]  K.  Skuik:    Hin  altägyptischer  Fingerzählreim.  37 


wurden.  Der  Zählende  nimmt  die  innern  Flächen  der  Hände  und  beginnt  mit 
dem  Daumen  der  einen  Hand,  zählt  die  übrigen  Finger  dieser  Hand  bis  zum 
kleinen  Finger,  geht  dann  zum  kleinen  Finger  der  andern  Hand  über,  zählt 
deren   Finger  bis  zum  Zeigefinger  und  endigt  wieder  mit  dem   Daumen. 

VIII. 

Hören  wir  nun,  nachdem  unsere  Sinne  so  nach  verschiedenen  Richtungen 
hin  geschärft  sind,  noch  einmal  den  ganzen  Text,  wie  er  aus  dem  Munde  des 
Seth  an  seine  Finger  gesprochen  worden   sein  soll: 

1.  (Daumen  der  1.  Hand):    »du  hast  das  eine  (Auge  des  Horus)  genommen« ; 

2.  (Zeigefinger):    »du  hast  selbzweit  das   eine  (Auge)  genommen«; 

3.  (Mittelfinger):   »du  hast  es  (das  Auge)  ausgelöscht  an  ihm  (dem  Horus)1«  ; 

4.  (Ringfinger):   »du  hast  es  (das  Auge)  abgewischt  an  ihm  (dem  Horus)2« ; 

5.  (kleiner  Finger):    »gib  mir  doch« 

6.  (kleiner  Finger  der  2.  Hand):  »was  gern  gerochen  wird  (das  Horusauge 
als  Salbe)  an  mein  Gesicht3«; 

7.  (Ringfinger):    »löse  dich   nicht  los  von  ihm   (dem  Auge)«; 

8.  (Mittelfinger):    »schone  seiner  (des  Auges)  nicht«; 

9.  (Zeigefinger):    »du  hast  das  Auge   erleuchtet  (mit   deiner  Spitze)4«; 

10.  (Daumen):    »gib  mir  das  Auge«. 

IX. 

Es  bleibt  nunmehr  noch  ein  Wort  über  die  zeitliche  und  literarische  Stellung 
unseres  Textes  zu  sagen.  Bei  nicht  weniger  als  5  von  den  10  Versen,  aus 
denen  er  besteht  (3,  4,  7,  8,  9),  konnte  auf  direkte  Parallelen  aus  den  Pyramiden- 
texten verwiesen  werden5.  Es  fragt  sich  nun,  wie  hat  man  sich  den  litera- 
rischen Zusammenhang  zwischen  diesen  Parallelen  und  unserm  Texte  zu  denken? 
Handelt  es  sich  bei  ihm  um  eine  spätere  Zusammenstellung  einzelner  alter  Verse 
oder  Versteile  aus  der  alten  religiösen  Literatur,  wie  sie  sich  uns  in  den  Pyra- 
midentexten repräsentiert  oder  richtiger  in  ihnen  niedergeschlagen  hat  —  denn 
die  Pyramidentexte  selbst  stellen  schon  eine  solche  Zusammenstellung  derartiger 
oft  sehr  verschiedenartiger  und  verschieden  alter  Elemente  zu  bestimmten  sekun- 
dären Zwecken  des  Totenglaubens  dar;  sie  enthalten  oft  einzelne  alte  Sätze,  die 
in  herkömmlicher  fester  Form  überliefert  waren  und  sich  in  dem  Zusammenhang 
des  Totentextes,  in  dem  sie  uns  entgegentreten,  wie  Bibelzitate  in  einer  mo- 
dernen Predigt  oder  Erbauungsschrift  ausnehmen  —  oder  gehört  unser  Text 
als  Ganzes  etwa  selbst  noch  dieser  uns  vielfach  nur  in  solchen  Fragmenten  er- 


l)  Var.  in  D:  »du  löschst  es  aus  am  Kopfe  des  Horus«.  --  2)  Fehlt  in  D.  —  3)  Bei  D  ver- 
derbt: »ich  habe  dir  gegeben  das  "Wasser  (?)  der  beiden  (Augen),  die  sich  deinem  Gesichte  zuge- 
sellen in  .  .  .  .«.  —  4j  Var.  in  D:  »du  hast  das  Auge  aufgebrochen«.  -  •"')  In  einem  sechsten  Falle  (2) 
war  eine  auffallende  sprachliche  Analogie  grammatischer  und  lexikalischer  Natur  mit  den  Pyramiden- 
texten zu  konstatieren  hinsichtlich  des  Gebrauchs  des  mutmaßlichen  Zahlverbums  sn   »zweiter  sein«. 


88  K.Skiiik:    Kin  altägyptischer  FingerzäMreim.  |54.  Band. 


haltenen  alten  Literatur  au  und  reicht  er  nocli  in  die  Zeiten  des  Alten  Reichs 
oder  gar  in  die  vorhergehende  Zeit  zurück,  wie  z.  B.  die  Texte  von  Der  el  bahri, 
die  die  Geburt  und  die  Thronbesteig'ung  des  Königs  betreffen,  und  wie  das 
»Denkmal  memphitischer  Theologie«?  Ist  er  vielleicht  gar  seinerseits  die  Quelle 
gewesen,  aus  denen  jene  oben  als  Parallelen  zitierten  Stellen  in  den  Pyramiden- 
texten  geflossen   waren? 

Eine  Handhabe  zur  Beantwortung  dieser  Frage    könnte   in  gewissen  sprach- 

liehen  Erscheinungen  gesucht  werden.   So  könnte  das  Wort   I^a«  Mi  ^  gj|\  »gerne 

riechen«    in   Vers  6,    vorausgesetzt    daß  es   vor  dem    Hu  des  ja  jedenfalls 

verderbten  D-Textes  den  Vorzug  verdient,  für  eine  jüngere  Entstehung  des  Textes 
geltend  gemacht  werden.  Das  reduplizierte,  anscheinend  vom  Simplex  II  y& 
sn  »küssen«  abgeleitete Verbum SnSn  tritt  erst  im  Mittleren  Reich  statt  des  älteren 
Kausativs  INI  (&■  ssn  »einatmen«  (mit  der  Nase,  auch  von  der  Nase  selbst  ge- 
sagt) auf.  Während  es  nun  später  aber  durchaus  den  Eindruck  macht,  als  ob 
dieses   reduplizierte  Verbum   nur  eine  falsch  etymologisierende  Schreibung  eben 

dieses  isn  sei  (wie  man  ja  auch    I  ^\M  ¥i  p=$  smsrn  für  t\   P=jp  s.sti/  »Pferd«, 

|  dd  für  altes  ]t  ddj  »dauern«  usw.  schreibt,  in  dem  Glauben,  daß  Wörter,  die 
mit  zwei  aufeinander  folgenden  gleichen  Konsonanten  beginnen,  notwendig  Re- 
duplikationen  sein  müßten),  kommt  jenes  1/vwwJ  1  /»  Kh  im  Grabe  des  Harhotep 
neben  der  alten  Form  R  jl  I   iS  qa  (ib.  344.  346)  vor,  scheint  also  für  den  Schreiber 

dieses  Grabes  keineswegs  damit  identisch  zu  sein.  Beweisend  kann  aber  das  Vor- 
kommen jenes  Verbums  s/ts//,  selbst  wenn  es  erst  dem  Mittleren  Reich  ange- 
hörte, für  das  Alter  unseres  Textes  auch  nicht  sein,  da  die  Möglichkeit  besteht, 
daß  es  an  unserer  Stelle  nur  auf  falscher,  wenn  auch  in  den  Zusammenhang- 
passender  Ausdeutung  des  alten  ijPJ  snin  »sich  gesellen  zu«  beruhe,  das  der 
zwar  im  einzelnen  vielfach  minder  gut  überlieferte,  aber  in  der  Orthographie 
zum  Teil  altertümlichere  Text  von  D  statt  dessen  bietet;  »das  Avas  sich  gesellt 
meinem   Gesichte«    würde  ja  auch  für  das  Horusauge  als  Salbe  passen. 

Ein  besseres  Kriterium  enthält  vielleicht  der  fünfte  Vers,  der  mittels  des 

Verbums   & 0  dj    »geben«    auf  das    Zahlwort    <=s»  \\  , ,    dw   »fünf«    anzuspielen 

scheint.  Da  das  genannte  Verbum  im  Alten  Reich  augenscheinlich  noch  seinen 
ursprünglichen  Lautwert  ^*1  \\  dj  gehabt  hat1  und  erst  im  Mittleren  Reich  mit 
der  allgemeinen  Lautverschiebung  von  ^^  d  zu  c^>  d  zu  seinem  späteren  Laut- 
wert dj  gekommen  ist,  der  sich  z.  B.  in  den  Varianten  \N©  für  Ddw  »Busiris«, 

l)  ÄZ.  39, 135.  Vgl  auch  die  Schreibung  A  8  ^\  .  ■  für  ^"1  f  }>  1 1'  den  Namen  des 
Gottes  Thoth,  Proc.  Soc.  bibl.  arch.  36,36,  allerdings  aus  einer  Zeit,  in  der  das  d  wohl  schon  zu  d 
geworden  war. 


Band  ">4.]  K.  Sethe:    Ein  altägyptischer  Fingerzahlreim.  39 


für   Ihl-f-hr  (alt   *j[   ^    jj*_   /M:/"-//r  wie  ojj*^-  IM/-?*)   ver- 


rät1,  so  scheint  das  Wortspiel  in  unserem  Falle  dafür  zu  sprechen,  daß  der  Text 
erst  im  Mittleren  Reich  entstanden  sei.  Das  würde  dann  aber,  da  das  (Jrab  des 
Harhotep  spätestens  in  die  11.  Dynastie  gehören  dürfte,  nur  kurz  vor  der  ältesten 
uns   erhaltenen  Aufzeichnung  des  Textes  gewesen  sein  können.      Es  fragt  sich 

indeß,   ob  der  ursprünglich   durch     ~^j    bezeichnete  Laut  des    Stammes    A o    dj 

»geben«  nicht  von  jeher  dem  <^>  so  nahegestanden  hat,  daß  auch  ein  solches 
Wortspiel,  das  ja  bekanntlich  oft  nur  auf  ziemlich  losen  Anklängen  beruht, 
zwischen   beiden  Lauten  möglich   war. 

Für  ein  wesentlich  höheres  Alter  unseres  Textes,  als  es  sich  aus  diesen 
nicht  beweiskräftigen  Indizien  ergeben  würde,   scheint  mir  nun   aber  neben  der 

Schreibung  j\  ©  ^v.^-^?  (^e  sich  m  D  m  Übereinstimmung  mit  der  Parallele  aus 
den  Pyramidentexten  (Pyr.  74(5)  für  das  t\    jl   von  B  findet,  die  Behandlung 

der  alten  Negation    v\     in   den  Versen  7   und  8   zu  sprechen.     Ihre  Schreibung 

in   B    ¥\   a ü   zeigt    doch    wohl,    daß    man    sie    damals   (in  Dyn.  11)  hier   nicht 

mehr  erkannte.  Anderseits  läßt  der  Zusammenhang  doch  wohl  annehmen,  daß, 
als  die  Verse  in  den  Text  gelangten,  das  Gegenteil  der  Fall  war.  Damals  wird 
man  sicherlich  den  Sinn   dieser  Sätze   noch   richtig   verstanden  haben. 

In  der  Tat  hat  die  Annahme,  daß  wir  es  mit  einem  Text  der  älteren  mytho- 
logischen Literatur  zu  tun  haben,  der  sich  hier  in  einem  Totentext  des  früheren 
Mittleren  Reichs  in  sekundärer  Anwendung  erhalten  hat,  wohl  auch  mehr  innere 
Wahrscheinlichkeit,  als  die,  daß  es  sich  um  eine  aus  alten  Brocken  zusammen- 
gestoppelte Schöpfung  des  Mittleren  Reichs  handle.  Der  ganze  Text  macht  denn 
doch  zu  sehr  den  Eindruck  der  Homogenität;  er  sieht  aus,  wie  aus  einem  (iusse. 
So  möchte  ich  denn  die  Entstehung  unseres  Fingerzählreimes  zum  mindesten 
in  das  Alte  Reich,  wenn  nicht  in  noch  frühere  Zeit  zurückweisen.  Dieser  älteste 
aller  bekannten  Reime  dürfte  also,  wenn  man  Borchardt's  neuen  chronologischen 
Ansätzen  folgt,  jedenfalls  noch   in   das   4.  Jahrtausend   v.  Chr.  gehören. 


')  Verbuin   I   S  457. 


40  K.  Skthe:    Das  Pronomen   1.  sing.  n-nk.  [54.  Band. 


Das  Pronomen  1.  sing,  n-nk  und  die  Eingangsworte 
zum  17.  Kapitel  des  Totenbuches. 

Von  Kurt  Sethe. 


In  der  ältesten  Fassung  des  17.  Kapitels  des  Totenbuches,  wie  sie  uns  auf  den 
Särgen  des  Mittleren  Reiches  —  dort  auch  schon  in  mehreren  deutlich  unterscheid- 
baren Entwicklungsstufen  —  entgegentritt,  lesen  wir  an  zwei  Stellen  (am  Ein- 
gang des  Textes,  in  Abschnitt  1  der  neuen  Ausgabe  von  Grapow1,  und  weiter- 
hin in  Abschnitt  5)  da,  wo  später  das  Pronomen  personale  absolutum  1.  sing. 
^^T  M^cn<<  erscheint,  eine  Form  ^-^vfo  mit  den  Varianten  ^Ow  (B),  ™~^_\  (Q, 
'WWA    (A,  E,  F,  G),  je  nachdem  die  betreffende  Handschrift  die   1.  Person  durch 

$r  '  H  yf  '  '  0(^er  §ar  nicl1t  bezeichnet.  Und  zwar  stimmen  in  diesem  Punkte 
alle  Exemplare,  die  uns  bisher  aus  dem  Mittleren  Reiche  bekanntgeworden  sind, 
üb  er  ein. 

Man  hat  in  diesem  Worte  n-nk  (oder  n-nlcj?)  bisher  allgemein,  nicht  anders 
als    es    die  Ägypter  selbst   später   getan    haben,    eine  orthographische  Variante 

jenes  Pronomens  ^f  erblickt,  die  für  die  Feststellung  seines,  bekanntlich  noch 

vielfach  bezweifelten  Lautwertes  wertvoll  sein  könne.  So  noch  jüngst  Lacau, 
Rec.  de  trav.  35,  70  und  Gardiner,  Proc.  Soc.  bibl.  arch.  37,  255,  und  so  auch 
Grapow  in  seiner  genannten  Ausgabe  des  Textes. 

Die  beiden  in  Rede  stehenden  Stellen  lauten  in  der  von  Grapow  herge- 
stellten bzw.  rezipierten  Fassung  und  in  der  von  ihm  dazu  gegebenen  Über- 
setzung, die  beide,  wie  sich  zeigen  wird,  in  Einzelheiten  der  Berichtigung  be- 
dürfen, so: 

1.   Grapow  4,3  +  6,6   und  4,15  +  6,10. 

»Die  Rede  geschieht.     Ich  bin   Atum,   der  ich  allein   war2.« 


')  Urkunden  des  ägyptischen  Altertums  V.  Religiöse  Urkunden  Heft  1,  im  folgenden  zitiert 
Grapow  mit  Seiten-  und  Zeilenziffer.  —  Auf  diese  Ausgabe  beziehen  sich  auch  die  Siglen  A,  B,  C  usw. 
für  die  Handschriften  des  Mittleren  Reiches.  —  2)  Grammatisch  richtiger  und  logischer  wäre: 
»ich   war  Atum.  als   ich   allein   war«. 


Band  54.]  K.Skihk:    Das  Pronomen   1.  sing.  n-nk.  41 


TK  F\7\  WWW 


/WVW 


»Die  Rede    geschieht    für  den   Herrn   Atom1.      Ich    bin   Atum,    als    ich    im 
Urgewässer  allein   war".« 

2.   Grapow   11.  lö   und    12.2. 


/wwvr 


m.r.  — pj=  1M2S*kM 
n.r.  ^ffi^  (M2S*M>G 

»ich   war  gestern3,   ich  kenne  morgen.« 

Dazu  die  Glosse:  »das  istOsiris«;  später  in  der  Hs.  H  und  im  Text  der 
Königin  Mentuhotep  (Dyn.  13  14) 4  erweitert:  »das  Gestern  das  ist  Osiris,  das 
Morgen  das  ist  Schu   (im   Neuen  Reich:   Rec)« 

2. 

Daß  die  Auffassung  von  der  Identität  des  Ausdrucks  ■WA™  Vir  mit  dem  Pro- 
nomen  '  )& ,  durch  das  er  hier  im  Neuen  Reich  ersetzt  erscheint,  schwerlich 
richtig  sein  kann,  zeigt  schon  der  Befund  an  der  ersten  Stelle.  Denn  dort 
folgt  dem  oben   mitgeteilten,   mit  ^w  m£  beginnenden  Satze  überall  ein  zweiter 

ffi         O  J    "ich  bin  Re'«,   der  das  Pronomen    1.  sing.  Mf  selbst  ebenso 

regelmäßig  überall  in  seiner  gewöhnlichen  Schreibung  (mit  den  Varianten    Q  j\  vfö  , 

TT  TT  -  /VWW\  ^ 

u  I ,  u  )  aufweist,  wie  der  erste  Satz  stattdessen  überall  sein  "^™  ür  (unc* 
Var.)  zeigte.  Es  leuchtet  danach  ohne  weiteres  ein,  daß  zwischen  beiden  Wort- 
formen notwendig  ein  Unterschied  bestanden  haben  muß. 

Auf  denselben  Schluß  führt  aber  auch   das   doppelte  n   der  Form  """"  ^  , 

das  bei  VJr  völlig  unerklärlich   wäre,   denn   dieses  Pronomen   zeigt  in   seiner 

alten  phonetischen  Schreibung  (I  (Pvr.)   schon   ebenso  nur  ein  n  wie  in  der 

Form  *etnök,  auf  die  seine  koptische  Form  miok,   ^i\<7-  zurückgehen  muß. 

Anderseits  läßt  die  Übereinstimmung  beider  Wortformen  in  der  Konso- 
nantenfolge nk  am  Ende  und  in  der  Determinierung  durch   das  Personendeter- 


')  So  Grapow.  meines  Erachtens  völlig  unägyptisch,  s.  u.  Abschnitt  4.  5.  —  '-)  Grammatisch 
richtiger  und  logischer  wäre:    »ich  war  Atum.  als  ich  allein  war«. 

3)  Richtiger:  »ich  bin  das  Gestern«,  denn  es  liegt,  wo  }  Mr  das  Subjekt  bildet,  ein  No- 
minalsatz  mit  nominalem  Prädikat  (Identitätssatz)  vor.  nicht  einer  mit  adverbialem  Prädikat  »ich 
war  (existierte)  gestern«  (s.  meine  Arbeit  über  den  Nominalsatz  §  8.  9.  56 ff.).  Die  Glosse  be- 
stätigt das  ja  auch.  Grapow's  Übersetzung  würde  ein  m  sf  statt  des  einfachen  sf  als  Prädikat 
erfordern. 

4)  Dieser  Text,  den  Grapow  unter  die  Handschriften  des  Neuen  Reiches  einordnet,  geht 
bis  zum  Abschnitt  19  ganz  mit  denen  des  Mittleren  Reiches. 

Zeitschr.  f.  Ägypt  Sprn  54.  Rand.  6 


4*2  K.  Sethe:    Das  Pronomen  1.  sing,  n-nk.  |.">4.  Hand. 


minativ  aber  auch  kaum  daran  zweifeln,  daß  tatsächlich  ein  Zusammenhang 
zwischen  ihnen  bestanden  haben  wird.  Der  Ausdruck  n-nk  wird  danach  wahr- 
scheinlich eine  Ableitung  von  oder  eine  Zusammensetzung  mit  dem  Pronomen 
ink  »ich«,  für  das  man  ihn  später  genommen  hat,  darstellen  und  also  selbst 
auch  den  Begriff'  dieses  Pronomens  als  wesentlichsten  Bestandteil  enthalten  haben. 

3. 

Betrachtet  man  die  zweite  der  beiden  Totenbuchstellen  ohne  Rücksicht  auf 
die  Ausdeutung,  die  sie  im  Laufe  der  Zeit  durch  die  Ägypter  erfahren  hat 
(»ich  bin  das  Gestern«)  und  die  sich  nicht  nur  in  der  Orthographie  des  Neuen 
Reiches  (  _Vjf  ['  r\  )•  sondern  auch  schon  in  der  Glossierung  des  Mittleren 
Reiches  (»das  Gestern  das  ist  Osiris«)  verrät,  so  läßt  der  Parallelismus  zu  dem 
folgenden  Satze  »ich  kenne  das  Morgen«  für  unsern  Satz  n-nk  sf  wohl  am  ehesten 
ein  »mir  gehört  das  Gestern«,  erwarten,  eine  Bedeutung,  die  das  im  Neuen 
Reich  dafür    eintretende  af  '  r     in  späteren  Zeiten   in  der  Tat  hätte  haben 

können1. 

Diese  lediglich  nach  dem  Zusammenhange  zu  erratende  Bedeutung  scheint 
der  pronominale  Ausdruck  n-nk  nun  auch  wirklich  überall  da  zu  haben,  wo 
wir  ihn  sonst  in  den  Totentexten  des  Mittleren  Reiches,  und  zwar  in  gleicher 
Weise  neben  af  und  von   ihm   streng  unterschieden,   antreffen;  vgl. 

Oft    o    i  -n.               -^"-H-  r^   a                n  f\         a    \\                      /wvw    0  r-i       /ww    0  ■— ...  ■ 
u  r^r  o   k^\  ■==  3t  ^  | — I  1^.= — ■3  j   Xf     yl  cJr i>r 

»ich  bin  der,  welcher  den  Hof  mit  seinen  Sohlen  durchkreuzt ,  mir  ge- 
hört der  Himmel,   mir  gehört  die  Erde«,   Harhotep  561/2. 

"")  »mir  ist    P  gegeben,   mir  gehört  7J*p«,   Lacau, 


Text  relig.  75, 11. 

AAAAAA  q     r~|    t  AAAAAA  q       .      r ■  AAAAAA  Q      r\         g§&  rtrtA        AAAAAA  I — I    «ery 

™^m^  *  ^™$r  n  i©  r^ ffi      ^rwvi     J^  >>inir  sen°rt  ^J>  mir 

gehört  Dp,  mir  gehört  das  shn,  das  vor  dem  Hause  des  Horus  ist«,   ib.  72,  2(>. 

/VWVNA  V5r  <^^  Jr      "^^na  -s^r  »mir  gehört  die  Große  (Buto  oder  die  unter- 

ägyptische    Krone),    mir    gehört    das    große    Auge«,    ib.   72.  33    (ebenda    Z.  35 

A/WW\     gl  OCTX  C\  AWM    .^XT^». 


»mir    gehört  die  Ringelschlange,    mir  ge- 
hört mein  Auge«,   ib.  80,  32;   es  folgt        .^ffe^.  v""  *~      »ich  bin  Horus, 


der  sein  Auge  (d.  i.   die  Uräusschlange  oder  die  Krone)  aufgesetzt  hat«. 

/wwv\       q     .    .    .  aaaaaa 

A/Wvw  Vff1  n    «mir   gehört    das   sw/;-/-Haus«,    ib.  77,25    (ebenda  Z.  29 

ö   V&   »ich«). 


])    Siehe  Erman,  ÄZ.  34.  .">0  und  vor  allem  Gardiner,  ÄZ.  41, 135,  wo  die  Erscheinung  zu- 
erst richtig  erkannt  ist. 


Band  .")4.|  K.  Sbthe:    Das  Pronomen   1.  sing.  n-nk.  43 


»mir  gehört  das  Schreiben«,   ib.  72.  30   (ebenda       )   v&  »ich«). 


Diesen  völlig  eindeutigen  Stellen  steht  nur  eine  scheinbar  zweideutige  gegen- 
über, die  uns  direkt  zu  dem  oben  an  erster  Stelle  angeführten  Totenbuchzitat 
aus  dem  Anfange  des   Kapitels  1 7   hinüberführt : 


ü         A/WNAA         I 


^n=n:. 


IM 

»ich    kam,    damit    ich    meine in  Besitz  nähme    und   meine   Würde 

empfinge, (n-nk  im),  als  ihr  noch  nicht  entstanden  wäret,  o  Götter«, 

Lacau,  Text,  relig.  78,  25. 

Es  ist  klar,  daß  hier  die  Übersetzung  »ich  war  Atum.  als  ihr  noch  nicht 
entstanden  wäret,  o  Götter«  ebensowenig  einen  vernünftigen  Sinn  gäbe,  wie 
an  jener  Totenbuchstelle  das  anscheinend  dort  stehende  »ich  war  Atum,  als  ich 
allein  war«.  In  beiden  Fällen  wäre  in  diesen  Sätzen,  wenn  sie  wirklich  von 
Haus  aus  so  zu  verstehen  gewesen  wären,  gesagt,  daß  der  Redende  zur  Zeit 
der  Weltschöpfimg  Atum  gewesen  sei,  mithin  es  in  der  Gegenwart  nicht  mehr 
sei.  Tatsächlich  denkt  aber  in  dem  Lac  Aussehen  Totentext  der  Redende  gar  nicht 
daran,  sich  mit  Atum  oder  auch  dem  Sonnengott  überhaupt  zu  identifizieren. 
Er  setzt  sich  darin  vielmehr  dem  Gotte  Hki3  der  Personifikation  des  Zaubers1, 
gleich  und  bezeichnet  sich  u.  a.  als  »Erben  des  Ref-Atum«  (Z.  28),  »den  der 
Alleinherr  (d.  i.  der  Sonnengott)  geschaffen  hat,  als  es  noch  nicht  zwei  Dinge 
(d.  h.  nichts  außer  ihm)  gab,  als  er  sein  eines  Auge  aussandte,  als  er  noch  allein 
war  ( jbv  ^e^=_  j  mit  dem,  was  aus  seinem  Munde  gekommen  war  (d.  i. 
seinem  Worte)«.    So  heißt  es  dort  in  Z.  5 ff.  mit  offenkundigem  Anklang  an  die 

A/VWV 

\\  orte,   die  im  Eingange   des  Totenbuchkapitels    den  Worten  *"** 


\Jn\    C1     r\ 

(var.  ohne   3,  s.u.)   folgen,    »als   ich   noch   allein   war«    (;^fe^  *"    ^^%>^) 
bzw.    »als  ich  noch   allein   im  Urgewässer  war«    ( f^,  7^$  ^f  < "'    ^^  ^=^>  ^>  )& 


?r  tk  tx  aaaaaa 

AA-VW. 


4. 

In  Wahrheit  ist  an  der  einen  Stelle  wie  an  der  andern,  bei  Lacau  a.  a.  0. 
wie  im  Totenbuch  Kap.  17,  gar  nicht  vom  Gotte  Atum  die  Rede,  sondern  es  liegt 
das  Wort  /^  j^  »Alles«,  »das  All«,  vor,  das  sich  aus  dem  attributiven  Ge- 
brauch im  Pseudopartizip,  wie  er  in  c  Iv^  »alle  Götter«  (Pyr.  1465a;  desgl. 
998  mit    t\     geschrieben),    S  ^    f\    {]    »die   ganzen    beiden   Länder«,    »das 

ganze  Land«,    »alle  Welt«  (oft  determiniert  mit  ^jS)   und  ähnlichen  Ausdrücken 

iii 
vorliegt",   zu   selbständigem,   substantivischem   Gebrauch   entwickelt  hat,    gerade 


l)  Vgl.  dazu  Gakdinkr,  Proc.  Soc.  bibl.  arch.  37,  255tf".  —  -)    Verbum  II  §  1004. 

6* 


44  K.  Sinn  :    Das  Pronomen   I.  sinn.  u-nk.  [54.  Band. 

wie  in  dem  seit  dem  Mittleren  Reich  nachweisbaren  Prädikat  des  Sonnengottes 
oder  des  Osiris  -^   JN    »Herr  des  Alls«,   das  ans  dem  attributiven  Gebrauch 

von  <z=>   -^  *~     »ganz«    hervorgegangen  ist,   wie  es  in  -5™  ^_     »das  ganze 

Land«  (eig.  »das  Land  bis  zu  seinem  Ende«)  vorliegt.  Auch  ein  aus  dem  ana- 
logen y^  n  *~  abgeleitetes  synonymes  Substantiv  für  »Alles«  mj-kd  kommt 
gelegentlich   vor1. 

Das    substantivisch    gebrauchte  im    »das  All«    ist  vereinzelt    bereits   in   den 
Pyramiden  zu  belegen: 

www      ,-«       EL 

v\     »dir  gehört  Alles,   Pyr.  1489 ft;   es  folgt  einmal    »so  sagen  die 

Götter«,  das  andere  Mal  »so  sagst  du«,  nämlich  du  Horus  zu  mir  dem  ver- 
storbenen König. 

¥\     »dir  gehört  Alles«,  Var. «««  (    p     ]  vK     »diesem  P.  gc- 

hört  Alles«,  Pyr.  9426. 

Häufig  ist  es  in  der  von  Lacau  gesammelten  Totenliteratur  des  Mittleren 
Reiches  und  der  vorhergehenden  Übergangszeit: 

fl^K  jÄ  .        C\   _  »mir  ist  das  All  ganz  gegeben«,   Lacau,   Text,  relig. 

72,  342. 

p    A/WVW  a         /WWW    s\     _         , .       n  g  -j  _^\         /WWW         ^-^         p-\ 

A  \>         M^>      ^^^         /L_  t\    »dem  Alles  geholt,  dem  Alles 

gebracht  wird«,   Lacau,  Ann.  du  serv.  5,  239   (von  Osiris  gesagt). 

Speziell  ist  der  Ausdruck  ^37  1\    »der  Herr  des  Alls«,  der  als  Vorläufer 

des  obenerwähnten  ^   3   anzusehen  ist,  als  Titel  des  weltbeherrschenden 

Sonnengottes  öfters  zu  belegen;  dabei  wird  der  ganze  Ausdruck  dann  ebenso 
wie  dieses  Nb-r-dr  nicht  selten  mit  dem  Determinativ  des  Gottes  versehen,  so 
daß  man  dann  dasselbe  Schriftbild  vor  sich  hat,  das  Grapow  zu  der  irrigen,  ganz 
und  gar   unägyptisch    klingenden  Übersetzung   »der  Herr  Atum«   verführt  hat: 

s       Jn  ^^7  v/~L  t\   ,7   "ich  bin  Atum,  der  Herr  des  ganzen  Alls«,  Lacau, 
Text,  relig.  4,  14. 

ß- nTr-\rn|lfln  j^  jji/wvsAA  ^^_^  fn  »es  jubelt  das  Gefolge  des  Herrn  des  Alls«, 

ib.  86,  53. 

Q(]^37S^=n:  3    »wie  der  Herr  des  Alls«,   ib.  86,  161,  wo  die  Parallelstellen 
die  Sinnvariante  y  (] y-n-  fx    Jft    »wie  Atum«    haben. 

i  ^37 ^m  _?}    »die  vor  dem  Herrn  des  Alls   seienden«,    ib.  78,3, 


vielleicht   auch    schon  ebenso  aus  einem  ursprünglichen   »alle  meine  Vorfahren 

J)  Siehe  unten  (Lacau,  Ann.  du  serv.  5,  239).    Vgl.  Urk.  I  107.  108;  ganz  ähnlich  in  der  von 
Keisnkr  aufgefundenen  Biographie  des  Nhbu\ 

<- — -^        ww\aa      ^-.        ca  ,., 

-)    Ebenso  a  .  \\    ^  .  .    »dem   das   All   ganz    gegeben    ist«    als   Prädikat   des 

_ o      *^^^rj^©l  I  &° 

Sonnengottes.  Berlin  P;ip.  3055,  17,  4  (Am'onsritual). 


Band  54.] 


K.  Sethe:   Das  Pronomen   1.  sing.  n-nk. 


4ö 


insgesamt«  mißverstanden,  wie  Totb.  17  (Grapow  30,  6)  der  Ausdruck  inij-ir-blh, 
der  ursprünglich  die  »Vorfahren«  des  redenden  Toten  bezeichnete,  in  »die  Götter, 
die   vor  Re'  sind«    umgedeutet  worden  ist  (Grapow  30,8.17). 


n 


D 


c±    a     c 


» in  dieser  seiner  (dieses  N.  N .) 


fW  WWNA   N  .     N  .         '-'       /VWWl    V /  ^S\ 

Würde  als  Herr  des  Alls«,   Gautier-Jequier,  Fouilles  de  Licht  pl.  28,  37. 

Als  Beispiele  dieses  Ausdrucks  nb  tm  »Herr  des  Alls«  aus  späterer  Zeit  seien 
folgende  Stellen  genannt: 


Mar.  Abyd.  I  S.  37. 


«erschienen  als  Herr  des  Alls«,   von  Amun  gesagt, 


v\  2Js!l  »deine  Augen  sind  der  Herr  des  Alls  (lies  nb 


\\    j^-         ^II=ir  js«ä  -ii  i    i   i 
tm-w)«   Erman,  Zaubersprüche  für  Mutter  und  Kind,  Rs.  5,  1 


AJU 


/wvsaa 


»Herr  des  Alls,   im  Nun 


geschaffen«,  von  Ptah  als  ältestem  aller  Götter  und  Weltschöpfer  gesagt,  Berlin 
Pap.  3048,  10,  3/4  (Hierat.  Pap.  II  Taf.  44). 

Hier  scheint  das  tm  unter  dem  Einfluß  des  später  zu  .        1\    zfcw  zusammen- 
gezogenen  ^^    K\    üftu    »alle  Welt«    (s.  o.)    als    »die  Menschheit«    gedeutet 

•===  fCI  Jir^l     II  ° 

zu  sein. 


5. 

Daß  wir  eben  diesen  Ausdruck  nb  tm  »Herr  des  Alls«,  zum  Teil  in  der- 
gleichen Umdeutung  des  tm,  auch  im  Eingange  des  Totenbuchkapitels  1 7  in  dem 
ersten,  mit  hpr  mä-t  beginnenden  Satze,  wie  er  in  der  erweiterten  Fassung  des  Neuen 
Reiches  sich  darstellt,     <$    \         Q7\  i  _      .        t\    J,   vor  uns  haben,  ist  klar.     Die 

<czr>  U    ^    £-1'  I  ^Z7  ^pruz  JP^.  iU 


Varianten,   die  sich   dort  für  das  von  Grapow  rezipierte 


Cc. ; 


^nr 


Ta. 


^nzar. 


so  nur 


Ja.  La.  An.  Juiya)  in  der  Mehrzahl  der  Hand- 


schriften finden,  zeigen  das  so  deutlich,  daß  sie  von  Rechts  wegen  auch  Grapow 
hätten  stutzig  machen  und  vor  seiner  unmöglichen  Übersetzung  »der  Herr  Atum« 
hätten  bewahren  sollen: 


^n=n:_M^ 


Pd. 


i    l    i 


Pe. 


j^M  Da.  (ebenso  mit  dop- 


i   i   i 


peltem  m  Ag. 


$^Ä8  Nu. 


\fA 


Bb. 


1\    2M  Ap.  Le.  (ebenso 


mit  doppeltem  m  Ba 


Auch  die  Fassung  der  Spätzeit,    die   das  Wort  nb   »Herr«   über  Bord   ge- 
worfen hat,     |     c"   a/\iv^    f\    t\    äjH   »es  geschieht  das  Reden  der  Mensch- 

«d^  (J  a     1 21/  !  ~^n=n:  _fi^  J^  f    ■    i  ° 

heit«,   hat,   so  unsinnig  sie  an  sich  auch  ist,  doch   noch  richtig  das  Bewußtsein 
bewahrt,   daß  hier  der  Name  des  Gottes  Atum  nicht  genannt  war. 


4()  K.  Sk riii-: :    Das  Pronomen   1.  sing.  n-nk.  [54.  Band. 


Das   ™aaaa  ^37  s 1b\    JH    »für  den  Herrn  des  Alls«,  das  hier  im  Neuen  Reiche 


den  alten  Eingangsworten  des  Textes  ^  fl  ^7\  i  »es  geschieht,  daß  (von  mir) 
geredet  wird«1  recht  sinnlos  zugefügt  erscheint,  ist  nun  aber  selbst  offenbar 
nichts  weiter  als  eine  irrige  Verdopplung  der  Worte  des  unmittelbar  darauf 
folgenden  zweiten  Satzes  *a^vca         \<\       jje  schon  dem   alten  Texte  des  Mitt- 


leren Reiches  angehörten  und  die  ihrerseits  —  daran  kann  jetzt  kein  Zweifel 
mehr  sein  —  ursprünglich  »mir  gehört  das  All«,  bzw.  im  Zusammenhang  der 
Stelle    »mir  gehörte  das  All,   als   ich  allein  war«,   bedeutet  haben  müssen. 

Dieser  Deutung  der  Worte  n-nk  tm  des  zweiten  Satzes  unserer  Totenbuch- 
stclle  entspricht  denn  auch  die  Schreibung,  die  das  Wort  tm  hier  in  den  älteren 
und   besseren  Handschriften   des  Mittleren  Reiches   aufweist:  v\     B,  C,  G, 

^  f\  v\  D.  Es  fei  dt  ihm  also  das  Götterdeterminativ,  das  dieselben  Hand- 
schriften anderwärts  bei  dem  Gottesnamen  Atum  ebenso  regelmäßig  wie 
bei  anderen  Götternamen,  jede  in  ihrer  Art,  zu  geben  pflegen  L  ^  J  B, 
^n=n:  £5»  *v_  ¥i  0  G).  Nur  die  beiden  Handschriften  E  und  F,  deren  Text  sich 
auch  sonst  vielfach  als  jünger  erweist  und  nicht  selten  zu  der  Auffassung  des  Neuen 
Reiches  hinüberführt,  haben  an  unserer  Stelle  die  von  Grapow  rezipierte  Schrei- 
bung Vv  Jn,  und  der  Sarg  der  Königin  Mentuhotep  aus  der  13./ 14.  Dynastie, 
der  wie  gesagt  mit  den  Texten  des  Mittleren  Reiches  geht,  aber  zeitlich  dem 
Neuen  Reiche  schon  ganz  nahesteht,    hat  ^n=n:  v\   ^\  JH  . 

Von  diesen  jüngeren  Texten,  die  das  tm  von  n-nk  tm  »mir  gehörte  das  All« 
also  wirklich  schon  für  den  Namen  des  Gottes  Atum  genommen  haben,  hat  der 
zuletzt  genannte  auch  das  alte  ^"w  bereits  durch  °  ersetzt;  er  liest  also 
schon  ganz  wie  der  Text  des  Neuen  Reiches  »ich  war  Atum«.  Auch  die  Hand- 
schrift E  hat  nach  Grapows  Angabe  dieses  ^  nfl;  dort  ist  es  aber  korrigiert, 
entweder  aus  ursprünglichem  WAA* ■  yf   oder  in  dieses   (Grapow  7,  17). 


')  Diese  Worte  gehören  im  Mittleren  Reiche,  wie  schon  ihre  Schreibung  mit  schwarzer  Farbe 
zeigt,  noch  nicht  wie  später  zum  Kapiteltitel,  der  seinerseits  rot  geschrieben  ist,  sondern  noch  zum 
Texte  selbst.  Es  sind  Worte,  die  der  Tote  spricht ;  vgl.  dazu  die  Fassung  in  den  Handschriften  E 
und  F:   »Spruch  für   das  Herausgehen  am  Tage  aus   dem  Totenreich    durch    den  N.  N.j    er   sagt: 

„Ks  geschieht,  daß  geredet  wird'.«     Grapows  Auffassung,  daß  sie  der  gewöhnlichen  Formel      ^ 

dd  mdw    »Worte  sprechen«    entsprächen,    wird   aber   auch   durch    die   Fassung    der   Handschrift  B 
widerlegt,  wo  der  Titel   »Herausgehen  am  Tage«   selbständig  in  einer  wagerechten  Zeile  über  dem 

Text  steht,  der  selbst  in  senkrechten  Kolumnen  geschrieben  ist  und  so  beginnt:     j|    $$    I  QÄ 

-Worte  sprechen:    ,Es   geschieht,    daß  geredet  wird'.«  Daß  als    latentes    logisches  Subjekt  des 

Infinitivs  md-i  »Reden«  nur  die  1.  Person  sing,  zu  verstehen  ist,  findet  in  den  Varianten     %$    I 

SA  I  ^r    "(>s  geschieht,  daß  ich  rede«  der  Hs.  Aa.,  einer  der  besten  und  ältesten  Handschriften  des 


Neuen  Reiches,   und     ^    Vjri  "^  gerate  ms  Reden«   (d.  i.  ich  beginne  zu  reden)  der  Hs. 

Ag.  seinen  deutlichen  Ausdruck  durch  den  ägyptischen  Schreiber. 


Band  54.]  K.  Sethe:    Das   Pronomen   I.  sing.  n-nk.  4f 


c±    & 


Obwohl  hiernach  die  Umdeutung  des  alten  ^"^         ^x     »mir  gehörte  das 
All«    in   das   wenig;  sinnvolle      ^   Wi.        ^\    Jn    »ich   war  Atum«    noch    bis  ins 


Mittlere    Reich    hinein    zurückzuverfolgen    ist    —    wie  ja    auch    die    Umdeutung 

des  alten  ^Mf  I    _      »mir   gehört  das   Gestern«    in   das    spätere     u    nft  I    _ 

»ich  bin  das  Gestern«  nach  Ausweis  der  zugehörigen  Glosse  schon  im  Mittleren 
Reiche  eingetreten  sein  mußte  — ,  hat  dennoch  eine  der  Handschriften  des  Neuen 
Reiches,  die  sich  vielfach  als  alt  erweisende  Hs.  Aa..  in  ihrer  Wiedergabe  der 
Eingangsworte  des  Kapitels  den  ursprünglichen  Wortlaut  noch  treuer  bewahrt 
und   läßt   seine    eigentliche   Bedeutung  zum  Teil    noch  deutlich   erkennen.      Sie 


A/vV"vV\ 


hat   so:     ~:    !         Qß '  ür  "22^$^-  J\  ,   also  bis  auf  das  Gottesdeter- 


minativ noch  ganz  korrekt;  auch  das  dem  ersten  Satze  angehängte  unsinnige 
//  nb  tm  «für  den  Herrn  des  Alls«,  das  durch  Verdopplung  des  n-nk  tm  hervor- 
gegangen zu  sein   schien,  fehlt  hier  noch. 

Diese  eben  erwähnte  Verdopplung  wird  übrigens  selbst  wohl  eine  derartige 

/wvw\ 

konservative  Schreibung,   die  das  ~    *  des  alten  n-nk  tm  noch  bewahrte   und  die 


zugleich  auch  die  Umdeutung  des  tm  in  Atum  noch  nicht  aufwies,  zur  Voraus- 
setzung haben.  Ja  vielleicht  darf  man  noch  einen  Schritt  weitergehen  und  auf 
eine  hieroglyphische  Handschrift  als  Quelle  dieses  Versehens  schließen;  denn 
nur  im  Hieroglyphischen  sieht  ja  ein  ^^  mit  ungenau  ohne  Henkel  geschrie- 
enem  ^zz^  einem   ^—j   gleich. 

6. 


A/WW\ 


Wie  an   der  hier  besprochenen  Stelle  des  Totenbuches  das 

£^q$        ^^v\W  (so  wird  man  mit  den  besten  Handschriften  jetzt  lesen)  »mir 

gehörte  das  All  (oder  Alles),  als  ich  noch  allein  war«  bedeutet,  so  sind  natürlich 
auch  an  der  analogen  Stelle  Lagau,  Text,  relig.  78.  25,   die  oben  in  Abschnitt  3 

mitgeteilt  wurde,   die  Worte   """"  afs.        f\   ^j^O  |         zu   übersetzen: 

»mir  gehörte  das  All,  als  ihr  noch  nicht  entstanden  wäret,  o  Götter«.   Die  Variante 


AAAAAA 


"         ^_o^  v\    ,    die   der  Paralleltext  hier  für  das   n-nk  tm  bietet  und  die  mit 


der  Schreibung  des  Prädikates  ^37         Jjj    nb  tm   »Herr  des  Alls«   an  der  oben 

in  Abschnitt  4  zitierten  Stelle  Lacau,  Text,  relig.  80,  161  zu  vergleichen  ist,  zeigt 
gleichfalls,  daß  es  sich  auch  hier  keineswegs  um  eine  Nennung  des  Gottes  Atum 
handelt.  Das  schienen  ja  auch  andere  Stellen  des  Textes  auszuschließen,  in  denen 
sich  der  Redende  als  Geschöpf  des  Sonnengottes  und  Erben  des  Atum  bezeichnete. 

7. 

Wie    ist    der  Ausdruck    ^22  ua    »mir   gehört«,    den    wir    im    vorstehenden 
kennengelernt   haben,    nun    aber   sprachlich    zu    erklären'?     Es    kann   wohl   kein 


l>  K.  Sethe:    Das  Pronomen   1.  sing.  n-nk.  [54.  Band. 

Zweifel  sein,  daß  er  in  seinem  Endbestandteile  nk  das  Pronomen  absolutum 
1.  sing.  ®  ^ffi  ink,  mit  dem  er  später  verwechselt  worden  oder  zusammengefallen 
ist,  enthält.  Der  übrigbleibende  Anfangsbestandteil  n  aber  wird  dasselbe  besitz- 
anzeigende Element  sein,  das  wir  in  der  Präposition  des  Dativs  //  (ü-,  \\&*),  in 
dem  Genitivexponenten  nj  (S-),   eigentlich  die  von  dieser  Präposition  abgeleitete 

AAAAAA   r\       ä 

Nisbeform  nj  »gehörig  (dem  und  dem)«,  und  in  dem  Ausdruck  ^  I  y\  n-.&w 
»er  gehört  (dem  und  dem)«,  eigentlich  »ein  Gehöriger  ist  er  (in  bezug  auf  den 
und  den)«,  vor  uns   haben. 

Dem  zuletzt  genannten  Ausdruck  n-iir  und  dem  zugehörigen  ^V^W  »ich 
gehöre«  (dem  und  dem  oder  zu  der  und  der  Gesellschaft),  das  ein  Pronomen 
1.  sing,  als  Gegenstand  des  Besitzes  enthält  und  dem  der  Name  des  Besitzers 
zu  folgen  pflegt,  steht  unser  ™~*  M£  »mir  gehört  (das  und  das)«,  das  eben- 
falls  ein  Pronomen  1.  sing.,  aber  als  Besitzer,  enthält  und  dem  der  Gegenstand 
des  Besitzes  zu  folgen  pflegt,  als  Gegenteil  gegenüber.  Während  dort  in  it-sw, 
ii-ivj  das  besitzanzeigende  Element  ^^  voraussichtlich  dasselbe  Nisbeadjektiv 
ist,  das  attributiv  gebraucht  als  Genitivexponent  dient  (prj  nj  iii-k  »das  Haus 
deines  Bruders«,  eigentlich  »das  deinem  Bruder  gehörige  Haus«),  hier  aber  prädi- 
kativ gebraucht  ist  (nj-wj  ümi-ir-k  »ich  gehöre  zu  deinem  Gefolge«,  eigentlich  »ein 
Gehöriger  bin  ich  zu  deinem  Gefolge«),  wird  bei  uns  in  n-nk  die  Präposition 
des  Dativs  n   selbst  vorliegen. 

Unregelmäßig  ist  dabei  nur  die  Voranstellung  des  dativischen  Prädikats  vor 
das  Subjekt  im  adverbialen  Nominalsatze  und  die  Verbindung  der  Präposition 
mit  einem  Pronomen  absolutum,  das  dabei  wie  ein  Substantiv  behandelt  erscheint, 
anstatt  der  sonst  üblichen  Suffixverbindung.  Beides  wird  miteinander  zusammen- 
hängen  und   in  der  starken  Betonung  des  Pronomens  seinen  Grund   haben. 

Für  die  Voranstellung  des  Dativs  ist  das  oben  Abschnitt  4  zitierte  n-k  Im. 
»dir  gehört  Alles«  der  Pyramidentexte  zu  vergleichen.  Zu  der  Verwendung  des 
Pronomens  ink  nach  Art  eines  genitivischen  Substantivs  aber  bilden  die  neu- 
ägyptischen Ausdrücke  wie  /JX^^WQM    a|    ^    ^    »dieser  Diener  von   mir«, 

|l   n  [L     "ein  Diener  von  dir«  eine  Parallele. 

Entwicklungsgeschichtlich  betrachtet  ist  die  Suffixverbindung,  wie  sie  das 
eben  erwähnte  ii-k  »dir«  (h^k)  enthält,  ja  als  starke  Verkürzung  eines  ursprüng- 
glichen  Ausdrucks  *n-kw  »für  dich«  anzusehen,  in  dem  das  alte  Pronomen  ab- 
solutum Ine  »du«  dem  in  n-nk  »mir  gehört«  enthaltenen  Pronomen  absolutum 
ink  »ich«  entsprach.  Während  nun  das  kurze,  nur  einen  starken  Konsonanten 
enthaltende  km  sich  als  Enklitikon  wie  von  selbst  zu  k  verkürzte,  mußte  eine 
entsprechende  Verkürzung  von  ink,  das  zwei  starke  Konsonanten  enthielt,  nk 
ergeben,  eben  wie  wir  es  wirklich  ohne  das  i  in  unserm  n-nk  finden.  Daß  in 
diesem  n-nk  aber  nicht  das  dem  kw  in  Form  und  Gebrauch  sonst  entsprechende 
kürzere  Pronomen  1.  sing,  wj  (alt  Jw),  das  verkürzt  als  »Suffix«  j  in  dem  gewöhn- 


Band  .">4.|  K.  Sethe:    Das  Pronomen  1.  sing.  n-nk.  49 


liehen  n-j  »mir«  (na».i)  vorliegt,  sondern  die  ganz  eigenartig  gebildete  und  unter 
den  alten  Pronomina  absoluta  isoliert  dastehende  vollere  Form  uik  verwendet  ist, 
wird  eben  in  den  Betonungsverhältnissen  seinen  Grund  haben,  ink  (^hok)  ist  ja 
überall  die  emphatisehe  Ausdrucksform  für  das  stark  betonte    »ich«. 

8. 

Auf  eine  etwas  abweichende  Erklärung  des  Ausdrucks  ^^W>  »mir  gehört« 
wird  man  geführt,  wenn  man  das  Koptische  und  die  semitischen  Sprachen  zum 
Vergleich  heranzieht.  Dort  wird  das  betonte  »mir«  nicht  durch  die  direkte 
Verbindung  der  Dativpräposition  mit  dem  Pronomen  absolutum  ausgedrückt,  wie 
sie  nach  der  oben  ins  Auge  gefaßten  Erklärung  in  unserem  Falle  vorliegen  würde, 
sondern  das  Pronomen  absolutum  wird  dem  regelmäßig  mittels  des  Suffixes  gebil- 
deten Ausdruck  für  »mir«  zur  Verstärkung,  gleichsam  als  Apposition,  zugefügt. 
Man  sagt  um  ^uok,   X»\     \  ,  13»  tol.    Hiernach  könnte  in  unserm  ™^tä  die  Zu- 

sammenziehung  eines  entsprechend  gebildeten  'wwa  v&   ö  v&  nj  ink  gesucht  werden, 

bei  der  das  im  Innern  der  Wortverbindung  stehende  doppelte  (]  vokalische  Aus- 
sprache angenommen  haben  oder  gar  ganz  verschwunden  gewesen  sein  könnte. 

Im  Semitischen  findet  sich  auch  die  Voranstellung  des  dativischen  Prädi- 
kats,  wie  sie  in  dem  oben  zitierten  .    '    t\     und  in    unserm    ~^™  vfo  festzu- 

stellen  war,  nicht  selten,  doch  genügt  alsdann  meist  eben  diese  Voranstellung 
zur  Hervorhebung,  und  es  bedarf  daher  der  Hinzufügung  des  Pronomen  abso- 
lutum nicht  mehr2. 

Der  eigenartige  Gebrauch,  der  uns  in  unserm  ™v^vfo  »mir  gehört«  ent- 
gegengetreten ist,  hat  übrigens  offenbar  nur  ein  kurzes  Leben  gehabt.  Wir 
konnten  ihn  nur  in  der  religiösen  Literatur  des  Mittleren  Reiches  nachweisen. 
Die  Behandlung  der  beiden  Stellen  aus  dem  17.  Kapitel  des  Totenbuches  zeigte 
deutlich,  daß  er  noch  innerhalb  dieser  Periode  wieder  abgekommen  ist,  Es  wäre 
wohl  möglich,  daß  der  oben  in  Abschnitt  3  erwähnte  Gebrauch  von  Q  v& 
»ich«  und  anderen  Pronomina  absoluta  (wie  q  »du«,  tP  »er«  usw.)  im  Sinne 
von  »mein  ist«,  »mir  gehört«,  der  seit  dem  Neuen  Reiche  zu  beobachten  ist,  die 
direkte  Fortsetzung  davon  gewesen  sei.  An  sich  unsinnig,  wie  dieser  Gebrauch  ist, 
würde  er  daraus  seine  Erklärung  finden;    er  würde  dann  eine  Verstümmlung  der 

AA/NAAA         q 

durch  unser  ~^Vw  vertretenen  Ausdrucksweise  des  Mittleren  Reiches  darstellen. 
Nachtrag:   Erman  weist  mich  auf  den  männlichen  Personennamen  A/Wvw|  V^ 
(Xewbekry,  Benihasan  I  S.  15)  hin,   der  gewiß    »mir  gehört  er  (der  Junge)«   be- 
deuten und  somit  unser  n-nk  enthalten  wird. 

l)  Z.  B.  ans  ta\  .euch«,  Hagg.  1,4  (vorher  das  Subjekt  des  Satzes).  —  2)  Z.  B.  sores  -tV  »ihm 
gehören  wir«,  Psalm  100,  3. 


Zeitsclir.  f.  Ägypt  Spr.,  54.  Band. 


oO  K.  Sethe:    Die  angeblichen  Schmiede  des  Horns  von   Edtäujf  [54.  Hand 


Die  angeblichen  Schmiede  des  Horus  von  Edfu. 

Von  Kurt  Sethe. 


In   dem  Mythus  des  Horus  von  Edfu.    wie   er  uns  durch  die  von  Brugsch   und 
Naville  veröffentlichten  Texte  des  Tempels  von  Edfu1  bekannt  ist,  spielen  die 

(HP V U >ih U oder  M7M  (selte»er  auch  i \$, odM'  I f1  TM i «- 

schrieben)  des  Gottes,  nach  denen  auch  einer  seiner  Priester  den  Titel  h         ^ 

oder  |j|  3      ^  führte2,    eine   gewisse  Rolle.      Es    sind    die  Leute,    die    den   Gott 

beim  Kampf  gegen   seinen  Feind,  das  Nilpferd,   begleiten  und  unterstützen. 

( )bwohl  sie  in  den  Texten  und  Darstellungen  überall  nur  in  dieser  Weise 
als  bewaffnete  Jagd-  oder  Kampfgenossen  des  Gottes  auftreten  und  obwohl  das 
Wort  m§n  nach  seiner  ganzen  Anwendung  und  nach  der  Determinierung,  die 
es    an    einzelnen   Stellen    erfährt,    gerade    eben    diese  Funktion    der   Leute,    ihre 

Arbeit  (~~)  -.  das  Harpunieren,  zu  bezeichnen  scheint:!,  hat  Brugsch  die  Be- 
zeichnung dennoch  einerseits  mit  dem  koptischen  Worte  &^ciiht  (ßecttiT)  %*AxsJc, 
anderseits  mit  der  altägyptischen  Berufsbezeichnung  |  v  HO  identifiziert  und  dem- 
zufolge die  in  in- ic  des  Horus  von  Edfu  für  »Schmiede«,  »Metallarbeiter«  erklärt1. 
Maspero  hat  hieraus  dann  in  einer  Abhandlung,  die  er  dem  Gegenstande 
gewidmet  hata,  scharfsinnige  Schlüsse  gezogen,  deren  Ergebnis,  wenn  es  zu- 
träfe, merkwürdig  genug  wäre.  Er  glaubte  in  der  Sage  von  den  »Schmieden 
des  Horus  von  Edfu«,  mit  denen  dieser  Gott  den  Kampf  gegen  Seth  ausge- 
fochten  haben  sollte,  das  ferne  Echo  vorgeschichtlicher  Begebnisse  zu  vernehmen : 
es  sollte  sich  darin,  so  meinte  er,  eine  Erinnerung  an  das  Eindringen  eines  im 
Besitze  des  Kupfers  oder  gar  des  Eisens  befindlichen  afrikanischen  Stammes  in 
das  selbst  noch  im  Steinzeitalter  lebende  Ägypten  erhalten  haben. 

:j  Brugsch,  Die  Sage  von  (\av  geflügelten  Sonnenscheibe.  Naville.  Textes  relatifs  an  mythe 
d'Horus.  -)    Dümichen,  XZ.  18(i7.  6  Anni. 

:ij    "Horus  von  Edfu  kam,  seine  Begleiter  hinter  ihm  als  msn-w,  das  Göttererz  und  der  Strick 

<2|  in  ihren  Händen,   wc  genannt,  sie  schlagen  die  Krokodile  und  Nilpferde..    Naville.  a.  a.  O. 

pl.  13,8,   vgl.  ib.  22,  2    und    14.2.  8.  17.!)    (s.  u.)  ;     »der  gute   mm,   der  an   der  Spitze   (des   Schiffes) 
steht«   als  Beischrifi   eines  Mannes,   der  dabei   ist.   das  Nilpferd   zu   erstechen,   ib.  pl.  13.  -      Der 

Ausdruck  oj      |1\N    J)T    kommt  auch  auf  Horus  von  Edfu  selbst  angewendet    vor   und    ist  dabei 

durch   ein   Bild   determiniert,    das   diesen    Gott    beim    Harpunieren   zeigt:    Brugsch.   Dict.  geogr.  378. 
4)    Brugsch,  a.  a.  O.  S.  31.        Wb.  704.    --  5)  Les  forgerons  d'Horus  et  la  legende  de  l'Horus 
d'Edfou,   erschienen   in   der  Zeitschrift  L 'Anthropologie   II   401  ff.,  wiederabgedruckt  in    M.'s  Etudes 
de  mythologie  ei  d'archeologie  (BibL  egyptologique)   II  313  ff. 


Band  '>4.|  K.  Sethe:    Die  angeblichen  Schmiede  des   Horus  von   Edfu.  51 


Dieser  geistvolle  Gedanke  ist  auf  fruchtbaren  Boden  gefallen.  Die  »for- 
gerons  d'Horus«  und  die  »invasion  Horienne«,  ausgeführt  von  einer  »tribu  du 
faucon«,  spuken  seitdem  in  den  Arbeiten,  die  sich  mit  der  Vor-  und  Urge- 
schichte Ägyptens  beschäftigen,  immer  wieder  herum. 

Tatsächlich  beruht  die  ganze  Hypothese  aber  nur  auf  jenen  beiden,  auf 
Brugsch  zurückgehenden  Identifikationen  des  Wortes  m&i  und  diese  sind  offen- 
bar unrichtig. 

Das  Wort  3      * J]  )& ,   in  seiner  älteren   Schreibung  |  |  ,   anscheinend   die 

wie    ^    nw-tj    »der    Städter«     geschriebene    Nisbeform    eines    Femininums,    mit 

dem  auf  tj-tc  ausgehenden  Pluralis  3  %,  ^  oder  |  *f  \  i /l  ^§ ,   hat  mit  der  Me- 

tallarbeit  nicht  das  Mindeste  zu  tun,  sondern  bezeichnet  den  »Bildhauer«,  der 
Statuen  oder  Figuren  (Rundskulpturen)  lebender  Wesen  in  Holz  oder  Stein 
meißelt.  So  finden  wir  das  Wort  in  den  Beischriften  der  Grabbilder  des  Alten 
Reichs1,  so  auch  im  Mittleren  Reich  z.B.  in  der  Inschrift  des  Bildhauers 

(Louvre  C.  14)  und  in  der  Geschichte  des  Sinuhe  (B.  302,  Ostrak.  Lond.  5629) 
verwendet.  So  ist  es  auch  in  dem  Ritual,  das  den  Dienst  an  der  Statue  des 
Toten  betrifft,  gemeint",  und  so  ist  es  endlich  auch  in  der  Rosettana  und  den 
verwandten  Dekreten  aus  der  Zeit  des  Ptolemaios  Epiphanes  gebraucht3. 

Dabei  ist  das  Wort,  soviel  mir  bekannt,  immer  nur  in  der  oben  ange- 
führten Weise,  d.  h.  mit  dem  Wortzeichen  des  Knochens,  ohne  andere  phone- 
tische Komplemente  als  die  Endung  tj  (bzw.  tj-w),  geschrie] >en.  Dafür,  daß  es 
den  gleichen  Stamm  msn  gehabt  habe  Mae  die  Bezeichnung  der  Leute  des  Horus 
von  Edfu  und  daß  es  also  mm-tj  zu  lesen  sei,  fehlt  es  demnach  an  jedem  An- 
halt. Da  der  Knochen  selbst  ks  (k^c)  hieß  und  sein  Bild  als  Hieroglyphe  den 
phonetischen  Wert  ks  (vgl.  km  »elend«)  hat,  so  würde  man  das  uns  beschäf- 
tigende Wort  a  priori  ks-tj  lesen  und  darin  ein  Derivat  von  ks  »Knochen«  er- 
blicken: »der  Knochenarbeiter«,  eine  Benennung,  die  der  Bildhauer  von  der 
Knochenschnitzerei  oder  von  dem  Arbeiten  mit  Knochenwerkzeugen  bekommen 
haben  könnte. 

Fällt  somit  die  Identifikation  von  3^^=/]^  und  kopt.  &*cnHT  in  sich 
zusammen,   so  ist   damit   auch  der  Gleichsetzung   des  Wortes  fft  fl  \J  3  v&   bzw. 

■  ^t     AAAA/VA       t  rt  I   I    I       I  S  N        £_JL 

mit  {Whht  der  Grund  entzogen,    denn   sie    war  ja    nur   über  das 


o  \\ 
lieh.     Hierzu  kommt  noch  eins:   die  Bezeichnung  der  Leute  des  Horus  von  Edfu 


gleichfalls  mit  dem  Zeichen  des  Knochens  geschriebene  Wort  |  °  £ i\  ^  mög- 


*ö 


')  LD.  Text  I  59.  Steindobff,  Ti  133.  134.  C'apart.  Rue  de  fcombeaux  33.  Davies,  Deir 
el  Gebrawi  I  14.  Vgl.  ürk.  I  65.  --  2)  Schiaparelli.  Libro  dei  ftmerali  I  68ff.  (Memorie  acad. 
dei  lincei  vol.  VIII,  1883):  II  :>(J9ft-.  (a.a.O.  vol.  VII.  sei'.  4a.  1885).  —  3)  ürk.  II  196,2.  226,9, 
wo  es  von  der  Statue  des  Königs  und  des  Gottes,  der  ihm  das  Siegesschwert  reicht,  heißt,  sie 
sollen  gemacht  sein    «in  dei'  Arbeit  der  Bildhauer  Ägyptens.,    (toi»  tu»  AlyvTTTtu 


T30—OV 


ö2  K.  Seihe:   Die  angeblichen  Schmiede  des  Boras  von  Edfu.  [54.  Band. 


wird  meist,  in  den  von  Naville  veröffentlichten  mythologischen  Texten  sogar 
stets,  ohne  das  ^  tj  geschrieben,  das  doch  für  die  Identifikation  mit  &&.ci\ht 
die  notwendige  Voraussetzung  sein   müßte.     Es  scheint  nach  dem  tatsächlichen 

Befunde  durchaus  möglich,  daß  das  in  Varianten  wie  [fil^  j$  >  fM'  Im  usw- 
gelegentlich  auftretende,  meist  aber  fehlende  ^  bei  msn  keine  ernstliche  Be- 
deutung hatte,  sondern  nur  als  ein  entwerteter  Zusatz  anzusehen  ist1,  wie  das 
in  hieroglyphischen  Texten  der  griechisch-römischen  Zeit  so  häufig  der  Fall 
ist2.  Auf  jeden  Fall  würde  die  Form  nisn-tj,  falls  sie  dennoch  wirklich  neben 
min  (bzw.  msn-tc)  existierte,  nach  dem  tatsächlichen.  Befunde  wohl  nur  eine 
seltenere  Nebenform,  nicht  die  gewöhnliche  Form  des  Ausdrucks  gewesen  sein 
können. 

In  der  Tat  finden   wir   das  Wort,    wo    es    uns    hieratisch    geschrieben    be- 

— .  i      r\  /WWW   -J 

gegnet,  ohne  geschrieben:  j||  1  9  I  ^^  ^aP-  ^e  B°ulak  I  pl-  14.  1.  3  (röm. 
Zeit).  So  vor  allem  auch  an  der  ältesten  Stelle,  an  der  es  überhaupt  bisher 
belegt  ist,  Lacau,  Text  relig.  20,35   (M.  R.): 

t\  fhH  0*^111  J)^*>   "du    setzest   dich    in    das    Götterschiff  (rlp-t  ntr), 
du  jagst  das  Nilpferd  in  dem  gewundenen  See,  jeder  Gott  ist  dein  msn-w«-. 
Beachtenswert    sind  die  Varianten,    die    das  Wort  msn-w   in    den   Parallel- 


en 


1 


texten  zu  dieser  Stelle  hat.  Der  eine  schreibt  es  (Tj  „  ,  3  |  3  ,  also  mit  dem 
Zeichen  des  Knochens,  das  es  auch  in  den  griechisch-römischen  Texten  des 
Edfu-Tempels  zu  erhalten  pflegt  und  das  es  auch  in  dem  eben  zitierten  Bulaker 

Papyrus  hatte.     Der  andere  Paralleltext  schreibt  dagegen  |T|  t=&*  Mj   mit  dem 

Zeichen  c=äfc=> ,  mit  dem  wir  unser  Wort  in  den  von  Naville  veröffentlichten 
Texten  vereinzelt  einmal,  und  zwar  ohne  phonetische  Komplemente,  geschrieben 
finden : 

c=ajfc=a  VrP  i  \     T  "^z?  I  »die    msn-w    sind    geschart  um  ihren  Herrn«, 

21  i  <^>i  I  I   i   i   i 

Naville,   Text.  rel.  au  mythe  d'Horus,   pl.  14,  5,   wo  die  Parallelstellen   ib.  3.  8 

(Fl  1  Sr '   naDen- 

Mit   dem  Zeichen,    das    an    dieser  Stelle    als   Wortzeichen    für   unser  Wort 
msn  verwendet  erscheint,  pflegt  sonst  die  Ortsbezeichnung  geschrieben  zu 

werden,  die  eine  Kultstätte  des  Horus  von  Edfu  bezeichnet  und  in  den  Texten 
ständig  im  Zusammenhang  mit  den  msn-rc  des  Horus  von  Edfu  und  mit  der 
Vernichtung  seiner  Feinde  genannt  wird.     Wie  die  phonetischen  Schreibungen 

fl™^,  flVin®'  iVli®  (Nayille-  a-a-°-  i)L  17>10ff-) leW'  ist  audl 


x)    Hiergegen   könnte  nur  die  oben  S.  50  Anrn.  3   zitierte  Schreibung  mit   "^    sprechen. 
2)    Vgl.  Junker,  Gramm,  der  Dendera-Texte  §  45,2.  46  und  ÄZ.  49,33. 


Hand  ")4.|  K.  Sethe:    Die  angeblichen  Schmiede  des  Monis  von  Kdfu.  53 


dieser  Name  mm  oder  msn-t  zu  lesen.  Brugsch  und  Masfero  sahen  darin,  in 
folgerichtiger  Konsequenz  ihrer  Deutung  der  ///m-w-heute,  eine  »Schmiede« 
oder  »Metallarbeiterwerkstatt«,  die  im  Tempel  von  Edf'u  wie  an  einigen  andern 
Orten  Ägyptens  für  die  »Schmiede«  [forgerons)  des  Horus  von  Edfu  eingerichtet 
gewesen  sei. 

Das  Zeichen   c=ä=s  ,    das   wir  in  allen    diesen  Stellen    mit    dem  Zeichen  des 
Knochens   3    abwechseln  sehen,   kommt   in   den   Texten    des  Horus-Mythus   von 

Edfu  noch  zweimal  vor  als  Ideogramm  eines  Wortes  bb,  das  ein  Gerät  zur  Nil- 
pferdjagd zu  bezeichnen   scheint: 

^  011t  I«    i- — °^        »seine  Begleiter  waren  mit  ihm  (dem  Gotte)  als 

msn-ic,  seine  Schiffe,  seine  6&-6eräte,  seine  Lanzen,  sein  Strick,  sein  mf6/-Spieß, 
seine  Waffen«,    Naville,  a.  a.  0.   pl.  22,22;    vgl.  pl.  25,58    mit   der  Variante 

JJ.T.S- 


I     I     I 


fij^30T— ^!— öi 


...  n         *^    / ^37    »seine  msn-tu,    seine  Begleiter  waren   um  ihn  mit 

seinem  Erze,  mit  seinen  bb-Geräten,  mit  allen  seinen  Stricken«,  a.  a.  0.  pl.  17,9. 

Statt  des  Zeichens  <=&=*,  dessen  genauere  Zweckbestimmung  ich  Archäologen 

überlassen  muß,    scheint   unser  Wort  msn   durch    das  Zeichen    des  Holzes   ^^- 

.  fj|   I  _    »Jfiw-Haus«,    die   Piehl, 

Inscr.  II  79  bezeugt  und  die  Grai>ow  irrig  H-t-msnht  lesen  wollte1.  Das  gleiche 
Determinativ  findet  sich  in  der  oben  zitierten  Stelle  Papyrus  de  Boulak  I  pl.  14, 1.  3, 
wo  es  ganz  ähnlich  wie  an  der  LACAu'schen  Stelle  und  an  der  ersten  der  beiden 

eben  zitierten  Edfu-Stellen  heißt:    »Horus  von ist  mit  ihm   v\  jb  I         3| 

v^^-T        "   »als  guter  min«. 

Was  diese  und  andere  Stellen  bereits  erkennen  lassen  konnten  (s.  oben 
S.  50  Anm.  3),  das  wird  durch  das  oben  angeführte  älteste  Zeugnis  (Lacau  a.  a.  0.) 
außer  jeden  Zweifel  gesetzt:  unser  Wort  msn  kann  nichts  anderes  bedeuten  als 
den  Harpunierer  oder  Harpuniergehilfen  bei  der  Nilpferdjagd.   Die  Konstruktion  als 

Prädikat  eines  Nominalsatzes  mit  dem    l\     der  Identität,  wie  sie  hier  und  zum 

Teil  an  den  obengenannten  andern  Stellen  vorliegt,  läßt  in  dem  Zusammen- 
hange, in  dem  der  ganze  Satz  auftritt,  keine  andere  Deutung  zu. 

Ist  dem  so,  so  erklärt  sich  nun  vielleicht  auch  das  Zeichen  des  Knochens 
bei  unserm  Worte.  Die  Harpunen  der  Ägypter  hatten  bekanntlich  in  der  ältesten 
Zeit  Knochenspitzen;    das  lehren  zahlreiche  Funde  aus  den  alten  Gräbern  und 


')    Wortbildungen  mit  dem  Präfix  m  (Abh.  Akad.  Berl.  1914,  5)  S.  29. 


54  K.  Sethe:    Zum  Inzest  des  Snefru.  [54.  Hand. 


die  Beschreibung  der  Harpune  bzw.  des  Jagdspießes  für  die  Nilpferdjagd  in  den 
P\  ramidentexten  (Pyr.  1212 d).  Auch  das  Wort  mhü-t  »Stab«,  das  an  dieser 
Stelle  den  Schaft  der  Harpunierin nze  bezeichnet,  wird  bekanntlich  seit  dem  ."Mitt- 
leren Reich  wie  andere  Wörter  für  Rohr  und  Schilf  mit  dem  Zeichen  des  Knochens 
geschrieben.  Das  Wort  msn-w  »Harpunierer«  selbst  könnte  seiner  Bildung  nach 
eventuell  eine  Ableitung  mit  dem  Präfix  m  von  dem  Namen  des  Zweizacks  I  in 
gewesen  sein,  der  in  den  Darstellungen  des  Edfu-Tempels  die  ständige  Waffe 
der  m&h-w  bei  der  Erlegung  des  Nilpferdes  und  sonst  bildet.  Freilich  sollte 
man  dann  aber  erwarten,  daß  das  Wort  mm-ic  auch  mit  dem  phonetischen 
Zeichen  I   m  geschrieben  werde;   das  ist  indes  nicht  der  Fall. 

Jedenfalls  hat  aber  das  Wort  min-w   »Harpunierer«  mit   gj      <; /i  nft  $•(/{?) 

»Bildhauer«    und  mit  £^ckht    »Erzarbeiter«    nicht  das  Mindeste  zu  tun. 


Zum  Inzest  des  Snefru.1 
Von  Kurt  Sethe. 

Meine  Erklärung  der  genealogischen  Inschrift  im  Grabe  des  Hr-f-Snfnr  (LD.1I  1  fi) 
und  der  Schluß,  den  ich  daraus  zog,  daß  der  Prinz  Nfr-mM  von  König  Snefru 
mit  seiner  eigenen  Tochter  erzeugt  worden  sei,  ist  neuerdings  von  H.  Sottas 
in  einem  Aufsatz,  der  mir  erst  kürzlich  bekannt  geworden  ist  (Rev.  egyptol.  14. 
150).  angefochten  worden.  Nach  ihm  soll  jene  Inschrift,  die  wörtlich  so  lautet: 
»le  roi  Snefrou,  sa  fille  ainee  de  son  sein  Nfrt-Jctw,  leur  fils  Nfr-m^t,  son  fils 
fflf-Snjrw«  nur  besagen,  daß  Nfr-m^t  der  Enkel  des  Snefru  gewesen  sei,  indem 
das  si-sn  »leur  fils«  ihn  gleichzeitig  als  Sohn  seiner  Mutter  Nfrt-ltfw  und  — 
gänzlich  überflüssigerweise  —  als  Enkel  seines  soeben  erst  als  deren  Vater  ge- 
nannten  Großvaters   Snefru  bezeichnete. 

Ich  kann  eine  solche  unnatürliche  und  doppelsinnige  Auslegung  des  Wortes 
§1  »Sohn«  als  Sohn  und  Enkel,  zumal  in  einer  solchen  Genealogie,  nicht  als 
möglich  zugeben.  Läge  wirklich  nur  ein  Abstammungs Verhältnis  vor,  wie  es 
Sottas  annehmen  will,  so  müßte  für  mich  die  Inschrift  so  abgefaßt  sein:  »König 
Snefru,  seine  Tochter  Xfrt-kJir,  ihr  Sohn  {si-i  »son  fils«,  nicht  sS-Sn  »leur  fils«) 
Nfr-mM,  sein  Sohn  Qcf-Snfrw*.  Das  Fehlen  einer  anderweitigen  Angabe  des 
Vaters  des  Nfr-mM  in  der  Genealogie  und  die  Tatsache,  daß  derselbe  Nfr-mM 
anderwärts  wirklich  den  Titel  »Königssohn«  führt  und  ein  Amt  bekleidet,  das 
zu  seiner  Zeit  nur  Königssöhne  bekleideten,   das  des  Oberrichters    und  Wesirs, 

')    Vgl.  ÄZ.  50,57. 


Band  51.|  K.  Sethe:    Zum   Inzest  des  Snefru.  55 


rechtfertigen  in  meinen  Augen  vollkommen  die  natürliche  Auffassung  der  Ge- 
nealogie, wie  ich  sie  seinerzeit  vertreten  habe,  d.  h.  daß  das  sl-sn  »leur  fils« 
den   Nßr-mict  als   Sohn   der  beiden  vorhergenannten  Personen  bezeichne. 

Alles,  was  Sottas  zur  Unterstützung  seiner  abweichenden  Erklärung  aus 
späteren  Zeiten  der  ägyptischen  Geschichte  zusammengetragen  hat,  beweist  dem- 
gegenüber nicht  das  geringste.  Der  erweiterte  Gebrauch  des  Titels  si  nswt 
»Königssohn«,  wie  er  im  Neuen  Reich  u.  a.  für  die  Statthalter  Nubiens  belegt 
ist,  ist  für  das  Alte  Reich  völlig  unbewiesen;  die  Kinder  der  Königskinder  aber 
führen  in  dieser  Zeit,   wie  aus   zahlreichen   Fällen  bekannt  ist,    stets  den  Titel 

I  <=>  r-h-nswt,   niemals   den  Titel  sl-nswt,  wie  unser  Nfr-mM1 .     Die  andern  von 

Sottas  angeführten  Beispiele,  in  denen  sS  »Sohn«  den  Nachkommen  schlecht- 
hin oder  den  Schwiegersohn  (Urk.  I  32)  oder  Pflegesohn  (»sein  geliebter  Sohn, 
der  Sohn  seines  Bruders«,  Moret,  (atalogue  du  Musee  Guimet  pl.  4)  bezeichnet, 
sind  Fälle  eines  ungenauen  Gebrauchs,   wie  sie  sich  wohl  in  jeder  Sprache  unter 


l)    Die  einzige  Ausnahme,  che  es  in  dem  bisher  bekannten  Material  gibt,  ist  nur  scheinbar. 

Im  Grabe  des   ^  v\{ j,  mit  «schönem  Namen«       X    (I  ,  bei  Sakkara  (Daressy,  Le  Mastaba 

de  Mera,  Mem.  de  linst,  egyptien  tome  III  1898,  kollationiert  von  Erman),  ist  der  den  Toten  und  seine 
Frau,  eine  "'älteste  leibliche  Königstochter«,  als  Kind  begleitende  (^^(]|y,'(|(|  stets  selbst  als 
«ältester  leiblicher  Königssohn«  betitelt  (a.  a.  0.  S.  527.  528.  532  usw.).  Hier  handelt  es  sich  offen- 
bar um  einen  Sohn  der  Prinzessin  ( '  \g^   I  r  h  ^  (j/1  *;—      »ihr  ältester  und  von   ihr  geliebter 

Sohn«  heißt  er  geradezu  a.  a.  0.  S.  555),  den  sie  dem  Mrrw-kl  mit  in  die  Ehe  gebracht  hat  und 
der  einer  früheren  Ehe  mit  einem  König,  sei  es  nun  ihrem  Bruder  oder  wieder  ihrem  Vater, 
entstammte.  Daher  wird  der  Prinz  im  Grabe  seines  Stiefvaters  in  der  Regel  auch  nicht  als  dessen 
Sohn,  sondern  als  »Königssohn«  bezeichnet.  (Ausnahme  vielleicht  a.  a.  0.  S.  541,  falls  es  sich 
dort  nicht  um  eine  andere  Person  gleichen  Namens  handelt  oder,  was  noch  wahrscheinlicher  ist, 

s \|      ry.    /WWV\ 

eine  Verschreibung  oder  Verlesung  für  (  doö  I  tt    ^      vorliegt,  vgl.  a.  a.  0.  S.  548:  Erman  hat 

die  in  Rede  stehende  Stelle  leider  nicht  kollationiert).  Anders  in  seiner  eigenen,  an  das  Grab 
des  Mrrw-hi  anstoßenden  Grabanlage.    Dort  nennt  er  sich  in  der  XZ.  49,  98  von  mir  besprochenen 

Weise  □  r  (]  ^«^Q  \Vn  r  c=t[](]^=^.  »Fürst  Mrj  sein  leiblicher  ältester  und  von 
ihm  geliebter  Sohn«.     Dabei  sind  aber  die  Worte      r     jj    >>=    nicht    ursprünglich,    sondern    Palim- 

psest,  an  Stelle  älterer  ausgemeißelter  Zeichen  nachträglich  eingesetzt,  und  zwar  nicht  nur,  wie 
Daressy  angab  (a.  a.  0.  S.  561),  der  Name  Mrj,  sondern,  wie  zu  erwarten  war  und  durch  Erman's 
Kollation  bestätigt  wurde,  auch  das  darauffolgende  und  darauf  Bezug  nehmende  sl-f  »sein  Sohn«. 

Es  ist  klar,  was  statt  dessen  ursprünglich  dagestanden  haben  muß:  '^^l^.     »Graf,  Königssohn«. 

Mrjj-Ttj  war  dann  hier  ebenso    betitelt   wie  sonst,    wo  er    nicht  «Mrfs  Sohn«    genannt  ist:       rj 

__£)  1  ?  "" — ° 

c==^  1  A^  usw.  »Fürst  und  Graf,  ältester  leiblicher  Königssohn«.  Daß  die  beiden  so  wieder- 
herzustellenden Titel  in  den  betreffenden  Inschriften  zum  Teil  noch  einmal  an  anderer  Stelle 
wiederkehren,  also  doppelt  genannt  sind,  ist  nicht  anstößig,  wie  ein  Vergleich  der  bei  Daressy, 
a.  a.  O.  S.  561  ff.,  gegebenen  Titulaturen  lehrt.    Der  wahre  älteste  Sohn  des  Mrrvc-k}  =  Mrj  ist  uns 

auch  bekannt;  er  heißt    f\    f\    h    (a.  a.  0.  S.  528.  535.  541). 


56  II.  van  deb  Leeuw:    External  Soul,  Schutzgeist  und  der  ägyptische  Ka.        [54.  Band. 

Umständen  gelegentlich   einmal  finden,   niemals   aber  in   einer    richtigen   Genea- 
logie auftreten   werden1. 

Sottas  verweist  am  Schluß  seines  Aufsatzes  noch  auf  eine  von  mir  leider 
übersehene  Bemerkung  Masperos  (Hist.  anc.  I  50)  über  ähnliche  Fälle  königlicher 
Ehen  zwischen  Vater  und  Tochter  (Ramses  IL  und  seine  Töchter  Bint-Canat  und 
Hnwt-tkcj,  sowie  eine  persische  Parallele),  natürlich  um  sie  zu  verwerfen.  Mit 
Unrecht;  die  Zweifel,  die  früher  gegen  diese  Fälle  ausgesprochen  worden  sind, 
und  die  Verlegenheitsdeutungen,  die  man  dafür  ersonnen  hat,  sind  jetzt,  wie 
mir  scheint,  durch  das  von  mir  nachgewiesene  gänzlich  unzweideutige  Beispiel 
des  Königs  Snefru  völlig  grundlos  geworden. 


n 


Extemal  Soul,  Schutzgeist  und  der  ägyptische  Ka. 

Von  G.  van  der  Leeuw. 

In  einem  Aufsatz  »Macht,  Seele,  Gott«"  hatte  ich  neulich  Gelegenheit,  auf  die 
verschiedenartigen  Beziehungen  hinzuweisen,  welche  zwischen  den  drei  Vor- 
stellungen oder  vielmehr  Vorstellungskreisen  der  unpersönlichen,  göttlichen  Macht, 
der  menschlichen   Seele  und  der  Gottheit  bestehen. 

Ich  konnte  dabei  die  Vorstellung  der  Seele  außerhalb  des  Körpers,  von 
den  Engländern  gewöhnlich  external  soul  genannt,  nur  ganz  kurz  streifen.  Da- 
her möchte  ich  an  diesem  Ort  noch  einmal  darauf  zurückkommen,  um  die  Vor- 
stellungen external  soul  und  »Schutzgeist«  auf  ihre  Verwandtschaft  hin  zu  prüfen, 
und  das  Ergebnis  hauptsächlich  zum  besseren  Verständnis  des  ägyptischen  Ka 
zu  verwenden. 

Es  darf  als  genügend  bekannt  vorausgesetzt  werden,  wie  bei  nahezu  allen 
Völkern  die  menschliche  Seele  in  verschiedenen  Verkörperungen  gedacht  und 
an  verschiedenen  Stellen  des  Körpers  lokalisiert  wird.  Als  Fliege,  Vogel,  Fleder- 
maus, Biene,  Maus.  Schlange,  Fisch,  Eidechse,  Schmetterling,  schließlich  in 
Menschengestalt  als  Homuneulus  oder   Doppelgänger,   erscheint  die  Seele  in  den 


')  Das  von  Sottas  zitierte  Beispiel  aus  dem  Grabe  des  Wsr-htt  ist  keine  genealogische  In- 
schrift, sondern  dort  sind  (nach  meinen  eigenen  Aufzeichnungen,  die  ich  1905  an  Ort  und  Stelle 
gemacht  habe),  hintereinander  die  nachstehenden  Personen,  jede  mit  ihrer  selbständigen  Beischrift, 
im  Bilde  dargestellt:  1.  der  »Vorsteher  der  Hauptstadt  und  Wesir  Imuthes«,  2.  »sein  geliebter 
Sohn,  der  erste  Prophet  des  Amun  Hapu-seneb«,  3.    «sein  (des  Imuthes)  Vater,  der  erste  Prophet 

des  Amun  Cbons  em-[ ]«,  4.   »ihr  Sohn  (d.  h    ihr  Nachkomme),    der  ihren  Namen  leben  ließ, 

der  erste  Prophet  des  Königsgeistes  Thutmosis'  I.  User-het«. 

2)    Theologisch  Tijdschrift,   1918. 


Band  .">4.|        II.  van  deb  I.kh  u  :    Externa!  Soul,  Schutzgeist  und  der  ägyptische  AV/.  5/ 


Träumen  des  Schlafenden  oder  Wachenden.  Im  Odem,  Schatten.  Herz,  Leber, 
Blut,   Haar,   Phallus  usw.   wohnt  das  Leben  des  Menschen,   seine  Seele1. 

Auch  wissen  wir  seit  langem,  daß  unsere  Vorstellung  von  einer  Seele 
nicht  für  alle  Zeiten  und  Völker  selbstverständlich  gewesen  ist.  Oft  nimmt 
man  zwei  oder  mehrere,  bisweilen  recht  viele  Seelen  an.  So  z.  B.  unterscheiden 
die  westafrikanischen  Neger  1.  die  nach  dem  Tode  überlebende  Seele;  2.  die 
Seele,  welche  im  Wald  in  einem  Tier  haust;  3.  den  Schatten;  4.  die  Traumseele2. 

Gewöhnlich  werden  nun,  wie  auch  im  angeführten  Fall,  die  verschiedenen 
Seelen  nach  ihrer  Art  und  Bestimmung  auseinandergehalten.  Und  zwar  lassen 
sich  hier,  wie  Nilsson  und  Kruyt  nachgewiesen  haben,  zwei  Haupttypen  unter- 
scheiden. 

Zunächst  die  Seele,  welche  im  Traum  erscheint.  Diese  ist  es  auch,  welche 
gewöhnlich  mit  dem  Leben  nach  dem  Tode  in  Verbindung  gesetzt  wird.  Traum- 
seele  und  Seele  des  Abgestorbenen  gehören  zusammen.  Auf  sie  baut  sich  die 
animistische  oder,   wie  Kruyt  besser  sagt,   die  spiritistische  Theorie. 

Es  gibt  aber  noch  eine  zweite  Seele,  welche  mit  Traum  oder  Tod  nicht 
notwendig  zu  tun  hat3.  Das  ist  die  innere  Lebenskraft,  welche  den  Menschen 
beseelt,  ihn  zu  allen  seinen  Handlungen  befähigt,  Man«.  Von  hier  aus  sind  die 
animatistischen,   dynamistischen,   präanimistischen   Theorien  entstanden4. 

Beide  Theorien  sind  natürlich  im  Recht.  Insoweit  sie  nämlich  keine  Theorien 
bleiben,  sondern  das  selbständige  sowie  das  vermischte  Auftreten  der  beiden 
Typen  anerkennen.  Denn  eine  reine  Scheidung  läßt  sich  nur  in  unserer  Stu- 
dierstube vollziehen.  Schon  die  Traumseele  ist  nicht  immer  eins  mit  der  Seele 
des  Dahingeschiedenen.  Und  anderseits  werden  die  Vorstellungen  vom  Traum- 
bild oder  Doppelgänger  hie  und  da  in  Verbindung  gebracht  mit  denen  von 
der  unpersönlichen  Lebenskraft.  Das  werden  wir  unten  am  Ka  verdeutlichen 
können. 

Diese  Differenzierung  gibt  nun  Anlaß  zu  der  Vorstellung,  daß  eine  (nicht 
die)  Seele  den  Körper  verläßt,  um  in  eine  der  obengenannten  Gestalten  einzu- 
gehen. Bei  einer  einheitlichen  Seelenvorstellung  würde  der  Mensch  sterben, 
wenn  die  Seele  den  Körper  verließe.  Es  sind  aber,  außer  der  Kraft,  die  ent- 
weicht, mehrere  Seelen  oder  seelenartige  Substanzen  da,  welche  die  äußere  Er- 
scheinung des  Betreffenden  instand  halten.     Dies  gilt,   auch  wenn  es  nicht  aus- 


')  Eine  Zusammenstellung,  insonderheit  für  die  Griechen,  gibt  0.  Waser,  Über  die  äußere 
Erscheinung  der  Seele  in  den  Vorstellungen  der  Völker,  zumal  der  alten  Griechen.  Archiv  für 
Religionswissenschaft  16,  1913,  S.  336 — 388.  Vgl.  F.  B.  Jevons,  An  Introduction  to  the  History 
of  Religion.  London  1896,  p.  44.  --  2)  Mary  H.  Kingsley,  West-African  Studies.  London  1899, 
p.  199  sqq.  Vgl.  für  weitere  Beispiele  u.  a.  J.  G.  Frazer,  The  Golden  Bough :!.  VII.  Balder 
the  Beautiful.  London  1914.  2.  p.  196  sqq.  J.  Levy-Brühl,  Les  Fonctions  mentales  dans  les 
societes  inferieures.  Paris  1910,  p.  92.  —  3)  Vgl.  N.  Söderjslom,  Das  Werden  des  Gqttesglaubens. 
Leipzig  1916,  S.löf.  --  *)  M.  P.  Nilsson,  Primitive  Religion.  Tübingen  191 1.  S.  16f.  A.  0.  Kruyt. 
Het  Animisme  in  den  indischen  Archipel,     's  Gravenhage  1906,  S.  1- — 5. 

Zeitschr.  f.  Ägypt.  Spr.,  54.  Band.  « 


58  H.  van  der  Leeuw:    External  Soul,  Schutzgeist  und  der  ägyptische  Ka.        [54.  Band. 


drücklich  gesagt  wird.     Unter  Umständen  kann  sogar  der  Körper  als   eine  der- 
artige Seele  fungieren1. 

So  kann  eine  Seele  los  vom  Körper  gedacht  werden.  Einen  Rest  derar- 
tiger Trennung  haben  wir  in  gewissem  Sinne  vor  uns,  wenn  Homer  die  »hei- 
lige Kraft«  seiner  Helden  als  Hauptwort,  sie  selbst  im  zweiten  Kasus  anführt. 
Denn  wenn  er  immerfort  redet  von  »kpov  tJ.EVog'AXxivooic,  lepyj  ig  TYiXeuoe,%oio «  usw., 
so  bedeutet  dies  zwar  im  Zusammenhang  nichts  anderes  als  »der  kräftige  Al- 
kinoos« usw.,  ist  aber  doch  ein  deutlicher  Hinweis  auf  eine  Möglichkeit  der 
Trennung  von  Person  und  Seele.  Alkinoos  ist  ein  so  großer  Held,  weil  er 
Ijlsvoq  hat.  Er  bliebe  aber  ebensogut  Alkinoos.  wenn  auch  nicht  ein  großer  Held, 
wenn  er  kein  jjlsvos  hätte.  Hier  liegt  der  Unterschied  mit  unserer  Seelenvor- 
stellung: ohne  Seele  wären  wir  gar  nicht,  sie  bildet  gerade  die  Person.  Ful- 
das primitive  Vorstellungsvermögen  ist  sie  nur  eine  der  oft  zahlreichen  ver- 
schiedenartigen Kräfte,  welche  die  Person  zu  dem  machen,  was  sie  ist2.  Dieser 
Gedanke  liegt  ja  übrigens  auch  noch  unseren  Ausdrücken  »Seine  Majestät«, 
»Seine  Exzellenz«    usw.   zugrunde. 

Wenn  es  nun  dem  primitiven  Menschen  möglich  ist,  sich  die  seelische 
Kraft  getrennt  vom  Besitzer  vorzustellen,  so  hindert  ihn  nichts,  diese  Kraft 
darzustellen  als  irgendwo  aufbewahrt,  außerhalb  des  Körpers.  So  konnten  die 
vielen  Märchen  aufkommen,  in  denen  die  external  soul  eine  Rolle  spielt. 

Vornehmlich  seit  den  Arbeiten  Wilkens  und  Frazers  sind  diese  uns  wohl- 
bekannt. Punchkin,  der  Zauberer,  dessen  Leben  in  einem  Papagei  hauste,  mit 
dem  zusammen  er  schließlich  sterben  mußte :i;  Koshchei  und  das  Ei4:  Bidasari 
und  der  Goldfisch5;  das  norwegische  Märchen  vom  Risen  som  havde  noget  hj&rte 
paa  äg*;  das  ägyptische  von  Bata,  dessen  Herz  auf  einem  Zedernbaume  lag': 
das  deutsche  von  des  Teufels  drei  goldenen  Haaren8;  die  Simsonsage9;  die 
Meleagersage 10 ;  Balder  und  der  Mistelzweig11 ;  die  Lykanthropic1'2;  die  Tierseele 
in  der  Wildnis;  der  Geburtsbaum,  mit  dessen  Leben  das  Leben  eines  Menschen 
verknüpft  ist13;  das  Amulett,  Edelstein  oder  sonstiger  Gegenstand,  als  Verbleibs- 
ort der  Seele14,  das  alles  sind  nur  einzelne  bekannte  Erscheinungen  aus  der 
Unmenge   von  Material,   das   hier  vorliegt1". 


l)  Der  ägyptische  »Körper«,  rj-t,  wird  als  Lebenskraft,  Seele  im  zweiten  obengenannten 
Sinne,  gefaßt.  Siehe  meine:  Godsvoorstellingen  in  de  oud-aegyptische  Pyramidetexten.  Leiden 
1916,   blz.  32   und   die   dort   angeführten   Stellen.  '-)  Vgl.  meinen    obenerwähnten  Aufsatz    in 

Theologisch  Tijdschrift.  —  :i)  G.  A.  Wii.ken,  De  verspreide  Geschritten,  verz.  door  Mr.  F.  D.  E.  van 
Ossenbruggen,  III.  's  Gravenhage  1 912,  blz.  291  v.  —  4)  Wii.ken  blz.  293.  :>)  Wilken  blz.  296  vv. 

-  <!)  P.  Chr.  Asbjörnson,  Norske  Folke-  og  Huldre-Eventyr,  3.  OpL,  udg.  af  M.  Moe.  I.  Kristiania 
1909,  p.  50.  —  7)  Wilken  blz.  293v.;  Frazer,  Balder  II  p.  134sqq;  M.  Burchardt,  Das  Herz  des 
Bata,  ÄZ.  50,   1912,  S.  H8f.  —   s)  Kinder-  und  Hausmärchen  Nr.  29.  —  9)  Wilken  blz.  551— 579. 
"')  Wilken  blz.  553.  —   ")  Frazer,  Balder  II  p.  96  sqq.  ia)  Wii.ken  blz.  25  vv.  —   13)  Wilken 

blz.  300 vv.:  Frazer,  Balder  II  p.  160 sqq.;  Jevons,  Introduction  p.  207.  -  14|  Wii.ken  blz.  299; 
Frazer,  Balder  II  p.  153 sqq.  erklärt  die  »ssn  -*$  von  des.  3,  20  in  diesem  Sinne.  --  ' ')  Siehe  weitere 
Beispiele  bei  AVilken,  blz.  291     30!)  u.  551—579;  Frazkr,  Balder  II  p.  96sqq. 


Band  ">4.|         II.  \  \n  dkk  Leecw:   External  Said,  Schutzgeist  und  der  ägyptische  ho.  5(.) 

Der  Grund,  weshalb  man  seine  Seele  an  einem  gewissen  Orte  ver- 
birgt, ist  klar.  Man  wünscht  sie  zu  sichern  vor  Gefahren  und  Feinden1. 
Wenn  man  die  Seele  nicht  im  Leibe  hat,  so  ist  man  unverwundbar.  Bis 
natürlich  der  Glücksheld  des  Märchens  kommt  und  den  verborgenen  Schatz 
auffindet. 

Als  external  soul  ist  auch  der  Doppelgänger  zu  erklären,  der  in  so  vielen 
Sagen  und  Vorstellungen  auftritt2.  Im  Doppelgänger  tritt  die  Seele  des  Men- 
schen aus   seinem  Körper  heraus. 

In  diesem  Zusammenhange  läßt  sich  nun  auch  verstehen,  wie  die  Vorstellung 
der  external  soul  eine  weitere  Ausbildung  erfuhr  in  derjenigen  des  Schutz- 
geistes. Vielfach  nämlich  werden  diese  beiden  Begriffe  einander  gleichgesetzt 
oder  sogar  verwechselt.  Das  beruht  darauf,  daß,  wenn  die  Lebenskraft 
eines  Menschen  in  der  external  soul  geborgen  ist,  er  selbst  sicher 
ist  vor  allen  Nachstellungen.  Noch  einen  Schritt  weiter,  und  die  selb- 
ständig gewordene  Seele,  welche  die  Sicherheit  ihres  Besitzers  ver- 
bürgt, wird  zur  Schirmerin,  zum  Schutzgeist.  Man  kann  auch  so  sagen: 
die  Lebenskraft  (»Seele«)  einer  Person  ist  im  Schutzgeist  als  external  soul ;  da- 
her ist   die  Person  gegen  Übel  aller  Art  gesichert. 

Betrachten  wir  einige  Beispiele  dieser  Art.  Die  altnordische  Hamingja  be- 
deutet sowohl  »Glücksvorrat  und  Schicksal  des  Geschlechts  und  des  Einzelnen«, 
wie  Seele,  (reist  und  auch  Schutzgeist,  »ohne  daß  der  Übergang  scharf 
markiert  wäre«:\  Den  malakh  Jahre  hat  uns  Lods  verstehen  lassen  als  das 
Gegenteil  von  einem  Produkt  später,  Verrncnschlichung  scheuender  P^rwägungen4. 
Der  Sendbote  Jahves  ist  ja,  wie  bekannt,  nicht  immer  von  Gott  selbst  scharf 
unterschieden.  Er  ist  die  Person  Jahves  selbst,  aber  losgedacht  von  ihm, 
eine  external  soul  der  Gottheit.  Eins  mit  ihm',  tritt  er  gesondert  von  ihm  auf. 
Ursprünglich  ist  der  Malakh  also  wohl  die  gesicherte,  verborgene  Lebenskraft 
des  Gottes h.  Später  wird  er  dann  zum  bloßen  Abgesandten,  zum  Engel.  Und 
noch  später  tritt  in  der  griechisch-judaistischen  Spekulation  sein  ursprünglicher 
Charakter  wieder  an  den  Tag.  indem  er  als  Hypostase.  Logos  gilt:  das  Wesen 
Gottes,   nicht   von  ihm  getrennt,   sondern  bloß  unterschieden'. 

Dieser  Engel  Jahves  tritt  nun  sehr  oft  auf  als  Schutzgeist,  und  zwar 
nicht  mehr  des  Gottes   selbst,   sondern  des  Menschen.     Die  schirmende  Lebens- 


')  Blrchardt  a.  a.  0.  —  -)  Siehe  z.  B.  H.  G(aidoz),  L/ämehors  du  corps  et  le  double.  Melu- 
sine 11,  1912,  p. -263 — 266.  —  :il  Söderbi.om,  Gottesglaube  S.  66.  —  4)  Wie  noch  H.  Günkhx, 
Genesis,  3.  Aufl.    Göttingen  1910,  S.  187.  5)    Aussprüche  wie  Ex.  23.  21   (»Mein  Name«,  d.  h- 

mein  Wesen,  »ist  in  ihm»)  lassen,  keinen  Zweifel.  -  6I  Den  Gegensatz,  die  ungeschirmte,  so- 
zusagen offene  Seele  bezeichnen  gut  die  Ausdrücke  »seine  Seele  in  seine  Hand  nehmen«- 
1.  Sam.  19,5:  »seine  Seele  vor  sich  hinwerfen«,  Jdc.  9,  17.  Man  muß  dann  in  der  Tat  die  Seele 
selbst  hüten,  und  das  ist  sehr  gefährlich.  —  ')  A.  Lous,  L'Ange  de  Yahve  et  l'»äme  exterieure« 
(ZAW,  Beiheft  27,  1914  S.  263— 278. 

8* 


(JO  II.  van  der  Leeuw:    External  Soul,  Schutzgeist   und  >\cr  ägyptische  Ka.        |.">4.  Band. 


kral't,  die  der  Gott  in  der  vorgeschrittenen  Vorstellung  nicht  mehr  braucht,  hat 
sicli  zum   Besten  des  Menschen  gekehrt1. 

So  wird  die  external soul  zum  Schutzgeist.  Auch  bei  den  Engelvorstellungen 
des  jüdischen  Volksglaubens  ist  ihr  Charakter  als  Seele  noch  sehr  wohl  erkenn- 
bar.  Mt.  18,10  ist  die  Rede  von  den  Engeln  der  Kinder,  welche  im  Himmel 
sind.  Rhode,  Acta  12,  15,  glaubt  den  Engel  des  Petrus  zu  sehen.  Das  Iteruln 
auf  einer  Anschauung,  nach  welcher  der  Engel  eigentlich  der  Doppelgänger,  die 
Seele  außerhalb  des  Körpers,  dann  auch  der  Schutzgeist  ist".  Auch  auf  Gott 
wird  das  Wesen  der  Engel  bezogen,  indem  z.  B.  die  Erzengel  als  die  hyposta- 
sierten  Eigenschaften  Gottes  gelten:  Michael  die  Güte  und  Gnadenwaltung, 
Gabriel  die  strafende  Macht,  Uriel  der  Glanz,  Rafael  das  Heil3.  Die  Abgesandten 
bilden  also  zu  gleicher  Zeit  einen  Teil  des  Senders;  zwischen  Doppelgänger  und 
Engel  sind  die  Grenzen  fließend4.  In  gewissem  Sinne  hat  auch  die  christliche 
Kirche  mit  diesem  Problem  gerungen,  als  sie  die  Sendboten  Gottes,  seine  Offen- 
barung im  Logos  und  im  Heiligen  Geist,  schließlich  nur  als  wesenseinig  mit 
ihm  in  die  Trinität  unterzubringen  wußte.  Zumal  der  Heilige  Geist  ist  nichts 
anderes  als   eine  selbständig  gewordene,   von  Gott  ßlioque  ausgegangene  Potenz. 

Ein  typisches  Beispiel  von  Seele,  Lebenskraft  und  Schutzgeist  in  eins  ge- 
dacht bilden  der  römische  Genius  und  die  iranische  fravashi.  Der  erstere  ist 
Lebensprinzip,  zumal  der  Familie,  eine  Art  Familienseele:  erscheint  alter  auch 
als  external  sovl  in  Schlangenform:  und  schließlich  hilft  und  schirmt  er  als  ein 
richtiger  Schutzgeist5.  Auch  hier  wird  wohl  so  zu  erklären  sein:  gerade  als 
Lebensprinzip  vermag  der   Genius  zu  schützen. 

Die  fravashi  ist  eine  Art  persönlicher  Schutzgeist,  jedoch  wurzelnd  in  der 
Seelenvorstellung.  Jedermann  hat  seine  fravashi,  die  Lebenden,  die  Toten  und  so- 
gar die  künftigen  Geschlechter:  die  Helden,  auch  die  Götter;  die  Tiere,  jedes 
Naturding,  Himmel.  Wasser,  Erde  usw.  Sie  ist  sozusagen  der  ideelle  Teil  des 
Wesens,  der  sowohl  vor  seiner  Geburt  wie  nach  seinem  Tode  existiert.  Später 
hat  alles  seine  fravashi;  sie  wird  dann  » Tarne,  Fessence  de  tout  ce  qui  existe«. 
Sie  tritt    dann   auf  als    der  Schutzgeist   holt  etay^v,  die  Schirmerin    alles  Guten, 


'|  Umgekehrt  kann  auch  der  Schutzgeist  als  eine  Art  persönliche  Seele  aufgefaßt  werden, 
vgl.  Theologisch  Tijdschrift.  und  noch  Wallensteins  Lager,  XI: 

»Tat  uns  der  Friedländer  nicht  formieren .' 
Seine  Fortuna  soll  uns  führen.« 

')  Vgl.  .1.  Weiss,  Die  Schriften  des  Neuen  Testaments,  2.  Aufl.  Göttingen  1907.  I  S.  350 f. 
•leder  hat  einen  oder  zwei  Schutzengel  im  Himmel,  auch  nach  dem  Talmud.  A.  Kohit.  Jüdische 
Angelologic  und  Dämonologie  (Ahh.  d.  D.  Morg.  Ges.  4,  3).     Leipzig  1866,  S.  19.  32.  I  Kohut, 

Angelologie  S.  25.  Genau  so  die  Amesha  spento's  des  Parsismus  S.  21  f.  u.  A.  13.  —  *)  Wie  in 
der  Magie  nicht  immer  festzustellen  ist,  ob  der  Doppelgänger  des  Zauberes  er  selbst  ist,  oder  nur 
sein  Sendbote,  vgl.  H.  Hiisert  et  M.  Mauss.  Fsquisse  d'une  theorie  generale  de  la  Magie.  (Ann. 
soeiol.  7,  1  —  14li|.  —  ')  W.  Warde  Fowi.er,  The  Religious  Experience  of  the  Koman  people. 
London  1911.  p.  74  sq.  Jevons,  Introduction  p.  186  sqq.  Frazer.  Haider  II  p. '212,  n.  2.  In  der 
Armee:  A,  von  Dom aszkwski,  Die  Religion  des  römischen  Heeres.     Trier  1895,  S.  114. 


I>;iik1  54.]         II.  van  der  Leeuw:    Externa!  Soul,  Schutzgeisl   und  der  ägyptische  Ka.  61 

der  Widersacher  alles  Bösen.     Die  Seele,  auf  sich  gestellt,  die  Quelle  aller  Lebens- 
kraft, als  external  soul,   wird  notwendig  zum  Schutzgeist1. 

Wir  sind  jetzt  genugsam  darauf  vorbereitet,  im  ägyptischen  Ka  sowohl  die 
Züge  des  Schutzgeistes  als  auch  diejenigen  der  Seele,  des  Lebensprinzips,  nament- 
lich der  selbständig  gedachten  Seele  zu  entdecken.  Von  jeher  hat  die  schillernde 
Bedeutung  des  Wortes  stutzen  gemacht.  Wir  können  hier  nicht  die  ganze,  ziem- 
lich umfangreiche  Literatur  anführen2.  Es  genüge,  die  drei  wichtigsten  An- 
schauungen hervorzuheben,  die  meines  Erachtens  alle  drei  Wahrheitsmomente 
enthalten. 

1.  Der  Ka  ist  das  Lebensprinzip,   unpersönliche   Seelenkraft5. 

2.  Er  ist    »double«,   ein  Doppelgänger4. 

3.  Er  ist  ein   Schutzgeist5. 

Die  Vertreter  der  drei  genannten  Anschauungen  haben  sich  oft  bekämpft, 
als  ob  ein  Standpunkt  die  beiden  anderen  völlig  ausschließen  würde.  Dem  ist 
nun  nicht  so,  wie  mir  scheint.  Zweifellos  richtig  ist  die  erste  Deutung  als  un- 
persönliche Lebenskraft.  Aber  auch  der  Ka  als  double  ist  gut  bezeugt,  schon 
in  den  Abbildungen;  und  »Schutzgeist«,  wenn  man  diesen  Begriff  nur  nicht 
zu  selbständig,  dämonenartig  faßt,  ist  er  gewiß  auch1'.  Wie  nun  aus  diesem 
Wirrsal  herauszukommen? 

Auszugehen  ist  bei  alledem  von  der  Grundbedeutung:  unpersönliche  Lebens- 
kraft.    Der  Ka  macht  seinen  Besitzer  zu  dem,   was  er  ist,   befähigt  ihn  zu  dem, 

1)  N.  Söderblom.  Les  Fravashis.  Paris  1899,  u.a.  p.  32.  49s.  50.  59.  62ss.  »II  y  a  loin 
de  la  fravashi  de  l'Avesta  et  des  ecrits  pehlois  ä  Fange  gardien  juif  et  chretien«.  sagt  Söderblom 
p.  60  n.  3.  Denn  die  fravashi  ist  ein  Teil  des  Menschen,  kein  selbständiges  Wesen.  Das  ist  zu- 
zugeben. Einerseits  sahen  wir  aber,  wie  schnell  der  Personifizierungsprozeß  vor  sich  gehen  kann: 
anderseits,  daß  auch  der  jüdische  Schutzengel  aus  der  Seelenvorstellung  erwachsen  ist.  Der  Ab- 
stand wird  also  nicht  so  groß  sein.    Vgl.  weiter  E.  Lehmann,  Zarathustra.    Kopenhagen  I  1899.  79.  84. 

Eine  T  bereinstimmung  mit  dem  malokh  Jahve  finden  wir  noch  darin,  daß  »la  fravashi  du 
seigneur  est  le  seigneur  lui-meme«,  p.  56.  So  sagt  ja  auch  Paulus  2.  Cor.  3,  17:  »Der  Herr  ist 
der  Geist.«  Denn  der  Geist  ist  das  Wesen  des  Herrn  und  zugleich  die  Hilfe,  der  Trost,  der 
»Schutz«,  alles  was  die  Gemeinde  vom  Herrn  spürt, 

Die  von  Gott  oder  vom  Zauberer  ausgehenden  Kräfte  werden  gewöhnlich  personifiziert  und 
können  dann  entweder  als  ein  bloßer  Gehilfe  oder  als  ein  Doppelgänger  gefaßt  werden,  bleiben 
aber  immer  ein  wesentlicher  Teil  der  Person,  eine  external  soul  (der  Sperber  des  Nektanebos,  die 
Tiere  der  mittelalterlichen  Hexe,  die  Raben  Odhins  usw.).  Vgl.  Hubert-Mauss,  Theorie  gene- 
rale p.  78  ss. 

2)  Vgl.  meine:  Godsvoorstellingen  blz.  14  vv.,  wo  die  wichtigsten  Auffassungen  des  iTa  verzeichnet 
sind.  —  3)  W.  B.  Kristensen,  Agypternes  forestillinger  om  Livet  efter  Deden.  Kristiania  1896,  p.  14. 
F.W.  von  Bissing.  Versuch  einer  neuen  Erklärung  des  Kai.  Ber.  Münch.  Akad.  1911.  Ad.  Erman, 
ÄZ.  43,  1906  S.  14.  So  u.  a.  auch  Dussaud  und  Thierry.  —  4)  Vor  allem  G.  Maspero,  u.  a.  in: 
Le  Ka  des  Egyptiens,  est-il  un  genie  ou  un  double:'  Memnon  6,  1912  S.  125 ff.  5)  G.  Steix- 
dorff,  Der  Ka  und  die  Grabstatuen,  ÄZ.  48,  1910  S.  152  ff.  Etwas  anders  auch  J.  H.  Breasted, 
Development  of  Religion  and  Thought  in  Ancient  Egypt.  London  1912,  p.  52sq.  —  '"')  Godsvoor- 
stellingen blz.  7 — 17.  Auf  diese  Ausführungen  verweise  ich  auch  für  die  Dokumentation  des  Folgenden. 


62  H.  van  dek  Leeüw:    External  Soul,  Schlitzgeist  und  der  ägyptische   Ka.        |54.  Band. 


was  er  kann.  Wir  denken  sogar,  mit  Söderblom,  an  das  melanesische  Muna1. 
Der   Ka  ist  eine   der    vielen     lebenspendenden  Mächte,    und  eine  sehr  wichtige. 

Getrennt  sein  vom  Ka  ist  denn  auch  nichts  anderes  als  »sterben«.  Es 
heißt  in  den  Pyramidentexten  z.  B. :  »(Horus)  hat  ihre  (der  Feinde)  l\<t's  von 
ihnen  entfernt«,  d.  h.  sie  getötet.  Umgekehrt  ist  der  Besitz  des  Ka's  ein  Beweis 
kräftigen  Lebens.  Wenn  es  dem  wiederauferstandenen  Toten  gut  geht,  wird 
ihm  zugerufen:  »Du  rufst  deinen  Ka,  wie  Osiris«,  d.  h.  du  hast,  wie  Osiris,  deine 
Lebenskraft  zur  Hand". 

Beim  Sterben  bleibt  also  der  Ka  für  sich  bestehen.  Ja,  es  scheint,  als 
iinge  seine  eigentliche  Existenz  dann  erst  recht  an:  »Wenn  ich  sterbe,  ist  mein 
Ka  mächtig5.«  Natürlich  soll  das  nicht  heißen,  daß  der  Ka  sich  bloß  auf  das 
Leben  nach  dem  Tode  bezieht.  Er  wird  mit  dem  Menschen  geboren  und  ist 
auch  in  diesem  Leben  eine  Kraft,  von  der  sogar  die  leibliche  Existenz  abhängt. 
Aber  nach  dem  Tode,  wenn,  nach  ägyptischer  Vorstellung,  das  wesentliche  Leben 
erst  anhebt,  kommt  auch  der  Ka  erst  recht  zu  seiner  Würde.  Er  ist  also  in  dieser 
Beziehung  auch  eine  mit  dem  Tod  verbundene  Seele  (s.  oben  S.  57).  ein  Totengeist. 

Eine  Seele  aber,  welche  nach  dem  Tode,  getrennt  von  dem  Körper  ihres  Be- 
sitzers, gedacht  wird,  ist  immer  eine  Art  external  soul.  Und  wenn  der  Ver- 
storbene nach  dem  Tode  eines  höheren,  festeren  Lebens  teilhaftig  wird,  so  be- 
steht dies  vor  allem  darin,  daß  er  mit  seiner  äußeren  Seele,  mit  seinem  Ka, 
wieder  vereinigt  wird.  »Er  geht  zu  seinem  Ka\«  Genau  so  verbindet  sich 
beim  Tode  der  Perser  wieder  mit  seinem  unsterblichen  Teil,   der  fravashi0. 

Ebenso  wie  die  fravashi  wird  auch  der  Ka  den  Göttern  zuerkannt,  ja  zu- 
nächst nur  den  Göttern  und  den  göttlichen  Königen,  d.  h.  (und  hier  ist  der 
ursprüngliche  Charakter  wieder  sehr  deutlich)  den  Wesen,  die  besonders  viel 
Lebenskraft  haben1'. 

Diese  Seele  außerhalb  des  Körpers  wird  als  Doppelgänger  vorgestellt.  Sehr 
häufig  steht  neben  dem  König  (gewöhnlich  als  Kind)  ein  genaues  Abbild  von 
ihm,  sein  Ka1 .  Auch  wird  der  Körper  ersetzt  durch  eine  Schlange  oder  einen 
Stab,  welche  »den  Kopf  stützen «\  Auch  die  Grabstatuen,  oft  musterhafte  Por- 
träts, sind  wahrscheinlich  als  Ka's  des  Verstorbenen  gemeint'1.  Eigentlich  ist 
der  Ka  der  Mensch  selbst,   die  Person  ist  geschieden  in  zwei   Teile,    die    aber 


')  Söderblom,  Gottesglaube  S.  19.     Vgl.  R.  Dussaud,  Introduction  ä  l'Histoire  des  Religions. 
Paris  1914,  p.  27.  2)   K.  Sethe,   Die   altägyptischen    Pyramidentexte.     Leipzig  1908   bis  1910, 

§  653  u.  63.  -Herren  der  Ka's-  heißt  die  »Lebenden«,  §  906.  —  3)  Pyr.  §  1055.  —  4)  Pyr.  §  1431. 
17.  1165.  829.  Hieraus  ist  wohl  zu  schließen,  daß  der  Ka  immer,  auch  vor  dem  Tode,  außer- 
halb des  Körpers  gedacht  wird.  —  5)  Söderblom,  Les  fravashis  p.  51.  —  (i)  Namentlich  die 
mächtigen  Zauberer  usw.  haben  eine  exUmal  soul,  Wilken  blz.  562.  Nach  ihm  ist  das  ein  Rest 
von  einem  Glauben,  nach  welchem  jedermann  eine  solche  Seele  besitzen  konnte.  Ich  glaube,  die 
Frage  nach  dem  »ursprünglichen«  Zustand  ist  hier  sehr  schwer  zu  beantworten.  Vielleicht  war 
er  gerade  umgekehrt,  vgl.  Godsvoorstellingen  blz.  113  v.  7)    Siehe  z.  B.  Ad.  Erman,  Die  ägyp- 

tische Religion.    Berlin  1909.  S.  102.  8)  Der  Kopf  ist  nämlich  das  Wichtigste.     Vgl.  E.  Lefebure, 

Le  double  psychique.    Melusine  11.  1912,  p.  385— 391.  —  9)   Vgl.  Frazf.r,  Balder  II  p.  157. 


Band  .">4.|         II.  van  der  Lbeow:    Externa!  Soul,  Sckutzgeist  und  der  ägyptische   Ka.  68 


oft  niclit  scharf  auseinandergehalten  werden.     In  späterer  Zeit  gilt  Ka  mit  einem 
Suflix  als   Ersatz  für  das  Personalpronomen. 

Nun  ist  endlich  dieser  Ka  auch  Schutzgeist.  So  hat  Steindorff  ihn  ge- 
nannt. Und  wenn  wir  sehen,  wie  von  ihm  alles  Leben,  alle  Kraft  des  Menschen 
al »hängig  ist,  so  müssen  wir  uns  sagen,  daß  der  Name  zutrifft,  zugleich  aber, 
daß  hier  der  eigentliche  Charakter  des  sogenannten  Schutzgeistes  deutlicher  als 
je  zutage  tritt. 

Wir  meinen  den  Charakter  der  Seele,  welche  der  Sicherheit  wegen  irgend- 
wo verborgen  ist;  welche  außerhalb  des  Körpers  ein  gegen  allerhand  Gefahren 
geschütztes  Dasein  führt.  Der  Ka  ist  sozusagen  über  das  irdische  Dasein  hin- 
ausgehoben,  er  wohnt  jenseits   des  Todes. 

Der  Zug,  daß  die  Existenz  einer  Person  im  Ka  sozusagen  gesichert  ist, 
kommt  scharf  zum  Ausdruck,  wenn  um  die  innige  Vereinigung  zweier  Personen 
und  die  Abhängigkeit  der  einen  von  der  andern  anzudeuten,  gesagt  wrird,  daß 
die  eine  den  Ka  der  andern  hat.  Z.B.:  »Horus  hat  für  seinen  Ka  in  dir 
gemacht,  daß  du  zufrieden  seiest.«  »Du  (Atum)  hast  deine  beiden  Arme  hinter 
sie  {Scfm  und  Tefriet)  gestellt,  des  Kds  wegen;  denn  dein  Ka  ist  in  ihnen1.« 
Die  Lebenskraft  Horus  und  Atums  ist  im  Menschen  bzw.  in  Schu  und  Tefnet, 
als  extemal  soul.  Beider  Lebensprinzip  ist  ein  und  dasselbe.  Daher  muß  die 
eine  Person  die  andere  schützen.  »Horus  hat  dich  geschützt,  indem  du  zu 
seinem  Ka  wurdest. «  Horus  kann  dir  jetzt  nicht  nur  nichts  anhaben,  er  muß 
dich  sogar  in  Schutz  nehmen;  sonst  beeinträchtigte  er  ja  seine  eigene  »Seele«. 
Am  besten  ist  es  natürlich,  wenn  man  den  Ka  hat,  oder  der  Ka  ist  von  mög- 
lichst vielen  Personen:  »Osiris,  du  bist  der  Ka  aller  Götter2.«  Alle  diese  Götter 
müssen  ihn  jetzt  schützen. 

Es  kommt  hier  nun  aber  auch  die  Doppelseitigkeit  der  mit  der  external 
soul  verbundenen  Gedanken  zum  Ausdruck.  Wenn  die  Lebenskraft  außerhalb 
des  Leibes  verbleibt,  so  kann  dies  zu  größerer  Sicherheit  dieser  Kraft  gereichen, 
wenn  der  Verbleibsort  unauffindbar  oder  stark  befestigt  ist.  Es  kann  aber  auch 
gerade  die  draußen  befindliche  Seele  gefährdet  werden,  wenn  nämlich  der  Verbleibs- 
ort aufgefunden  oder  beschädigt  wird.  Man  muß  dann  eben  seine  Seele  ruhig 
töten  lassen.  Wie  der  dumme  Riese  im  Märchen  oder  der  Zauberer  mit  dem 
Papagei.  Diese  Doppelseitigkeit  spricht  nun  sehr  deutlich  aus  den  genannten 
ägyptischen  Beispielen.  Noch  ein  anderes:  »Du  (der  Gott  Keb)  bist  der  Ka  aller 
Götter,  sie  werden  dir  gebracht,  damit  du  sie  nehmest,  sie  leben  machst  .  .  .  . : 
du  bist  Gott,  da  du  mächtig  bist  über  alle  Götter3.«  Das  ist  nun  zwar  für 
den  Gott  Keb  ein  Vorteil:  er  hat  seine  Seele  gesichert,  indem  er  sie  einigt  mit 
denjenigen  der  anderen  Götter.  Für  die  letztgenannten  aber  ist  der  Vorteil  nur 
zweifelhaft.      Ihr  Ka  wird    durch    die    Identifizierung   mit   demjenigen    des    Keb 


l)    Pyr.  §  647  u.  1653.  —  -)  Pyr.  §  1832  u.  1609.  vgl.  1623.  —  ')  Pyr.  §  1623. 


(14  W.  Si-ii  i.m  r.i  i;i.  :    ljii  Heiligtum  dos  Gottes  Chnum  von  Elephantine. 


geradezu  gefährdet.  Sie  kommen  in  seine  Macht,  sind  nicht  mehr  »Herren 
ihrer   Kds*. 

So  seilen  wir,  daß.  wenn  die  Vorstellung  der  externa!  soul  so  weit  geführt 
wird,  daß  zwischen  zwei  Personen  eine  Verwechslung  oder  Einswerdung  statt- 
findet, diese  beiden  zueinander  Schutzgeister  werden.  Besser  ist  es  allerdings 
zu  sagen  :  sie  werden  völlig  abhängig  voneinander.  Wenn  der  Papagei  stirbt, 
so  stirbt  Punchkin.  Dies  war  aber  verhältnismäßig  unwahrscheinlich,  und  da- 
her war  die  externa!  soul  für  den  Zauberer  eine  Sicherung,  eine  Art  Schutz- 
geist. Wenn  der  Geburtsbaum  stirbt,  stirbt  der  Mensch,  dies  ist  schon  eine 
geringere  Sicherung.  Wenn  der  Ka  der  Götter  stirbt,  stirbt  auch  der  Gott  Keb, 
aber  auch  umgekehrt:  wenn  Keb  stirbt,  sterben  die  Götter.  Das  Verhältnis  ist 
gegenseitig  geworden.     Die  Sicherheit  schlägt  in  Unsicherheit  aus1. 

So  strebt  der  Mensch,  um  seine  Seele  zu  schützen.  Und  solange  er  die 
Sicherheit  irgendwo  draußen  zu  finden  meint,  läuft  er  noch  Gefahr,  sie  zu  ver- 
lieren. Denn  der  sicherste  Platz  wird  aufgefunden,  und  der  mächtigste  Schutz- 
geist wird  übertrumpft.  Allerdings  sind  schon  im  Glauben  an  die  fravashi  und 
den  ha  Ansätze  da,  welche  die  Seele  in  einer  ideellen  überirdischen  Existenz, 
jenseits  des  Todes,  sichern  wollen,  wo  keine  irdische  Gefahr  sie  erreichen  kann. 
Daraufhinaus  wollte  auch  Piatons  Ideenlehre'2:  der  unsterbliche  Teil  des  Menschen 
gesichert  über  Raum  und  Zeit.  Und  auch  das  Christentum  will  nichts  anderes : 
»euer  Leben  ist  verborgen  mit  Christo   in  Gott.«     Col.  3,  B3. 


Ein  Heiligtum  des  Gottes  Chnum  von  Elephantine 
in  der  thebanischen  Totenstadt. 

Von  Wilhelm  Spiegelb  erg. 


Mit  1  Abbildung. 


Unter  den  Denksteinen  aus  der  thebanischen  Gräberstadt  hatERMAN  (Sitzungsber. 
d.  Berl.  Akad.  d.  Wiss.  Berlin  11)11  S.  110<S)  einen  hölzernen  Naos  des  Turiner 
Museums  besprochen,   den  ein  thebanischer  Nekropolenbeamter  Ktsi  den  Göttern 

')  ^rgl-  Gen.  44,  30,  Benjamins  Seele  ist  mit  Jakobs  Seele  verbunden.  -  ,J)  Söderulom, 
Les  fravasbis  p.  b2ss. 

3)  Es  wäre  noeb  viel  zu  sagen  über  das  Verhältnis  der  »external  soul«  zum  Totemismus, 
vgl.  Frazer,  Balder  11  p.  "J14sqq.  Das  Lebensprinzip  eines  Stammes  ist  in  der  Tat  mit  einem 
Tier  o.  ä.  verbunden.  Der  mittelalterliche  Magier  hat  eine  »forme  animale«,  und  zwar  von  einer 
bestimmten  Gattung.  Hubert-Mai-ss.  Theorie  generale  p.  30 ss.  Schon  Welken  fand  übrigens  das 
.Mittelglied  zwischen  Totemismus  und  Geisterglauben  in  der  Vorstellung  der  wandernden  Seele, 
blz.  79.  87.  Ob  aber  der  ganze  Totemismusapparat,  so  wie  er  gegenwärtig  vorgetragen  wird, 
auf  die  Vorstellung  der  external  soul  zurückzuführen  sei,  können  wir  auf  Grund  unserer  Ausfüh- 
rungen nicht  ausmachen.     Daß  beide  zusammenhängen,   ist  wohl  sicher. 


Band  .">4.]  W.  Spikgelbekg:    Ein  Heiligtum  des  Gottes  Chnum  von  Elephantine.  65 


»seiner  Stadt«  Elephantine  und  dem  Amon  geweiht  hatte,  und  hat  mit  Recht 
aus  den  Inschriften  geschlossen,  daß  das  Denkmal  trotz  der  Weihung  an  den 
Gott  von  Elephantine  aus  der  thebanischen  Nekropole  stamme.  Aber  seine  An- 
nahme, daß  »der  Mann  sich  in  diesem  Naos  ein  kleines  Heiligtum  für  die 
Götter  seiner  Heimat«  schuf,  ist  nicht  ganz  zwingend.  Wenigstens  bleibt  da- 
neben docli  aucli  die  Möglichkeit  bestehen,  daß  der  Naos  in  einem  in  der 
Totenstadt  befindlichen  Heiligtum  des  Chnum  von  Elephantine  stand.  Gewiß 
gab  es  unter  den  Leuten,  welche  in  der  großen  thebanischen  Nekropolis  arbei- 
teten, nicht  wenige  aus  Elephantine,  vielleicht  solche,  die  mit  den  in  Assuan 
gebrochenen  Granitblöcken  nach  Theben  kamen  und  hier  als  Bearbeiter  der 
harten  Steine  besonders  geschätzt  waren.  Daß  diese  Arbeiter  auf  thebanischem 
Boden  ihren  Heimatsgöttern  ein  Heiligtum  errichteten,  ist  keine  unwahrschein- 
liche Vermutung,  und  deshalb  möchte  ich  hier  —  natürlich  unter  Vorbehalt  — 
nicht  nur  den  Standort  des  Turiner  Naos,  sondern  auch  der  im  folgenden  be- 
sprochenen Denkmäler  suchen. 

Ich  nenne  zunächst  einen  Denkstein  der  19. — 20.  Dynastie1,  der  sicher  aus 
der  thebanischen  Nekropolis  stammt  und  dort  angeblich'2  in  einem  Grabe  ge- 
funden sein  soll.  Zwei  Heilige  der  thebanischen  Totenstadt,  Thutmosis  III.  und 
Amenophis  L,  sind  darauf  vor  zwei  Göttergruppen  dargestellt.  Der  erstere 
opfert  links  vor  dem  menschengestaltigen  Amon-Re  und  den  beiden  Gliedern 
seiner  Triade  (Mut-Chons)  sowie  der  Hathor.  der  Göttin  des  Westens,  während 
der  letztere  dem  widdergestaltigen  Amon-Re  opfert,  hinter  dem  die  Götter- 
triade von  Elephantine  Chnum,  Satis  und  Anukis  erscheint. 

Ein  weiteres  Denkmal,  das  in  diesem  thebanischen  Clmumtempel  gestanden 
haben  könnte,  ist  eine  Holzstele3,  die  icli  im  Frühjahr  1905  in  Kairo  von  einem 
thebanischen  Händler  für  die  Straßburger  Universitätssammlung  (Nr.  1594)  er- 
worben habe.  Die  bemalte  Oberfläche  ist  stark  verrieben  aber  docli  in  der  Haupt- 
sache gut  erkennbar  geblieben.  Die  Figuren  sind  auf  den  weiß  getünchten 
Untergrund  gemalt,  und  zwar  die  Umrisse  mit  roten  Linien,  zwischen  denen 
die  verschiedenen   Farben  aufgetragen  sind. 

Rotbraun  ist  der  Körper  und  der  Kopf  des  Gottes  und  des  im  unteren  Re- 
gister dargestellten  Mannes,  ebenso  das  Quadrat  des  Götterthrones.  Das  Weiß 
erscheint  deutlich  in  der  Aufnahme  (Teil  der  Opfergabe,  Mittelstück  des  Götter- 
schurzes, Tuch  über  Thronlehne,  Schurz  des  Mannes).     Gelb  ist   der  mit  roten 


1)  In  dem  seltenen  Werk  »Tablets  and  other  Egyptian  Monuments  f'rom  the  Collection  of  the 
Earl  of  Belmore-,  London  1843  Tai".  1.    Siehe  auch  Lepsius,  ÄZ.  15  (1877)  S.  12. 

2)  »Found  in  a  tomb  at  Thebes«,  eine  sehr  unbestimmte  Angabe,  die  allerhand  Zweifel  ge- 
stattet. So  würden  z.  B.  frühere  Reisende  für  Denkmäler,  die  in  der  thebanischen  Totenstadt  auf 
einem  Trümmerfeld  zutage  kamen  (etwa  in  den  von  Georg  Möller  ausgegrabenen  Kapellenresten  — 
vgl.  Amt).  Berichte  a.  d.  Kgl.  Kunstsamml.  33  [1912]  S.  196)  eine  ähnliche  Herkunft  »aus  einem 
Grabe«   angegeben  haben. 

3)  Nach  der  Bestimmung  meines  botanischen  Kollegen  Ludwig  Jost  aus  Fichtenbolz.  Die 
Maße  sind  0,14  X  0,216  X  0,045  (Dicke). 

Zeitschr.  f.  Agypt.  Spr.,  54.  Ban.l.  9 


66 


W.  Spirgelberg:    Hin  Heiligtum  des  Gottes  Chnum  von  Elephantiae.        |.">4.  Band. 


Linien  (zur  Andeutung  der  Palten)  durchzogene  Schurz  des  Gottes  Chnum.  Rosa 
sind  die  Weiden  Opferständer  (wohl  zur  Angabe  des  gebrannten  Tones,  aus  dem 
sie  bestehen)  und  die  Umrahmungslinien  des  Thrones,  Grün1  ist  die  Umrahmung 
der  Tafel,   das  Kopftuch,    der  Gurt  und  das  rot  untermalte  Zepter  j  des  Gottes, 

das  Schuppenmuster  des  Thrones,  die  zu- 
sammengerollte Matte,  auf  der  er  steht,  und 
vielleicht  auch  die  Gans.  Schwarz  sind  die 
durch  rote  Linien  getrennten  Inschriften,  so- 
wie das  Widderhorn  des  Gottes.  Mehrfach 
sind  die  roten  Konturen,  so  rechts  bei  der 
Umrahmungslinie,  bei  dem  mittleren  und  un- 
teren Querstrich  und  dem  Kopftuch  schwarz 
nachgezogen. 

Dargestellt  ist  in  dem  oberen  Register 
der  Gott  Chnum,  in  der  Inschrift  als  U  ^\ 
*W^37T-  \\-    <_  »Chnum,    Herr   von    Ele- 

phantine«  bezeichnet.  Er  ist  widderköpfig 
dargestellt  und  sitzt  auf  einem  Thron,  in  der 

Rechten    das   Götterzepter  1,    in  der  Linken 

0 
das  Lebenszeichen  -V- .    Vor  ihm  stehen  zwei 

Altäre  mit  Opfergaben,  unter  denen  Brote. 
Fleisch  und  ein  Gänsebraten  zu  erkennen 
sind.  Ganz  oben  darauf  steht  eine  Schüssel, 
deren  darüber  gezeichneter  Inhalt  (Kohlen?  Weihrauch?)  fast  ganz  verschwun- 
den  ist. 

Unten   kniet  in   betender  Haltung   —  Schulter  und  Arme  sind  sehr  natür- 


lich   von    der    Seite    gezeichnet 


4 0    ~f? 


G 


ein    Mann.     Zu    ihm    gehört    die    Inschrift 
%    »Lobpreis   dem  Chnum:   Gemacht  (ge- 


e  lSg. 

weiht)   von   Neb-emfyö « . 

Also  der  Stifter  dieses  bescheidenen  Stückes  ist  Xeb-emho,  wohl  ein  Nekro- 
polenarbeiter  geringen  Standes,  da  er  keinen  Titel  nennt.  Der  Gott,  dem  seine 
Huldigung  gilt,  ist  der  Chnum  der  Insel  Elephantine,  wo  der  Stifter  wohl  zu 
Hause  war.  Die  unbearbeitet  gelassene  Rückseite  wie  die  Seitenflächen  der 
Tafel  sprechen  dafür,  daß  sie  in  eine  Wand  oder  Mauer  eingelassen  war,  ver- 
mutlich in  dem  Chnumtempel  der  thebanischen  Nekropolis,  falls  meine  obige 
Annahme  richtig  sein  sollte".  Das  Straßburger  Stück  stammt  wohl  aus  der 
Ramessidenzeit  und  ist  auch  durch  sein  Material  —  Holzstelen  sind  vor  der 
20.  Dynastie  recht  selten"  —  sehr  beachtenswert.  Künstlerisch  ist  es  schlechte 
Dutzendware,   die  aber  doch   eine  flotte   Linienführung  zeigt. 


')    Mehrfach   wie  blau  aussehend. 
Z.  B.  Holztafel   Berlin  81«. 


-)  Vgl.  Borchardt,  Grabdenkmal  des  Sahure   I  S.  1"27. 


Band  ">4.|      \V. Spiegelberg:  Die  Darstellung  dos  Alters  in  der  älteren  ägyptischen  Kunst.  () 


In  welchem  Teile  der  thebanischen  Totenstadt  das  Tempelchen  des  Chnum 
von  Elephantine  lag  —  vielleicht  in  einem  von  Elephantiner  Arbeitern  be- 
wohnten Quartier  — .  ist  mangels  der  Herkunft  der  betreffenden  Denkmäler  bisher 
nicht  zu  ermitteln  gewesen.  Vermutlieh  werden  sieh  bei  weiteren  Nachfor- 
schungen in  unseren  Museen  noch  andere  Denkmäler  aus  diesem  Chnumheiligtum 
finden '. 


Die  Darstellung  des  Alters 
in  der  älteren  ägyptischen  Kunst  vor  dem  Mittleren  Reich. 

Von  Wilhelm  Spiegelberg. 
Mit  1  Tafel  und  7  Abbildungen. 


Uas  Verdienst,  das  Alter  in  der  bildenden  Kunst  innerlieh  zum  Ausdruck  ge- 
bracht zu  haben,  ist  vor  kurzem  von  v.  Bissing"  dem  Mittleren  Reich  zuge- 
sprochen worden.  »Schon  seit  den  Zeiten  der  dritten  und  vierten  Dynastie«, 
führt  er  aus,  »hatte  man  angefangen,  alte  Leute  in  einer  charakteristischen  Form 
darzustellen  mit  hängendem  Fleisch.  Aber  das  Gesicht  war  glatt  und  ohne 
Alter  geblieben3.  In  der  sechsten  Dynastie  vielleicht  bereits,  sieher  seit  den 
ersten  Anfängen  der  zwölften,  hat  man  auch  alte  Gesichter  mit  ihren  Runzeln 
und  verfallenen  Formen  gemacht.« 

Eine  genauere  Durchsicht  der  Köpfe  des  Alten  Reichs  hat  mich  zu  einem 
anderen  Ergebnis  geführt,   das  ich  hier  zunächst  vorlegen   will. 

I.  Reliefdarstellungen. 

Die  älteste  deutlich  erkennbare  Altersdarstellung  ist  der  Kopf  des  Hesi-Re 
in  einer  der  bekannten  Holzfüllungen,  deren  Datierung  (3.  Dynastie  um  8000 
v.  Chr.)  durch  die  neueste  Veröffentlichung  von  J.  E.  Quibell4  gesichert  ist. 

Vergleicht  man  die  beiden  Köpfe  (Abb.  1  u.  2),  so  wird  man  ohne  weiteres  in 
dem  ersten  Gesicht  die  scharfen  Züge  des  Alters,  besonders  die  tief  gefurchte 
Nasenlippenfalte  und  die  Senkung  unter  dem  Backenknochen  feststellen.  Eine 
weitere  Bestätigung  ist,  daß  dieser  Kopf  der  Darstellung  angehört,  die  Hesi-Re  in 
dem  langen  Mantel  zeigt,   der  alten   Leuten   eignet". 

l)  Der  Kult  der  Götter  von  Elephantine  ist  auch  in  den  Inschriften  des  Nebnufer  in  Der  el- 
Medine  (Gardiner.  Catalogue  of  the  Tombs  Nr.  6*)  erwähnt,  wie  mir  Sethh  mitteilte.  Zu  dem 
Grabe  s.  auch  Sethe,  Untersuchungen  V  S.  123.  2)  Denkmäler  ägyptischer  Skulptur  Nr.  24.  — 

Etwas  modifiziert  erscheint  das  Urteil  in  Nr.  100,  Anm.  33,  einer  Stelle,  aus  der  icli  nachträglich 
ersehe,  daß  auch  Breasted  bereits  (The  Nation  1908)  gegen  v.  Bissings  Ansicht  Bedenken  geäußert 
hat.  :i)    Von  mir  gesperrt  gedruckt.    —    4)    Excavations   at   Saqqara  (1911 — 12).  The  Tomb  of 

liesy.  :")   Z.  B.  LD.  11  4;   Quibell,  Hierakonpolis  1  Taf.  41. 

9* 


68 


W. Spiegelberg:  Die  Darstellung  des  Alters  in  der  älteren  ägyptischen  Kunst.     [54.  Band. 


Ein  solches  altes,  hageres  Gesicht  zeigt  auch  die  Dienerfigur  eines  Reliefs 
des  Berliner  Museums  (Ahb.  3)1,  auf  das  mich  Heinrich  Schäfer  schon  vor  Jahren 
aufmerksam  machte,  und  das  ich  dank  seiner  Güte  hier  veröffentlichen  kann.  Zu 
den  scharfen  Alterszügen  des  Kopfes  stimmt  auch  die  Behandlung  des  Körpers, 
der  mager  mit  einem  etwas  entwickelten  Altersbauch  wiedergegeben  ist,  wenn 
auch  nicht  so  übertrieben,  wie  in  der  karrikierten  Darstellung  eines  alten  Mannes 
in   Meir  (Abb.  4)'. 

Schon  durch  die  Haltung  —  die  vorgebeugte  Schulter,  den  schleppenden 
Gang  der  Beine  mit  den  gebogenen  Knien  und  das  Stützen  des  altersschwachen 
Körpers  auf  den  Stab  —  ist  hier  das  Alter  deutlich  charakterisiert.     Der  auf- 


Abb.  1. 


Abb.  2. 


gedunsene  Bauch,  den  man  noch  heute  häufig  in  Ägypten  bei  alten  Fellachen 
beobachten  kann,  ist  so  gezeichnet,  daß  er  fast  krankhaft  wirkt.  Ob  und  in- 
wieweit das  Alter  auch  in  dem  Gesicht  zum  Ausdruck  gebracht  ist  —  die 
Xasenlippenfalte  scheint  stärker  betont  zu  sein  — ,  darüber  gestattet  die  vor- 
liegende Publikation   keine  Entscheidung. 

Im  Gegensatz  zu  diesen  naturalistischen  Altersdarstellungen  wird  das  Alter 
häufig  nur  leicht  dadurch  angedeutet,  daß  die  Gesichter  der  Korpulenz  des 
Körpers  entsprechend  dick  und  fast  Arcrquollen  erscheinen  wie  in  dem  Bilde 
(Abb.  5)  eines  Opferträgers  (6.  Dynastie)'5.  Ähnliche  dicke  Gesichter  älterer  Leute 
sind  auch  sonst  im  Alten  Reich  nachzuweisen,  z.  B.  LD.  II  8.    Dabei  ist  die  Nasen- 


')  Inv.  15004  ans  dem  Grabe  des  ^  ^      in  Sakkara  (Mariette:    Mast.  8.  300  —  D  45). 

Vgl.  Ägypt.  Inschr.  aus  d.  Kgl.  Museen  zu  Berlin  (ed.  Röder)  I  S.  20;  Sethe,  Urkunden  1  37. 

2)  Ci.edat,  Bulletin  de  Flnstitut  Francais  d'archeol.  Orient.  I  S.  21  ff.  Danach:  Maseero- 
Rusch,  Geschichte  der  Kunst  in  Ägypten  S.  62.  [Vgl.  jetzt  die  Veröffentlichung  Blackmans  The  Rock 
Tombs  of  Meir  II  Tat".  4.  26  und  Text  S.  14.  Das  Gesicht  zeigt  deutlich  den  Ausdruck  des  Alters. 
G.  St.]  —  3)  Cavart,  Une  nie  de  tombeaux  ä  Saqqarah  Taf.  40. 


Tafel  I 


a 

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• 


Zeltschrift    f.  Aepypt.  Spr.,   54.  Band. 


Verlag:  J.  C.  Hinrichs,  LeiFz 


Band  ö4.)       \Y.  Spiegexberg  :  Die  Darstellung  des  Alters  in  der  älteren  ägyptischen  Kunst. 


69 


lippenfalte  gelegentlieh  ein  wenig  hervorgehoben,  wie  in  dem  Straßburger  Relief 
1361  \  das   einen  älteren  Hofbeamten   darstellt. 

Auf  die  Hieroglyphe  des   alten   Mannes  rfo   wies    mich   nachträglich  Georg 

Steindorii    hin.     Soweit  ich  das  mir  zur  Zeit  zugängliche  photographische  Ma- 


Abb.  3. 

terial  —  die  zeichnerischen  Wiedergaben  sind  nicht  ausreichend  —  nachge- 
prüft habe,  konnte  ich  nirgends  mit  Sicherheit  eine  Andeutung  des  Alters  in 
den  Gesichtern  feststellen.  Nur  die  alte  Frau,  welche  im  Ti-Grabe  (ed.  Stein- 
dorff,  Taf.  51)  für  die  Schreibung  des  weiblichen  Abstraktums  Ww-t  »Alter« 
verwendet  ist  und  in  der  körperlichen  Erscheinung,  abgesehen  von  dem  Alters- 
stock, sowohl  durch  die  gebeugte  Haltung  wie  die  schlaff  herabhängende  Brust 
das  Alter  zum  Ausdruck  bringt,  zeigt  vielleicht  auch  in  dem  Gesichte  mit  der 
Andeutung  der  Nasenlippenfalte  (?)   einen   Alterszug. 


')    Spiegki.berg,  Ausgewählte  Kunstdenkmäler  d.  Straßburger  .Samml.  Taf.  I. 


70 


W.Spu  oelbekg:  Die  Darstellung  des  Alters  in  der  älteren  ägyptischen  Kunst.     [54.  Hand. 


II.  Freiskulpturen. 

Auch  in  der  Freiskulptur  begegnen  wir  schon  in  der  ältesten  Zeit  (»Früh- 
zeit«) Köpfen  alter  Männer.  Das  älteste  Stück  ist  die  bekannte  Elfenbeinstatuette 
eines  Königs  aus  Abydos  (Abb.  6),  die  nicht  nur  in  der  gebeugten  Haltung, 
sondern  auch  in  den  Gesichtszügen 
das  Alter  ausgeprägt  hat.  Der  hän- 
gende Mund  und  das  welke  Fleisch 
sind  deutliche  Alterszeugen,  und  der 
lange  Mantel  ist  wieder  das  äußere 
Alterskriterium  (s.  oben),  wie  auch 
bei  der  folgenden,  derselben  Epoche 
angehörigen  Statuette  (Abb.  7)  von 
Hierakonpolis,  die  den  König  Hcj- 
shm  (3.  Dynastie)  darstellt.  In  die- 
sem Kopf  ist  das  Alter  sehr  viel 
weniger  angedeutet,  aber  die  Alters- 
furche zwischen  Nase  und  Lippe  ist 
wieder  unverkennbar. 

Aus    der    Blütezeit    des    Alten 
Reiches,  der  Kunst  der  ö.  Dynastie, 


Abi).  4. 


Abb.  5. 


besitzen  wir  ein  besonders  Lehrreiches  Beispiel,  das  bisher  noch  keine  Beach- 
tung gefunden  hat:  die  beiden  auf  Taf.  I  abgebildeten  Statuen  des  Hohenpriesters 
von  Memphis  Ra-hotep.    Unleugbar1  stellt  a  den  Kirchenfürsten  im  besten  Mannes- 


')  Die  von  Borchardt  im  Catalogue  general  des  Ant.  du  Musee  du  Caire  unter  Nr.  18  und 
19  festgestellten  Fundverhältnisse  lassen  an  der  Identität  der  dargestellten  Personen  keinen  Zweifel. 
Die  Deutung  und  Betrachtung  von  L.  Cürtius,  Antike  Kunst  S.  80,  beruht  daher  auf  unrichtigen 
Voraussetzungen. 


Band  54.]      W.Spiegi  lberg:  Die  Darstellung  des  Alters  in  der  älteren  ägyptischen  Kunst.  l\ 


alter  dar,  während  b  ihn  in  höherem  Alter  zeigt,  Man  braucht  nur  den  musku- 
lösen Körper  und  das  straffe  energische  Gesicht  der  Jugendstatue  mit  dem  be- 
häbigen Körper  und  dem  fleischigen  Gesichte  der  Statue  des  alternden  Mannes 
zu  vergleichen,  um  dieser  Deutung  voll  zuzustimmen.  Ein  solcher  alter  Großer  ist 
auch  der  »Dorfschulze«  mit  seinem  korpulenten  Leib  und  dem  feisten  Gesicht. 
Ein  jugendliches  Gegenstück  zu  dieser  berühmten  Holzstatue  würde  etwa  der 
Holztorso    des   Kairoer  Museums   (Borciiardt  Nr.  32)  sein. 


Abb.  6. 

Auch  die  berühmte  Schreiberstatuette  des  Louvre  scheint —  daraufweisen 
die  Fettpolster  des  Oberkörpers  und  die  scharfen  Gesichtszüge  —  einen  älteren 
Mann  wiederzugeben1.  Als  jugendlichen  Schreibertypus  mag  man  dazu  die 
Kairoer  Statuette  Nr.  36   (Borciiardt)   vergleichen. 

Aus  diesem  Überblick,  den  ein  besserer  Kenner  der  ägyptischen  Plastik 
des  Alten  Reiches  gewiß  noch  um  einige  Proben J  vermehren  wird,  ergibt  sich 
mit  voller  Sicherheit,  daß  die  Kunst  der  Frühzeit  und  des  Alten  Reiches  das 
Alter  nicht  nur  in  den  Leibern,  sondern  auch  in  den  Köpfen  wiederzugeben 
wußte.  Bald  geschieht  es  in  leichter,  mehr  äußerlicher  Andeutung,  in  einem 
gewissen  Parallelismus  zu  dem  Körper,  dadurch,  daß  die  Gesichter  voller,  bald 
dadurch,  daß  sie  magerer  und  faltiger  mit  härteren  Zügen  gezeichnet  werden. 
In  beiden  Fällen  wird  die  Altersfalte  zwischen  Nase  und  Oberlippe  als  Kenn- 
zeichen  des  Alters  schwächer  oder  stärker  markiert, 

')  Das  tritt  besonders  stark  an  den  Aufnahmen  in  Mariettes  Album  photogr.  du  Caire  zu- 
tage, nach  denen   ich  die  Abbildung  23  in  meiner  Kunstgeschichte  (Seite  28)  reproduziert  habe. 

2I  Die  gelegentlich  für  das  Alte  Reich  in  Anspruch  genommenen  Holzstatuetten  Capart, 
L'Art  egyptien  Taf.  41  (Eton  College)  und  Cairo  Nr.  140  (Katal.  Borchardt)  sind  sehr  viel  später 
anzusetzen.  —  Ein  recht  zweifelhaftes  Stück  ist  die  Statuette  Nr.  40  (Bohchardt),  deren  Kopf  in 
der  Wiedergabe  bei  Mabiette,  Album  photogr.  du  Alusee  de  Boulaq  Nr.  103 — 10.">,  Alterszeichen 
trägt.     Aber  das  mag  Täuschung  sein. 


72 


\V.  Spiegelberg  :  Die  Darstellung  des  Alters  in  der  älteren  ägyptischen  Kunst.     [54.  Hand. 


Nur  bei  dem  ältesten  Stücke,  der  Elfenbeinstatuette  aus  Abydos,  kann  man 
von  natürlicher,  realistischer  Wiedergabe  des  Alters  sprechen,  überall  sonst  liegt 
jene  andeutende  Sprechweise  des  ägyptischen  Künstlers  vor,   der  dem  Beschauer 


Abb.  7. 


nicht  die  Wirklichkeit  zeigt,  sondern  seine  Phantasie  auf  den  richtigen  Weg  zu 
führen  sucht. 

Im  Anschluß  an  das  hier  nur  skizzenhaft  behandelte  Thema  mag  noch 
eine  weitere  Frage  berührt  werden,  die  jetzt  im  Anschluß  an  die  Gipsmasken 
des  Bildhauerateliers  von  Teil  el-Amarna  gewiß  gründlich  erörtert  werden  wird. 
Inwieweit   sind   die  Statuen   des  Alten  Reiches  Porträts?     Ich   möchte  mit  Aus- 


Band  ">4.|      W. Spiegelberg:  Die  Darstellung  des  Alters  in  der  älteren  ägyptischen  Kunst.  /  3 


nähme  der  ELfenbeinfigur  keinen  Kopf  des  Alten  Reiches  dafür  halten  und 
meine  Ansicht  auf  die  oben  besprochenen  beiden  Statuen  stützen,  die  den  Hohen- 
priester Ra-hotep  in  der  Vollkraft  der  Jahre  (etwa  als  20 — HOjährig)  und  als 
älteren  Mann  von  50 — 60  Jahren  darstellen.  Mir  ist  es  wenig  wahrscheinlich, 
daß  sich  Ra-hotep  einmal  als  Jüngling  und  dann  20 — 30  Jahre  später  noch 
einmal  als  älterer  Mann  für  sein  Grab  hat  porträtieren  lassen.  Da  liegt  die 
Annahme  doch  näher,  daß  der  Kirchenfürst  in  vorgerückten  Jahren,  als  er  sein 
Grab  bestellte,  gleichzeitig  die  beiden  Statuen  in  Auftrag  gab,  von  denen  die 
eine  ihn  jung,  die  andere  alt  darstellen  sollte.  Dazu  stimmt  dann  auch  die 
Inschrift,  welche  Ra-hotep  auf  beiden  Statuen  denselben  Titel  gibt,  den  er  erst 
am  Ende  seines  Lebens  fuhren  konnte.  Die  großen  Plastiker  des  Alten  Reiches 
haben  keine  Porträts  nach  dem  Leben,  sondern  Typen  geschaffen,  und  darunter 
wieder  typische  junge  und  alte  Menschen.  In  den  Statuen  des  Ra-hotep  steht 
der  typische  Herrenmensch  des  Alten  Reiches  vor  uns,  in  Haltung  und  Aus- 
druck der  stolze  Vertreter  seines  Standes.  Darin  haben  die  Künstler  des  Alten 
Reiches  ähnlich  gedacht  wie  die  Plastiker  des  Mittelalters,  die  auch  keine  Por- 
träts von  Kaisern,  Fürsten  und  Rittern,  sondern  nur  Abbilder  schufen,  die  in 
der  Pose  und  den  äußeren  Attributen  den  Stand  der  dargestellten  Persönlich- 
keiten erkennen  ließen.  Die  persönliche  Note  erhielten  sie  durch  die  Inschrift 
oder  ihr  Wappen.  Ebenso  ließen  die  typisch  gehaltenen  Statuen  des  Alten 
Reiches  erst  durch  die  auf  die  Sockel  gesetzten  Namen  oder  durch  die  Auf- 
stellung in  den  Gräbern  das  individuelle  Bild  der  dargestellten  Persönlichkeiten 
vor  den  Augen  der  Zeitgenossen  wieder  auferstehen.  So  stand  der  Hohepriester 
von  Memphis,  Ra-hotep.  in  seinem  Grabe  wieder  leibhaftig  vor  ihnen,  wie  sie 
ihn  im  Leben  gekannt  hatten,  während  er  späteren  Generationen  wie  uns  nur 
noch  als  ein  unpersönlicher  Vertreter  seines  Standes  erscheinen  konnte.  Das 
Porträt  ist  erst  durch  die  realistische  Kunstrichtung  entwickelt  worden,  welche, 
von  dem  Einzelfalle  der  » Frühzeit«  abgesehen,  mit  dem  Mittleren  Reiche  ihren 
Anfang  genommen  zu  haben  scheint1  und  in  der  naturalistischen  Kunst  des 
Neuen  Reiches  und  der  saitischen  Porträtkunst  ihre  Höhepunkte  erreichte,  und 
nur  in  diesem  Sinne  kann  man  den  im  Eingang  erwähnten  Satz  v.  Bissixgs 
gelten  lassen.  Aber  alte  Gesichter  hat  auch  das  Alte  Reich  schon  gebildet, 
wenn  auch  mit  der  einen  Ausnahme  der  Elfenbeinstatuette  der  «Frühzeit«  nur 
in  der  typisierenden  andeutenden  Weise. 


:)  Ich  äußere  mich  deshalb  zurückhaltend,  weil  ein  neuer  Fund,  wie  es  gerade  die  ägyp- 
tische Kunstgeschichte  des  letzten  Jahrzehntes  mehrfach  erlebt  hat,  schon  für  die  ältere  Zeit  das 
erweisen  könnte,  was  wir  vorläufig  nur  für  die  jüngeren  Epochen  belegen  können.  Die  Elfenbein- 
statuette von  Abydos  mahnt  zu  besonderer  Vorsicht.  Ein  innerer  Grund,  weshalb  der  Realismus 
des  Mittleren  Reiches  und  der  folgenden  Epochen  nicht  schon  im  Alten  Reich  vorbinden  gewesen 
sein  könnte,  liegt  nicht  vor. 


Zeitschr.  f.  Ägypt  Spr,  54.  Band.  10 


74  \V.  Spiegelberg:    Eine  Bronzestatuette  des  Amon.  |">4.  Hand. 


Eine  Bronzestatuette  des  Amon. 
Von  Wilhelm  Spiegelberg. 

Mit  1  Tafel  uud  1  Abbildung. 


Die  ägyptische  Sammlung  der  Kaiser- Willielms-Universität  Straßburg  hat  im 
März  1915  von  meinem  kunsthistorischen  Kollegen  Hrn.  Professor  Dr.  Polaczek 
ein  kostbares  Gesellen k  erhalten,  das  ich  der  Wissenschaft  nicht  zu  lange  vor- 
enthalten will.  Es  ist  eine  Bronzestatuette  des  Amon  (luv.  1956),  von  der  die  vier 
auf  der  Tafel  vereinigten  Ansichten  ein  gutes  Bild  geben,  das  ich  zunächst  durch 
die  folgende  Beschreibung  ergänzen  will.  Die  Maße  sind  237a  cm  von  der  Krone  bis 
zu  dem  Ansatzzapfen,  der  aus  einem  Stück  mit  der  Bronze  gegossen  ist,  27  cm  ein- 
schließlich dieses  Zapfens.  Der  Kopfputz  mißt  4  cm,  die  Schulterbreite  beträgt 
47"^cm.  Über  den  Herkunftsort  ließ  sich  nur  ermitteln,  daß  das  Stück  im  Jahre  1891 
von  einem  Händler  in  Kairo  erworben  ist. 

Der  Gott  ist  schreitend  dargestellt  mit  vorgesetztem  linken  Bein,  dessen  Fuß 
abgehrochen  ist.  Der  erhaltene  rechte  Fuß  ist  ziemlich  roh  gearbeitet.  Die  Arme 
sind  verlorengegangen,  aber  die  Führungen,  in  die  sie  eingelassen  waren,  sind 
noch  erhalten.  Die  eine  steht  senkrecht  zu  der  ebenfalls  fehlenden  Basis,  zeigt 
also,  daß  der  betreffende  linke  Arm  gerade  herunterhing.  Dabei  berührte  die 
Hand  den  linken  Oberschenkel,  wo  noch  die  Berührungsspur  deutlich  erkennbar 
ist.  Diese  fehlt  auf  der  anderen  Seite,  weil  der  rechte  Arm,  wie  die  schräge  Ver- 
tiefung lehrt,  nicht  herabhing,  sondern  Vorgriff  und  vermutlich  ein  Zepter  hielt. 
Der  Körper  ist  völlig  nackt  und  zeigt  —  eine  große  Seltenheit  —  die  Geschlechts- 
teile unverhüllt.  Der  Gott  trägt  den  Kopf  eines  Schafes,  von  dem  das  rechte  ge- 
krümmte »Ammonshorn«  bis  auf  die  äußerste  Spitze  wohlerhalten  ist.  Von  dem 
linken  ist  der  Ansatz  noch  sichtbar.  Die  Ohren  sind  ebenso  wie  die  Augen  mensch- 
lich gebildet.  Unter  der  Schnauze  erscheint  der  Götterbart.  Der  Tierkopf  ist  nach 
hinten  durch  das  Kopftuch  bedeckt,  das  in  Goldblech  ausgeführt  und  in  einen 
dafür  vorgesehenen  Rahmen  eingelassen  war.  An  der  rechten  Seite  ist  noch  ein 
Stück  und  hinten  eine  Spur  an  den  Rahmenecken  erhalten.  Die  Augen  waren 
«'ingesetzt.  Am  rechten  Auge  ist  die  Technik  noch  gut  erkennbar.  Das  verloren 
gegangene  Auge  war  von  dunklem  Metall  umrahmt,  eine  obere  und  untere  Schmink- 
linie in  Gold  ausgelegt.  Aus  den  Augenbrauen  ist  die  Goldeinlage  verschwunden. 
Von  der  Doppelkrone  ist  nur  der  mit  einer  Gipsmasse  ausgefüllte  eingelassene 
Untersatz  erhalten,  in  den  die  jetzt  fehlende  Doppelkrone  mit  der  Spirale  ein- 
gelassen  waren.     Über  der  Stirnmitte  des  Tierkopfs   unter  dem   Aufsatz  ist  ein 


Band  ">4.|  W.  Spiegelberg:    Kine  Bronzestatuette  des  Amon.  75 


Bohrloch  und  rechts   und  links  davon  Vertiefungen   mit  Goldresten.     Sollte  hier 
eine  Uräusschlange  gesessen  haben? 

Die  Figur  ist  voll  gegossen  und  war  ursprünglich  ganz  vergoldet,  wo  sie 
nicht,  wie  beim  Kopftuch,  mit  Goldblech  überzogen  war.  Goldspuren  sind  sicht- 
bar unterhalb  des  Penis,  unten  am  linken  und  rechten  Bein,  sehr  deutlich  am 
rechten  Fuß.  besonders  über  der  Ansatzstelle  des  Zapfens,  ferner  unter  dem 
Rande  des  Kopftuchs  an  der  rechten  Backe  des  Kopfes  und  vielleicht  auch  am 
linken   Ohr. 

Da  die  ganze  Statuette  vergoldet  war,  so  ist  die  Überfläche  rauh  ge- 
blieben und  zeigt  auch  Gußfehler,  die  unter  der  Vergoldung  verschwanden. 
Sonst  ist  noch  zu  erwähnen,  daß  über  dem  Gesäß  zwei  Grübchen  angedeutet 
und  die  Hautfalten  über  und  unter  dem  Gesäß  durch  gravierte  Linien  be- 
zeichnet sind. 

Dank  der  vollständigen  Erhaltung  des  einen  gekrümmten  Horns1  kann  an 
der  Deutung  der  Bronze  kein  Zweifel  sein.  Sie  stellt  den  Gott  Amon  so  dar, 
wie  ihn  Herodot  (11,42"  und  IV,  181 3)  schildert,  wie  ihn  auch  die  Beinamen 
xpic—po<TUü7TOQ,  xpioxecpotXog,  xepoccpopog,  xspaTYicpopog,  arietinis  cornibus,  tortis  cornibus, 
corniger*  voraussetzen.  Der  von  den  Griechen  dem  Zeus  gleichgesetzte  Gott 
ist  als  Mischwesen '  aufgefaßt  und  zwar  so,  daß  auf  dem  Menschenleib  ein  Tier- 
kopf sitzt,  der  deutlich  alle  Merkmale  eines  Schafes  besitzt,  wie  es  am  klarsten 
bei  dem  Vergleich  mit  dem  hierneben  abgebildeten 
Kopfe5  des  Argali -Wildschafes  (ovis  Ammon)  zu- 
tage tritt. 

Es  ist  von  jeher  bei  den  ägyptischen  Tier- 
göttern bewundert  worden,  wie  organisch  der  Tier- 
kopf mit  dem  Menschenleib  verwachsen,  wie  ge- 
schickt der  Übergang  des  Tierkopfes  in  den  mensch- 
lichen Körper  vollzogen  ist0.  Meist  geschieht  es 
rein  äußerlich  dadurch,  daß  man  die  Übergangs- 
stelle durch  das  Kopftuch  verdeckt,  das  gleichsam 
die  Brücke  zwischen  den  beiden  Wesen  bildet.  Hier  ist  aber  die  Mischung 
noch  inniger  dadurch  vollzogen  worden,  daß  der  Tierkopf  selbst  vermenschlicht 
worden  ist,   nicht  nur  darin,    daß   er  menschliche   Augen   und  Ohren7  und  den 


')  Vgl.  dazu  Levsius,  Über  die  widderköpfigen  Götter  Ammon  und  Chnumis.  in  dieser  Zeit- 
sehritt 15  (1877)  S.  8 ff.  • — ■  2)  XQto7raoTWTroi'  rou  Aioq  rwynXiJ.a  ttoisvti  AlyvirTioi.  —  3)  xpi07rpoTü)nov 
tov  AtcQ  Twyakfxa  \tti.  —  4)  Siehe  die  Zusammenstellung  bei  Parthey,  Das  Orakel  und  die  Oase 
des  Ammon  (Abh.d.Akad.d.Wiss.  Berlin  1862)  S.  136/137.  —  v)  Nach  Brehms  Tierleben  X11I4  (1916) 
Tafel  zu  Seite  227.  Siehe  dort  auch  S.  257  ff.  die  Ausführungen  von  Hilzheimer  über  die  Ge- 
schichte des  altägyptischen  Hausschafes.  —  G)  Vgl.  dazu  die  allgemeinen  Ausführungen  in  v.  Bis- 
sing. Denkmäler  ägyptischer  Skulptur  zu  Taf.  53.  —  7)  Das  ist  auch  sonst  zu  beobachten,  z.  B. 
bei  dem  Falkenkopf  der  Bronze  Posno  des  Louvre  (Revue  egypt.  III)  oder  dem  einen  Krokodils- 
kopf aus  Hawara  (Petrie,  The  Labyrinth,  Gerzeh  and  Mazghuneh  Taf.  24).  Umgekehrt  hat  der 
Frauenkopf  der  Hathor  stets  die  Ohren  ihrer  heiligen  Kuh. 

10* 


76  W.  Spiegelberg:    Eine  Bronzestatuette  des  Anion.  [54.  Band. 

Götterbart  erhalten  hat,  sondern  auch,  wie  ich  zn  sehen  glaube,  in  der  Model- 
lierung der  Schläfen  und  Backen,  die  mir  ganz  dem  menschlichen  Gesicht  an- 
geglichen erscheinen.  So  bleiben,  abgesehen  von  den  Hörnern,  die  ja  mehr 
eine  äußere '  Zutat  sind,  nur  Nase  und  Schnauze  als  tierische  Teile  des  Kopfes 
übrig.  Dadurch  unterscheidet  sich  die  Straßburger  Statuette  z.  B.  von  der 
Granitfigur  38500  des  Cairincr  Museums  (Daressy,  Statues  de  divinites  Taf.  29) 
oder  der  Fayencestatuette  des  Britischen  Museums  (Arundale-Bonomi.  Gallery  of 
Anti()uities  Taf.  6  Abb.  14).   die  einen  rein  tierischen  Kopf  aufweisen. 

Unsere  Figur  ist  die  einzige  bisher  bekannt  gewordene  Bronzestatuette, 
welche  den  Gott  Amon  als  Menschen  mit  Widderkopf  darstellt.  Der  mensch- 
liche Körper  ist  sicher  modelliert,  der  Tierkopf  zeigt  jene  glückliche  Mischung 
von  Natur  und  Kunst,  die  Stilisierung  der  natürlichen  Formen,  die  zu  den 
schönsten   Leistungen   der  ägyptischen  Plastik  geführt  hat. 

Eine  genaue  Datierung  wage  ich  nicht  zu  geben.  Die  früheste  Periode, 
die  in  Betracht  kommen  könnte,  wäre  das  Neue  Reich,  und  an  diese  Zeit,  und 
zwar  das  Ende  dieser  Epoche  (Ramessidenzcit  bis  Äthiopenzeit),  möchte  ich 
denken.  Gegen  die  Saitenzeit  spricht  die  in  keiner  Weise  kleinliche  Arbeit, 
die  nichts  von  den  scharfen,  übersicheren  Linien  der  Plastik  dieses  Kunststils 
zeigt.  Die  Ptolemäerzeit  oder  eine  noch  spätere  Epoche  kommt  aber  für  ein 
Werk  nicht  in  Frage,  das  in  keiner  Hinsicht  die  gute  Tradition  der  pharao- 
nischen  Kunstschule  verleugnet.  Von  dem  flauen  Stil  der  hellenistischen  Epoche 
mit  ihren  unbestimmten  Linien  und  der  »verquollenen«  Modellierung  ist  an  der 
Straßburger  Bronze  nichts  zu  verspüren.  Das  Ende  des  Neuen  Reiches  (etwa 
das  13.  bis  7.  Jahrhundert),  und  zwar  in  erster  Linie  die  Ramcssidenzeit  (1300 
bis  1100  v.Chr.),  scheint  mir  am  ehesten  als  die  Entstehungszeit  unserer  Sta- 
tuette in  Betracht  zu  kommen,  doch  wäre  auch  der  Anfang  dieser  Epoche,  die 
18.  Dynastie,  stilistisch  nicht  ausgeschlossen.  Leider  ist  der  genaue  Fundort 
unbekannt,  so  daß  wir  bei  dem  Fehlen  einer  Inschrift  ganz  auf  die  stilistische 
Datierung  angewiesen  sind,  die  bei  ägyptischen  Bronzen  ihre  besonderen 
Schwierigkeiten  hat.  Zum  Glück  verliert  dadurch  das  unzweifelhaft  echte  Stück 
nichts   von  seiner  ungewöhnlichen  Bedeutung. 

')  Sic  finden  sicli  ja  auch  an  menschlichen  Königsköpfen.  Vgl.  Lefsius,  Ägypi.  Zeitschr. 
15  (1877)  S.  20  ff. 


Tafel  II 


rsqpm-  wwymvG&wrFZs*?» 


& 


Zeitschrift  f.  Aegypt.  Spr.,   54.  Band. 


Verlag  ;    ).   C     Hinrichs,  Leipzig. 


Hand  .")4.|  YV.  Spiegelberg:   Der  Maler  Heje.  77 


Der  Maler  Heje. 
Von  Wilhelm  Spiegelberg. 

Mit   2  Abbildungen. 


JriEiNRiCH  Schäfer  hat  in  seiner  schönen  Arbeit  über  »ägyptische  Zeichnungen 
auf  Scherben1«  den  Nachweis  erbracht,  daß  diese  Zeichnungen  nicht  nur  freie 
Skizzen,  sondern  auch  gar  nicht  selten  Nachzeichnungen  nach  Vorlagen  sind. 
Vielfach  haben  die  Zeichner,  unter  denen  auch  große  Künstler  waren,  Wand- 
bilder aus  den  Gräbern  oder  Tempeln  der  thebanisehen  Totenstadt,  in  der  sie 
arbeiteten,  für  ihre  künstlerischen  Zwecke  auf  Scherben  oder  Kalksteinen  kopiert, 
und  zwar  in  den  nachgewiesenen  Fällen  in  so  freier  Weise,  daß  Schäfer  an 
Erinnerungsbilder  denkt,  die  fern  von  dem  Original  aus  dem  Gedächtnis  ent- 
worfen worden  wären.  Daneben  bleibt  aber  gewiß  noch  eine  zweite  Möglich- 
keit bestehen,  auf  die  mich  Frau  Luise  Klebs  hinwies,  daß  der  betreffende 
Zeichner  seine  Vorlage  nur  so  weit  abzeichnete,  wie  sie  ihn  künstlerisch  inter- 
essierte, daß  er  sie  also  nach  seinem  künstlerischen  Gefühl  frei  umgestaltete. 
Wann  die  eine  oder  die  andere  Erklärung  anzunehmen  ist.  ist  natürlich  im 
Einzelfalle  nur  dann  zu  entscheiden,  wenn  etwa  die  Kopie,  wie  es  in  den 
Königsgräbern  der  Fall  ist,  noch  an  Ort  und  Stelle  »vor  dem  Original«  ge- 
funden Avird.  In  jedem  Falle  sind  die  Skizzen  freie  Umgestaltungen  der  Vor- 
lagen. Zu  diesen  gehört  nun  auch  die  in  der  Nähe  des  Tempels  von  Der  el- 
Medine  gefundene,  aus  der  Ramessidenzeit  stammende  Zeichnung2  (Abb.  1),  deren 
Vorlage  ich  in  der  nebenbei  abgebildeten  Darstellung  (Abb.  2)  zu  erkennen  glaube. 
Sie  stammt  aus  dem  hinter  Der  el-Medine,  also  in  der  Nähe  des  Fundorts 
unseres  Kalksteins,  gelegenen  Grabe  eines  Nekropolenbeamten  Enher-c/uhce,  der 
unter  Ramses  IV.  lebte,  und  zwar  stellt  das  Bild,  wie  Erman  (Ägypt.  Zeitschr.  42 
[li)05]  S.  128 ff.)  gesehen  hat,  den  Künstler  dar,  der  die  Zeichnungen  jenes 
Grabes  entworfen  hat.  Auf  diese  Künstlersignatur  geht  die  Zeichnung  zurück, 
die  eine  sehr  freie  Wiedergabe  der  Vorlage  ist3.  Der  Maler  ist  in  beiden  Bildern, 
in  dem  Original  wie  in  der  Kopie,  bei  der  Arbeit  dargestellt.  Aber  während 
er  in  der  Grabdarstellung  auf  die  Palette  zeichnet,  taucht  er  auf  dem  Kalk- 
stein den  Pinsel  in  ein  Tintenfaß,  um  ein  auf  dem  Schöße  liegendes  Papyrus- 
blatt zu  beschreiben.  In  der  Kopie  fehlt  ferner  das  »Podium«,  und  in  allerhand 
Einzelheiten   sind  Abweichungen  von   dem  Original  zu   konstatieren,   in  der  Art, 


')  Jahrbuch  der  Kgl.  Preuß.  Kunstsammlungen  1916  S.  46ff.  —  2)  A.  a.  O.,  S.  25  Abb.  3. 
Besprochen  unter  Nr.  27  S.  29.  —  s)  So  hat  Schäfer  in  einer  brieflichen  Mitteilung  das  Verhältnis 
der  beiden  Zeichnungen  aufgefaßt.  Ich  dachte  zunächst  an  zwei  eigenhändige  selbständige  Zeich- 
nungen des  Heje. 


78 


W.  Spiegelberg :    Der  Maler  Heje. 


[54.  Band. 


wie  Unter-  und  Oberschenke]  gegeneinander  absetzen,  oder  in  der  Faltengebung 
und  d<r  Haarbehandlung.  Auch  die  Füße,  die  beide  Male  von  unten  gesehen 
sind1,  sind  in  der  Kopie  noch  einen  Grad  freier  gezeichnet.  Ja,  die  Unterschiede 
sind    alles    in    allem    so    erheblieh,    daß   man   ein   Recht  hätte,    an   der  Identität 


H-d-uJLftfZtttiL 


v 


r^n&nziimL 


ZUZ:' 


Abb.  1. 


Abi).  2. 


der  dargestellten  Personen  zu  zweifeln,  wäre  sie  nicht  inschriftlich  gesichert, 
Nach  dem  Kalkstein  ist  die  abgebildete  Figur  der  □  1  upl  (j  (j  «der  Erbfürst 
und  Königliche  Schreiber  Heje«,  und  ebenso  heißt  der  Mann  in  der  Grabdar- 
stellung. Denn  die  Kopie  zeigt  jetzt,  daß  Lepsius  mit  seiner  Ergänzung  □ 
recht  gehabt  hat2.  Es  steht  nichts  anderes  da  als  D  1  rfii  (1  (j  %,.  Erman 
hatte  gegen   die  Lesung     D     deshalb  Bedenken  gehabt,   weil  er  in  diesem  Titel 

die  Bezeichnung  eines  Mannes  vom  allerhöchsten  Range  sah.  In  der  Tat  be- 
zeichnet rp^tj  häufig  den  Kronprinzen3,  aber  der  Titel  findet  sich  auch,  freilich 
sehr  selten,   in  anderer,  weniger  gewichtiger  Bedeutung,  so  Mariette,  Serapeum, 

III  Taf.  21  pj^t)^^^  J^>  Ägypt.  Zeitschr.  33  (1895)  S.  20  ffl^B^- 
Doeh  wäre  an  der  zweiten  Stelle  die  Bedeutung  »Kronprinz«  nicht  ausgeschlossen. 
Das   ist  dagegen   sicher  für  unseren  Künstler  der  Fall,   welcher  bürgerlicher  Her- 

')  Zu  dieser  Art  der  Zeichnung  vgl.  Spiegelberg,  Ausgewählte  Kunstdenkmäler  S.  11  Anm.  3. 
—  '-)  Damit  erübrigen  sich  jetzt  die  Erklärungen  von  Erman  und  Seihe,  Agypt.  Zeitschr.  42  (1905) 
S.  130.  131. 

:l)   Siehe   die  Nachweise  bei   Gardiner,   Literary  Texts  I  17::.  7.     Beachte   auch,   daß       rj 
durch  assyr.  sa?-  »Fürst«   wiedergegeben  wird  (Steindohff,  Agypt.  Zeitschr.  31   [1893]  S.  27). 


Band  54.1  Hans  Bonnet:    Die  Königshaube.  7.) 


kunft  und  dessen  Vater,  dem  Namen  nach  zu  urteilen,  sicher  kein  Ägypter1  war. 
In  diesem  Falle  war  wohl  der  Titel  ein  ehrendes  Epitheton,  das  aber  für  die 
hohe  Stellung  bezeichnend  ist,  die  Heje  einnahm.  Vielleicht  verdankte  er  den 
Titel  den  königlichen  Aufträgen,  zu  denen  ihm  seine  Meisterschaft  gewiß  ein  An- 
recht gab. 

Fassen  wir  kurz  zusammen,  was  wir  von  dem  Maler  Heje  wissen.  Er  lebte 
unter  Ramses  III.  und  IV.  (um  die  Wende  des  12.  vorchristlichen  Jahrhunderts) 
in  Theben,  wo  er  in  der  thebanischen  Nekropolis  u.  a.  ein  großes  Grab  in 
Der  el-Medine  mit  Malereien  ausschmückte.  Nicht  aus  ihnen,  wohl  aber  aus 
dem  hier  besprochenen  »Selbstporträt«,  wenn  man  diese  etwas  zu  hoch  ge- 
griffene Bezeichnung  für  unsere  Silhouette  gelten  lassen  will,  erfahren  wir  etwas 
über  seine  künstlerische  Eigenart.  Wie  namentlich  die  natürliche  Zeichnung 
des  fließenden  Haares  und  der  Füße  zeigen,  gehörte  er  zu  den  Künstlern,  die 
noch  am  Ausgange  des  Neuen  Reiches  die  guten  Traditionen  der  naturalistischen 
Schule  der  18.  Dynastie  fortsetzten.  Dieser  freie  Stil  mag  den  Zeichner  des 
Berliner  Kalksteins  zum  Kopieren  gereizt  haben,  und  darauf  mag  es  beruhen, 
daß  er  bei  aller  Abweichung  im  einzelnen  doch  die  Zeichnung  des  Haares  und 
der  Fußsohlen  in  der  Hauptsache  beibehalten  hat,  einerlei  ob  er  vor  dem  Ori- 
ginal gestanden  oder  seine  Kopie  fern  davon  nach  dem  Gedächtnis  gezeichnet  hat". 


Die  Königshaube. 

Von   Hans  Bonnet. 

Mit  S  Abbildungen. 

1\  eben  den  verschiedenen  Kronen  trägt  der  ägyptische  König  auf  dein  Haupt 
als  Zeichen  seiner  Würde  häufig  eine  einfache  Haube,  das  sog.  ?ims-Kopftuch. 
Es  setzt  etwa  in  der  Mitte  der  Stirn  an  und  bedeckt,  unmittelbar  hinter  den 
Ohren  herablaufend,  den  Hinterkopf:  hinten  endet  es  in  einen  runden  wulstigen 
Stoffteil,  den  sog.  Zopf,  vorn  fallen  zwei  Streifen  auf  die  Brust  herab,  die  sich 
oberhalb  der  Schultern  von  der  Masse  der  Haube  ablösen.  Oben  liegt  die  Haube 
dicht  an,  während  sie  nach  hinten  und  nach  den  Seiten  durch  die  eingebundene 
Masse  des  Haares  weit  ausbauscht.  Der  Stoff  wird  von  verschiedenartig  gestal- 
teten Falten   durchzogen. 

')  Der  Name  sieht  semitisch  aus  {vom  oder  in&s)  wie  eine   Nisbebildung. 

*-)  Es  ist  freilich  auch  abgesehen  von  der  oben  (S.  77  Anm.  3)  angedeuteten  Auffassung  noch 
eine  weitere  möglich.  Heje  könnte  sich  in  einem  anderen,  uns  nicht  bekannten  Grabe  so  darge- 
stellt haben,  wie  ihn  die  Kopie  des  Kalksteins  zeigt.  Doch  ist  die  Erklärung  von  Schäfer  alles 
in  allem  die  nächstliegendste. 


80 


Hans  Bonnet:    Die   Königsliaube. 


[54.  Band. 


Abb.  1. 


Aii   Stelle    dieser  Haube   trägt   der  König   mitunter  eine  etwas   einfachere, 
im   ganzen   aber  ähnlich   gestaltete  (Abb.  I)1.     Vor  allem  fehlen   ihr  die  beiden 

vorn  herabfallenden  Streifen,  dann  ist  der  Zopf  breiter 
und  dementsprechend  flacher,  der  Stoff  ist  überwie- 
gend glatt.  Auch  diese  Haube  hat  ihren  besonderen 
Namen,  sie  heißt  nach  den  Beischriften  auf  den  Gerät- 
friesen von  Särgen  des  Mittleren  Reichs  hlht  IT  r. 
Infolge  ihrer  einfacheren  Form  hat  sie  dem  repräsen- 
tativen Charakter  der  ///y/s-Haube  gegenüber  mehr  den 
profaneren  einer  lediglich  dem  Schutze  des  Hauptes 
dienenden  Kopfbedeckung.  In  der  Tat  kennen  wir 
auch  außerhalb  des  königlichen  Ornats  derartige  Hau- 
ben, die  dann  deutlich  praktischen  Zwecken  dienen. 
Einmal  werden  sie  von  Dienern  und  Dienerinnen  ge- 
tragen', bei  denen  sie  ganz  offenbar  das  Haar  gegen 
den  bei  der  Arbeit  entstehenden  Staub  schützen  sollen. 
Dann  begegnen  wir  einer  entsprechenden  Haube  an  dem  bekannten  Holzköpfchen 
der  Teje,  wo  sie  das  natürliche  Haar  umschließt  und  eine  künstliche  Perücke  darüber- 
gelegt ist4.  Natürlich  kann  hier  die  Haube,  wie  auch  Borciiardt  richtig  erkannt 
hat,  nur  den  Zweck  haben,  das  Aufsetzen  der  Perücke  zu  erleichtern  und  das 
natürliche  Haar  vor  Unreinlichkeit  zu  schützen.  Daraus  ergibt  sich  ohne  weiteres 
der  Schluß,  den  auch  Borchardt  zieht,  daß  die  ägyptischen  Damen  allgemein 
unter  ihren  Perücken  derartige  Hauben  getragen  haben.  Jedenfalls  liegt  kein 
Grund  vor,  hier  in  der  Haube  mehr  zu  sehen  als  eine  allgemein  übliche  Frauen- 
tracht, selbst  wenn  einmal  eine  Königin  ein  derartiges  Kopftuch  auch  ohne 
Perücke  trägt,  was  ganz  vereinzelt  und  dann  ja  sicher  in  Anlehnung  an  die 
Königshaube   vorkommt. 

Schließlich  weist  Borchardt  a.  a.  0.  die  /^'/^-Haube  auch  bei  den  Göttinnen 
Isis  und  Nephthys  nach;  sie  tragen  sie,  wenn  sie  um  ihren  Bruder  Osiris  klagen, 
freilich  nicht  regelmäßig,  wie  Borchardt  meint a.  Hier  scheint  ja  der  Haube 
eine  besondere  Bedeutung  zuzukommen,  aber  sie  kann  nur  in  dem  Zusammen- 
hang des  Trauerzeremoniells  zu  suchen  sein,  da  wir  die  Haube  sonst  weder  bei 
diesen  noch  bei  anderen  Göttinnen  kennen.  Jedenfalls  ist  die  Ä/Atf-Haube,  ab- 
gesehen von  dieser  nach  ihren  Motiven  nicht  klaren  Verwendung  eine  in  der 
Alltagstracht  der  Frauen  hohen  wie  niederen  Standes  übliche  Kopfbedeckung. 
Demgegenüber  ist  es  auffällig,  daß  man  sich  nicht  scheute,  die  charakte- 
ristische Königshaube    gelegentlich   durch   dieses   profane  Kopftuch  zu   ersetzen; 


')  Vom  N.  R.  an:  Legrain.  Stat.  de  rois  et  de  park  I.  47,  III.  Taf.  5.  LD.  III.  17.  19.  66. 
67.  176.  —  -)  Von  Borchardt,  Porträtkopf  der  Königin  Teje  S.  6  nachgewiesen.  —  :l)  A.  R. :  Stein- 
dorff,  Grab  des  Ti  Taf.  8(i,  Figur  einer  Müllerin  im  Ägypt.  Mus.  der  Univ.  Leipzig.  N.  R. :  Erman, 
Ägypten  575.  —  4)  Borchardt,  Porträtkopf  der  Königin  Teje  S.  f>.  —  "')  Ohne  Haube:  Bcdge, 
Coli,  of  egypt.  ant.  in    the   possession    <>f*  Lady  Meux  pl.  4. 


Band  54.]  Hans  Bonnet:    Die  Königshaube.  81 


man  wird  daher  nach  einer  Erklärung  suchen  müssen.  Für  diese  bieten  sich 
zwei  Möglichkeiten.  Man  könnte  etwa  aus  Gründen  der  Bequemlichkeit  der 
Königshaube  die  einfachere  Form  gegeben  haben,  die  ja  sicherlich  angenehmer 
zu  tragen  war;  es  braucht  kaum  gesagt  zu  werden,  wie  unwahrscheinlich  eine 
solche  Annahm«1  wäre,  man  würde  kaum  Analogien  beibringen  können.  So 
bleibt  denn  nur  die  zweite  Möglichkeit,  daß  nämlich  die  /////f-Haube  von  alters 
her  im  königlichen  Ornat  ihren  Platz  hatte.  Dafür  spricht  ja  auch  schon  ihre 
Verwendung  auf  Gerätfriesen  von  Särgen  des  Mittleren  Reichs.  Da  sie  die 
schmucklosere  ist,  darf  man  Aveiterhin  annehmen,  daß  sie  als  ursprüngliche 
Form  der  Königshaube  bereits  vor  dem  /////s-Kopftuch  üblich  war.  Daß  sie 
dann,  sobakl  dieses  aufkam,  zurücktrat,  ist  ganz  selbstverständlich,  ebenso,  daß 
sie  als  altüberliefertes  Ornatstück  nicht  völlig  verdrängt  werden  konnte.  Wir 
werden  sogar  annehmen  dürfen,  daß  sie  häutiger  getragen  wurde,  als  es  nach 
den  Denkmälern  den  Anschein  hat,  da  diese  gewiß  die  /////i-Haube  als  die  deko- 
rativ  wirksamere  bevorzugten. 

Aus  den  Denkmälern  läßt  sich  allerdings  das  höhere  Alter  der  ///$/-Haul>e 
nicht  erweisen :  wir  kennen  sie  auf  diesen  erst  im  Neuen  Reich.  Das  will  aber 
nicht  viel  besagen:  Steindorff  hat  schon  bei  Behandlung  des  hprs  daraufhin- 
gewiesen, wie  wenig  Reliefs  wir  aus  früherer  Zeit  haben,  auf  denen  der  Pharao 
dargestellt  ist,  und  an  Statuen  ist  die  ////^-Haube  ja  auch  im  Neuen  Reich 
selten.  Im  übrigen  trägt  Usaphais  auf  dem  bekannten  Täfelchen  der  Sammlung- 
Mac  Gregor1  ein  der  $//tf-Haube  wenigstens  ähnliches  Kopftuch,  bei  dem  nur 
der  Zopf  fehlt,  während  wir  das  »ws-Kopftuch  erst  von  der  vierten  Dynastie 
an  kennen.  Das  paßt  zu  unserer  Annahme,  kann  sie  aber  freilich  nicht  be- 
weisen. Wir  bleiben  bisher  im  ganzen  auf  Rückschlüsse  aus  dem  Gebrauch  der 
/</$£-Haube  in  historischer  Zeit  angewiesen,  aber  meines  Erachtens  haben  sie  schon 
hinreichende  Wahrscheinlichkeit  für  sich:  sie  gewinnen  zudem  an  Überzeugungs- 
kraft, wenn  wir  das  Verhältnis  der  beiden  Hauben  zueinander  von  einem  anderen 
Gesichtspunkt  aus  betrachten,  wenn  wir  nämlich  der  Frage  nähertreten,  wie 
das  Zeugstück,  aus  dem  die  Haube  in  dieser  wie  in  jener  Form  bestand,  ge- 
formt war  und  wie  es  angelegt  wurde.  Es  wird  sich  dann  zeigen,  daß  das 
//.v^'-Kopftueh  tatsächlich  nichts  anderes  ist  als  eine  Weiterbildung  der  hiht- 
Haube.   der  man  so   eine  gefälligere  Form   geben  wollte. 

Bei  der  A/$/-Haube  ist  Form  und  Anordnung  des  Stoffes  klar  genug.  Ein 
rechteckiges  Zeugstück  wird  von  hinten  so  über  den  Kopf  gelegt,  daß  ein 
Schmalsaum  über  die  Stirn  hinwegläuft.  Dieser  Saum  wird  durch  ein  Band 
festgebunden,  daß  man  entweder  von  den  Schläfen  aus  kreuzweis  über  den 
Hinterkopf  fuhrt  und  im  Nacken  unter  der  Haube  zusammenbindet  oder  hori- 
zontal um  den  Kopf  legt  und  hinten  knotet,  wobei  man  es  von  den  Ohren  an 
nach  hinten  zu  sowohl  unter  dem  Tuch   hindurchnehmen  wie  gleichmäßig  über 


l)  Aüvpt.  Zeitschr.  35  S.  8. 

ZciUclir.  f.  Ägypt  S]>r..  ö4.  Ran.l. 


82 


Hans  Bonnet:    Die  Köniffshaube. 


[54.  Band. 


Abi).  2. 


ihm  hinwegführen  kann1.  In  diesem  Falle  liegt  die  Haube  eng  an,  während 
sie  sonst  an  den  Seiten  etwas  ausbauscht.  Die  Längssäume  werden  im  Rücken 
unter  dem  Haar  eingeschlagen;  ein  Band,  das  um  dieses  Ende  der  Haube  ge- 
wiekelt wird,  gibt  dem  Ganzen  die 
nötige  Festigkeit.  Läßt  man  das  Tuch 
hinten  frei  herabhängen,  ohne  die 
Säume  einzuschlagen,  entsteht  ein 
Kopftuch  der  Form,  wie  es  Usaphais 
auf  dem  erwähnten  Täfelchen  trägt; 
dieses  läßt  sich  also  als  eine  Vorstufe 
zur  hiht-Hsaihe  auffassen.  Vereinzelt 
kommt  es  so  noch  im  Alten  Reich  bei  Dienerinnenfiguren  vor.  nur  ist  es  dann 
hinten  erheblich  kürzer". 

Die  nmi-Haube  wird  ebenfalls  aus  einem  rechteckigen,  nur  etwas  größeren 
Zeugstück  hergestellt.  Seine  Breite  entspricht  der  Länge  des  für  die  A/A/-Haube 
verwendeten  Tuches  [EF GH  bezeichnet  in  Abb.  2  die  Form  des  letzteren).  Man 
legt  es  wiederum  von  hinten  über  den  Kopf,  so  daß  der  mittlere  Teil  des  vor- 
deren Längssaumes  (EF)  auf  die  Stirn  zu  liegen  kommt.  Er  wird  von  Ohr  zu 
Ohr  durch  ein  Band  festgehalten,  das  man  jetzt  regelmäßig  hinten  unter  dem  Tuch 
durchführt,  um  nicht  die  überschüssige  Stoffmenge  mit  einzubinden.  Diese  fällt 
über  die  Schultern  herab  (Abb.  3).  Ihre  beiden 
Schmalsäume  schlägt  man  nach  innen  ein,  so  daß 
sie  auf  den  Schultern  aufliegen  und  von  diesen 
nach  vorn  wie  nach  hinten  herablaufen  (Abb.  4). 
Dabei  entstehen  die  scharfen,  vom  Kopf  nach  den 
Seiten  hinausspringenden  Kanten  der  Haube.  Das 
hintere  Ende  wird  schließlich  wie  bei  der  Jifyt- 
Haube  mit  einer  Schnur  umwickelt;  da  es  hier 
aber,  der  größeren  Breite  des  Tuches  entsprechend, 
breiter  ist  und  nach  den  Schultern  zu  weit  aus- 
ladet, um  sich  fest  genug  einbinden  zu  lassen,  wird 
es  vorher  kräftig  zusammengedreht.  So  entsteht 
einmal  der  charakteristische  Zopf  der  Haube,  fer- 
ner bildet  sich  über  den  Schultern  ein  wagerecht 
verlaufender  scharfer  Knick,  da  der  nach  vorn 
fallende  Stoff  bei  dem  Eindrehen  des  Zopfes  etwas  zurückgezogen  wird.  (Abb.  5). 
Die  wns-Haube  unterscheidet  sich  also  letzten  Endes  nur  dadurch  von  der 
//////- 1  la übe.  daß  man  ein  größeres  Zeugstück  verwendet,  um  den  bisher  vorn  nur 
von  Schläfe  zu  Schläfe  reichenden  Stoff  weiter  nach   den  Seiten   herabfallen  zu 


Abb.  3. 


l)  Kreuzweise.  Borchardt,  a.  a.  0.  S.  7.     Fnter  dem  Tuch  bei  den  Königsfiguren,  Anm.  1  : 
über  dem  Tuch   hei  den  Dienerinnenfiguren,   Anm.  3.  2)   Borchardt,   Statuen  und  Statuetten  von 

Privatleuten    Nr.   L10.   114. 


Band  54.] 


Hans  Bonnet:    Die  Königshaube. 


83 


Abb.  4. 


lassen.  Der  einzige  wirkliche  Unterschied  in  der  Art  des  Anlegens,  d.  h.  das 
Zusammendrehen  der  den  Zopf  bildenden  Stoffenden,  ist  lediglich  durch  die 
größere  Breite  des  Tuches  bedingt.  Das  »mi-Kopftuch  kennzeichnet  sich  damit 
deutlich   als   eine  bloße  Weiterbildung  der  AMMiMube. 

Ein  weiteres  wesentliches  Moment  in  der  Ausbildung  der  Haube  zu  einem 
gefalligen  Kopfputz  bildet  die  Fältelung  des  Stoffes,  die.  soweit  wir  sehen,  bei 
der  ?wras-Haube  von  Anfang  an  üblich  war;  wenig- 
stens berechtigen  die  wenigen  Fälle,  in  denen  sie 
fehlt,  nicht  zu  einer  Annahme  des  Gegenteils.  Die 
Falten  verlaufen,  wenn  wir  auf  die  Grundform  des 
Tuches  zurückgehen,  in  der  Richtung  der  Schmal- 
seiten, an  der  fertigen  Haube  oben  über  der  Stirn 
senkrecht  und  vorn  an  den  Seiten  wagerecht,  hinten 
konvergieren  sie  nach  dem  Zopf  zu.  Die  Form  der 
einzelnen  Falten  pflegt  verschieden  zu  sein.  An  der 
Haube  selbst  haben  sie  meist  die  Form  breiter, 
flacher  Streifen;  an  den  vorn  herabfallenden  Streifen 
liegt  dagegen  in  der  Regel  von  dem  Knick  ober- 
halb der  Schultern  an  Falte  neben  Falte,  wie  wir 
es  sonst  bei  gefältelten  Stoffen  gewohnt  sind.    Diese 

Verschiedenartigkeit  der  Fältelung  an  ein  und  demselben  Zeugstück  ist  auf- 
fällig;  sie  muß   durch  die   Struktur  der  Haube  bedingt  sein. 

Das  Nächstliegende  war  ja  ohne  Frage,  dem  Stoff  die  sonst  übliche  und 
insbesondere  in  der  Königstracht  schon  am  Schurz  gebräuchliche  Fältelung  zu 
geben.  Legte  man  aber  ein  derartig  gefälteltes  Tuch  in  der  beschriebenen  Weise 
um.  so  wurden  die  Falten  oben  über  dem  Haupt  und  an  den  ausbauschenden 
Seitenteilen  der  Haube  teils  durch  das  Gewicht  der  herabhängenden,  nach  unten 
ziehenden  Enden,  teils  durch  die  eingebundene  Masse  des  Haares  auseinander- 
gezogen; sie  verflachten,  die  Haube  erschien  glatt,  nur  die  vorderen  Enden  be- 
wahrten die  P'ältelung.  An  den  Königsfiguren  des  Alten  Reichs  ist  in  der  Tat. 
wie  es  scheint,  durchgängig  die  Haube  bis  auf  die  dicht  gefältelten  Enden  glatt1. 
Natürlich  liegt  da  der  Gedanke  nahe,  daß  die  breiten  Streifen  oben  auf  die 
Haube  aufgemalt  waren ;  da  sie  bedeutend  flacher  waren  als  die  Falten  an  den 
Enden,  hätte  man  schließlich  auch  auf  ihre  plastische  Darstellung  verzichten 
können.  Immerhin  bliebe  diese  anscheinend  doch  regelmäßige  Verschiedenartig- 
keit in  der  Wiedergabe  der  Falten  merkwürdig ;  zudem  ist  sie  in  späterer  Zeit 
kaum  zu  belegen.  Da  sie  sich  nun,  wie  wir  sahen,  sachlich  gut  erklärt,  werden 
wir  mit  Wahrscheinlichkeit  annehmen  dürfen,  daß  sie  in  der  Verflachung  der 
Falten  an  der  Haube  begründet  ist.  Man  hätte  dann  also  im  Alten  Reich  den 
sonst  üblichen  dicht  gefältelten  Stoff  für  das  mwi-Kopftuch  benutzt. 

')  Borchari)  j  ,  a.  a.  0.  Nr.  14.  15.  38.  39.  4'J.  Hölscher,  Grabmal  des  Chephren  S.  93.  Delbrück. 
Antike  Porträts  XXIV  Abb.  2. 


II 


84 


Hans  Bonnet:    Die  Königshaube. 


[54.  Band. 


Abb.  5. 


Sobald  man  auf  den  durchgehenden  Faltenschmuck  der  Haube  nicht  verzichten 

wollte,  mußte  man  den  Falten  zum  mindesten  an  dem  mittleren  Teil  des  Tuches 
eine  andere   Form  geben,  die  sie  vor  der  Verflachung  sicherte.     Man  erreichte 
das  dadurch,  daß  man  sog.  Quetschfalten  herstellte,  d.  h.  daß  man   breitere  Stoff- 
bahnen   heraushol),   unter  denen  man  an  beiden  Seiten 
den  Stoff"  einknickte  (Abb.  2),   wobei  es  zuweilen  Mode 
war,    auf   eine    breitere    Falte    zwei    schmalere    folgen 


zu  lassen1.  Beim  Anlegen  des  Tuches  wurden  dann 
lediglich  die  eingeknickten  Stoffteile  auseinanderge- 
zogen, die  breiten  Faltenrücken  dagegen  nur  etwas 
in  die  Höhe  gehoben.  An  den  Enden  konnte  man 
die  bisherige  Art  der  Fältelung  beibehalten;  meist 
ist  das  auch  geschehen,  wenn  wir  uns  an  das  Zeugnis 
der  Statuen  halten,  an  ihnen  setzen  sich  verhältnis- 
mäßig selten  die  breiten  Quetschfalten  an  den  vor- 
deren Enden  fort".  Anders  ist  es  freilich  im  Relief: 
hier  entspricht  in  der  Regel  die  Fältelung  der  Enden 
der  der  Haube1.  Dieser  Widerspruch  zwischen  Relief 
und    statuarischer   Plastik    ist    merkwürdig,    er    kann 

natürlich  nur  in  der  Eigenart  beider  Kunstarten  begründet  sein.  Mehr  Beweis- 
kraft kommt  ohne  Zweifel  den  Statuen  zu.  in  der  im  Relief  vorherrschenden 
gleichmäßigen  Fältelung  kann  man  nur  eine  Vereinfachung  der  Wiedergabe  er- 
kennen,  zu   der  sich  bald  noch   Parallelen  bieten   werden. 

An  den  Innenseiten  der  vorderen  Enden  läuft  mitunter  von  dem  Knick 
oberhalb  der  Schultern  an  ein  schmaler  glatter  Streifen  herab4.  Wenn  wir  auf 
die  Grundform  des  Kopftuchs  zurückgehen,  stellt  er  sich  als  Teil  eines  Saum- 
streifens der  Vorderkante  dar,  der  nur  an  den  Enden  sichtbar  werden  konnte, 
da  er  an  der  Stirn  durch  das  Band  verdeckt  wurde  und  seitlich  des  Kopfes 
zurückgeschlagen  war.  Ein  solcher  Saum  hatte  seinen  guten  Grund,  da  durch 
ihn  die  breiten  Quetschfalten  in  der  Mitte  des  Tuches  gesichert  wurden.  Auf 
Reliefs  werden  nicht  selten  auch  die  äußeren  geschwungenen  Kanten  der  vor- 
deren Enden  durch  einen  entsprechenden  Streifen  abgeschlossen  %  hier  ist  er 
natürlich  schlechthin  unerklärbar;  man  kann  ihn  nur  zeichnerisch  als  eine  Ver- 
stärkung der  Abschlußlinie  verstehen,  zu  der  der  Saum  auf  der  anderen  »Seite 
die  Anregung  geben   konnte.     Nicht  anders   ist  es  zu  erklären,   wenn  sogar  der 

')  Beispiele  von  Borchardt,  Sitzungsber.  d.  Berl.  Akad.  d.  Wi.ss.  1897  S.  756  gesammelt;  die 
sicher  datierten  gehören  alle  Amenemhet  III.,  hei  dem  aber  aueli  die  übliche  Streifenanordnung 
vorkommt,  so  Legrain,  Stat.  1  Taf.  8.  Im  übrigen  kommt  der  Wechsel  breiter  und  schmaler  Streifen 
schon   im  A.  R.  vor,  Borchardt,  Grabmal  des  Ne-user-re  S.  84. 

2)  Legrain,  Stat.  I  Taf.  56.     v.  Bissing,  Denkmäler  Taf.  36,  LD.  III,  142.  d)  LD.  III,  2.  21. 

68.  80.  123  u.  ö.  Nur  vereinzelt  sind  die  Enden  dicht  gefältelt,  LD.  III,  293.  Annales  PV.  pl.  5. 
—  4)  Vom  M.  R.  an,  Legrain,  Stat.  I,  14.  51.  62.  v.  Bissing,  Denkmäler,  Taf.  36.  40.  LD.  III,  133.  — 
r')  LD.  III,  2.  20.    123.   132.   136.  Vereinzelt  an  einer  Statue  Ramses  IL.  a.  a.  0.  142. 


Hand  54. |  Hans  Bonnet:    Die  Königshaube.  85 


hintere  Teil  der  Haube  von  den  ausbauschenden  Seitenflügeln  bis  zum  Zopf 
durch  einen  derartigen  Streifen  abgeschlossen  wird,  was  ganz  vereinzelt,  und 
zwar   wiederum  nur  im  Relief  vorkommt1. 

Diese  Neigung  des  Reliefs,  die  Haube  durch  einen  schmalen  Streifen  ab- 
zugrenzen, führt  weiterhin  zu  Ungenauigkeiten  in  der  Wiedergabe  des  Abschlusses 
der  Haube  über  der  Stirn.  Hier  kommt  nämlich  an  den  Seiten  unter  dem  Stirn- 
band das  Haar  vor,  das  der  Ägypter  ja  so  zu  schneiden  pflegte,  daß  es  vor 
den  Ohren  noch  etwas  herabhing.  Dieses  unter  der  Haube  vortretende  Haar 
wird  häufig  plastisch  als  in  schwachem  Relief  vorspringendes  trapezförmiges 
Feld  mit  mehr  oder  weniger  geschwungenen  Kanten  wiedergegeben.    Bei  anderen 


Abb.  6.  Abb.  7.  Abb.  8. 

Kronen  sowie  bei  Perücken,  die  das  natürliche  Haar  vortreten  lassen,  finden 
wir  es  natürlich  ebenso  wie  hier  bei  der  Königshaube".  An  Statuen  wird  es 
zumeist  richtig  oben  von  dem  Stirnband  der  Haube  überschnitten :!,  daneben 
wird  es  aber  auch  mit  diesem  zusammengefaßt  (Abb.  6)4;  es  sieht  dann  so  aus, 
als  biege  die  Unterkante  des  Bandes  vor  dem  Ohr  nach  unten  aus.  Die  Tren- 
nungslinie zwischen  Band  und  Haar  mochte  dann  aufgemalt  sein.  Es  wäre 
aber  auch  denkbar,  daß  man  statt  des  Bandes  einen  von  Ohr  zu  Ohr  reichenden 
Metallreif  benutzt  hätte,  den  man  dann  durch  eine  unter  der  Haube  durch- 
laufende Schnur  befestigen  konnte.  Einen  derartigen  Reif  konnte  man  an  seinen 
Enden  so  ausbiegen  lassen,  daß  er  das  vorquellende  Haar  verdeckte.  Dar- 
stellungen, bei  denen  Band  und  Haar  gleichmäßig  gelb  bemalt  sind',  legen 
wenigstens  den  Gedanken  an  einen  solchen  Metallreif  nahe;  aber  ebenso  gut 
kann  auch  hier  nur  eine  Vereinfachung  vorliegen. 

Im  Relief  kehren  beide  Arten  der  Wiedergabe  von  Band  und  Haar  wieder, 
die  klare  Abtrennung  des  Bandes  kommt  freilich  nur  selten  vor*'.  Im  allge- 
meinen wird  in  der  Flächendarstellung  aber  das  das  Haar  wiedergebende  Feld 
mit  zur  Haube  gezogen,  das  Band  läuft  auch  über  die  Vorderkante  dieses  Feldes 
hinweg  und  endet  an  ihrer  unteren  Ecke  (Abb.  7),  oder  es  wird  sogar  scharf- 
kantig oder  im  Bogen  umbiegend  noch  an  der  Unterkante  des  Feldes  entlang 


')    LD.  III,  70.  2)    Oberägypt.  Krone:  Legrain,  Stat.  I  Tat'.  30,  LD.  III,  21;   unterägypt. 

Krone:    LD.  III,  21;  Atefkrone:    Naville,  Temple  of  Der  el  Bahari  Taf.  100;  Perücke:  Delbrück, 
Antike  Porträts  Taf.  I,  LD.  III,  9.   10.  —  3)  Legrain.  Stat.  I,  20.  34.  36.  41.  44.  II,  53.   III,  5.  - 
l)   Legratn,  a.  a.  O.  11  Taf.  3.  4.  14.  —  5)  Freilich  nur  im  Relief:  Naville,  Temple  of  Der  el  Bahari 
Taf.  14.    Davis,  Tomb  of  Harmhabi  Taf.  38/9.     -  6)  Band  abgetrennt:  Naville.  a.  a.  O.  Taf.  45.  61. 
LD.  III,  44.  70.  Zusammengefaßt:  Naville,  a.  a.  O.  Taf.  105,   LD.  111,   132/33. 


86  W.  Spiegelberg:    Eine  Totenliturgie  der  Ptolemäerzeit.  [54.  Band. 

gefülirt.  um  am  Ohr  zu  enden  (Abb.  8)1.  Das  Band  ist  dann  selbstverständlich 
überhaupt  nicht  mehr  richtig  zu  verstellen,  es  erscheint  vielmehr  als  ein  ein- 
facher, die  Haube   an   der  Stirn  abschließender  Saumstreifen. 

Die  Vereinfachungen,  die  das  Relief  bei  der  Darstellung  der  Königshaube 
vornimmt,  sind  also  nicht  ganz  unerheblich,  zum  Teil  beeinträchtigen  sie  ge- 
radezu das  richtige  Verständnis.  Es  ist  bemerkenswert,  daß  die  Flächendar- 
stellung derartige  unschwer  vermeidbare  Ungenauigkeiten  bei  einem  für  den 
ägyptischen  Beschauer  sicher  wichtigen  Gegenstand,  wie  es  ein  Stück  des  könig- 
lichen  Ornats  doch   wohl  war,  nicht  scheut. 

Daß  die  «W-Haube  zuerst  auf  Denkmälern  der  vierten  Dynastie  vorkommt, 
ist  bereits  oben  gesagt  worden.  Etwa  zur  gleichen  Zeit,  nur  ein  wenig  früher, 
ist  der  gefältelte  Königsschurz  zum  ersten  Male  nachzuweisen".  Da  beide  Ornat- 
stücke aus  einem  gleich  gestalteten  Zeugstück  hergestellt  werden,  darf  man 
vielleicht  vermuten,  daß  beide  etwa  gleichzeitig,  d.  h.  nach  dem  bisher  vor- 
liegenden  Material  ungefähr  in   der  dritten  Dynastie   entstanden   sind. 


Eine  Totenliturgie  der  Ptolemäerzeit. 

Von  Wilhelm  Spiegelberg. 

Der  von  Bergmann3  vortrefflich  veröffentlichte  Papyrus  Nr.  25  der  Wiener  ägyp- 
tischen Sammlung  ist  von  seinem  Herausgeber  als  Götterliste  bezeichnet  worden. 
Das  ist  nur  zum  Teil  richtig.  Denn  außer  den  Namen  von  Göttern  und  Götter- 
barken enthält  das  aus  zwei  nicht  aneinanderschließenden  Stücken  zusammen- 
gesetzte Blatt  auch  Bemerkungen  anderer  Art.  und  zwar  solche,  die  den  Text 
besonders  beachtenswert  machen.  Aron  ihnen  will  ich  im  folgenden  kurz  sprechen, 
da  sie  von  Bergmann  nicht  berücksichtigt  worden  sind,  zum  Teil  deshalb,  weil 
sie  demotisch4  geschrieben  sind. 


1 


A. 

Vor  der  Liste  von  Göttern  steht  in  senkrechter  Zeile  J\: ?~y  V\,  J|  1\ 

(g  >*2*c,  Jjj     »Es  langt5  an,   es  langt  an,  Horus  in   der  Barke.« 


')  Bis  zur  vorderen  Ecke:  LD.  III.  21.  Uli.  70.  136.  Bis  zum  Ohr:  LD.  111.  2.  .">4.  63.  68. 
78  u.  ö.  —  2)  Das  früheste  Beispiel  ist  wohl  die  Statue,  Legrain,  Stat.  I  Taf.  1,  die  vielleicht 
noch  an  den  Anfang  der  dritten  Dynastie  gehört.  —  8)  Hieratische  und  hieratisch-deinotische  Texte 
der  Sammlung  ägypt.  Altertümer,  Wien  1886.  Taf.  IX.  -  -  l)  Die  demotisch  geschriebenen  Wörter 
habe  ich  in  meiner  Umschrift  unterstrichen.  —  ')  Oder  auch  Imperativisch  "lange  an.  lange  an!" 


Band  54.] 


\V.  Spiegelberg:    Eine  Totenliturgie  der  Ptolemiierzeit. 


87 


B. 

Unter  der  Götter-  und  Schiffsliste  der  3.  und  4.  Spalte1  lese  ich  folgendes2: 


la l  o  A„  ■ 


ö^üü  D  c     A 


ö  (2 


-öö- 


3 a. -   fiv 
öööHo 


4  Q D 

C5ÖÖ"- 


5  Q c 


^■■■■■^j^-fkflr 


o c  fi  f|  r\  a    '■    ^^ 


i^m^it^H 


»~DAri'T 


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8<£> 
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n  ^  w'mi:  ^ 


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10 


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11 


12 


13 


14    A 


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£Iü    I        t        I  i         ^A    /WWV\ 


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D 
a       iii 


=V — o|ög=ve 


(?) 


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D 
ci       iii 


15  ^    i\  xx 


16 


17 


£^1   ^7\  /WWV 

2l'oi    I    I 


Ja 


.u^J^MIT  Q^m^ 


^^   1 1 


@i 


^   r 


J)  Sie  schließt  mit  psd-t  ntr-ic  e?.t psd-t  ntr-w  nds-t  »der  großen  und  kleinen  Götter-Neunheit«. 
-    2)    Man  beachte,    daß  der    linke    Rand    abgebrochen   ist.    —    3)    Die  Ergänzung  Hthr  würde  zu 
den  Zeicheiiresten   nicht  stimmen. 


vS 


\\  .  Spiegexberg:    Eine  Totenliturgie  der  Ptolemaerzeit. 


[54.  Hand. 


Übersetzung. 

1  Darbringung  von  Bier  vor  der  Barke   Xefr-c  (?) 

2  Spende  von  Wein   —  Sprach 

3  Darbringung  von  Milch  für Artemis 

4  Darbringung  von  .  .  .  für  die  Hathor  (      verstorbene)  Artemis   —  Darbrin- 
gung von  .  .'.  Kraut  (cim)   —   Spruch 

5  Darbringung  von   frischem   Kraut  —   Darbringung   von   schönem  Kraut  — 
Du  gehst  zur  Ruhe,   um   zu  (?)  (=€?).... 

6  Du  bist  schön 

7  Darbringung   einer  Spende 
Darbringung  von   Blumensträußen1 

8 öffnen  ....  —  Sprach  —   Ein   Acker, 

9  der  herausgeht  aus  dem  Hochfeld  —  Spruch  —   Benetzt  wird 

19 die   Erde",,   es  verjüngt  sich   die  große  Flut wenn  du  aufgehst 

11 


12  Darbringung  des  Opfers1   —  Kein,   rein  ist  die   Opfergabe 

13  Empfangen   des  ljwj-c  Zepters1'  —  Schlagen  mit  dem   Arm  —  5  (?)  Brote 

14  Berühren   des  Totenopfers:!  —  Text 

15  Wohlan!  ....  Darbringung  des   Opfers 

16  Darbringung  des  Opfers  für  die  Hathor  (=  verstorbene)  Artemis,   geboren 
von   Her[odes  (?)] 

17 —   5  (?)  Brote   — 

Der  Mensch sie  werfen   f.  .  .  . 


c. 

Über  den  3  folgenden  Spalten  —  die  Reste  eines  oder  mehrerer  verloren- 
gegangener sind  noch  am  linken  Rande  des  vorhergehenden  Blattes  und  am 
rechten4  des  folgenden  nicht  unmittelbar  anschließenden  sichtbar  —  stehen 
3   Zeilen,   die  leider  durch   große  Lücken   unterbrochen  sind: 

i<efte    >| 


ÖOÖ 


\/     >\AAAAA       L 


i 


(2 


»du  hast  die  beiden  Länder 


')    Siehe  Kbman,  Ägypt.  Zeitschr.  48  (1911)  S.  38. 

A  V7 
2)    Y-rLBRiGsui.  Wh.  VII    1238   v<mm  Nil  f*° 

und  was  in  ihnen   ist,  benetzt.« 

')  fij-t  vom  Darbringen  des  Opfers,  /..  B.  Pyramidentexte  7^  ff.  2)  Siehe  Lac  au,  Sarco- 

phages  anterieurs  au   Nouvel  Empire  II  S.  165  (Index).      -    '•)    Vgl.  dazu   Walker.  PSBA.  XXVI 
(1904)  S.  70  ff. 


')    Man    erkennl 
ergänzen   ist. 


II 


(?),  das  vielleicht   in 


(?) 


.5  (?)  Brote  (?)«    wie   B  13.  17   zu 


Band  ö4.] 


VV.  Spiegelberg:    Mine  Totenliturgie  der  Ptolemäerzeit. 


89 


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AA/W\A 


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I       AA/VW. 


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*  »Anderer  Spruch: 
Es  erglänzt  Osiris  im  Urgewässer. 

[Es  erstrahlt  die  Hathor  (=  verstorbene)   A]rtemis  im   Urgewässer 
Jubel   ist  im  Himmel, 
Jubel  ist  auf  Erden 

[ ] 

2  Es  preisen  dich  die  Götter  der  Barke. 

[ 


Es  macht  dir  Tboth 

die  Hathor  Artemis   geboren   von  Hefrodes  (?)] 
3  Es  vereinigt  sich  mit  ihm  diese  Barke  der  Wahrheit 
[ 

Dein  Auge1   ist  vollkommen   und  heil.« 

Von  der  fast  unleserlichen  Vertikalzeile  glaube  ich  folgendes  zu  entziffern 


ö 


n*'ös8  ("'Ik^^Wn11^'- 


D. 


Es  folgt  nun  die  von  Bergmann  in  der  Hauptsache  richtig  gelesene  Götterliste. 
Vor  den  9  letzten  Götternamen  der  ersten  Spalte  steht  in  vertikaler  Zeichenfolge 


Zl 


-ÖD- 


D 


»Anderer  Spruch:   Du   wachst  in   Frieden«,   ein  Anruf,   der  sich   auf  jeden 
einzelnen  Götternamen  bezieht. 

E. 

An  die  Götternamen  der  2.   Spalte   schließt  sich   folgender  Text  an: 

1     ^|jr-w— iQ  AAAAAA     AAAAAA  * ■* 


j)    Es  handelt  sieb  natürlich  um  das   »Horusauge«   und  die  damit  verknüpften  Vorstellungen, 
über  die  jetzt  Junker.    Die  Onurislegende  S.  132  ff.  zu  vergleichen  ist. 


Zeitsehr.  f.  Agypt.  Spr..  51.  Band. 


12 


90 


W.  Spiegelberg:    Eine  Totenliturgie  der  Ptolemäerzeit. 


[54.  Band. 


(5 


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AAAAAA 


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1»Du  bist  glücklich  im  Himmel  bei  Re. 

2  Du  lebst  (und)  dein  Feind  ist  nicht  mehr. 

3  Du    bist   frei   und    vergehst    nicht. 
*Re  schützt  dich  jeden  Tag. 

5  Du  sitzt  auf  dem   Throne  von  Eisen. 

6  Deine  Schwester  Isis  schützt  [deine]  göttlichen  Glieder. 

7  Dein  Sohn  Horus  ist  dein  Schutz. 

8  Nun  und  Naunet  schützen   dich. 

9  Es  hat  dir  .  .  .  Geb  befohlen. 

10  Es  jubelt  (?)  der  Erbe  des  Schu. 

u  Es  ist  dir  das  Amt  des  Schu  übergeben  worden. « 


F. 


II 


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Band  54.]  W.  Spikgslbebg:    Eine  Totenliturgie  der  Ptolemäerzeit.  91 


1  [ ]  ...  es  geht  Re  hervor  aus  [ 

2[ j   du   wachst  schön  in  Frieden,   Sokar-Osiris   [ 

3  Dein   Sohn   ist  in   deinem  Schrein,  in   diesem  deinen  Namen   [ 

4  Kr  vereinigt  sich   in   diesem  deinem  Namen   des  Onnophris,   des  Seligen  |.  .  . 
.  .  .]  am  Morgen 

5  in  diesem  Namen  des   Herrn   von  Mendes,   ehrwürdig 

6  Herr  der  Totenstadt.     Gnädig  sei  dein  schönes  Antlitz  der  Ilathor  (=  ver- 
storbenen)  Artemis!« 

G. 


1  G  ' 

T  A/VNA 


*»Die  jubelnde  Stimme   der   Unterweltsbewohner  preist  Re 

2. Jubel  als  König  in  der  Unterwelt « 

H. 

Es  folgt  nun  ein  im  wesentlichen   demotisch  geschriebener  Text: 

IjfCstc  r~k  r  pf  ntr  r  ti  \s-t  mh  It  r  pr    ^tnntj  r  didtef  r  pr  mhjtj  (/*)  rd--f  r  rs 

2j«u*ttj  Jr  kbh  sntr1 

3J?r=/r  ck  r  pi  ntr  r  ti  >s-t  mh  II-t  [/•]   didtef  r  pr  >mntj  r  rd-f  r  pr  jbtj 

4  )w*w  <k  r  pi  ntr  r  ti  >s>t  mh  III-t  r  didtef  r  jbt  r  [rd]=f 

5r  pr  smntj 

ßJwsfC  ck  r  pi  ntr  r  ti  \*-t  mh  lY-t  fr]  did>-~f  r  pr  mhjtj  (r)   rd*f  r  rs 


UO  Sil aU\\-Ä;  (?)   £££  vi 


1»Sie"  sollen  zu  dem  Gott  eintreten  zu  der  ersten  Stätte,   indem  sein  Kopf 
nach  Norden  und  seine  Füße  nach  Süden  gerichtet   sind. 

2  Sie  sollen  eine  Spende  und  Weihrauch  darbringen. 

3  Sie  sollen  zu  dem  Gott  eintreten   zu   der  zweiten  Stätte,  indem  sein  Kopf 
nach  Westen  und  seine  Füße  nach  Osten  gerichtet  sind. 

4  Sie  sollen  zu  dem  Gott  eintreten  zu  der  dritten  Stätte,   indem  sein  Kopf 
nach  Osten  und  seine  Füße 

5  nach  Westen  gerichtet  sind. 


1)    Die  beiden  letzten  Wörter   sind  hieratisch  geschrieben.  -       -)  D.  h.  die  bei  dem  Myste- 
rium tätigen  Priester. 

12* 


92  W.  Spiegelbekg :    Eine  Totenliturgie  der  Ptolemäerzeit.  [54.  Band. 


6  Sie  sollen  zu  dem  Gott  eintreten  zu  der  vierten   Stätte,   indem  sein  Kopf 
nach   Norden  und  seine  Füße  nach  Süden  gerichtet  sind. 

7  Danach   kommt  Horus.     Er  schlägt  die  Frevler,   während  die 

8  Horuskinder  in  der  Halle  sind es   erscheint  dieser  Gott 

9  Osiris   erseheint  in   dem   Urwasser  .« 

Inhalt. 

Auf  Grund  der  neuen  Lesungen  möchte  ich  den  Wiener  Papyrus  Nr.  25 
als  die  Anweisungen  für  die  Totenliturgie  einer  Frau  mit  Namen  Artemis  be- 
zeichnen. Es  sind  die  Opfer  verzeichnet,  welche  bei  der  Beisetzung  der  Ver- 
storbenen —  sie  ist  nach  dem  Brauch  der  späten  Texte  »Hathor«  genannt  — 
dargebracht  werden  sollen,  und  daneben  auch  die  Hymnen  und  Gebete,  welche 
dabei  gesprochen  oder  gesungen  werden  sollen.  Auch  die  langen  Götter-  und 
Barkenlisten  mögen  zu  der  Liturgie  gehören.  Von  besonderem  Interesse  ist 
der  Schlußabsatz.  Verstehe  ich  ihn  recht',  so  soll  die  Leiche3  der  Artemis  auf 
einer  Bahre  an  vier4  verschiedenen  Plätzen  nach  den  vier  verschiedenen'  Him- 
melsrichtungen aufgestellt  und  dabei  ein  Wasser-  und  Weihrauchopfer  dargebracht 
werden.  Danach  soll  ein  Mysterium,  ein  religiöses  Festspiel,  aufgeführt  werden, 
bei  dem  Horus  die  Feinde  seines  Vaters  Osiris  erschlägt,  und  die  Horuskinder  in 
der  Halle  stehen,   während  Osiris  im  Urgewässer  (?)   erscheint. 

Das  ist  gewiß  eine  Aufführung  mit  Masken,  welche  den  Sieg  des  Horus 
und  vielleicht  auch  die  Auferstehung  des  Osiris  dramatisch  vorführte.  Horus, 
»der  Rächer  seines  Vaters«,  und  die  vier  Horuskinder,  welche  mit  der  Bei- 
setzung des  Osiris  zu  tun  hatten,  spielten  dabei  die  Hauptrolle.  Was  so  zur 
Anschauung  gebracht  wurde,  das  wünschte  man  auch  der  Toten,  vor  deren 
Bahre  das  Schauspiel  aufgeführt  wurde.  Was  den  gesamten  Text  anbelangt,  so 
spricht  schon  rein  äußerlich  die  flüchtige  Schrift  mit  ihrem  Durcheinander  von 
hieratischen  und  demotischen  Zeilen  und  Wörtern,  wie  die  ganze  notizenartige 
Komposition  gegen  die  Annahme,  daß  wir  es  hier  mit  der  Abschrift  eines  festen 
Rituals  zu  tun  haben.  Diese  Texte  sind  ad  hoc  niedergeschrieben  und  nur  An- 
deutungen, wie  die  Totenliturgie  der  Artemis  verlaufen  soll.  Vielleicht  hat  sich 
ein  Totenpriester  im  Laufe  der  Verhandlungen  mit  den  die  Liturgie  bestellenden 
Angehörigen  der  Verstorbenen  die  Anweisungen  aufgeschrieben,  nach  denen  später 
das  Totenamt  stattfinden  sollte.  Der  von  mir  angenommene  Augenblickscharakter 
des  Wiener  Papyrus  Textes  macht  ihn  nur  um  so  interessanter. 


')    Oder  auch  »im  Nun".  -|  Diese  Auffassung  verdanke  ich  in  der  Hauptsache  Hrn.  Vikar 

P.  Buch  er.  :!)    »Der  Gott«    ist   hier    wie   auch    sonst    (s.  Preisigke-Spiegelberg   Prinz  Joachim 

Ostraka   S.  14   A.  6)  der  mit  Osiris  identifizierte    Tote,  also  die  verstorbene  Artemis.  —  4)  Zu  der 
Bedeutung  dir  Zahl  4    vgl.  Sethe,    Von  Zahl    und   Zahlworten  S.  31  ff.  "')    Es  erscheint  mir 

kaum  zweifelhaft,  daß  in  Zeile  6,  wo  der  jetzt  vorliegende  Text  dieselbe  Orientierung  wie  Zeile  1 
gibt,   zu  verbessern    ist    "indem  sein  Kopf  nach  Süden    und   seine  Füße  nach  Norden  gerichtet  sind-. 


Band  54.]      W. Spiegelberg  :  Der  demotische  Papyrus  der  Stadtbibliothek  Frankfurt  a.  M.  1)3 


Der  demotische  Papyrus  der  Stadtbibliothek  Frankfurt  a.  M. 

(Ein  Ehevertrag.) 
Von  Wilhelm  Spiegelberg. 

Mit  einem  juristischen  Beitrag-  von  Joseph  Partsch. 
Mit  1  Tafel. 


JUer  liier  veröffentlichte  Papyrus  befindet  sieh  seit  langer  Zeit  in  der  Stadt- 
bibliothek Frankfurt  a.  M.1  als  ein  Geschenk  von  Eduard  Rüppell,  der  ihn  auf 
einer  seiner  Forschungsreisen L>  erworben  hat.  Näheres  vermochten  auch  die  Nach- 
forschungen des  Direktors  der  Stadtbibliothek  nicht  zu  ermitteln.  Aber  aus  dem 
Schriftcharakter  ergibt  sich  mit  Sicherheit  die  oberägyptische  Herkunft,  und  die 
Fassung  des  Protokolls  (»Psois  im  Gau  von  Theben«)  wie  der  Titel  des  Kontra- 
henten (»Balsamierer  der  Totenstadt  von  Hermonthis « )  läßt  keinen  Zweifel,  daß 
der  Fundort  der  Urkunde  in  der  Thebais  zu  suchen  ist.  Daß  ich  diese  wert- 
volle Urkunde  der  Wissenschaft  zugänglich  machen  kann,  verdanke  ich  dem 
freundlichen  Entgegenkommen  des  Direktors  der  Frankfurter  Stadtbibliothek. 
Hrn.  Geheimrat  Ebrard.  der  mir  das  Studium  des  Originals  und  seine  photo- 
graphische  Aufnahme  freundlichst  gestattete  und  die  Publikationserlaubnis  be- 
reitwilligst erteilte.  Dafür  sei  ihm  auch  an  dieser  Stelle  der  verbindlichste  Dank 
ausgesprochen. 

Äußere  Beschaffenheit. 

0.52  X  0,31  m,  hellgelb. 

Die  Rolle  besteht  aus  vier  aneinandergeklebten  Blättern  (Selides)  von  5,  17. 
16  und  18  cm.  Das  letzte  Blatt  hat  am  rechten  Außenrand  einen  durch  Über- 
klappen gebildeten  Schutzstreifen  von  2  cm.    Auf  der  Rückseite  Palimpsestspuren. 

Umschrift. 
lHsp-t  VIILt  IV-nw  (n)  ">h-t  sie  VI  n  Pr-nt  Gluptr  >rm  Pr-^i  Ptlumis  pi  ntr  mr 

mYwt=f  pi  sutr  yrm  pi  u^b  irgsntrus  ni  ntr-w  [nt  nhm]  ni  [ntr-w  sn-w]  ni  ntr-w 

mnh-w  ni  ntr-w  mr  jt-w  ni  ntr-w  nt  pr  pi  ntr  r  (?)  tn  jUf 
2pi  ntr  mr  mJwUf  pi  ntr  mr  jUf  ni  ntr-w  mnh-w  pi  mr  mhßUf  pi  sutr  Vra  ti 

fi  kn  n^se   n   Brnlg  ti  mnh-t   'rm  ti  ß  tn   [nb]  ?n-bih  irsini  ti  mr  sn   )rm   ti 

iccb(-t)  n  irsini  ti  mr  jUs 
3r  h  ni  nt  smn   n  Ri-M  *rm  ni  nt  smn  Pi-si  nt  (n)  pi  ts  n  N-^w-t 

dd  hrj-hb  n  ti  his-t   'irnir  Mnt  Ns-Mjn  si  Pij-Bh  nOwUf  T-'-nt-\s-t  n  s-t-hjm-t 

rD-nt-ni-nht-w  P  nt  Vnn-htp(?)  m )wUs  [rD-nt]-pi-sl  >r*i-te*t  n  (?)  hjm-t  tu4  n*t  ht  100 
4r  sttr  500  r  ht  100  Oz pißt  sp  s-t-hjm-t  Pi-tj-pf-si  si  Ns-Mjn  mhcUf  T'-nt-ni-nht-ir 

pij  srj  <7  r  ms-4  n-j  hn<  ni  hrt-w  nt  ho  (?)  Jr  (?)  *t  [r]  ms-t[*ir\  n*j  [ni  nb]-w 


l)    »Dauerausstellung   Nr.  3a.«  '2)  Sie  verteilen  sicii  auf  die  Jahre  1817 — 1834. 


K4  W.  Spiegelberg:  Der  demotische  Papyrus  der  Stadtbibliothek  Frankfurt  a.  M.     [54.  Band. 


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Übersetzung. 

1  »Im  Jahre  8  am  6.  Choiak  der  Königin  Kleopatra  und  des  Königs  Ptoleinaios, 
des  seine  Mutter  liebenden  Gottes,  des  Soter,  und  (unter)  dem  Priester  des 
Alexandros,  der  [rettenden]  Götter,  der  [Götterbrüder],  der  Götterwohltäter, 
der  vaterliebenden  Götter,  der  erscheinenden  Götter,  des  Gottes,  dessen  Vater 
edel  ist,  2des  seine  Mutter  liebenden  Gottes,  des  seinen  Vater  liebenden  Gottes, 
der  Götter  Wohltäter,  des  seine  Mutter  Liebenden,  des  Soter,  und  (unter)  der 
Trägerin  des  Siegespreises  der  Berenike,  der  Wohltäterin,  und  (unter)  der  Trä- 
gerin des  goldenen  Korbes  vor  der  bruderliebenden  Arsinoe  und  (unter)  der 
Priesterin  der  ihren  Vater  liebenden  Arsinoe,  3 gemäß  denen,  welche  in  Rakotis 
festgesetzt  sind,  und  denen,  welche  in  Psoi  festgesetzt  sind,  das  in  dem  Gau 
von   Theben  (liegt). 

Es  spricht  der  Balsamierer  (Taricheut)  der  Totenstadt  von  Hermonthis  Sminis, 
Sohn  des  Pibuchis  und  der  Taesis.  zu  der  Frau  Tanechatis,  der  Tochter  des 
Amenothes  (?)  und  der  [Tajpsais:  Ich  habe  dich  zur  Ehefrau  gemacht.  Ich  habe 
dir  100  Silberlinge  4—  500  Stater,  wiederholt  100  Silberlinge  als  dein  Frauen- 
geschenk gegeben.  Psenpsais,  der  Sohn  des  Sminis  und  der  Tanechates,  mein 
ältester  Sohn,  welchen  du  mir  geboren  hast,  und  die  Kinder,  welche  du  mir 
(noch)  gebären  wirst,  sind  die  Herren  von  allem  und  jedem,  was  mir  (gegen- 
wärtig) gehört  und  was  ich   (noch)   erwerben   werde. 


')     So  scheint  der  an  dieser  Stelle  stark  zerstörte  Papyrus  für  nt  "w-4  r  ~>r»f  zu  schreiben. 


Band  .')4.|      W. Spiegelberg :  Der  demotische  Papyrus  der  Stadtbibliothek  Frankfurt  a.M.  95 


Das   [Verzeichnis  deiner]   Frauenf-Sachen],    die    du    mit    dir    in    mein   Haus 
gebracht  hast:  5 

Eine  Perücke  350  Silberlinge 
Ein  Frauen-Kamm1  100  Silberlinge 
Ein  Armband  300  Silberlinge 
Anderes  Armband  30  Silberlinge 
Ein  ...  50  Silberlinge 
Ein  Spiegel  100  Silberlinge 
Ein  ?  70  Silberlinge 
Ein  Behältei'  .  .' .  .  4  Stück  Kleingold 
Ein  Ring  2  Kite  Silber 
130  (?)  Silberlinge 


Macht  1130  Silberlinge  =  5650  Stater.  wiederholt  1130  Silberlinge.  4  Stück 
Kleingold  ....   als  Wert  6 deiner  obigen  Frauensachen. 

Ich  habe  sie  aus  deiner  Hand  empfangen,  vollzählig,  ohne  irgendeinen 
Rest.  Mein  Herz  ist  damit  zufrieden.  Ob  du  drinnen  (oder)  draußen  bist,  so 
bist  du  drinnen  und  draußen  mit  ihnen'2.  Du  bist  ihr  Bestimmer  (Schicksal), 
ich  bin  ihr  Verbraucher3.  Zu  der  Zeit,  wo  ich  dich  als  Frau  verstoße  oder  du 
von  selbst  gehen  willst,  gebe  ich  dir  [die  Gestalt4  deiner]  obigen  [Frauensachen] 
oder  ihren  Silberpreis  (zurück).  Nicht  werde  ich  7 einen  Eid  hinter  dich  geben 
können,  damit  du  ihn  leistest  wegen  der  obigen  Frauensachen,  indem  ich  sage 
(behaupte),  daß  du  sie  nicht  mit  dir  in  mein  Haus  gebracht  habest.  Du  übst 
in  bezug  auf  sie0  gegen  mich  Zwang  aus,  ohne  eine  Klage  (oder)  ohne  irgend- 
ein Wort  der  Welt  mit  mir  zu  sprechen. 

Geschrieben  von  Herieus,   dem  Älteren,  dem  Sohne  des  P-sen  (?)-Thot  (?).« 


')  Sollte  in  gtn  griech.  xtspiov  stecken?  —  2)  D.  h.  du  kannst  inner-  und  außerhalb  des 
Hauses   über  die   obige  Mitgift  verfügen. 

{)  Siehe  dazu  Hausvvaldt-Papyri  S.  66.  Die  obige  Übersetzung  weicht  insofern  etwas  von 
der  dort  gegebenen  ab,  als  ich  die  Personalpronomina  in  ihrer  eigentlichen  Bedeutung  (nicht 
possessiv)  nehme.  An  dem  von  Partsch  zuerst  erkannten  Sinn  der  Wendung  »dir  steht  die  Ver- 
fügung, mir  der  Verbrauch  zu«   ändert  das  nichts. 

4)  Die  Bedeutung  dieser  in  den  demotischen  Heiratsverträgen  häufigen  Wendung  wird  durch  die 
Verträge  über  die  Verpachtung  von  Rindern  klargestellt.  Da  heißt  es  häufig  (s.  die  Literatur  in 
meinen  Hauswaldt-Papyri  S.  65  z.B.  Pap.  Berlin  3110 ',  daß  jemand  eine  Kuh  zurückgibt  r  p>j-s 
smt  »gemäß  ihrer  Gestalt«.  Vergleicht  man  die  entsprechenden  griechischen  Urkunden  über  Tier- 
verkäufe (s.  die  Literatur  bei  Mitteis:  Grundzüge  Papyrusk.  191  Anm.  4),  auf  die  mich  Partsch 
hinwies,  so  entspricht  ovtoq  rotovrog  =  talis  qualis.  Und  das  ist  zweifellos  auch  der  Sinn  des 
demotischen  Ausdrucks.  Der  Entleiher  einer  Kuh  gibt  sie  zurück,  wie  sie  an  dem  betreffenden 
Termin  gerade  ist,  und  die  Frau  erhält  ihr  Heiratsgut  in  dem  Zustande  zurück,  in  dem  es  sich 
zur  Zeit  der  Rücklieferung  gerade  befindet,  mit  den  Veränderungen,  die  es  naturgemäß  infolge  der 
Abnutzung  erfahren  hat,  also  nicht  mehr  so,  wie  es  der  Mann  in  sein  Haus  übernommen  hat. 
Damit  erledigen  sich  die  früheren  Übersetzungen,  und  man  hat  die  Formel  zu  übertragen:  »ich 
gehe  dir  deine  Frauensachen  so  (zurück),  wie  sie  gerade  sind,  oder  ihren  Geldwert«. 

°)  Wörtlich  »in  ihnen«.  Die  ganze  Wendung  besagt:  du  hast  wegen  der  Mitgift  das  Exe- 
kutionsrecht gegen  mich. 


!)6  W.  Spiegelberg  :  Der  demotische  Papyrus  der  Stadtbibliothek  Frankfurt  a.  M.     [54.  Bnnd. 


Rückseite. 
Auf  der  sehr  verriebenen  Rückseite  stehen  untereinander,   anscheinend  von 
einer  Hand   geschrieben,    die  Namen    von    16  Zeugen,    von    denen    nur  die  fol- 
genden lesbar  sind: 

Zeuge  1    Herieus  (?).   [Sohn  des ], 

3   l ],   Sohn   des   P[sen]chonsis. 

7  Psenesis,   [Sohn  des J. 

<S   Harnuphis  (?).   Sohn  [des ]. 

9   Amenothes  (?),  Sohn  des  Psenchonsis  (?), 
■    11    Nes-Ptah.   Solin  des  Pasemis  (?), 
»    12   Imuthes,   Sohn   des  Thotsytmis  (?), 

»    13   Psenchonsis,   Sohn  [des ]. 

"    14  Psenamunis  (?),   [Sohn  des j, 

»    15   Gern  (?)-Thoth.   Sohn  des  Panechates  (?), 
»    16   Petosiris,   Sohn  des  Thotortaios  (?). 

Inhalt. 

Der  vorliegende  Text  enthält  also  einen  Ehevertrag,  der  eine  bereits  be- 
stehende »schriftlose«  Ehe  (oiypotcpcc;  yccfxoc)  zu  der  »schriftlichen«  Vollehe  (eyypu<pos 
yotfioe)  erhebt.  Aus  dem  vorangegangenen  Verhältnis,  wenn  man  den  ayputyoQ 
yetfJLog  so  bezeichnen  will,  ist  bereits  bei  der  Eingehung  der  Vollehe  ein  Sohn 
vorhanden,  der  hier  —  dafür  ist  der  Frankfurter  Text  das  erste  Beispiel  —  mit 
Namen  genannt  ist.  Dieser  älteste  Sohn  soll  nach  dem  Willen  der  P]ltern  deren 
Vermögen  zu  gleichen  Teilen  mit  den  noch  zu  erwartenden  Kindern  erben;  er 
nimmt  also  keine  Vorzugsstellung  ein.  Die  sonstigen  Wendungen  sind  aus  den 
zahlreichen  andren  Heiratsverträgen  bekannt,  die  ich  bald  zusammenfassend  zu 
bearbeiten  gedenke.  Vorläufig  verweise  ich  auf  das  8.  Kapitel  in  Mittels'  Grund- 
zügen und  Chrestomathie  der  Papyruskunde,  wo  auch  die  wichtigste  Literatur 
gegeben  ist. 

Zu  der  juristischen  Bedeutung  des  Frankfurter  Papyrus  sandte  mir  Joseph 
Partsch  die  folgenden  Ausführungen,  die  ich  mich  freue,  hier  zum  Abdruck 
bringen  zu   dürfen. 

»Die  Formulierung  entspricht  der  der  übrigen  Urkunden  von  Theben  und 
Gebelen.  Sie  ist  anders  als  die  memphitische1,  bei  der  die  Scheidungsstrafe 
und  die  Alimentenforderung  im  Vertrag  stehen.  Es  ist  die  übliche  demotische 
»Frauenschrift«  beim  iyypct<poq  yüfxog  in  dem  jüngeren  Typus,  wie  ihn  Gkiffith 
zuerst  für  die  Gebelenurkunde  vom  Ende  des  2.  vorchristlichen  Jahrhunderts  be- 
schrieb (Rylands  Pap.  III  S.  134 ff.).  Für  die  thebanischen  und  memphitischen 
Urkunden  hatte  schon  Revillout  die  Klauseln  im  wesentlichen  richtig  vorgelegt". 

')  P.  dem.  liibl.  Nat.  219  (Jahr  8  des  Philippos,  etwa  317/6  v.  Chr.;,  P.  dem.  Leiden  185  (Jahr  40 
des  Euergetes  II  —  131/30  v.  Chr.),  P.  Bibl.  Nat.  224  (Jahr  13  des  Ptol.  XIII.  Philad.  Philopator  - 
69/8  v.  Chr.).  [Sp.]  2)  Vgl.  z.  B.  Precis  II   1034 ff. 


Deuiotischer  Papyrus  der  Stadtbibliothek  Fr  m 


Zeitschrift  t.  Aegypt.  Spr.,   54.   Band. 


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jrt  a.  M.  —  Vorderseite  (a)  uad  Rückseite  (b) 


Verlag     J.  C.  Hinncbs,   Leipzig. 


Band  .">4.]      \Y.  Spiegelbekg  :  Der  demotische  Papyrus  der  Stadtbibliothek  Frankfurt  a.  M.  97 


Voran  steht  die  übliche  Einleitung  des  Schriftehevertrages  (eyypctfos  y&jucc), 
der  Bestandteil,  der  dem  öiypoc(po<;  ycL\xoq  fehlt:  «Ich  habe  dich  zur  Ehefrau  ge- 
macht.« In  diesen  Worten  bekommt  es  die  Frau  schriftlich,  daß  sie  Gattin, 
nicht  nur  rpo<piri<;  ist.  Darauf  wird  die  Frauenschenkung,  das  pretium  pudicitiae, 
erwähnt,   ohne  Scheidungsstrafe   und  ohne  festbestimmte  Alimentationsrente. 

Eigenartig  ist  die  Klausel,  welche  den  Kindern  die  xäto%jj  am  Vaterver- 
mögen wahrt.  Zum  ersten  Male  ist  der  älteste  Sohn  nicht  nur  erwähnt,  son- 
dern namentlich  genannt.  Bisher  machte  die  Übersetzung  gewisse  Schwierig- 
keiten. Man  mußte  sich  fragen,  ob  der  Vater  ausdrücklich  den  erstgeborenen 
Sohn  der  Ehefrau  als  seinen  Ältesten  anerkennt,  um  ihm  ein  vorwiegendes 
Recht  gegenüber  Kindern  einer  früheren  Frau  zuzuerkennen.  Mit  dem  Gedanken 
mußte  gerechnet  werden,  da  eine  Gebelenurkunde  Pap.  Rylands  XX  (1 1 G  v.  Chr.) 
abweichend  davon  einfach  sagt:  »the  children  that  thou  shalt  bear  to  me  are  the 
co-dividers  with  my  children,  of  all  that  belongeth  to  me,  together  with  thosethings 
that  I  shall  gain«.  Und  wenn  in  den  Hauswaldt-Papyri  4.  G.  15  die  Klausel  über 
die  Erstgeburt  des  gemeinschaftlichen  Abkömmlings  von  der  allgemeinen  Klausel 
über  das  Vermögensrecht  der  Abkömmlinge  getrennt  steht1,  mußte  man  er- 
wägen, ob  die  Klausel  eine  selbständige  verfügende  Bedeutung  haben  soll.  Unsere 
Urkunde  scheint  nahezulegen,  daß  dies  in  den  jüngeren  Urkunden  tatsächlich 
nicht  der  Fall  ist,  sondern  die  Bezeichnung  als  ältester  Sohn  überall  nur  eine 
Apposition  zur  Erwähnung  des  gemeinschaftlichen  Abkömmlings  ist.  Also  wird 
in  Pap.  Rylands  XVI,  XVII,  XXVII  zu  übersetzen  sein:  »thy  eldest  son,  my  eldest 
son«.  nicht:  »is  my  eldest  son«.  Schon  Revillout  sah  ganz  das  Richtige.  In 
den  andren  Urkunden  heißt  es  nicht  anders  als  hier:  »Psenpaes,  mein  Ältester, 
und  die  übrigen  Kinder,  die  du  mir  noch  schenkst,  werden  Herren  sein  über 
mein  Vermögen. « 

Das  Frauengut  wird  mit  Ästimationsklausel  gegeben,  dem  Mann  wird  daher 
ausdrücklich  Verbrauchsbefugnis  eingeräumt.  Diese  Klausel  »Dir  (Frau)  steht 
ihre  Verwaltung  zu,  mir  (dem  Mann)  steht  ihr  Verbrauch  zu«,  die  Sethe2  sprach- 
lich sicherte,  war  früher3  nicht  verstanden  worden.  Sie  behält  der  Frau  auch 
während  der  Ehe  die  Verfügungsgewalt  über  ihre  Frauensachen  vor.  Der  Mann 
braucht  nicht  Schadensersatzansprüche  zu  fürchten,  da  er  Verbrauchsbefugnis 
hat  und  höchstens  auf  den  Wert  der  Sache  haftet. 

Über  den  Beweis  der  Frauenforderung  findet  sich  auch  hier  die  übliche 
Klausel.  Gegenüber  der  Urkunde,  welche  das  Empfangsbekenntnis  über  das 
Frauengut  enthält,  käme  zunächst  der  Einwand  in  Betracht,  daß  der  Mann  tat- 
sächlich die  Sachen  nicht  empfangen  habe,   also  ähnlich  der  römischen  exceptio 

1)  »Die  Kinder,  welche  du  mir  (bereits)  geboren  hast,  und  diejenigen,  welche  du  mir  (noch) 
gebären  wirst,  sind  die  Herren  von  allem  und  jedem,  was  mir  (gegenwärtig)  gehört  und  was  ich 
(in  Zukunft)  erwerbe.  Dein  ältester  Sohn  ist  mein  ältester  Sohn  unter  den  Kindern,  die  du  mir 
(bereits)  geboren  hast,  und  denen,  welche  du  mir  (noch)  gebären  wirst.« 

2)  Bei  Spiegelberg  Hauswaldt-Papyri  S.  66.  —  :J)  Revillout:  »tu  es  pour  eux  creanciere, 
je  suis  pour  eux  debiteur,  Grifiith:    »thou  art  the  user,   I  am  their  trustee«. 

Zeitschr.  f.  Agypt.  Spr.,  54.  BaDd.  13 


98  K.Si  ihk:    Zum  partizipialen  Ursprung  der  Suffixkonjugatioii.  [54.  Hand. 


non  muneratae  dotis.  Der  Ehemann  wäre  gegenüber  der  Urkunde  beweispflichtig. 
Er  hatte  den  Eid  an  die  Ehefrau  zuzuschieben;  diese  Möglichkeit  wird  aus- 
drücklich ausgeschlossen.  Die  Urkunde1  beweist  ausschließlich  den  Empfang  des 
Frauengutes  durch  den  Mann.  Die  Klausel  ist  im  jüngeren  ptolemäischen  For- 
mular1 üblich.  In  den  griechischen  Urkunden  kommt  sie  nicht  vor,  vielleicht 
wreil  dort  die  Kyriaklausel  in  der  Urkunde  oder  die  Vereinbarung  bei  der  Nieder- 
legung der  (TvyypucpYi  bei  dem  Hüter  oder  auch  einfach  die  Rechtsübung  der  Ur- 
kunde die  Bedeutung  zumaß,  daß  sie  die  anerkannten  Tatsachen,  welche  be- 
urkundet waren,  schlechthin  erwies.  Die  Klausel  der  römischen  Urkunden,  daß 
die  Rückgabepllieht  ungetilgt  sei,  solange  die  Urkunde  Bestand  habe'2,  bezieht 
sich  auf  einen  anderen  Vertrag  über  Beweismittel.  Während  hier  der  Eid  über 
die  Hingabe  des  Frauengutes  als  überflüssig  neben  der  Urkunde  erklärt  wird, 
handelt  es  sich  dort  um  die  bekannte  Abrede,  welche  Zahlung  nur  bei  Ein- 
lösung der  Schuldurkunde  für  möglich  erklärte:  Solange  die  Schuldurkunde 
in    der  Hand    des   Gläubigers  ist,   soll  die  Forderung  nicht  erlöschen  können.« 


Zum  partizipialen  Ursprung  der  Suffixkonjugation. 

Von  Kurt  Sethe. 


JLrman  hat  seinerzeit  als  erster  den  partizipialen  Ursprung  der  gewöhnlichsten 
Form  der  ägyptischen  Suffixkonjugation,  des  Tempus  Mm-f,  das  im  Ägyptischen 
das   vermutlich  früh   verlorene   semitische  Imperfektum   vertritt,   erkannt3. 

'  1 


^J\^zz^>  Mni-j  hrw-k    »ich    höre  deine  Stimme«   bedeutete  eig. 

»hörend .bin  ich  deine  Stimme«  bzw.  »in  bezug  auf  deine  Stimme«,  dem  Präsens- 
ausdruck des  modernen  Arabisch  >anfi  sämfc  und  dem  englischen  I  am  heariny 
entsprechend. 

Das  Tempus  Mm-f  enthielt  also  einen  nominalen  Nominalsatz  mit  Voran- 
stellung  des  relativisehen  Prädikats4. 

Damit  war  das  Verständnis  aller  anderen  Formen  dieser  Konjugationsweise 
eröffnet.  Ich  selbst  habe  dann  die  entsprechende  Erklärung  für  das  Tempus 
sdm-n-f,   den  Ersatz  für  das  absterbende,   in  seinem   Formenbestand ',    in  seiner 


')  Siehe  die  von  Griffith,  Rylands  Pap.  III  S.  134  zusammengestellte  Literatur,  die  sich 
leicht  vermehren  läßt.  -')  P.  B.  G.  U.  183  Zeile  10,  B.  G.  U.  251  Zeile  8,  C.  P.  R.  29,  8.  —  :i)  Die 
Flexion  des  ägyptischen  Verbums,  Sitzungsber.  d.  Berl.  Akad.  d.  Wiss.  1900,  S.  34611'.  -  4)  Siehe 
meine  Abh.  »Der  Nominalsatz  im  Ägyptischen  und  Koptischen«  (Abh.  Sachs,  (res.  d.  Wiss.  Bd. 
XXXIII.  3)  §  38.  -  ')  Im  Koptischen  nur  noch  in  einer  unveränderlichen  Form,  die  für  alle  Per- 
sonen   i>ilt.   erhalten. 


Band  .")4.|  K.  Setbe:    Zürn   partizipialen   Ursprung  der  Suffixkonjugation.  i)i) 


Bedeutung1  und  in  seiner  Verwendung-  stark  eingeschränkte  Perfektum  (Pseudo- 
partizip,  Qualitativ)  gegeben3.  Das  Tempus  idm-n-f  bestand  danach  aus  einem 
Partizipium  perf.  pass.  mit  nachgestelltem  logischem  Subjekt  in  Form  eines 
Dativs,  eine  Umschreibung,  die  sich  auch  in  andern  Sprachen  für  das  Perfektum 
findet  und  die  in  ihrer  Bedeutung  der  in  den  modernen  europäischen  Sprachen 
dafür  üblichen  Ausdrucksform  mit  »haben«  genau  entspricht,  da  das  Haben  im 
Ägyptischen   eben   durch    »sein«    mit  Dativ  ausgedrückt  wird. 

^  lw*  s$  I   yS)"^  sdm-n-j  firw-k    »gehört   ist  mir  deine  Stimme«,    d.  h. 

»ich  habe  deine  Stimme  als   eine   gehörte«,    »ich   habe  deine  Stimme  gehört«, 

fai  entendu  ta  roix;  vgl.  ta  volx  que  fai   nitmdue,    vos   mix  que  fai   entendues. 

Das  Tempus  Mm-n-f  enthielt  also  gleichfalls  einen  nominalen  Nominalsatz 
mit  voranstehendem  relativischem  Prädikat,  nur  mit  Hinzufügung  eines  prä- 
positioneilen Ausdrucks  zu  dem   letzteren. 

Hieraus  ergibt  sich  dann  ohne  weiteres  auch  die  Erklärung  der  Formen 
des  Tempus  sdm-in-f  und  des  Tempus  Mm-hr-f,  bei  denen  statt  des  dativischen 
"^  n  zwei  andere  Präpositionen  zur  Einführung  des  logischen  Subjekts  ver- 
wendet erscheinen: 

(l/www  in,  das  beim  Passiv  und  beim  Infinitiv  ganz  gewöhnlich  eben  diese 
Rolle  zu  spielen  pflegt,   und 

^  hr,  das  beim  Passiv  gelegentlich  stattdessen  vorkommt,  dann  aber 
auch  wie  das  n  mit  Ausdrücken  für  »sein«  verbunden  das  Haben  ausdrückt 
(z.  B.  xlfe     *   k^_  wn-t  hr-f  »das,  was  bei  ihm  war«,   d.  h.  »das,   was  er  hatte«)4. 

Es   würde  also  bedeuten: 

^  )Wv4  s$  W^^  4W:y  /,,,('^'  "ich  hörte  deine  Stimme«,  eig.  »ge- 
hört  ist  durch   mich   deine   Stimme«. 


')  Ks  bezeichnet  nur  noch  Zustände,  dir  ans  einem  Leiden  (Passivum)  oder  einer  Eigenschaft 
(Intransitivum  im  ägyptischen  Sinne)  resultieren.  -  -)  Ks  stellt  um-  noch  im  Nominalsatz  und  im 
Altägyptischen  im  Zustandssatz,  also   nur  da,    wo  ihm  sein  Subjekt  vorangeht.    -  -    :!)    ÄZ.  47.  140. 

')  Daß  beide  Partikeln  sonst  nur  das  nominale  logische  Subjekt  einführen,  bei  pronominalen 
aber  nicht  vorkommen,  besagt  wohl  nichts.  Ks  kann  damit  zusammenhängen,  daß  Fälle  mit  pro- 
nominalem logischen  Subjekt  beim  Passiv  an  sieh  schon  selten  sind,  beim  Passiv  auf  ^"\)>  tw 
aber  durch  die  eigentliche  Bedeutung  dieses  tw.  das  keine  Endung,  sondern  ein  Wort  i'ür  »man« 
gewesen  zu  sein  scheint,  völlig  ausgeschlossen  waren.  Beim  Infinitiv  ist  das  pronominale  logische 
Subjekt  meist  selbstverständlich,  nämlich  überall,  wo  das  logische  Subjekt  des  Infinitivs  mit  dem 
Subjekt  (»er  kam.  um  zu  sagen«,  »er  sagte  im  Gehen«)  oder  Objekt  des  Hauptsatzes  (»er  befahl 
seinem  Knecht  zu  tun«,  »er  sandte  einen  Boten,  um  zu  sagen«)  identisch  ist.  Wo  es  aber  aus- 
nahmsweise der  besondern  Bezeichnung  bedurfte,  nämlich  bei  Wechsel  des  Subjekts,  war  der 
alte  Ausdruck  durch  Anhängung  der  Pronomina  suffixa  an  den  Infinitiv  gegeben.  Bei  den  in- 
finitivisch gefaßten  Bildbeischriften,  in  denen  der  Ausdruck  des  nominalen  logischen  Subjekts  so 
häufig  ist  (»das  Schiffzimmern  durch  die  Arbeiter« ).  konnte  naturgemäß  das  pronominale  logische 
Subjekt  überhaupt  nicht  vorkommen.  Der  von  mir  ÄZ.  29.  121  nachgewiesene  Gebrauch  der 
jüngeren  Pronomina  absoluta  O  „t-f  und  Genossen  beim  Infinitiv  in  Fällen,  wo  ein  Ausdruck 
des  logischen  Subjekts  eigentlich  kaum  vonnöten  war,  ist  eine  künstliche  juristische  Ansdrucks- 
weise.  die  sich  anderwärts  nirgends  belegen  läßt. 


1 3* 


10"  K.  Sethe:    Zum  partizipialen   Ursprung  der  Suffixkonjugation.  [04.  Band. 

*$  Ifck.  $T  I  V Sß r^~^i  ^»i-hr-j hrw-k  »ich  hörte  deine  Stimme«,  eig.  »ge- 
hört ist   durch  mich  (oder:   für  mich)  deine  Stimme«. 

Der  zwiefältige  Gebrauch  dieser  Formen,  einerseits  in  der  historischen  Er- 
zählung, also  mit  perfektischer  Bedeutung  (Verbum  II  §  890«.  406),  anderseits 
in  optativischen  oder  imperativischen  (ib.  §  391.  409)  und  in  futurischen  Sätzen 
(ib.  §  390  6.  408),  also  mit  imperfektischer  Bedeutung,  läßt  sich  nun  daraus  er- 
klären,  daß  der  Nominalsatz  an  sich  zeitlos  ist  und  nicht  nur  die  Tatsache  des 

Seins,   sondern   auch  den  Wunsch,   daß   etwas  sei,   ausdrücken  kann,  vgl.  ül&lv 
v\lj  iiw  n-k  »Preis  sei  dir.«      ■¥■         ^3^>  cnh  r  sr-t-k  »Leben  sei  an  deiner 

Nase. « 

So  kann  ein  Satz  sdm-hr-j  hrw-k  bedeuten:  »gehört  ist  durch  mich  deine 
Stimme«  und  »gehört  sei  durch  mich  deine  Stimme«.  Das  voranstehende  par- 
tizipiale  Prädikat  kann  also  in  beiden  Fällen  dieselbe  perfektische  Form  haben, 
wie  es  ja  auch  in  unsern  modernen  europäischen  Sprachen  das  perfektische 
Partizip  passivi  ist,  das  sowohl  in  »ich  habe  gehört«,  wie  in  »ich  werde  ge- 
hört« oder  »möge  ich  gehört  werden«  zur  Anwendung  gelangt.  Daß  in  unserm 
Falle,  beim  Tempus  sdm-in-f  und  beim  Tempus  Mm-hr-f,  nicht  etwa  einmal 
(in  historischer  Erzählung)  das  perfektische,  das  andere  Mal  (im  Optativsatz) 
das  imperfektische  Partizip  passivi  zugrunde  liegt,  lehrt  das  Aussehen  des  Ver- 
balstammes bei  den  schwachen  Verben  (Verba  III.  inf.).  Dieser  erscheint  stets 
in  seiner  einfachen  Grundform,  wie  in  den  perfektischen  Partizipien,  niemals 
mit  der  Gemination  des  zweiten  Radikals,  die  wir  in  den  imperfektischen  pas- 
siven Partizipien  regelmäßig  antreffen.     Es  heißt  -cs>-        ^z^*  irj-hr-k  und  .<s>- 

(I  irj-in-k  »du  sollst  tun«,   wie  es  -cs>-(l  irj-in-f  und  <s^  irj-n-f  *er 

tat«   heißt. 

Eine  entsprechende  Erklärung  wird  man  nun  auch  für  das  Tempus  Mm-ki-f 
»so  wird  er  hören«  (im  Nachsatz  des  Bedingungssatzes,  Verbum  II  §  433),  »er 
soll  hören«  (ib.  §  434)  erwarten,  das  diesen  beiden  Tempora  ganz  analog  ge- 
bildet erscheint.    Indessen  ist  der  Tempuscharakter  <^r*^|\    kl,  den  dieses  Tempus 

statt  der  Präpositionen  n,  in,  hr  der  drei  oben  besprochenen  Tempora  aufweist, 
nicht  als  selbständige  Partikel  mit  ähnlicher  Bedeutung  nachweisbar1.  Das  kann, 
da  die  Verbalform  nur  der  alten  religiösen  Literatur  angehört,  auf  Zufall  be- 
ruhen. Die  spätere  Zeit  kennt  eine  Partikel  ^^^^QA  &*>  geschrieben  wie  das 
Wort  kfj  »denken«,    die  nach    ihrem  Gebrauch  (zur  Einleitung  des  Nachsatzes 


')  Als  spätes  Zeugnis  für  eine  solche  Partikel  mit  der  Bedeutung  »dank«  könnte  man  die 
Übersetzung  des  Königsnamens  Wsr-bi-rc  durch  w  o  HXics  s'Booxev  ty,v  vly.Y,v  in  der  Rosettana  an- 
sprechen, wenn  man  sich  den  Namen  von  der  damaligen  Priesterschaft  »mächtig  dank  Ref«  ge- 
deutet vorstellte. 


Band  54.]  K.  Sethk:    Zum  partizipialen   Ursprung  der  Suffixkonjugation.  101 

von  Bedingungssätzen)  zu  schließen,  irgendwie  mit  dem  alten  Tempus  sdm-ki-f 
zusammenhängen  wird,  möglicherweise  aber  erst  aus  ihm  abgeleitet  sein  könnte1. 
Geht  man  von  dieser  späteren  Schreibung  des  Elements  ki  aus,  so  wäre 
vielleicht  auch  noch  eine  andere  Deutung  des  Tempus  sdntrki-f  denkbar.  Es 
könnte  der  Satz 

^  1\  ^r^  K^yf  1  völ)^3^  $dm-kl-j  hrw-k  eigentlich  bedeuten:  »gehört  ist, 
so  denke  (beabsichtige)  ich,  deine  Stimme«,  d.  h.  »so  soll  deine  Stimme  von 
mir  gehört  sein « . 

Eine  solche  parenthetische  Einschiebung  eines  anscheinend  im  sdm-f  stehen- 
den Sätzchens  mit  T^^>^,  QA  ki  in  einen  andern  Satz  nach  Art  des  lat.  inquit 
ist  ja  im  Ägyptischen  in  der  Tat  mit  ähnlicher  Bedeutung  (kl-hc  »so  sagt  man«, 
»so  nennt  man«)  gebräuchlich  gewesen.     Der  gleiche  Gebrauch  findet  sich  ebenso 

»    A/VWSA  (SÄ 

bei  (j  i/i-f  und         >w.  hr-f  »so  sagt  er«,    die  man  dabei   als  Ellipsen  von 

dd-tn-f  und  dd-hr-f  »er  sagte«   anzusehen  pflegt  (Verbum  II  §  399.  421)2. 

Wie  dem  nun  auch  sei,  an  der  partizipialen  passivischen  Natur  des  in  dem 
Tempus  sdm-ki-f  enthaltenen  Verbums  wird  man  gewiß  nicht  zu  zweifeln  haben. 
Daß  dieses  Partizipium  aber  trotz  der  futurischen  Bedeutung  des  Tempus  sdm-ki-f 
das  perfektische  Partizipium  passivi  und  nicht  etwa  das  imperfektische  gewesen 
ist,  lehrt  wieder  das  Aussehen  des  Verbalstammes  bei  den  schwachen  Verben 
(^2^^^^—  irj-lci-f). 

Was  oben  für  die  Tempora  sdm-in-f  und  sdm-hr-f  mit  ihrem  zwiefaltigen  Ge- 
brauch geschlossen  wurde,  gilt  ebenso  auch  für  das  Passiv  sdm-ii'-f  das  früher  soge- 
nannte »endungslose  Passiv«,  das  gleichfalls  sowohl  perfektische  (»er  ward  ge- 
hört«) als  imperfektische  Bedeutung  (»er  möge«,  »er  soll  gehört  werden«,  »damit 
er  gehört  werde«)  haben  kann.  Der  Verbalstamm  der  schwachen  Verben  hat 
auch  hier  überall  die  Form,  die  er  in  den  perfektischen  Partizipien  zeigt.  In 
der  Endung  w,  die  dieses  Passiv  charakterisiert  und  die  auch  nach  dem  j  der 
Verba  III.  inf.  auftritt  (Verbum  II  §  473),  unterscheidet  es  sich  dagegen  wenig- 
stens bei  diesen  Verben  von  den  normalen  Formen  des  Partizipium  perf.  pass.  der 
geschichtlichen  Zeit,  denn  diese  gehen  bei  den  schwachen  Verben  in  der  Regel 

auf  \\\\,  d.  i.  anscheinend  j  des  Stammes  -f- j  der  Endung,  nur  selten  auch  auf  "v\  tu 


M    Daß  die  erst  seit  dem  M.  R.  vorkommenden  Satzformen    v__x>  *S\   Qft  *s—.     */) 

ki-/  sdm-f  und  *^    ^)  v\    ¥^       hr-f  sdm-f  (Verbum  II  §  420.  437)  erst  sekundär    von   den 

alten  Tempora  sdm-ki-f  und  sdm-hr-f  abgeleitet  sind,  kann  wohl  kaum  einem  Zweifel  unterliegen. 
2)  Der  Gedanke,  nun  etwa  auch  die  Tempora  sdm-in-f  und  sdm-hr-f  in  gleicher  Weise  aus 
diesen  Ausdrücken  für  »so  sagt  er«  zu  erklären,  könnte  nur  bei  dem  futurischen  oder  optativischen 
Gebrauch  dieser  Tempora  in  Frage  kommen,  er  scheitert  an  deren  perfektischem  Gebrauch.  Auch 
würde  alsdann  für  jene  Ausdrücke  in-f  und  hr-f  -so  sagt  er«  selbst  wieder  eine  neue  Erklärung 
zu  suchen  sein.  Und  so  würde  man  doch  immer  wieder  auf  die  oben  vorher  vorgeschlagene  Er- 
klärung (»gehört  ist  durch  mich  deine  Stimme«),  die  der  des  Tempus  sdm-n-f  entspricht,  zurück- 
kommen. 


102  K.  Sinn.:    Zun)  partizipialen  Ursprung  der  Suffixkonjugation.  [54.  Band. 


aus.  Der  Wechsel  von  j  und  w  ist  ja  aber  so  häufig,  daß  man  darin  wohl 
kein  ernstliches  Hindernis  zu  sehen  haben  wird.  Auch  ist  das  u\  das  wir  in 
der  Relativform   des   Tempus  Sdm-n-f  ebenso  wiederfinden,   bei   starken   Verben 

s\  AAAAAA    ä\ 

für  das  Partizipium  perf.  pass.   gut  bezeugt  (I         y>^  >nhir    »-gesäugt«). 

Die  im  Parallelismus  mit  diesen  Formen  des  Passivs  sdm-w-f  (und  zwar 
gerade  auch  denen  der  Verba  III.  inf.  auf,/^)  verwendeten  Formen  von  starken 
dreiradikaligen  Verben  mit  Gemination  des  letzten  Radikals,  die  sich  in  gewissen 
alten  religiösen  Texten  finden,  wie  ^™E  ssj)j>  »empfangen  wird«  (Verbum  II 
§  47S),  stellen  vermutlich  Überreste  einer  alten  PKlel-Stammbildung  dar,  die 
im  Arabischen  auf  Eigenschaftsverben,  namentlich  Farbenbezeichnungen,  be- 
schränkt ist  {iktatla  IX.)  und  hier  entsprechend  auf  Leideverben  beschränkt  ge- 
wesen zu  sein,  bzw.  als  Passivform  zum  einfachen  Verbum  (Qal)  gedient  zu 
haben  scheint,  wie  im  Hebräischen  das  Pu^al  zum  PKel,  das  Hophfal  zum  Hipb/il. 

Aus  der  für  das  Tempus  sdm-n-f  gegebenen  Erklärung  erklärt  sich 
nun  auch  die  dazugehörige  Relativform  mask.  Mm-w-n-f,  fem.  sdm-t-n-f.  Insbe- 
sondere findet  damit  auch  die  eigentümliche  Tatsache,  daß  das  Pronomen  re- 
lativum  dabei  unausgedrückt  bleibt,  wenn  es  Objekt  des  betreffenden  Verbums 
ist,   nunmehr  ihre  natürliche  Erklärung: 

I  vQO^  ü^v  "v  ^  hrw  sdm-w-n-j  »die  Stimme,  die  ich  gehört  habe«,  be- 
deutete eben  wörtlich:  »die  Stimme,  die  mir  gehört  ist«,  »die  mir  gehörte 
Stimme « . 

Es  bestand  zwischen  der  Relativform  des  Tempus  sdm-n-f  und  diesem  selbst 
also  nur  der  Unterschied,  daß  das  darin  enthaltene  Partizipium  perf.  pass.  in 
einem  Falle  (bei  der  Relativform)  als  Attribut,  im  andern  (beim  sdm-n-f  selber) 
als  Prädikat  verwendet  war,  und  daß  im  letzteren  Falle  die  Rektion  in  Ge- 
schlecht und  Zahl  nach  dem  zugehörigen  Nomen  (Nomen  regens)  ebenso  un- 
berücksichtigt gelassen  war,  wie  es  auch  sonst  bei  voranstehendem  (z.  B.  ad- 
jektivischem)  Prädikat  zu  geschehen  pilegt.     AVie  man 

T        "      Jj  nfr  hm-t   »schön   ist  das  Weib«    neben 
t7 


hm-t  nfr-t   »das  schöne   Weib« 
sagte,   so  sagte   man   eben  auch : 


\    SA  <*&       3  mrj-n-j  hm-t   »geliebt  ist  mir  das   Weib«,   d.  h.    »ich   habe 


das  Weib  geliebt«    neben 


O 


J)  t         Sn  *&    hm-t  mrj-t-n-j  »das  Weib,   das   mir  geliebt  ist«,   d.h.  »das 

QUA     O     Hil    Sl 

Weib,   das  icli   geliebt  habe«. 

In  Fällen,  wo  das  Pronomen  relativum  aber  nicht  Objekt  ist,  sondern  irgend- 
eine andere  Funktion  im  Satze  ausübt  und  demzufolge  in  der  Regel  im  Ägyp- 
tischen auch  durch  ein  Pronomen  personale  bezeichnet  zu  werden  pflegt,  wird 
der  Relativform   des  Tempus  sdm-n-f  dagegen   der  eigentümliche  Gebrauch  der 


Band  .">4.|  K.  Sethe:    Zum  partizipialen  Ursprang  der  Suffixkonjugation.  103 


passiven  Partizipia  zugrunde  liegen,  den  das  Ägyptische  mit  den  semitischen 
Sprachen  gemein  hat  (»Zaid,  der  Getötete  sein  Vater«  für  »Zaid,  dessen  Vater 
getötet  ist«)1.     Wie  der  Ägypter  sagte: 

ju  [j[jo'wWAn  hm-t  rdj-t  n-i  nb-w  »die  Frau,  die  Gegebene  ihr  Gold«, 

d.  h.    »die  Frau,   der  Gold  gegeben   worden  ist«, 
so  sagte   er  auch : 

Jj  <r  voi     r  '/vwwv  I        Ju  I  hm-t  rdj-t-n-)  nb-w  n  in-t-4  »die  Frau,  die  Ge- 

O  Li  & ü  AAAAV  CÜ    O    O    O  *      q     Ul 

gebene  mir  (d.  i.  »von  mir«)  Gold  ihrer  Schwester«,  d.  h.  »die  Frau,  deren 
Schwester  ich   Gold  gegeben  habe«. 

Da  nun  das  Pronomen  relativum  als  Objekt  auch  bei  der  Relativform  des 
Tempus  sdm-f  in  gleicher  Weise  unbezeichnet  bleibt,  wie  bei  der  Relativform 
des  Mm-n-f.  so  wird  auch  sie  notwendig  ein  passives  Partizip  enthalten  müssen. 
In  diesem  Falle  wird  es,  wie  das  Aussehen  der  Formen  bestätigt,  aber  ein  im- 
perfektisches Partizip  sein  müssen.  Das  zugehörige  Subjekt,  das  als  Pronomen 
personale  in  der  Form  der  Suffixa  erscheint,  wird  ursprünglich  ein  Genitiv  ge- 
wesen sein,  der  bei  den  passiven  Partizipien  ja  die  normale  Ausdrucksform  für 
das   logische  Subjekt  bildet": 

Jj  y>  <=>  Q7\ ^z^6  hm-t  mrr-t-k    »die  Frau,    die  du  liebst«,    eig.    »die  Frau. 

die  von  dir  geliebt  wird«,   wörtlich    »die  Frau,   deine  geliebt   werdende«. 

Entsprechend  der  Relativform  des  Mm-n-f  wird  auch  hier  wieder  da,  wo  das 
Pronomen  relativum  nicht  Objekt  des  betreffenden  Verbums  ist,  die  eigentüm- 
liche Verwendung  der  passiven  Partizipia  vorliegen,   von  der  oben  die  Rede  war. 

J)  yk <rr>  W ^z^> — ^  Vs    l  hm-t  mrr-t-k  mi-s    »die  Frau,    die    du    zu    sehen 
o  1.1  \    o    2i'         -es=-  Je^  I 

wünschest«,  eig.  »die  Frau,  die  zu  sehen  von  dir  gewünscht  wird«,  wörtlich 
»die  Frau,  deine  gewünscht  werdende,   sie  zu  sehen«. 

Daß  wir  unbeschadet  dieser  Entstehung  der  verschiedenen  Formen  der 
Suffixkonjugation  an  der  Praxis  unserer  Grammatik  festhalten  dürfen,  sie  als 
eigene  »Verbalformen«  zu  betrachten  und  von  den  Partizipien  gesondert  zu  be- 
handeln, lehrt  die  Wortstellung  in  Fällen,  wo  ein  pronominales  Objekt  zwischen 
Verbum  und  Subjekt  tritt  (sdrn-n  sw  ntr  »der  Gott  hat  ihn  gehört«):  der  un- 
persönliche Gebrauch  (hpr-hr  »es  wird  geschehen«),  die  Passivbildung  mit  t/r 
{sdm-hc-f  »er  wird  gehört«)  und  endlich  das  Fehlen  der  nominalen  Endung  der 
Partizipien  in  den  meisten  dieser  Formen  der  Suffixkonjugation  (nur  das  Passiv 
sdm-ic-f  und  die  Relativformen  bewahrten  diese  Endungen).  Der  letzte  Punkt 
läßt  keinen  Zweifel  daran,  daß  die  alten  Partizipia  als  Bestandteile  dieser  finiten 
Verbalformen  der  Suffixkonjugation  lautlich  viel  stärker  reduziert  waren  als 
sonst.     Und  das  ist  ja   auch  kein  Wunder. 


')    Sethe.  Verbum  II  §899—902.     Krman.  Ägypt.  Gramm.3  §895.  —  2)  Verbum  II  §908. 


104  W.  Spiegelberg:    Der  ägyptische  Possessivartikel.  [54.  Band. 


Der  ägyptische  Possessivartikel. 

Von  Wilhelm  Spiegelberg. 


JLJie  folgenden  Ausführungen  sollen  lediglich  durch  Beispiele  das  erläutern  und  er- 
weitern1, was  Erman  (Neuägypt.  Gramm.  §  35  und  Ägypt.  Gramm.3  §  171)  kurz  über 
die  Bedeutung  und  den  Ursprung  des  Possessivartikels  festgestellt  hat.  Er  hat  die 
koptischen  Formen  n\,  t&.,  na»,  auf  die  alten  Demonstrativa  mit  folgendem  Genitiv 
zurückgeführt,  zweifellos  mit  Recht.  Daher  folgt  denn  auch  bei  der  männlichen 
Form  pl  das  männliche  Genitivpräfix  n(j),  denn  p>  n{j),  das  Prototyp  von  n&., 
bedeutet  «der  des.  der  von«.  Diese  von  Erman  gegebene  Etymologie  liegt  in 
den  Schreibungen  des  Mittleren  Reichs  noch  klar  zutage,  z.  B.  in  den  beiden  von 
Griffith  (Ägypt.  Zeitschr.  34  [1896]  S.49)  zitierten  Beispielen  D  J^'i^/"^  v&  P 
»das  (Recht)  ihrer  Herren «  ^a^v^^      J)  i  "die  Stellung  (?)  der  Frauen«,  ferner 

B.  Hasan  (Bulletin  Inst,  francais  arch.  du  Caire  IX  S.  4)   Af\ /wvwvni ,  ^^ 

»der  von  dem  großen  Sitze  des  Pharao«.  Aber  schon  in  derselben  Zeit  findet 
sich   einmal2  die  Schreibung  p-n,    die    vom  Neuen  Reich    an   die   alte  ver- 

/www 

drängt.     Daneben  treten  dann  Varianten  wie    A^f,   /5^\0!j  s   später  □,    /£\\\, 
plj,    die    den   tatsächlichen  Lautverhältnissen  Rechnung    tragen4  und   denselb  en 
Wegfall  des  n  wie  das  koptische  Derivat  n^  aufweisen'.     Die  Schreibung  /£6\  Ou 

ist  bereits  im  Anfang  der  18.  Dynastie  in  dem  n.  pr.  /x\  Uij'f'  J  v®  s^T  >>c^er 
von  Abydos«  (Sethe,  Urk.  IV  11  —  Ahmose-Inschrift)  nachweisbar,  ein  Eigen- 
name,  der  auch   in  der  alten  Schreibung         T  1  issä   cJr  P^'^dw  (Lieblein  1977) 

/WWV\    I  «ädl       %7       i_l  . 

vorliegt.     Dieser  Ursprung  von  ita.  wird  auch  durch  die  demotische  Gruppe    | 

J)    Ich  habe  dabei  die  ganze  ägyptische  Literatur  einschließlich  der  demotischen  berücksichtigt. 

2)  Lange-Schäfer,  Grabsteine  des  Mittleren  Reiches  20455,  wo  I  £2"**    »der  von  dem 
Königsopfer  (1')-   zu  bedeuten  scheint.                                                              /wwaa  T  U  o 

! — 1     "  "  I  I  L  Q 

3)  Z.  B.       awm  asl    Pap.  Rhind. 


4)  Vgl.  auch  meine  Bemerkung  in  Zeitschr.  f.  Assyriologie  XIII  (1898)  S.  55. 

5)  Vgl.  auch  den  gelegentlichen  Wechsel  von     LJ     un0"    []  (j>     jm    Neuägyptischen.     Sethe, 

TT        1  T       •    C\C*  IT  www 

Verbum  I  §  225.  —  Merkwürdigerweise  hat  sich  das  n  von  pn  in  dem  n.  pr.  ftwijp-i«  erhalten,  der 
P.  dem.  Cairo  30604  demot.  Pn-n-xs-t  entspricht.  Möglicherweise  liegt  auch  in  Namen  wie  Ileuvots, 
Y\ci'TruvTigiq  (Pap.  Oxyrh.  VII,  Index)  die  volle  Form  von  pn  vor.  Daß  Eigennamen  gelegentlich 
alte  Formen  bewahrt  haben,  zeigen  z.  B.  die  Namen  Uuy.rßy.ig  und  ^sutcvjßtctg  (Ägypt.  Zeitschr.  46 
[1909]  S.  142),  in  denen  die  ältere  Form  des  Gottesnamens  Gbg<iGbyb  neben  II«xC3»e,  Uuy.oißig, 
d.  i.  Pn-Gb  erscheint.  Auch  zu  Ofcnnp-ic;  gibt  es  eine  jüngere  Variante  $«tjx/?,  Ilrop-»«?  mit  Schwund  des  n. 
G)    Die  späte  Schreibung  (Mag.  Pap.  Index  Nr.  281)    verwendet  hier  wie  bei  der  weiblichen 

und  Pluralform  unetymologisch  J\jJ  (  /^  ^^0  0 )  >  d .  h.  den  Lautwert  n«.  des  Singulars  des 
männlichen  Possessivpronomens  der  1.  Pers.  Sing,  »mein«  oder  auch  die  Form  y  des  De- 
monstrativpronomens,   wo   ni,    die  Nebenform    von   n*.    (Demotische  Studien  I  S.  27),   gemeint   ist. 


Band  54.]  W.  Spiegelberg:    Der  ägyptische  Possessivartikel.  1  ();."> 


für  n*v  bestätigt,  die  graphisch  auf  zurückgeht1.    Daneben  sei  noch  auf  die  de- 

motische  Form  des  Namens  Uoly^     r     .  f         verwiesen,   der  hieroel.         -^  V5r 

*y   \  I     •  /vwvw  o    I  £1 

n 
(var.      ;L)  P(/t)-h>-t  gegenüberstellt. 

Seiner  Bedeutung"  gemäß  bezeichnet  pn  n*v  »der  von.  der  des«  die  Zu- 
gehörigkeit,  und  steht 

1.  in  Verbindung  mit  Götternamen  »der  zu  einem  Gott  Gehörige,  der  Diener 
eines  Gottes«   in  zahlreichen  theophoren  Personennamen, 

z.  B.  ö  V&  Pn-Jmn  »der  (Diener)  des  Amon«  IletfJLovvig   fä?         nc\T/n 

MWW     lwvwtü  £/ TIS  /WWW    V£  VJ  kU  V. 

(Lieblein  2361),  P?-Rnwt4  »der  (Diener)  der  Göttin  Renutet«  neben  "     W 


(Ostr.  Berlin  11272  [Hierat.  Pap.  III  42])  Pn-Rnwt-t,  griecli.na^eö^3  ^j  <g^j 
Pin-^s-t  »der  (Diener)  der  Isis«,  Marseille  67  griech.  $otvi?(ng3  ^ct^mg,  Uur,(ric  (s.  oben 
Anm.  5), 

2.   zur  Bezeichnung  der  örtlichen  Herkunft 


X\  ^  ^Q  I  0  fl  ©4  »Amen-rut  aus  Teu-djoi  (=  El  Hibe)«,  Moret, 
Sarcophages  de  l'epoque  Bubastite  (Catal.  General  du  Musee  du  Caire)  41035" 
(S.  291)  CY&  '  ^^^3>$?0^kj^H  \®    »Osorkon  aus  Teu-djoi«. 


Auch  viele  männliche  Personennamen  sind  mit  diesem  örtlichen  Possessiv- 
artikel gebildet,  so  D  ^^©  (Lieblein  867.  1246)  »der  von  IM?'«,  ,xrT 
»der   von   Karnak«    (Liebleix  2544.    1044.  905),     U       ^\\  ^  »der  von  Thinis« 

/WVW\    /WW\A     1    \$ 

(Lieblein  431),  J5vv.     ,  »der  von  dem  Lande«  (Lieblein  a  73(>),         Tk   l  ÜJJ     $f 

/wwwi/>!HV       I  /vwwJ^r^iHia 

»der  vom  Felde«  (Pap.  Mayer-Liverpool  11,  a  16),  w  v&    »der  von  der  Stadt 

/www  Cll   CÜ 

(=  Theben)«    ebenda   a  20,   Pap.  Turin  37,  9    in   später   Orthographie    ö  ^ ,  gf 

demot.     X,    O  JT)     |  6,  ein  Name,  der  griechisch  durch  nWc  wiedergegeben  ist. 

Man  könnte  freilich  in  manchen  dieser  Namen  auch  theophore  sehen,  und  zwar 
solche,  die  Götternamen  bedeuten7.  So  könnte  z.  B.  »der  von  Karnak«  ==  Amon, 
»der  von  Thinis «8  =  Onuris  sein,  wie   der  weiter  unten  besprochene  weibliche 

M  Mit  dieser  Gruppe  wird  in  dem  Dekret  von  Kom  el  Hisn  Z.  1   das  Demonstrativpronomen 

pn  in  der  alten  Verbindung  m  krw pn     M|(,>)  ^7    gest>mieben- 

2)  Vgl.  dazu  meine  Ausführungen  über  die  mit  dem  Possessivartikel  gebildeten  demotischen 
Personennamen  in  Demot.  Studien  I  S.  27.  -  :!)  Siehe  dazu  Demot.  Studien  I  12*  Nr.  84.  — 
4)  Bulletin  Inst.  Francais  du  Caire  X  161  =  Türajeff-Pharmakowski,  Sammlung  ägypt.  Altertümer 
(1910)  S.  11.  —  •)  =  Ägypt.  Zeitschr.  "23  (1885)  S.  11.  —  6)  Simegelberg,  Demot.  Inschriften  des 
Kairoer  Museums  (Catal.  General)  S.  94  und  Demot.  Studien  11  (Pap.  Elephantine)  S.S.  —  7)  Siehe 
dazu  Emil  Lew,  Über  die  theophoren  Personennamen  der  alten  Ägypter  zur  Zeit  des  Neuen  Reiches 
(Berliner  Dissertation  1905)  S.  6. 

s)  Vgl.  das  n.  pr.    v_^/w^VA^    >dep  Herr  von  Thinis«.  Lew.  a.  a.  O.  S.  46. 

Zeitschr.  f.  Xgypt.  Spr.,  54.  Hand. 


106  W.  Spiegelberg:    Der  ägyptische  Possessivartikel.  [54.  Band. 


Name  'D-nt-Hrw   »die  von  dem  See  Järw«  wohl  die  Göttin  Mut  bezeichnet,  deren 
Namen   die  betreffende   Frau  führt. 

Hierher  gehören  auch   die  Beispiele,   in   denen  pn  die  Bedeutung  hat    »der 

Fürst  von«1,  so  Pap.  Sallier  III  4,  5   lg?  \,  $  $  "M         |s=5@)£W]  D       b 

Ihv  G=p  I "]  C^£)   »der  Fürst   von    >r/  und  der  von  Ms«   oder  »der  Feind  (Gefallene) 

von«,  Israelstele  Z.  11)  .      ]\\  (J^   (Karnak)    »der  von  Libyen«    als  Variante 

AVWVl  !  «£J     —ZI 

von  <2    |     |  "v\   (Tempel   des  Merneptah)    »Gefallener  von   Libyen«, 

3.   in  der  Bedeutung    »der  Sohn  des >< 

z.  B.  Leiden,  Stelen  des  Neuen  Reiches  (ed.  Boeser)  XXXIV  5  a        (1(1  n£\    uwj 
»der   Sohn    des  1/«    neben       ^(1(1  ^,  iwj    >r  n  It    »gemacht    (gezeugt)    von  //«, 


Ägypt.  Zeitschr.  34  (1896)    S.  84.     ^  (]  ©   ^    /l  |,   [©]  $    D    ^^^J 


Sohn  des  Hetpe-Baste-n-p-rrs,  des  Sohnes  des  Pef-tu-Ca-Hor*  (Dyn.  25)  Recueil 
30   (1908)    S.  75  ^"1  ff  ^  (]<?-?-   D   ^    »Dje-Bast-ef-onch,    der   Sohn    des    Hör« 

\         \J    1  1    /www  _üc\^ 

(Dyn.  22).   Auch  hier  begegnet  man  bereits  im  Neuen  Reich  der  Variante  aK  ,  □  z.  B. 

-  p.      Hin  ii  /         '  f.     jU-U-LU.  \ 

in  der  Kalksteingruppe  28  der  Münchener  Glyptothek  ""      /vvwwjl  (var.  (J*T^) 

(I  v\  ,*-&  Atf  As;  (var.  D)  M£    var.         s^c      » der  Türhüter  (1.    Vy  c?)    des 

Amon    ( )    Nti-h\    der    Sohn    des  Hrj-/n-ic)>«.     Dieser   Mann    ist    auch    aus 

anderen  Denkmälern  bekannt,  die  Maspero  (Recueil  4  |1883|  S.  137)  zusammen- 
gestellt hat.  In  ihnen  ist  die  Sohnschaft  durch  y  *''  bezeichnet.  Die  Schreibung 
AK^^^  p>  für  den  Possessivartikel  ist  in  dieser  Bedeutung  vielleicht  schon  in 
der  18.  Dynastie  nachweisbar  in  dem  aus  dieser  Zeit  stammenden  Ostrakon 
Cairo  25366  (ed.  Dasessy  im  Catal.  Gen.),  wo  *==  h  t\  &  J^l\  D  ^  ^  \$\ 
kaum  anders  übersetzt  werden  kann  als  »Hui,  der  Sohn  des  Pn-rht*.  In  der 
Ptolemäerzeit  ist  die  Schreibung  a^\  p>  »Sohn  des«  z.  B.  aus  dem  Dekret  von 
Damanhur  Z.  1    bekannt. 

Daß  pn  >  n&.  »der  Sohn  des«  die  jüngere  (vulgäre)  Form  von  ^t ,  y  s! 
»Sohn«  ist,  habe  ich  Recueil  23  (1901)  S.  98"  gezeigt.  So  steht  neben  dem 
alten  Namen  Vk     jjrx  Hr-sh^s-t   »Horus,   Sohn    der  Isis«   =  Ap<jivi<ris  die  jüngere 

Bildung  v\  r~     Hr-pii-^s-l  —  Ap-ccv)<7tg,  die  dieselbe   Bedeutung  hat. 

4.  Seltener  bezeichnet  pn  den  Besitz  einer  Eigenschaft.  So  möchte  ich 
einen  Namen   wie  ^f\  T         ®~  P>-hr-cn  (Lieblein  2376)   »der  mit  dem  schönen 


')  Diese  Bedeutung  ist  auch  im  Demotischen  nocli  zu  belegen,  s.  Griffith,  Rylands  Pap.  III 
S.  247  unter  pa.  —  8)  Vgl.  auch  Griffith,  Rylands  Pap.  III  S.  201  Anm.  5.  --  :!)  Wreszinski, 
Agypt.  Inschr.  Wien  S.  76.  Brugsch,  Dict.  geogr.  1013. 


Band  54.]  W.  Spiegelberg:    Der  ägyptische  Possessivartikel.  10/ 


Antlitz»    deuten1  oder  "%&  ^\  $x  (Lieblein  2071    var.   1)55)   PJ-ni-nfr 

Z//5H  .M^avww  eil  0  <czz> 

»der  mit  dem   schönen   Namen«". 

5.    In  Verbindung    mit  dem  Suffix  hat  pij*   die  Bedeutung  des  davon  ab- 
geleiteten  koptischen   absoluten  Possessivpronomens  nu>*. 

Pap.  Unamun  (Golenischeff)  II  10  J^<   <k\         ^  ß\  fiK  \\  ü  (]  V&  l>;  "^  "  P&J 

»der  Herr  des  Meinigen  (meines  Eigentums)«  =  nooi,  Chetavertrag  Z.  32  a^[1(1«l=^ 

pjjsf  =  hukj    »sein  Besitz«5.     Die  demotische  Schreibung  s.  in  meinem   Glossar 
zu   dem  Mythus   vom   Sonnenauge  Nr.  254. 

Das  Femininum  von  p!-n   ist  ti  n{j)-t   »die  von«   mit  dem  von  dem   weib- 
lichen Demonstrativum  abhängigen  Genitivexponenten  n(j)-t,   in   der  Schreibung 

^  \\  (Champ..   Not.  838   — -  Dyn.  18)   und    \         ,   die  sich  bereits  im  Mitt- 

leren  Reich  (s.  Erman,  Ägypt.  Gramm.3  §  172)  nachweisen  läßt  und  später  auch 

>    geschrieben   wird.      Auch    hier    findet    sich    schon    im    Mittleren  Reich    die 

Schreibung  %,o.so  PSBA.  VIII  (1886)  S.  90  in  dem  n.  pr.  *^oin_£_  (s.  unten), 

die  auf  den  Abfall  des  nt.   also   eine  dem   koptischen  Derivat  t^  lautlich  nahe- 
stehende   Form    schließen    läßt.      In    den    Anfang    des    Neuen    Reichs    gehören 


PSBA.  24  (1902)  S.246  ^^J^t^  ^  ,,(lie  (Tochter)  des  Vmjtw«  (Dyn.  18)  — 
El-Amrah  HO   ^^,  I  /\  ©    »die    von   Memphis«    (Dyn.  19).      Andere    meist 

sehr  späte  Varianten  sind: 

] z-  b-  ny  pap- Rhind- 

g — >  z.  B.  ~    Deveria,  Catal.  71. 

"^     Ahmed  Bey  Kamal,   Steles   Ptolemaiques   22054. 

I  1 1 1  i  n        j-.    ^ y  <-    . ; :    >      o.  -*    AAV\AA    i\    JJ  1 1 1 1 1. 


]^Turin  Catal.  I  226  N,  1831  ]%J\^i  ^fzl  ^1  o  Q' 

](](]   Deveria,   Catal.    109   )(](j^l$  neben  |™(](|^l$- 

Q*L\\Totb.  Hannover  (Kestner Museum)  o<|\\\^^|w|  neben  o  "^^J^Jf  ■ 

A^   var.  °         in   ft^n    ^   3,  ß  ^   Jj   Annales   Serv.   Antiq.   VI  S.  /5. 

Im  Demotischen  existiert  neben  «L  1=  |(j)  eine  seltenere  Variante  A     L^ 

(=    V\\         I  .  die  die  ältere  Form  darstellt  und  für  unterägyptische  Texte  charak- 

')   Vgl.  dazu  TaipsroCipic   »die  mit  schönem  Antlitz«    (Demot.  Studien  I   Nr.  362  S.  27). 

8)  In  dem  n.  pr.  F^; .    I  IS=P1  ist  nb  ..Gold«  Bezeichnung  der  Hathor,  s.  Hoffmann. 

AAM«  U        C± 

Die  theophoren  Personennamen  S.  76  Anmerkung. 

:i)  Der  Text  ist  also  ganz  in  Ordnung  und  die  Annahme  von  W.  Max  Müller  und  Breasted. 
daß  hinter  pij*f  ein  Wort  ausgelassen  sei,  unnötig. 

14 


108  W.  Spiegelberg:    Der  ägyptische   Possessivartikel.  [54.  Band. 


teristisch  ist.  Auch  liier1  findet  sich  (Mag.  Pap.  Index  Nr.  281)  die  Lautvariante 
)  )  3   t*-,   d.  h.  der  weibl.  Sing,  des  Possessivpronomens  der  1.  Pers.  Sing,  und 

daneben   die  Schreibung   mit   dem  weibliehen    Demonstrativum  ^tJ\^  (Demot. 

Studien  I  S.  27).  welche  das  Präfix  in  der  Form  ti-  wiedergibt.  Der  Gebrauch 
des  weiblichen  Possessivpraefixes  ist  derselbe  wie  der  des  männlichen.  So 
steht  es 

1.   in  Verbindung  mit  Götternamen  in  Personennamen,   z.  B. 

-.   /W^AA  r\    ,1111111!      c\  „, 

h        M         3  Pap.   Golenischeff  »die   (Dienerin)  des  Amon«   Tapauw  (Fem. 

U        C±  I    /WvV^    i-1  _  g.  _.  »       ■mm         g> 

zu  Pn-Jmn).     Vgl.  dazu  die  späteren  Varianten  jljl  3  ,  o  v\  (1         Jj  Turin  Ca- 

-\    /WAAAA     rs     .Hill" 

tal.  I  218  Nr.  171)4  neben   \        fl  ^ 

U       d  1   AAAA, 


"T"""^^^  TntBstt  Louvre  A  39  (Pn,HLj  j.  h.  i  25)  neben  o^     ' 


Tl-Bst-t  (Melanges  darch.  eg.  et  assyr.  I  S.  213)   »die  (Dienerin)  der  Bubastis«: 

lAllSsS  tj')"l't  >>die  derGöttmJ^/,('  demot-  >lJ^x|JS^  (=)1öe 
e  1k  Sil)  Pap-Rhin(l  (ed-  Möuer  s'7)- 

2.   zur  Bezeichnung  der  örtlichen  Herkunft 

\  w  J  Tj-nt-ithij-t  Pap.  Unamun  II  69,  Hieratic  inscr.  Brit.  Mus.  Taf.  XVI, 
Legrain,  Repertoire  Nr.  216  »die  von  der  Stadt  (=  Theben)«,  das  weibliche 
Gegenstück   zu   Pn-nXc-t  Uolvolq   (s.  oben);    fl  _      w|    Tj-nt-Km-t    »die    von 

Ägypten«,    Piehl,    Inscr.  hierogl.   I   66  ü:   TK  [1  C  ^  (Champ.,   Not.  I  838 


bis  Dyn.  18);  ^^(j^^©^  (CataL  Turin  l  s- :^86  Nr.  2756)  Ti-nt  (var.  0)  -\sr/r 
»die  von  dem  See  Järw«,  griech.  Tievpig,  Ticpig,  Toicpig'1.  Auch  hier  hat  ti  nt 
>  tä.  gelegentlich  die  Bedeutung  »die  Herrin  von«  od.  ä.,  doch  kann  ich  sie 
bislang  nur  im  Demotischen'5  nachweisen,  es  sei  denn,  daß  man  Namen  wie  »die 
von  dem  See  ^ärw«  —  was  sehr  naheliegt  —  als  Göttin  Mut  »die  (Herrin) 
von  dem  See  )$rw«   deutet4. 

3.  in  der  Bedeutung   »die  Tochter  des «. 

So    sind  wohl   die    folgenden   weiblichen  Personennamen    zu  deuten  ^^, 

""^l^^^  PSBA.  24  (1902)   S.  246    »die  Tochter  des  Vmjtw7'«,  YZ^^A 

AAAAAA    ^ ^ 

(Lieblein  2034)   »die  (Tochter)  des  RH*  und  vielleicht  auch  das  s=>         Tl    »die 

£ ^  AAAAAA  ^ _        CV 

(Tochter)  des  Stadtvorstehers«  in  dem  weiblichen  n.  pr.  I1^5  ^Tl  vT 
Pianchistele  34. 


J)  Siehe  oben  S.  104  Anm.  li.  —  -)  Siehe  meine  Bemerkungen  bei  Gradenu  itz-Preisigke- 
Spiegelberg,  Ein  Erbstreit  aus  dem  ptolemäisrhen  Ägypten  S.  44.  —  :i)  Siehe  Mythus-Glossar 
Nr.  897,  Orakel-Glossar  Nr.  280.  —  4)  Siehe  dazu  S.  106.  —  ■')  Der  Name  ist  bekannt.  Siehe 
Sethe.  Agypt.  Zeitschr.  44  (1907)  S.  91. 


Band  54.]  W.  Spiegelberg:   Der  ägyptische  Possessivartikel.  10.) 


—* — 


4.  zur  Bezeichnung  der  Zugehörigkeit 

g  \   /WWW  »  _5?5lf\  vYv      (f\ 

n.  pr.  A^^  ix  )  1 1  ^^  \JJ  J  (Ledrain,  Mon.  Bibl.  Nat.  68)  »die  der  Blumen« , 
d.  i.   die  Blumengeschmückte;  ~*~*  j^  (Annales  Serv.  Antiq.  V125,  Lieblein 

2341)  »die  der  Frucht«,  d.  i.  die  Fruchtbare  (?) :  **~*  ®  »die  Fischreiche«1 

als  Stadtname  Pianchi  114.  Dahin  gehört  auch  das  bekannte  Wort  für  »Reiterei« 
\  \  ^  Q  f  ^  t-/lt-btr~>  das  eme  weibliche  Abstraktbildung  von  htr  »Pferd«, 
d.  h.    »das,  was  aus  Pferden  besteht«    od.  ä.  ist. 

5.  Den  Besitz  einer  Eigenschaft  bezeichnet  Ü  nt  tä.  in  dem  n.  pr.  o<|\  I  X. 
var.  £=»T^,  )J*f^,  ferner  ^^J^^  ^  \  f"  Wbeszinski,  Ägypt.  Inschr. 
des  Wiener  Hofmuseums  S.  204  T>{j)-nfr-thr  »die  mit  schönem  Angesicht«  =  Tvx<pepu), 
Demot.  Studien  I  Nr.  386. 

NB.  Nicht  jedes  *~wva  in  Personennamen  ist  übrigens  der  weibliche  Possessiv- 
artikel.  Gelegentlich  steckt  darin  nur  eine  unetymologische 3  Schreibung  des  Artikels 
oder  Demonstrativpronomens  mit  folgender  Relativpartikel,  so  in  /w^  tp  (1  n£  "W 
Ägypt.  Zeitschr.  34  (1896)  S.  111 ;  ^  Ö  (j  J  Annales  Serv.  VII  S.71  »die.  welche 
satt  wird«;  'WWA|%Jj  Berl.Inschr.il,  3. 4  (2298)  »die,  welche  grün  ist  (oder  gedeiht)4«, 

Dyn.  185;  ™  \jp*~  Ö 'V^J)  T-nt-mwt*s-(n)-gbtjw,  Cat.  Brit.  Mus.  63  (22,  939) 
»die,  deren  Mutter  (in?)  Koptos  ist«,  ein  Name,  von  dem  folgende  andere  Formen 
vorliegen:  ™\\öj|°\  t-nt-mwt  Kbtjw,  Recueil  XV  (1903)  S.  11  mit  der 
Variante  o"^,  P^V^  ö  jl^^-  Daneben  existiert  auch  der  Personenname,  der 
das  possessive  ti  nt  zeigt,  /waaaÖJ^v\©  »die  von  Koptos«,  LD.  276,  öl 

°  liä^® '     Später  Holzsark.  Samml.  Amherst  (unveröffentl.). 

Der  Plural  des  Possessivartikels  würde  nach  dem  Muster  der  beiden  an- 
deren Formen  ni  n(jw)  »die  von«  lauten.  Vielleicht  liegt  dieser  plurale  Possessiv- 
artikel  in  dem  "!K  »«»*  ni  n  vor,  welches  die  Mehrzahl  des  Demonstrativums 
p>,  Ü  bildet  und  eigentlich  bedeutet  »dieses  von,  das  was  gehört  zu«.    Es  gehört 

J)    Nach  Griffiths  Deutung,  Ägypt.  Zeitschr.  34  (1896)  S.  50. 

2)  Daneben  auch   \  1    |    '       1 /T^1    t-nt-^-htr,  Recueil  25  (1903)  S.  53. 

3)  Für  den  Wechsel  von  c±  und  g >  in  später  Zeit  vgl.  z.  B.  das  n.  pr.  s=>o ^J  j 

/vw^Affr\   ti  rmt  n  Bst-t  »die  Frau  der  Bubastis«,  Lieblein  1136. 

M  %"  und  void  sind  Infinitive  für  ursprüngliches  hr  s!j  und  hr  wkj.  —  Die  grammatisch  mög- 
liche Deutung  »die  des  Sattseins«,   »die  des  Gedeihens«   ist  mir  wenig  wahrscheinlich. 

3)    Auch   der   gleichfalls  der  Dyn.  18   angehörende  Name    li         y  c±  \^J J  ü  3T  V    R 

Legrain,  Repertoire  Nr.  216  S.  120,  wird  in  seinem  ersten  Bestandteile  bedeuten   »die,  welche  wie 
der  Himmel  ist«. 


10  W.  Spiegelberg:    Der  ägyptische  Possessivartikel.  [54.  Band. 


also  zu  <len  pluralen  Demonstrativbildungen  wie  im  //(./"*),  nw  n(jw),  nß  n(jw),  von 
denen  Erman,  Ägypt.  Gramm.3  iS  1(55 ff.,  mit  Recht  sagt,  daß  sie  einen  Ersatz  der 
eigentlichen  Plurale  von  pn,  pw,  pf  an  Stelle  von  Jp/i,  Jpw  und  )pf  bilden.  Der 
plurale  Possessivartikel  nf  //  würde  danach  ein  Vertreter  des  Plurals  von  //> 
sein,  dessen  Form  (1  a^  v\  tyi  bisher  nicht  belegt  ist.  Ein  Beispiel  wie  ni  n 
i/iiih-irt  »diese  Dochte«  würde  also  eigentlich  bedeuten  »dieses,  was  zu  (den) 
Dochten  gehört«. 

aaaaaa    f\     r\    I 

Die  neuägyptische  Schreibung1  dieses  Pronomens  ist    1k  (I  (1  i  <™**  nfjn   mit 
der  Bedeutung  »die  von«,  also  ganz  im  Sinne   des   davon  abgeleiteten  kopt.  t^. 

AAAAAA    r\    r»  aaaaaa  <  ■>  ci  ^-v 

So  Jieißen  im  Cheta  vertrag  Z.  2b  die  ägyptischen  Götter  ik    ^1 1  "V  r     i  v\ 

nijnpi  ti  n  Kmt  »die  des  Landes  Ägypten«.     Daneben  erscheint  aber  ebendort 

in  der  Verbindung   1k    11  A^  D  r^-o  n!j pi  U  u  litt  »die  des  Landes  Cheta« 

die  Konstruktion  ohne  //,  die  allmählich  die  ältere  verdrängte  und  zu  kopt.  u*v 
führte. 

Das  Demotische   zeigt   neben  allerhand  Einzelvarianten  zwei  Hauptformen 

—  AAAAAA     r\      r\      i 

a)  £/0  %,b)  ) )  4,  von  denen  die  erstere.  ältere  auf  1k   (1(1  i  zurückgeht  und  ge- 

AAAAAA  AAWW  f\    r. 

legentlich  das  1k  unterdrückt.  Die  jüngere  Schreibung2  ik  (I  (1  hat  wieder  wie 
bei  den  Singularformen  den  Lautwert  der  1 .  Person  des  pluralen  Possessiv- 
pronomens itA.-   »meine«   übernommen. 

Der  plurale  Possessivartikel  bezeichnet  meistens 

1.  »die  Leute  von«. 

Außer  den   bereits  zitierten  Beispielen   vgl.  Pap.  Turin   35  I,  1    1k   öü'^ov 
<K     ^  n    »die  Leute   der  Nekropolis«;    Israelstele  8    ik,  (j  (j  i  cr^  Q  U  ^    '    »die 

Leute  seiner  Stadt«;  Pap.  Unamun  II  75  1k  h  M  i  Tk  c±^  0  N  (]  \>  |  ©  »die  Leute 
der  Stadt«. 

In  Verbindung  mit  Suffixen   entspricht   er  ganz  dem  koptischen   absoluten 

AAAAAA    ft      f\      I  Q 

Possessivpronomen.     Pap.  Unamun  II  6    1k  (I  (I  i  H&    »die  Meinigen,  meine  Agen- 

AAAAAA  l\    f\  n  AAAAAA 

ten«  (—  no?ri):  Pap.  Harris  29,  9  1k  (1(1  I  »die  zu  ihnen  Gehörigen«  (=  ho-ütot). 

2.  seltener    »die  Gegend,   das  Gebiet  von«8. 

biet  von  Ramses«. 


')     Piehl,   Bidrag  tili  ägyptisk   spräkforskning  och  paläografi   §  2. 

•)    Mag.  Pap.  Index  Nr.  281.     Beachte  ebendort    die  hieratischen  Schreibungen    1k    ...   und 

A/SAAAA  *-'         -j  _Cti'     I   I    I 

V     |     '■ 

:i)    Siehe  dazu  meine  im   Anschluß  an  Piehl  gegebenen  Ausführungen  Sphinx  VI  S.  86,  wo 
freilich  die  Beispiele  aus  dem  Pap.  Harris  zu  streichen  sind. 


Band  54.]  VV.  S*iegelberg:    Demotische  Kleinigkeiten.  111 


Demotische  Kleinigkeiten. 

Von  Wilhelm  Spiegelbekg. 
Mit  1  Tafel  und  14  Schriftbildern. 


1.  Ein  Bestattungsvertrag  aus  der  Zeit  des  Ptolemaios  Philadelphos. 

In  seinem  verdienstvollen  Aufsatz  über  die  Taricheuten  und  Ohoachyten  hat 
Revillout1  einen  Papyrus  des  Britischen  Museums  (Nr.  10077)  behandelt,  der  heute 
auf  Grund  der  Fortschritte  der  demotischen  Studien  zu  einer  erneuten  Behandlung 
lockt.  Ich  hätte  sie  nicht  unternommen,  wenn  ich  nicht  unter  den  demotischen 
Photographien,  die  mir  J.  J.  Hess  in  uneigennützigster  Weise  zur  Verfügung  ge- 
stellt hat,  die  Aufnahmen  dieses  Textes  gefunden  hätte,  die  ich  hier  (Taf.  IV)  re- 
produziere. Der  Vertrag  liegt  in  2  Exemplaren  vor,  von  denen  Revillout  das  eine 
für  ein  »brouillon«  hielt.  Inzwischen  haben  uns  zuerst  die  Elephantine  Papyri" 
mit  einer  Reihe  von  Verträgen  der  ersten  Ptolemäerzeit  bekannt  gemacht,  die 
in  doppelter  Ausfertigung  aufgesetzt  wurden.  Sie  stehen  auf  demselben  Papyrus- 
blatt, der  Urtext  oben,  die  Abschrift  unten.  Der  obere  Text  (scriptura  interior) 
wird  zusammengerollt  und  versiegelt,  der  untere  (scriptura  exterior)  hängt  frei 
daran.  Diese  zuerst  bei  den  griechischen  Urkunden  festgestellte  doppelte  Aus- 
fertigung ist  nun  auch  in  der  demotischen  Literatur  mehrfach  beobachtet  worden3, 
und  es  unterliegt  keinem  Zweifel,  daß  auch  unser  Papyrus  eine  solche  Doppel- 
urkunde ist.  Der  eine  Text  war  versiegelt,  der  andere  war  offen.  Wenn  man 
etwa  darauf  gehalten  haben  sollte,  daß  der  erstere  als  juristisch  maßgebender4 
Urtext  keine  Korrekturen  oder  Einfügungen  enthalten  durfte,  dann  würde  der 
fehlerlose  Text  b  der  versiegelte  Text  gewesen  sein.  Ich  habe  a  meiner  Um- 
schrift lediglich  deshalb  zugrunde  gelegt,  weil  er  besser  erhalten  ist.  Text- 
verschiedenheiten von  Bedeutung'  enthält  die  Abschrift  nicht,  so  daß  damit 
Revillouts  Kombinationen,  die  sich  auf  unrichtige  Zahlenlesungen  gründen,  hin- 
fällig werden. 


')  Ägypt.  Zeitschr.  18  (1880)  S.  79  Taf.  l^s  1.  —  2)  Rubensohn,  Elephantine  Papyri  S.  5  ff. 
Vgl.  dazu  die  Bemerkungen  von  Ibscher  im  Archiv  für  Papyruskunde  V  S.  192  und  Wiixken, 
;i.  a.  0.  S.  202. 

:i)  Solche  Urkunden  sind  z.  B.  Pap.  dem.  Elephantine  Nr.  2  und  3,  das  letztere  Stück  von 
mir  noch  irrtümlich  als  brouillon  gedeutet,  ferner  ehendort  Nr.  11  (vgl.  dazu  Ibscher,  Archiv  V 
S.  192)  und  weiter  die  von  Sottas,  Journal  asiatique  1914  S.  144  und  Reich,  Wiener  Zeitschr. 
f.  Kunde  des  Morgenlandes  25  (1911)  S.  31 2  ff.  veröffentlichten  Stücke. 

4)  Dem    widerspricht  Reich    in    dem  vorher   genannten  Aufsatz.  ")  Die    einzige  Variante 

(Zeile  10).  der  Einschub  einer  Zeitbestimmung,  bringt  nur  eine  Verschiedenheit  in  der  Satzstellung, 
die  für  den  Sinn  des  Textes  keinerlei  Bedeutung;  hat. 


112  W.  Spiegelberg:   Demotische  Kleinigkeiten.  [54.  Band. 


Der  Inhalt  des  Vertrages  ist  kurz  folgender:  Thotortaios  hat  dem  Phagonis 
die  Materialien  (Natron,  Stoffe)  zur  Einbalsamierung  der  Leiche  seines  Sohnes 
übergeben.  Phagonis  übernimmt  den  Auftrag  und  verspricht  die  vorschrifts- 
mäßige Mumifiziorung,  über  die  sich  beide  vorher  geeinigt  haben  werden1,  durch 
den  Choachyten  des  Auftraggebers  vornehmen  lassen  zu  wollen.  Die  Nichtein- 
haltung der  Bedingungen  ist  unter  eine  Konventionalstrafe  gestellt. 

Umschrift   (nach  a). 

1  Hsp4  XVI III  nw  >!h-t  Pr-<i 

2  Ptrnmis  si  Ptrumi 
$s  P//-ic//  si  Pn-nfr2 

*nt  dd  (n)  Thuij->->r-rtj-s  si  Pl-Hr  .  .''.  .=/• 
5 pi  dnj  Jisrnn  ti  mtn-t  wit 
Bftnc  ntd-t  nb  nt  sh]  r  pi  hfc- 
7  sih  ii  Pn-  Wsr  jilj'k 
%  srj  mtii'i  iimk-f (n)  phr-t 
9.mty*i  tj=s  r  t--t  plj'k 
10  wih-mw  [r]  Im  pi  hrw  inh  LXXII  ^w-mn  nbl 

über  der  Zeile' 
H/jr-hb-uA   ii-^nt'f  Jw  bii-pzi  tj 
12 ph  t<  nb  (u)  pi  ti  r-r*h  (n)  rn*f 
13  Ho4  sti  r  tni  Jy  n-k 
Wr  h  nul-t  nb  nt  hrj  v/r=/  tj  n*k  ht  II 

15  ;•  sttr(-t)  Xt  r  ht  II  0/  //  Jite  it  um 

16  U  sh  nb  sh  >mn-htp  si  P,j  (?)  -Mjn  (r)  hnr 

17  Pn-wn  (si)  Pn-nfr  nt  hrj  hsp-t  XVI III -nw  >ih>t 
to(ITI-iur  ijfcfy  IV  sh  Pn-wn  si  Pn-nfr 

Übersetzung. 
S70/269  v.  Chr.]  »Im  Jahre  1 6  im  Monat  Athyr  des  Königs  Ptolemaios,  Sohnes  des  Ptolemaios — 

Phagonis,  Sohn  des  Panophris,   sagt  zu  Thotortaios,   dem  Sohne  des  Payris: 

Du  hast  (mir)  den  Teil  von  Natron  und  die  Umwicklungsstücke  (I)  und  alle 
Dinge  übergeben  (II),  welche  für  die  Leiche  (III)  deines  Sohnes  Pa-Wese  (IV)  nötig 
(V)  sind.  Ich  will  sie  mit  Ingredienzen  (VI)  ausstatten  (VII)  und  in  die  Hand 
deines  Choachyten  geben,  indem  keine  Taricheuten-Sünde  (VIII)  an  ihm  ist,  bis 
zum  72.  Tage"  (IX),  ohne  daß  ich  irgendeine  Strafe  (X)  der  Welt  gegen  dich 
beantrage.     Wenn    ich    mich  weigere,    nach  jedem    obigen  W^orte    gegen  dich  zu 


')    Man    kann    sieb    das  Nähere    nach  Herodot  II  86    etwa  so  vorstellen,    daß  dem  Phagonis 
-(CDctbeiyuctTce  vsxstZv  tll.wa  zur  Auswahl  gezeigt  wurden.  --  2)  Am  Ende  der  Zeile  steht  ein  Tren- 
nungsstrich,   der    in  b  fehlt.     Er  kann  also  nicht  als  der  erwartete  Artikel  pi  gelesen  werden.  - 
:t)  In  b  steht  r  hn  r pi*f(?)  (oder pij?)  hrw  mh  LXXII  hinter  hr-hb  n-^m*f.  —  4)   In  b  fehlt  das  Plural- 
determinativ. )  V.ii-.    »bis  zu  seinem  (:').   oder   »diesem  (?)  72.  Tage.. 


Tafel  IV 


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Zeitschrift  f.   Aegyft.  Spr. ,  54.  Band. 


Verlag  :  J.  C.   Hiniichs,   Leipzij 


pq 


Band  54.]  \V.  Spiegelberg  :    Demotische  Kleinigkeiten.  113 

handeln,  so  gebe  ich  dir  2  Silberlingc  =  10  Stater,  wiederholt  2  Silberlinge, 
zwangsweise  ohne  Säumen  und  Sträuben. 

Geschrieben  von  Amenothes,  dem  Sohne  des  Pi(?)  -Min,  auf  Befehl  des  obigen 
Phagonis,  des  Sohnes  des  Panophris,  im  Jahre  16  am  4.  Choiak. 

Geschrieben  (XI)  von  Phagonis,  dem  Sohne  des  Panophris.« 

Kommentar. 

I.  f\       ^  ö  Q     ,       mtn{-t)  könnte  die  Bedeutung    »Stück«    haben  und  eine 

_£fr^  /wwv\  I 

//«-Bildung  von  tnw  »erheben,  ausscheiden,  abtrennen«  sein,  das  »Abgetrennte«1. 
Wieweit  ein  Zusammenhang  mit  dem  im  Mythusglossar  Nr.  378  besprochenen 
männlichen  Nomen  mtn  »Spur«    besteht,   soll  hier  nicht  weiter  erörtert  werden. 

II.  Die  demotische  Gruppe  läßt  sich  hieroglyphisch  v\  *3        umschreiben, 

aber  Lesung2  und  Übersetzung  bleiben  unsicher.  Der  von  mir  angenommene 
Sinn  entspricht  dem  Zusammenhang. 


^'  I  liäk  A  SS^  $n  b^sih  ist  aus  den  Choachytenverträgen  be- 
kannt, z.  B.  Pap.  Berlin  5508,  16.  17  (:  3099  :  3100),  Pap.  Marseille  (Rev.  egypt. 
1 134),  Pap.  Louvre  2429bis  (=  Chrest.  demot.  229),  ebenda  2439  (=  Corpus  Nr.  2 
=  Chrest.  demot.  290  ff.).  Mehrfach  wird  der  letzte  Bestandteil  des  zusammen- 
gesetzten Nomens  MÜÜQ  ni  geschrieben,  also  mit  dem  Worte,  das  z.  B.  im 
Pap.  Rhind  (s.  Möller,  Glossar  Nr.  334)  die  Einbalsamierungshalle  bezeichnet. 
Trotzdem   möchte  ich  in  sih  eine  Schreibung  von  altem  iL aQ.^  s<"h  (var.  sjh) 

»Leiche«  und  in  h^-sih  einen  Ausdruck  für  »Mumie«  erkennen.  So  steht  in 
den  erwähnten  Verträgen  stets  die  Verbindung  tij  krs-t  linc  plj  h!c-sih  od.  ä.  »mein 
Sarg  und  meine  Mumie«   zusammen. 

IV.  Meine  Vokalisation  des  Namens  setzt  voraus,  daß  hier  die  Gruppe  ws(r) 
»stark«  für  Wts-t  »Theben«  benutzt  ist.  Den  Namen  deute  ich  also  »der  von 
Theben«. 

V.  Bei  P?"fe\  ^jj  sb>}  könnte  man  an  kopt.  c«\uje,  das  Qualitativum  von  ciuj€ 
»bitter  sein«,  denken,  das  Harfner,  Z.  6  \^iü=f]  shi  n  hw  r  dph  ^w-fn  tite-t  n  w§b 
»indem  er  bitterer  ist  als  ein  Apfel,  wenn  er  ohne  Reife  (?)  ist«  vorliegen  dürfte. 
Unter  den  »bitteren  Dingen«  wären  etwa  Salz,  Essig  und  andere  bei  der  Ein- 
balsamierung gebrauchte  Ingredienzen  zu  verstehen.  Aber  die  folgende  Prä- 
position r  verlangt  doch  wohl  eine  andere  Deutung,  die  Revillout  mit  seiner 
Übersetzung  » tont  autre  chose  qui  est  necessaire  ä  la  tombe  de  Pa  .  .  . «  richtig 
erkannt   hat.    Vielleicht   hängt  dieses  Verbum  shl  mit  dem  sih  der  Verbindung 


')  Also   auch  dasselbe  Wort  wie   t\    '  I    ^     mtn-t  .Zählung«  (Grapow,  Wortbildungen 

_ZT^  /www     I  i     w    i 

mit  Präfix  m  S.  32)  von  tnw   »zählen«,  eine  Bedeutung,  die  sich  aus  der  obigen   »durch  Abtrennen 
zahlenmäßig  ermitteln«   (man  denke  an  Herden)  entwickelt  hat. 

2)  Sollte  etwa  mh*k  t--U(i)  n p;  dnj   »du  hast  meine  Hand  mit  dem  Anteil  gefüllt«  zu  lesen  sein? 

Zeitsclir.  f.  Ägypt.  Spr.,  54.  Band.  '*> 


114  W.  Spiegelberg:    Demotische  Kleinigkeiten.  [54.  Band. 


J?'-sih  epujiuji  »Macht  haben«  zusammen,  das  auf  >r  shr-w  »Pläne  machen«  zurück- 
geht. Es  wäre  also  zu  dem  alten  Nomen  sihe  ciuje  :  ujiuj\  das  hier  vorliegende 
Qualitativum  shl  c^uje  :  uj^uji  gebildet  worden   mit  der  Bedeutung  »nötig  sein«. 

VI.  In  dieser  Bedeutung  steht^/w-f  n*g_pe:t|>*&pi  »Heilmittel«  auch  Pap.  Rhind 
I  2d,  5,  wo  der  hieratische  Text  O^^ö  siwb   »einbalsamieren«    gebraucht. 

VII.  Zu  ntitk  »ausstatten«  od.  ä.  vgl.  Rosett  19  dj-f 'mnfaw  U  jp(-t)  (n)  mi  n  jp(-t) 
(>?r)   /i>-c//-s  m-is  =  »xca  ro  'Anrietov  spyoiQ  7toXvtsXs<tiv  y.oLTE(rxeva(jEv«. 

VIII.  itbi  ist  kopt.  nok  :  no&i  »Sünde«.  Der  Sinn  wird  hier  sein,  daß  die 
Mumie  nach  den  Vorschriften  »nach  dem,  was  in  den  Schriften  steht«  (z.B.  In- 
schrift des  Anemho)  behandelt  worden  ist,  ohne  einen  Kunstfehler  von  Seiten  des 
Taricheuten. 

IX.  Zu  der  Zahl  der  liier  genannten  Tage  vgl.  die  bei  Griffith,  Stories 
S.  29.  zusammengestellten  Angaben1,  aus  denen  sich  ergibt,  daß  die  Beisetzung 
in  der  Ptolemäerzeit  etwa  70  Tage  dauerte  mit  kleinen  Schwankungen.  Die  Be- 
stattung des  Anemho  dauert  genau  solange,  wie  die  desPa-Wese,  nämlich  71  Tage. 

X.  Zu  dieser  Bedeutung  von  K  siehe  meine  Bemerkung  Recueil  XXXVI 
(1914)  S.  174. 

XI.  Das  heißt  »eigenhändig  unterschrieben«  von  Phagonis,  in  dessen  Auf- 
trage der  Schreiber.  Notar  Amenothes",  den  Text  aufgesetzt  hat.  In  der  Tat 
ist  der  Name  des  Phagonis  in  der  Unterschrift  anders  geschrieben  als  in  dem 
eigentlichen  Vertrage. 

2.  Ein  Schuldschein  aus  der  Zeit  des  Gregenkö'nigs  Harmachis 
in  doppelter  Ausfertigung. 

Zu  den  vorher  erwähnten  Doppeltexten,  welche  auf  demselben  Papyrus- 
blatt den  Vertrag  im  Originaltext  und  in  Kopie  enthalten,  gehört  auch  der  auf 
Taf.  IV  nach  einer  Photographie  von  J.  J.  Hess  abgebildete  Papyrus  10425  des 
Britischen  Museums.  Hier  ist  der  obere  Originaltext  noch  versiegelt  und  intakt, 
so  daß  er  uns  das  Lesen  einiger  auf  dem  freien  Blatte  zerstörter  Gruppen 
wesentlich  erleichtern  würde,  wenn  er  einmal  geöffnet  würde.  Vielleicht  ent- 
schließt sich  bis  dahin  eine  einsichtige  Verwaltung,  das  jetzt  geöffnete  Stück  so 
richtig  zusammenzusetzen,  wie  das  Revillout  bereits  in  seiner  ersten  Bearbeitung 
des  Textes  (Revue  egyptol.  I  |1880J  121  Anm.  und  Taf.  6)  getan  hat.  Der  erste 
Herausgeber  hat  den  Sinn  des  Textes  in  der  Hauptsache  richtig  gedeutet,  un- 
wesentliche Zweck  meiner  Neubearbeitung  ist  die  Mitteilung  der  HEssschen  Auf- 
nahme, die  uns  wieder  eine  Doppelurkunde  zugänglich  macht,  deren  Datierung 
aus  der  Zeit  des  Harmachis,  des  Gegenkönigs  des  Ptolemaios  Philopator,  ein  be- 
sonderes Interesse  beansprucht. 

J)  Sie  lassen  sich  jetzt  erheblich  vermehren,  ohne  indessen  an  dem  Gesamtresultat  etwas  zu 
ändern.  2)  Sollte  er  mit  dem  Notar  des  aus  dem  17.  Jahre  des  Philadelphos  datierten  Vertrages 

Pap.  Berlin  3089  (Taf.  4)  »Amenothes,  Sohn  des  Herieus«  identisch  sein:'  Der  Vater  müßte  dann 
den  Doppelnamen  Pi-Min  Herieus  geführt  haben. 


Band  54.]  W.  Spiegelberg:    Demotische  Kleinigkeiten.  115 


Umschrift. 
Ifisp-t  V-t  III-nw  "ihd  Pr-Q  Hr-m-h'h-t  f  pfrtj (?)  mr  >s-t 
%mr  )mn-Rc-n-8wt-ntr-w  pi  ntr  <J  )g&  Hl-Ci 

&si  Hm-^s-t  mhd=f  rD-nt-  .  .  .  pi  nt  dd  (n)  bk  $mn  Pi-dj-Hr-pi-Rc  si 
*Pn-fy  nihvUfBk-  .  .  .  wn-mtw-k  ht  II  kd\-t)  I  r  stfr(d)  X'j,  r 
*ht  11  kd{-t)  1  cn  ^r-mj  kd-t  (?)  XXI V  kd(-t)  11  rn  ni  ht-w  r  tj*h  n*j 
6  intitH  tj  st  (?)  n*k  r  hn  H)d  1  sm  crkj  r  Jbd  VII  pi  ht  n-Hn-w  nt  Hü 

I  bn  HC'l  tj-s  ii-k  r  hn  r  pi  ss  hrw  nt  hrj  hc-i  tj-s 

8  n=k  Jrm  kd-(t)  I  r  l'\2  n  11-nw  sni  pi  -vbd  nt  m-shf  n  hte  it  mn 
$bn  >w4  rh  dd  >r*i  n*k  p-io  hp  Hc  pi  bk  (?)  nt  hrj  n  t-Uk 
W  tu--i  n=k  pij  cjw  nt  n  ti  ^we-t  n  ti  nit/'-f  n 

II  ti  mi(-t)  ni  J&ur-w  n  Hüi-t  n-Hn-w  sc-tu-i  db-ic  n-k 

M  r  hn  pi  ss  hrw  nt  hrj  iw*i  tm  db-w  n-k  >r=k  in-shl  r  (?) 

13  )/•  n-k  sh  tb  r  pij  cjio  nt  hrj  n  pi  ^bd  m-si  pi  Jbd 

14  /•■;?*/  n  hte  it  mn  pi'k  rt  pi  nt  nhte  (n)  md-t  nb 

15  nt  Xc*f  r  dd-te=w  Jrm=i  rn  md-t  nb  nt  hrj  mtun  ymü  r  hrw-f  n  ss  nb 
M  n  hte  it  mn  it  sh  nb 

sh  Pi-dj-hnn->p  si  Pi-dj-hnn-n-swt-ti  (?) 

Übersetzung. 

»Jim  Jahre  5  im  Monat  Athyr  des  Königs  Harmachis,  des  Kraftgewaltigen,  ge- 
liebt von  Isis,  2  geliebt  von  Amonrasonter,   dem  großen  Gotte. 

Der  Nubier  Chello1,  3  der  Sohn  des  Hennese  und  der  Ta  .  .  .,  sagt  zu  dem 
Diener  des  Amon  Peteharpres,  4dem  Sohne  des  Pacho'is  und  der  Bk-  .  .  .:  Du 
hast  2  Silberringe  und  eine  Kite  =  10y2  Stater.  5  wiederholt  2  Silberlinge  und 
eine  Kite  von  mir  zu  fordern,  nach  der  Berechnung  24  Kupferobolen  auf  2  Kite 
(Silber)2  im  Namen  des  Silbers,  welches  du  mir  gegeben  hast.  6 Ich  gebe  es 
dir  bis  zum  30.  Pachons  (zurück),  macht  7  Monate3.  Das  Silber  davon.  7  welches 
ich  dir  nicht  bis  zu  dem  obigen  Termin  (zurück)  gebe,  das  gebe  ich  8  dir  (zu- 
rück) mit  1  Kite  auf  \lj2  Kite4  im  Payni,  dem  darauffolgenden  Monat,  zwangs- 
weise ohne  Säumen.  9  Nicht  so^  *cn  sagen  können:  Ich  habe  dir  ihr  Recht5 
getan,  solange  die  obige  Urkunde  in  deiner  Hand  ist.  *®Icli  habe  dir  mein 
Haus,  welches  in  dem  mittleren  Quartier  ^der  Assyrerinsel 6  ist,  als  Pfand  da- 
für gegeben,  bis  ich  es  dir  ersetzt  habe  M\As  zu  dem  obigen  Termin.     Wenn 

')  Er  ist  identisch  mit  dem  Kontrahenten  von  zwei  aus  dem  15.  Jahre  des  Philopator 
datierten  Verträgen  (Rev.  egypt.  III  2—3).  Das  ist  eine  weitere  Bestätigung  für  die  REviLLOursche 
Bestimmung  der  Regierungszeit  des  Gegenkönigs  Harmachis.  Im  übrigen  vgl.  jetzt  Sethe,  Ägypt. 
Zeitschr.  53  (1917)  S.  35  Anm.  1.  —  2)  Siehe  Griffith,  Rylands  Papyri  III  S.  137,  die  Übersetzung 
von  XvjvI/oweS-«  ik  tov  Trajyaa  cßo?>ovs  y.b.  :!)  D.  h.  nach  7  Monaten,  vom  Athyr  an  gerechnet.  — 

4)  D.i.  mit  einem  Zuschlag  von  50°/0,  dem  sogenannten  rjuiö>Mv.  Vgl.  Mitteis,  Grnndzüge  I  S.  119  und 
die  dort  angeführte  Literatur.  —  5)  D.  i.  der  geliehenen  Summe  (ni  ht-ic  Z. 5).  Der  Sinn  ist:  »ich  soll 
nicht  behaupten  können,  daß  ich  die  Schuld  bezahlt  habe«.  —  ''')  Eine  Ortschaft  auf  thebanischem  Boden, 
nach  dem  Namen  zu  urteilen,  auf  einer  Nilinsel  gelegen  und  von  Syrern  bewohnt.  Die  griechische 
Wiedergabe  würde  etwa  *TiM(y)rearavgig  od.  ä.  lauten.  Zu  dem  Namen  vgl.  Pap.  Petrie  II  56  ^.v^ujv  hw\j.yj 

15* 


1  ]  (>  W.  Spiegelberg:   Demotische  Kleinigkeiten.  [54.  Band. 


ich  es  dir  nicht  ersetze,  so  bist  du  hinter  mir,  13daß  ich  dir  eine  Schrift  für  Silber1 
in  beziig  auf  mein  obiges  Haus  mache  in  dem  auf  den  genannten  Monat  folgenden 
Monat  14 zwangsweise  ohne  Säumen.  Dein  Verwalter  hat  Vollmacht  in  bezug  auf 
alle  Worte,  15  die  er  mit  mir  sprechen  wird  im  Namen  jedes  obigen  Wortes.  Ich 
tue  sie  nach  seinem  Befehl  zu  jeder  Zeit 16  zwangsweise  ohne  Säumen  und  Sträuben. 
Geschrieben  von  Petemenophis,   dem  Sohne  des  Petemestus  (?).« 

Inhalt. 
In  diesem  Vertrage  bekennt  sich  der  Sprechende  zu  einer  Schuld  von 
2  Silberdeben  und  l/2  Kite  (=41  Silberdrachmen),  die  er  dem  Gläubiger  oder 
seinem  Bevollmächtigten  nach  7  Monaten  zurückzuzahlen  verspricht.  Falls  er  es 
einen  Monat  später  tut,  zahlt  er  das  Anderthalbfache  der  rückständigen  Summe 
als  Strafgeld.     Sein  Haus  setzt  er  als  Hypothek  für  die  gesamte  Schuld. 

3.  Demotische  Urkunden  zu  der  \oreia  'laiboc;. 

In  seinem  Buche  über  die  griechischen  Ostraka  (I  S.  253 ff.2)  hat  U.  Wilcken 
eine  besondere  Gruppe  dieser  Urkunden  besprochen,  die  sämtlich  an  dieselbe 
Person,  einen  gewissen  Ilißcvyjg  Uersri(TiOg  gerichtet  sind  und  eine  Taxe  betreffen, 
welche  als  Xoyeiu  "l<n$og  oder  Xoyeiot  Seov  bezeichnet  wird.  Derselbe  Gelehrte  hat 
später  (Archiv  für  Papyruskunde  IV  S.  251  und  261)  festgestellt,  daß  es  sich 
dabei  um  eine  »Kollekte«  für  2  Götter  handelt,  die  beide  in  Hermonthis  ihren 
Kult  hatten,  für  den  dort  in  der  Gestalt  des  heiligen  Stieres  Buchis  verehrten 
Gott  Mont  und  die  Isis  von  Philä,  die  in  dieser  auf  thebanischem  Gebiet  gelegenen 
alten  Kultstätte  ihr  Filialheiligtum  hatte.  Dieser  Doppelkult  spiegelt  sich  viel- 
leicht in  dem  Namen  des  erwähnten  Mannes  wieder,  der  selbst  nach  dem  hei- 
ligen Stier  nißov%K  »der  (Diener)  des  Buchisstieres«  hieß3,  während  sein  Vater 
n.ETsv\(rig   »der,  den  Isis  gegeben  hat«   (Isidoros)  benannt  war. 

Der  Quittungsaussteller  ^svuyiovvig  bezeichnet  sich  bald  als  irpovrctTvig  rov  S-eot), 
d.h.  »Vorsteher  des  Gottes  (Buchis)«,  bald  als  (pewvitTi  oder  gräzisiert  (pevvv)<ng, 
d.  i.  nach  Revillouts  richtiger,  durch  die  unten  mitgeteilten  demotischen  Texte 
bestätigter  Erklärung  der  »Prophet  der  Isis«,  bald  führt  er  beide  Titel  gemein- 
sam. Der  Einzahler  des  Kollektengeldes  ist  Uißovyjg,  dessen  Titel  ofj.oXoyog  ich 
abweichend  von  Wilcken  mit  Preisigke4  als  »vertragsmäßiger  Landarbeiter«  oder 
»Pächter«    deuten  möchte. 


*)  Der  Ausdruck  für  die  Kauf  Schrift  (ttj«-^).  Siehe  Hauswaldt  Papyri  S.  6*  und  die  dort  S.  1 1*  ff. 
gegehenen  Ausführungen  von  J.  Partsch.  —  2)  Die  sonstige  Literatur  siehe  bei  Preisigke,  Fachwörter 
unter  cpsi'^cr«;  und  bei  Paul  M.  Meyer,  Ostraka  Nr.  81  S.  202.  —  3)  UißoZyjs  war  sein  Beiname.  Der 
eigentliche  Name  war  nach  Nr.  402  Ilsreagvo'jcpis   »der,  den  Gott  Harnuphis  gegeben  hat«. 

4)  Zu  dem  Wort  schreibt  mir  Preisigke:  »Es  ist  o^o/.cyo?  ursprünglich  =  ein  Mann,  der  auf 
Vereinbarung  hin  etwas  tut«,  daher  auch  »ein  Lohn-Landarbeiter«  (vgl.  Wilcken,  Ostr.  I  254 
Anm.  1).  In  diesem  Sinne  wird  das  Wort  näher  behandelt  in  Pap.  Ryl.  II  S.  287.  Die  weitere 
Bedeutung  ist  sodann  »geständig«  (z.  B.  Pap.  Eleph.  7  und  Mitteis,  Chrestom.  II  31,  III  12  Anm.), 
ferner  »übereinstimmend«  (B.  G.  U.  III  91721)  und  schließlich  »dediticius«.  In  den  z.cys /«-Ostraka 
wird  die  Bedeutung  »vertragsmäßiger  Landarbeiter«  oder  »Pächter«  richtig  sein.« 


Band  54. |  W.  Spiegelberg  :    Demotische   Kleinigkeiten.  11  i 

Für  die  weitere  Erklärung  dieser  griechischen  AoyejÄ-Ostraka  sind  nun  die 
demotiscli  geschriebenen  Urkunden  von  großem  Interesse,  die  sich  ebenso  wie 
die  griechischen  in  der  Berliner  Sammlung  befinden  und  wohl  zusammen  mit 
ihnen  gefunden  sein  werden.  Ich  habe  sie  beim  Durcharbeiten  der  Pausen  ent- 
deckt, die  J.  J.  Hess  von  den  demotischen  Ostraka  des  Berliner  Museums  mit 
der  ihm  eigenen  Genauigkeit  gemacht  und  die  er  mir  in  liberalster  Weise  zur 
Verfugung  gestellt  hat.  Dafür  möchte  ich  ihm  auch  hier  meinen  herzlichsten 
Dank  wiederholen.  Nach  diesen  Pausen  habe  ich  die  Texte  unter  Vergleichung 
von  etwas  matt  geratenen  Photographien  reproduziert,  die  mir  Hr.  Prof.  Schubart 
freundlichst  übersandt  hat.  Für  Nr.  6187  (II)  fehlte  eine  Pause1,  und  ich  ver- 
danke es  der  Güte  desselben  Gelehrten,  der  mir  das  Original  hierher  sandte,  daß  ich 
den  Text  hier  gleichfalls  nach  einer  Gelatinedurchzeichnung  veröffentlichen  kann. 

Ich  gebe  zunächst  eine   Umschrift  und  Übersetzung  der  einzelnen  Stücke. 

I.  Ostrakon  Berlin  Pap.  1662. 

a.   Umschrift. 
1  Pi-srj(-ri)-ni-ntr-w  (s/)  Pi-dj-^s-t  p?  hm-ntr  n  -W 
Int  dd  (n)  PH-Bh  (s!)  Pl-dj-^-t  tu-i 
3mA  (n)  M  sttr-t  [ht  ?]  V  hr  pi  ht  (?)  sü  n  's-t  hsp-t  ILt 
^Nrune  Gluts  Gesrs 

5  Sbstes  Grmmks 

6  httugrter 

b.   Übersetzung. 

»Psenenteris,  (der  Sohn)  des  Peteesis,  der  Prophet  derlsis.  sagtzuPibuchis,  (dem 
Sohne)  des  Peteesis :  Ich  bin  voll3  mit  5  [Silber  ?]-Stater-Kite  für  das  Kollektesilber  - 
der  Isis  (für  das)  Jahr  2  des  Nero  Claudius  Cäsar  Augustus  Germanicus  Autokrator. «  [55/56  n.  C 

Vgl.  dazuWiLCKEN,  Ostraka  402  (Berlin  4304)  Yev&rriipig  Wcnv^aiog  \\&c%ig  (sie) 
Yla.TSYi<Tig  %uipeiv.     'X-s%oü  TrapoL  trov  g  S  =  4  virep  Xoyutg  iv  üiKctg*  rov  tyL  Tißspiov  etc. 

l)  Hess  hatte  nur  einige  Gruppen  als  Varianten  durchgezeichnet.  —  2)  Für  sti  =  ?.oystct  vgl.  z.B. 
Grikfith,  Rylands  Pap.  III  319.  Das  »Silber  der  Kollekten  der  Isis«  ist  auch  Silsile  Inschr.  Nr.  24  er- 
wähnt. —  3)  D.  h.  ich  habe  sie  vollzählig  empfangen.  Siehe  die  Schlußbemerkung.  —  4)  =  4  Drach- 
men 2  Obolen.  —  5)  So  nach  Archiv  IV  S.  267. 


118  W.  Spiegelberg:    Demotische  Kleinigkeiten.  [54.  Band. 


II.  Ostrakon  Berlin  Pap.  6187. 

a.   Umschrift.  .  .        j  ^ 

lp?-&rj{-n)-n?-ntr-w{s?)Pl-dps4  JL~-+M      <  2—   I  j  t  \ 

S{s])P!-(lj-\^tu4)nh{»)hl*ttr4ht{?)Y  \*2jH  ^fe->^* ~  ^  ^  f  n» 

*hrpi  ht(?)stl  n  >s-thsp-tY-t  rv        |    l|xL?-/HKv        { 

7  Grmntflß  ^^  — ~         ^^^  ^  #  ^ 

*;uh«jrtu  sh  hsp-t  VI  /\-  *-^\)^r~~)  }<J    ^    *-)   1  '  O 

&.   Übersetzung.  J^Pf/1  OsXO 

»Psenenteris.   (der  Sohn)   des  Pe-  \/    J  fl^*"        t  _ 

teesis,    der  Prophet  der  Isis,    sagt  zu  /!^     »I    I  '   |^J/i-vw  1  ^**« 


Pibuchis.    (dem    Sohne)    des  Peteesis:  """  '    !      ./  / — ^        1   r*  k 

Ich  bin  voll  mit  5  Silber  (P)-Stater-Kite  ''•'     ***  'J> 

J/59  n.  Chr.]  für  das  Kollektesilber  der  Isis  für  das  Jahr  5   des  Nero  Claudius  Cäsar  Augustus 
Germanicus  Autokrator. 

Geschrieben  im  Jahre  6   am   1 0 .  (?)  Mechir.« 


III.  Ostrakon  Berlin  Pap.  1658. 


£  AiJ^^-^l-'i. 


a.   Umschrift. 
!/•  >w  Pil-Bh  sl  Pi-dj-is-t  sttr-t  ht  (?)  FAr 

2  7?/  #tf  «7/  n  ^s-t  hsp-t  XI  Tibris 

3  Gluts  Gisrs  Sbstes 

4  Grmnks  iutugrter  sh  Pf-$rj(-n)-n!-ntr-w 
5.s/  Pj-dj-)s-t p!  hu-ntr  u  H-t 


Band  54.]  W.  Spiegelberg:    Demotische  Kleinigkeiten.  119 

b,  Übersetzung. 

»Es  hat  gebracht  Pibuchis,    der  Sohn  des  Peteesis,    5  Silber  (?)-Stater   als 
das  Kollektesilber  der  Isis  (für  das)  Jahr  11  des  Tiberius  Claudius  Cäsar  Augustus  [50/51  n.  Chi 
Germanicus  Autokrator. 

Geschrieben  von  Psenenteris,  dem  Sohne  des  Peteesis,  dem  Propheten  der  Isis. « 

IV.  Ostrakon  Berlin  Pap.  1657. 


1  S)//i  %£- 

<  ~ 


/ 


.„fit  <">H  '"*  u^s  *]  crr  '" 


a.  Umschrift. 

•j 

iSskuts  st  Pi-sJ-n-fym  pj  Ijm-ntr  n  Js-t  p>  nt  dd 

In  Ptj-Bh  st  Pi-dps-t  tu4  mh  n  M  (?)  sttr(4)  ht  (?)  V  hr  p 

$s~ti  n  Js-t  n  hsp-t  Vit  n  Ncrun 

4  Glutins  Gisrs 

5  Sbsts  Gt[r]mcnifa 

6 iutugr^tur  sh  n  hsp-t  VLt 
7  tpj  pr-t  sw  XVII 

b.  Übersetzung. 
»Sosikotes  (?),   der  Sohn  des  P-san-hmu1,   der  Prophet  der  Isis,   spricht  zu 
Pibuchis,   dem  Sohne  des  Peteesis.     Ich  bin  voll  mit  5  Silber  (?)-Stater-Kite  für 
die  Kollekte   der  Isis   für   das  Jahr  6    des  Nero  Claudius  Cäsar  Augustus  Ger-  [59/60  n.  Chi 
manicus  Autokrator. 

Geschrieben   im  Jahre  6   am    17.  Tybi.« 

Bemerkung. 
Aus  den  obigen  Übersetzungen  ergibt  sich,  daß  die  demotischen  Ostraka 
vollkommene  Gegenstücke  zu  den  griechischen  Xoyetot-Quittungen  sind.  Pibuchis 
ist  der  Zahler,  der  in  III  seine  Quittung  mit  der  bekannten  Formel  r  )n  N. 
»N.  hat  (die  Summe)  gebracht«  erhält,  während  bei  den  anderen  Stücken  der 
Zahlungsempfänger  (Psenenteris  oder  Sosikotes  |?])   dem  Pibuchis   erklärt:    »Ich 

')  Wohl  =  UmfpLoZs,  Preisigke,  Sammelbuch  4358.  4359.     Wilcken,  Ostr.  11  161 — 1G4.     Paul 
M.  Meyer,  Grieeh.  Texte  aus  Ägypten  S.  I(i0  Ostr.  Nr.  41. 


120  W.  Spiegelberg:    Demotische  Kleinigkeiten.  [54.  Band. 

bin  voll  mit  der  Summe.«  Denn  das  ist  gewiß  die  wörtliche  Übersetzung  des 
Ausdrucks  tu*i  mh  n '  ({mh^  n).  die  dem  Sinne  nach  dem  Quittungsausdruck 
U7r£%u}  »ich  habe  empfangen«  der  griechischen  Ostraka  entspricht2.  Als  Summe 
ist  jedesmal  »5  Silber  (?)-Stater-Kite«  genannt,  wie  ich  zweifelnd  übersetze. 
Der  Münzausdruck  beginnt  mit  der  von  Griffith  und  Thompson3  zweifelnd  qt 
gelesenen  Sigel,  deren  Bedeutung  oßoXog  feststeht.  Nimmt  man  die  Lesung  M  (?) 
sttr-t  an,  so  darf  man  vielleicht  an  den  Ausdruck  1  Kg.  9,  s  n«v.  cys'icRiTe  HCÄ/reepe 
»etwa  1/2  Kite  Stater«  erinnern,  mit  dem  rsTctprov  gikXov  upyvpiov  übersetzt  ist.  In 
den  griechischen  Ac7a'#-Quittungen  beträgt  die  Abgabe  für  die  Kollekte  der  Isis 
4  Drachmen  2  Obolen  (402.  415.  41.6.  417).  4  Drachmen  1  Obole  (413),  4  Drachmen 

3  Obolen  (416),  4  Drachmen  5  Obolen  (420),  5  Drachmen  (418).  Danach  könnte 
man  den  griechischen  Gegenwert  des  ägyptischen  Ausdrucks  in  der  Summe  von 

4  bis  5  Drachmen  vermuten,  etwa  so,  daß  eine  Stater  Kite  einer  Drachme  ent- 
spräche. Aber  mehr  als  eine  Vermutung  soll  das  nicht  sein.  Was  sich  sonst 
aus  einer  Vergleichung  der  griechischen  und  demotischen  Texte  ergibt,  mögen 
Berufenere  weiter  untersuchen.  Mir  lag  vor  allem  daran,  das  bisher  vorhandene 
demotische  Material  zu  den  Äoye/od-Urkunden  zugänglich  zu  machen. 

4.  Eine  unveröffentlichte  demotische  Weihinschrift  aus  Philä. 

Vor  etwa  10  Jahren  übersandte  mir  mein  Freund  Otto  Rubensohn  den  Ab- 
klatsch einer  auf  Philä  gefundenen  demotischen  Inschrift,  die  trotz  ihres  frag- 
mentarischen Zustandes  nicht  ohne  Interesse  ist.  Vor  allem  aber  sollte  sie  in 
einer  Sammlung  der  Philenser  demotischen  Inschriften  nicht  fehlen,  die  wohl 
einmal  ins  Leben  treten  wird4.  Ich  reproduziere  den  aus  der  römischen  Kaiser- 
zeit stammenden  Text  nach   dem  Abklatsch   (etwa  1j3  natürl.  Größe). 

Umschrift. 
1  [//  wäte-t  n  P;-th]m  (?)  si  n  Upk  .  .  rn  (?)  m>wte*J 
2[.  .  .  .  d]j  m-b!h  Js-t  n  Pr-Hü-w^b  Pr-yw-lk 
3  \ti  ntr-t  c/'jf  ti  sps-t\  nfr-t  tu*i  sbr  m-blh  P-nt  n!  tbh-w 

4 ]i  Ho{tyi  r  tij*t  nl-t  nfr-t  (?) 

5 \iü  Jwsic  ihre  n  icc  sp  tum  sm 

6 ]  (iihw  njj=t .  .  .  .'  nhw  >r4  U  .  .\  ." 

7  ]  .  .  .  IV-nw  yh-t  sw  IX  Jr4  p!  sti  n  (?) 

8 sw]  XIX  wtfci  tti  nl-t  (?)  r-W  htp  nli 

9 }=t  nH  c]üe*w  r  §m*i  tb4e*w  (?) 

10  [ ]  hü  bn-p-4  line  h]j  (?)«* 

')  Das  n  ist  in  IV  geschrieben,  während  I  und  II  es  ungeschrieben  gelassen  haben.  —  2)  So 
steht  es  auch  Ostr.  Straßburg  D  1564  tu=n  mh  n  p  rdb  l1/,.  Vgl.  griech.  "Et^ousv)  -o  -s?.(oc)  tt>.y)oyi<;, 
Wilcken,  Ostr.  1071.  —  Ferner  D  1173  tuHmh  (n)  swn.  —  Die  Wendung  ist  schon  im  Neuägyptischen 
zu  belegen.  Ägypt.  Zeitsch.  43  (1906)  S.  37.  tu-i  mh-kwj  m  swn-t  Jrj.  --  3)  Siehe  Thompson,  Theban 
Ostraka  S.  28*.  --  4)  Einen  Anfang  dazu  hat  Brugsch  in  dem  5.  Bande  seines  Thesaurus  gemacht.  — 
')  Gewiß  nicht  <"hc-xc.  —  u)  Weder  die  Lesung  sp  noch  wm  erscheinen  mir  möglich. 


Band  54.]  W.  Spiegelberg:    Deniotisehe  Kleinigkeiten. 

11 \w  (?)  n  tj  n  p>  hrw  r  hrj  tun  rh-s  dd  Iwh 

12 js/  (?)  nii  tr=iu  hpr  n-^md  r  ^rst  htp 

1&nH ]  H  ^s-t  H  r  (?^  Jr  nhw  (?)  säms-w  n  .  .? .  . 

14 J  .  .  .  .  hrj  r  $r*t  tj  n-n  U  (/med 


121 


/  /: 


J  I  /» V  •-■ 


4« 


*j<  ii-^ CT/vi 

I     -   ri    ' 


Übersetzung. 
»l[Die  Weihinschrift  (I)   des  Pach]om,    des  Sohnes  des  .  .?.  ..    seine  Mutter 

heißt  2[ t  bleibt  hier]  vor  Isis  von  dem  Abaton  (II)  und  Philä,  3  [der  großen 

Göttin,  der]  schönen  [Edlen]  (III).    —   Ich   flehe  (IV)   vor   der   (Göttin)    der   Bitten 

4[ ....].    Ich  bin  zu  deinem  schönen  Quai  (?)  (V)  gekommen  5[ ] 

indem  sie  allesamt  traurig  waren  (sind).    Wir  segnen  ®[ um]  sie  am  Leben 

zu  erhalten.     Deine sind  sie.     Ich  feierte  ein  Fest  7  [ ]  ■  •  •   am 

9.  Choiak.    Ich  machte  die  Liturgie  für  8[Isis,  die  große  Göttin,  am]  19.  [ ]. 

Ich   habe   mich  an  diesem  großen  Quai  (?)  (V)  niedergelassen.     Sei  mir  gnädig  (VI),  9  |  große 
Göttin]  Isis.     Diese  Vergehen  (?),  wegen  derer  10  [ich  in  deinen  Tempel]  gegangen  bin, 

ohne  daß  du  (es)  befohlen  hast.    Ich  bin  gekommen  H  [aus  eigenem  Antrieb ] 

von    heute    an.     Ich  weiß,    daß    eine  Sünde  12  [auf]  mir  [lastet.    Deswegen]    ist  mir 

Zeitschr.  f.  Agypt.  Spr.,  54.  Band.  16 


122  W.  Spiegelberg:    Demotische  Kleinigkeiten.  [54.  Band. 


alles  dieses  geschehen.     Sei  [mir]  gnädig  (VI)  13[ (VH)],  o,  (ATII)  Isis, 

o,    mache ^  [ ]  .  .  .  .      Gib    uns    Stärke  (IX)!« 

Kommentar. 

I.  Die  Ergänzung  des  Anfangs  nach  dem  Schema  der  Philenser  Weih- 
inschriften  Brugsch,   Thesaurus  S.  1 0 0 3  ff. 

II.  Das  Abaton  lag  nach  der  überzeugenden  Beweisführung  von  Junker  (Das 
Götterdekret    über   das  Abaton  S.  32 ff.)   auf  der  Insel  Bigge,    Philä  gegenüber. 

III.  oder  auch  nach  der  Inschrift  des  Trrmn  (Hess,  Rosettana  S.  51)  \t! 
utr-t  tj-t  t>  khh-t]  rifr-t  [»der  großen  Göttin  des]  schönen  [Brunnens  (P)]1« . 

IV.  Dieselbe  Schreibung  des  alten  qa  auch  in  der  eben  erwähnten  In- 
schrift Zeile  2  (Hess,  Rosettana  S.  52).  Daneben  findet  sich  in  den  Philenser 
demotischen  Inschriften  aucli  die  hieratische  Form  ^®d(  spr^w  Brugsch, 
Thesaurus   S.  1028.  1036. 

V.  Zu  diesem  Worte  vgl.  Ägypt.  Zeitschr.  51  (1913)  S.  69  und  meine  Be- 
merkungen im  Petubastisglossar  Nr.  190.  Die  mehrfache  Verbindung  mit  Isis 
könnte  an  die  "l<nÄ  ty^q  %u)y.oLTcq2  denken  und  für  das  Wort  itl-t  die  Bedeutung 
»Damm«  vermuten  lassen.  Doch  möchte  ich  hier  eher  auf  einen  Namen  für  die 
Quaianlage  von  Philä  raten,  an  der  die  frommen  Pilger  landeten. 

VI.  r->r*t  (=  neuägypt.  0  an  *""  Jj  ^-yKH)  ist  die  emphatische  Form,  wie 
in  der  Philensis  23  (Thes.  1021)  r-)r=t  stm  »erhöre!«  und  wohl  auch  Nr.  10 
(Thes.  1028)  r-h-A  Vj  nii  »komme  zu  mir!«.  Dafür  schreibt  Phil.  13  (Thes.  1011) 
auch  J-V=/  tj  nii  »gib  mir!«. 

VII.  säms  findet  sich  auch  Pap.  demot.  Berlin  83513/2.  Die  Lesung  smt  ist 
ausgeschlossen.  Die  ganze  Stelle  ist  mir  aber  dunkel.  In  der  letzten  Gruppe 
wird  kaum  si   »Schutz«    stecken. 

VIII.  Dieselbe  Schreibung  dieser  Interjektion  (s.  Sonnenmythus-Glossar  Nr.  30) 
auch  in  der  demotischen  Inschrift  von  Dakke  Nr.  156   (Thes.  1036). 

IX.  Dieselbe  Wendung  Phil.  Nr.  10  (Thes.  1028)  mtu*t  tj  nii  ti  gme-t  »gib 
mir  die  Kraft!«,     gme-t  ist  wohl  mit  &om   »Kraft«    (fem.)  identisch. 

Inhalt. 
Soviel  auch   von   der  Inschrift  verlorengegangen  ist,   so  ist  doch  über  ihren 
Charakter  kein  Zweifel  möglich.   Sie  ist  eine  Weihinschrift3  (demot.  wäte-t  [oira>.urTe], 

')  Ist  kbh-t,  das  übrigens  von  dem  männl.  kbhio,  dem  Namen  des  Kataraktenlandes  (Sethe, 
Unters.  II  68),  zu  unterscheiden  ist,  etwa  der  Name  für  den  Brunnen,  in  dem  sich  der  von  Strabo 
(17  I  48)  beschriebene  Nilmesser  befand;'  —   *)  Siehe  dazu  Wilcken,  Ostraka  I  S.  333. 

'•)  Für  die  Bedeutung  von  icst  sei  an  I  Kh.  3  10  erinnert,  wo  es  von  Ne-nefer-ke-Ptah  heißt: 
sm  N.  Im  h-t-ntr  r  wste  »N.  ging  in  den  Tempel,  um  zu  verehren«  (seine  Andacht  zu  verrichten), 
und  zwar  im  Anschluß  an  eine  Prozession.  Manche  der  wst  genannten  Weihinschriften  mögen 
solche  Tempelbesuche  inschriftlich  verewigt  haben. 


Rand  54.] 


\Y.  Spiegelberg:    Demotische  Kleinigkeiten. 


123 


griech.  Tvpc<jy.\)VY\\x<£),  die  ein  Mann  namens  Pachomios  in  dem  Isisheiligtum  von 
Philä  hat  anbringen  lassen.  Habe  ich  recht  ergänzt  und  erklärt,  so  hat  er  da- 
mit ein  Gelübde  erfüllt.  Die  fromme  Pilgerfahrt  zu  der  Isis  von  Philä  sollte 
die  freiwillige  Sühne  für  eine  Sünde  sein,  über  die  uns  die  Inschrift  infolge 
ihrer  Zerstörung  leider  keine  nähere  Auskunft  gibt. 


5.  Ein  neues  Bruchstück  der  Straßburger  Partheniosinschrift. 

Von  der  im  51.  Bande  dieser  Zeitschrift  (S.  81  ff.  Taf.  IV)  veröffentlichten 
demotischen  Inschrift  des  Parthenios '  hat  sich  noch  ein  weiteres  Bruckstück 
gefunden,  das  durch  Ludwig  Borchardts  gütige  Vermittlung  im  Juni  1914  gleich- 
falls in  die  ägyptische  Sammlung  der  Universität  Straßburg  gelangt  ist.  Das 
hier  abgebildete  Stück  (0,18  m  X  0,21m)  gehört  an  den  unteren  Rand  der  Stele 
und  schließt  sich  an  das  rechte  untere 
Bruchstück  (c  der  Tafel)  an.  So  ergibt 
sich  folgender  Text,  bei  dem  ich  die 
Zeilenzahl  der  großen,  bereits  veröffent- 
lichten Inschrift  beibehalten  habe. 

Umschrift2. 


26.  .  .  .]  mumj>tiit-nfr-tn!(?)  [ 

27 .  .  .  .]  jr  md-t  nl-nfr-t  wte  nlj  (?)[.. 

2&mtu*t  tj  hpr4  hn  ntjzths-w  [ 

29  wc  eg-sfin  nfr  ^w  hpr  (?)=/  //-yii/=f 

sh  n  hsp-t  [ 


Übersetzung. 


26 ]  wie  einen  schönen  Weg  .  .  .  [ 

27 ]  .  .  .  .   eine  schöne  Sache  machen".     Sende  mir  | 

26  Du  läßt  mich  unter  deinen  Ausgezeichneten  sein  [ 

29  ein    schöner    Befehl,    der  an  ihn  erging4. 

Geschrieben  im  Jahre  [ « 

Die  letzten  Worte  zeigen,  daß  die  große  Straßburger  Inschrift  mit  der 
Datierung  schloß,  die  man  sich  nach  den  Eingangsworten  ergänzen  mag.  Leider 
ist  die  Jahreszahl  nicht  mehr  erhalten. 


J)  Das  S.  87  abgebildete  Bruchstück  XIII  steht  übrigens  auf  dem  Kopfe.  —  2)  Die  durch 
untergesetzte  Punkte  bezeichneten  Wörter  befinden  sich  in  dem  bereits  veröffentlichten  Text,  an 
den  das  neue  Fragment  anschließt.  —  3)  Etwa  «Gunst  (Gnade)  erweisen«:1  In  der  Rosettana 
ist  md-t  nfr-t  —  %dotg.  —  4)  Vielleicht  »ein  schönes  Los,  das  ihm  zuteil  wurde«.  Die  Bedeutung 
von  cs-shi  ist  sehr  vieldeutig. 

16* 


124  W.  Spiegelberg:    Demotische  Kleinigkeiten.  [54.  Band. 

6.  Der  Name  OoirropxHc;. 

In  den   demotischen  Texten  der  Ptolemäerzeit  findet  sich  nicht   selten  ein 
n.  pr.  Thictj-^r-rh-s  (J^Ji]-<2>-  ~  1(5    oder   I       höJ.   für  dessen  demotische  Form 

ich  Pap.  Brüssel  Vb/33  CYv^ry  *»f  t^'  wähle.  Dazu  kann  ich  jetzt  eine  grie- 
chische Wiedergabe  mitteilen,  die  ich  in  einem  Mumienetikett"  gefunden  habe, 
dessen   vorzügliche  Pause  ich  Jean  Jacques  Hess   verdanke. 

Der    demotische    Text  r  ^ 

lautet   danach:  <f~*    I        USLJÜ   f  _[        ^=Z3    "*  I 

»Es    lebt    deine3    Seele    ,.         f  >-     I 

vor  Osiris,   dem  Ersten   des  <   \  Z-  Qj  )  »  F/j»aJ  3"*  A  ?//  > )  ^   V 

Westens,   dem  großen  Gott,  . 

dem  Herrn  von  Abydos  —     ^J    /    \    ~>   / f*  ^i      SA  ^  ^\         1/ 

Thivtj-rh-s,     der    Sohn     des  J^ 

gleichnamigen,  seine  Mutter  /      J   K      » .    ^  ■ 

(heißt)   rc-nesti.* 

Griechisch:  ®ovrop%YisfjLYi- 

Unser    Name    ist    also       ^  '  F        r— jj 

®GVTop%vjs  wiedergegeben.  Er  0                           | 

bedeutet  »Thoth  kennt  ihn«  y  ^.^  ?\    2£  /     $  ( «  ?  C^p  J  >-j^  /aJ  -»*-» 

oder  »Thoth  kennt  es«.     In  ^                                                                         .   ^ 

ersterein   Falle    würde    sich  *■*>  &lo  Jj  I  <V    )/  \*J    *>' 

das  Objektspronomen  auf  den        Q  O  l^TÖ /*  X /""f  C  JJyj  I    f  f^  vT 

Träger  des  Namens  beziehen,  .     L       ^  .    i  / 

"7 — F^  hH  r—  C  L^- 

während  das  » es «  der  zwei-  ^^ 

ten  Übersetzung  pleonastisch5  gedeutet  werden  könnte.  Dann  würde  »Thoth 
kennt  (weiß)«  den  ägyptischen  Gott  der  Weisheit  bezeichnen,  der  ja  als  nb  rh 
»Herr  des  Wissens«  (Mythus  vom  Sonnenauge  9,  23)  bezeichnet  wird.  In 
dem  Eigennamen  liegt  der  nominale  Nominalsatz  ohne  Kopula  mit  nachstehen- 
dem relativischen  Prädikat  (Setiie,  Nominalsatz  §  43)  vor,  also  eine  Bildung  wie 
(J      _'-<2^  »Amon    ist  es,    der  ihn  (sie)   geben  tat«,    ein  n.  pr.,  für  das  die 

I    MAAAA  H L 

Transkriptionen  '\\xvprcaog,  \\xoprcaoq  und  'A.fjLovopToi'i<ngc'  bekannt  sind.  Danach  ist 
auch  der  Name  Thicfj->r-rh-*w  (st)  zu  übersetzen  »Thoth  ist  es,  der  ihn  (es)  kennen 
tut«.     Dabei  ist  beachtenswert,   daß  auch  der  neue  Name  für  das  präsentische 

J)  Andere  Beispiele  Rylands  Pap.  S.  462.  Ostr.  Carnarvon  1911  (unveröffenti.),  Revillout, 
Melanges  S.  51.  —  '•)  Britisches  Museum,  von  Hess  nicht  mit  Nummer  bezeichnet.  —  3)  Die 
2.  Person  der  Anrede  statt  der  3.  Person  ist  recht  selten.  Ein  solches  Beispiel  bei  Möller,  Mu- 
mienschilder S.  6.  —  4)  Daß  in  diesem  Namen  AiouvtIk  steckt,  ergibt  sich  aus  dem  weiter  unten 
mitgeteilten  Mumienschild.  —  •)  Siehe  Mythusglossar  Nr.  477.  —  ,;)  Griffith,  Rylands  Pap.  III  S.  193. 


Rand  54.J  W.  Spiegelberg  :   Demotische  Kleinigkeiten.  12.t 

aktive  Partizipium  von  Jrj  den  Bildungsvokal  o  zeigt,  wie  in  3AfJLovoprcü(rigt  'E<rop- 
rouog  (Edoprä'ig),  QoToprouog  (GoTcprciig),  'OßoarcpToi'ig1.  Daneben  finden  sich,  wie  sich 
aus  der  Zusammenstellung  von  Griffith,  a.  a.  0.  (Etsctuic,  'Ofoti'eproüg),  ergibt, 
auch  Formen  mit  e,  und  es  mag  zweifelhaft  erscheinen,  ob  nicht  der  Vokal  o 
durch  Vokalangleichung  unter  dem  Einfluß  des  meist  vorhergehenden  Vokals  o 
entstanden  ist.  Die  ursprüngliche  Vokalisation  wird  *  T/nit-or  (oder  -er-)  -erches  od.  ä. 
gelautet  haben.  Dabei  sind  die  beiden  r  der  Nebensilbe  (nach  Sethe,  Verbum  II 
§  59)  zusammengefallen.  In  der  Variante  des  Namens  Qorcp^g  (Pap.  Par.  137) 
würde,  falls  die  Lesung  richtig  ist.  das  %  wie  auch  sonst  in  griechischen  Tran- 
skriptionen (z.  B.  'Apoßhjs  Wiener  Ostr.  neben  \pÄy^v\g  Pap.  Teb.  I)  nicht  wieder- 
gegeben sein.  Während  die  älteren  ptolemäischen  Schreibungen  noch  etymolo- 
gisch richtig  schreiben,  bringt  die  spätere  Schreibung  der  römischen  Kaiser- 
zeit den  lautlichen  Tatbestand  zum  Ausdruck'.  Ja,  für  diese  Epoche  läßt  sich 
durch  das  folgende,  gleichfalls  von  Hess3  abgezeichnete  Etikett  zeigen,  daß  der 
alte  Name  gelegentlich  gar  nicht  mehr  als  ägyptisch   empfunden  wurde. 

(i.   Demotisch  er  Text.  />.   Griechisch. 

•Pill!,  Sohn  des  T/rutrk/is,  seine  Mutter  WroXXoLg  ®orop%i(rrog 

(heißt)  Tcn*sii,  aus  Psonis,  50  Jahre  alt.  ß'^rpog  Aiovvaiocc 

Seine  Seele  geht  vor4  Osiris  Sokar,  ino  Wi/ewc  tag  (erwv)   v 
den  großen  Gott,  den  Herrn  von  Abydos. « 

Hier  ist  also  das  n.  pr.  ®ovrop%v\g  als  r—,  @  o  _£=&  rj-,  (7~p  I  [X,  T/iutrkhs  wieder- 
gegeben, als  ob  es  ein  griechischer  Name  wäre.  Dabei  ist  die  Genitiv  (?)  -Endung 
von  @c7op%v\g  —  so  wird  man  wohl  erklären  müssen  —  auch  recht  seltsam. 
Liegt  etwa  eine  Verschreibung  für  &cTop%v\Tog  vor5?  An  der  Identität  der  Namen 
ist  gar  kein  Zweifel  möglich,  denn  die  beiden  Mumienschilder,  die  in  dem- 
selben Familiengrabe  gefunden  sein  mögen,  beziehen  sich  auf  dieselbe  Familie. 
Die  starken  Verschiedenheiten  in  der  Schreibung  der  Eigennamen  sowohl  in  den 
griechischen  wie  den  demotischen  Texten  beweisen  nur,  daß  sie  von  verschiedener 
Hand  herrühren.     Aus  den  beiden   Stücken  ergibt  sich  folgende  Genealogie: 


l)   Griffith,    Rylands    Pap.  III   S.  193.    —    2)    Zu    den    Schreibungen   von    rh    vgl.  Griffith, 
Stories  of  the  High  Priests  S.  106  und  Reich,  Recueil  XXX  (1908)  S.  90  ff.  —  3)  Britisches  Museum, 

89 

von  Hess  10— 14  bezeichnet.  —  4)  Zu  dieser  mir  nur  aus  diesem  Mumienschilde  bekannten  Formel 

50 

vgl.  die  Wendung  H  meiner  Sammlung  (Demot.  Studien  I  S.  6)  N.  N.  iw--f  sn-nc  n-bih  Wsjr  pij  ntr  a. 
—  5)   Eine  andere  Gräzisierung  unseres  Namens  wird  in  Qotoo^svttyig,  Pap.  Petrie  II  66.87,  vorliegen. 


126  W.  Spiegelberg:    Demotische  Kleinigkeiten.  [54.  Band. 

®ovTop%^g  Abwertet 

(©oropxtcrroi?)^^'  \.         (Tevecriot) 

QovTopxflg  und  IItcaAäs  waren  also  Brüder. 

Noch  eine  Bemerkung.  Griffith  hat  a.  a.  0.  zweifelnd  zu  Thwtj-^r-rh-s  den 
griechischen  Namen  ®orpwt<n$l  verglichen.  Dieser  hat  aber  nichts  mit  unserem 
Namen  zu  tun,  sondern  ist  zweifellos  der  demotisch  mehrfach  belegte  Personenname 

2—  ;il  S  \3s  '  Ä  $  (llls-^ä-  Tkwtj-rjs  »Thot  wacht«  oder  »Thot,  wache!« 
seil,  über  dem  Träger  des  Namens.  Danach  ist  auch  der  vor  kurzem  von 
G.  Steindorff  (Ägypt.  Zeitschr.  53    [1917]    S.   146)   veröffentlichte   Eigenname 

KikJJl — 1/1  £ft    I  Wl     Pn-tl-h-t-rjs   als   theophorer   zu  fassen    »der  (Gott)  des 
Tempels  wacht«   oder   »du  (Gott)  des  Tempels  wache!«  °'^,  Ji — i  >>(^er  ^es 

Tempels«  ist  also  ein  Gottesname,  zu  dem  man  den  Lagergott    ^   ^f\  \^  0  QA  TO 


n_fl    Pn-pt->h?j  der  Briefe  von  El-Hibe  (Agypt.  Zeitschr.  53  [1917]  S.  3) 

vergleichen  mag.   Derselbe  Gottesname  steckt  auch  in  dem  n.  pr.    ^  TK  I    , ,  tfi    $£ 

Pn-tl-h-t-nht  »der  (Gott)  des  Tempels  ist  stark«. 


7.  Ein  demotisch-griechisches  Mumienschild  aus  dem  Jahre  256  n.  Chr. 

Unter  den  mir  von  J.  J.  Hess  freundlichst  übersandten  Pausen  von  Mumien- 
schildern des  Britischen  Museums  befindet  sich  auch  das  folgende  Stück5: 

/  3 


1)  Ein  anderer  Marne  dieser  Bildung  ist  &pevouxri(;  (Wilcken,  Ostraka  Index  469).     Für  die 
ältere  Zeit  vgl.  j£<  V\  "^  \  -^  ®  |  W  Pap.  Brit.  Mus.  10053,  3/11,  10054.  2/8.  3/3. 

2)  Revillout,  Chrest.  demot.  S.  282,  Pap.  demot.  Heidelberg  728. 

3)  Auch  aus  Pap.  Turin  96  11/4      D    iL    Y\  ^L  <  >  M  -^  V&   bekannt. 

4)  Pap.  Turin  (Lieblein)  4,7;    Pap.  Tui-in  (Pleyte-Rossi)   126,5;    Pap.  Mayer,  Liverpool  C  6; 


Pap.  Brit.  Mus.  10053,  6/5.  —  5)  Mit  der  Signatur  10-14 


Band  54.]  W.  Spiegelberg:    Demotische  Kleinigkeiten.  127 

c-trj  ae^n  -m  ° c  a°iMK 

e  g  I  Co  c  t-w  fxK  fl  6fJ 

ö.   Demotischer  Text. 

»Es  lebt  seine  Seele  in  Ewigkeit,  um  zu  dienen  (folgen)  dem  Osiris-Sokar, 
dem  großen  Gotte,  dem  Herrn  von  Abydos  —  Pschai  Hc(?)lbJnin,  der  Sohn  des 
P-schen-t-seJien-p-ckl,  seine  Mutter  (heißt)  Bes,  der  Mann  von  Psown1.  Er  war 
52  Jahre  alt.« 

b.   Griechischer  Text. 

¥ci'is  cAßa,v7vic  ^ev<7ev7rs?^eiXiog  iuoi\XY[  (v). 
'EßiüüG~ev  ervi  zevTYixovTot,  L  y 

H0V7rXlU)V  JlW/jWV  v\ 

Das  größte  Interesse  bietet  die  Datierung  am  Schluß  des  griechischen 
Textes.  Sie  geht,  wie  mir  Preisigke2  zeigte,  auf  die  Samtregierung  des  Publius 
Licinius  Valerianus  und  des  Publius  Licinius  Valerianus  Gallienus,  neben  denen 
als  Dritter  Publius  Licinius  Cornelius  Valerianus  als  Cäsar  (Kronprinz)  herrschte. 
Die  Abkürzung,  die  auf  dem  allen  drei  Herrschern  gemeinsamen  Namen  Publius 
beruht,  ist  meines  Wissens  nur  durch  dieses  Mumienschild  bezeugt  und  mag 
vielleicht  eine  volkstümliche  Bezeichnung  sein.  Das  Datum  entspricht  dem 
3.  Mai  256  n.  Chr. 

8.  Die  demotische  Schreibung  der  Göttin  Rc-t-tiwj. 

In  dem  Ägypt.  Zeitschr.  40  (1909)  S.  112ff.  veröffentlichten  demotischen 
Ostrakon  Straßburg  Nr.  1845  ist  der  Name  einer  Göttin   /  S\  f       genannt,  dessen 

Lesung  mir  erst  jetzt  geglückt  ist,  nachdem  ich  ihn  besser  erhalten  auf  zwei 
anderen  Scherben  derselben  Sammlung  gefunden  habe.  In  Nr.  1366  erscheint  die 
Gruppe  als  1%  0.  >  m  Nr.  1640  ais  M(«  •  Danach  besteht  kein  Zweifel  an  der 
Umschrift   ,  J)  <=^  ß\  Rc-tlwj.     Es  handelt  sich  also  um  die  Re-t-thüj  (vokalisiert 


l)  =  ^üw«  im  achmimischen  Gau,  das  Gauthier,  Bulletin  de  l'Institut  Francais  d'Archcologie 
Orientale  IV  (1905)  S.  73,  mit  dem  heutigen  Bassouna  identifiziert  hat.  —  2)  Er  verweist  auf  Pap. 
Oxy.  1187,  1273,  1277  CPR.  176. 


1  2N  W.  Spiegelberg:   Tvjjoi^wxic.  [54.  Band. 

etwa  Ra-towwe,  gräzisiert  etwa  tRatus1)  »die  weibliche  Sonne  der  beiden  Län- 
der«, die  als  Lokalgöttin  von  Hermonthis  bekannt  ist'2.  Da  die  drei  genannten 
Scherben5  auf  thebanischem  Boden  gefunden  sind,  wird  man  sich  nicht  wundern, 
in   ihnen  einer  in  Hermonthis  verehrten  Gottheit  zu   begegnen. 


Thiovxowgic;. 

Von  Wilhelm  Spiegelberg. 

Zju  den  theophoren  Bildungen,  die  am  Ende  des  Neuen  Reichs  zum  ersten  Male 
auftauchen,  gehören  auch  die,  welche  den  Menschen  als  »Teil,  Hälfte«  des 
Gottes  bezeichnen4,  einmal  die  Bildung  ti  pss-t  n(t)  n.  d.  »die  Hälfte ''  des  Gottes*5« 
und  dann  die  sinnverwandte  Namensbildung  ti  dnj-t  n(t)  n.  d.  »der  Teil  des  Gottes«, 

■-71  C  ' — "3  *wv^a 

z.B.  Agypt.  Zeitschr.  85  (181)7)  S.15  Z.  24  ^<6v  ™  ffS^  LDyn-  22l  Rec-  18 
(1896)  S.IT^n0^^^  [Dyn.  92]  Ti-dnf-t-n-Bst-t  »der  Teil  der  Göttin 

_CT?5>  /WWV\        I    /WW\A  Vj 

Bubastis«,  Kairo  22121  (Catal.  general  —  Steles  Ptolem.)  ^^Q/*  ^8%  J 
[ptol.]  Dnj-Un-Enmw  »Teil  des  Gottes  Chnum«,  Kairo  22051  °  Uft  J^™$ 
[ptol.]  T(j)rdn(j'f)(-n)-Hm  »Teil  des  Gottes  Atum«,  ferner  Ägypt.  Zeitschr.  7  (1869) 
S.  1347  ö()^>  ®  1  J)  [Dyn.  22?]  ])><j(-t)-)t{t)-Qnsw   »Teil  des  Gottes  Chons«. 

/VW\AA       1   /WV\M  MWW     T      i l 

Als  Birch  diesen  Namen  a.  a.  0.  bekanntmachte,  vermutete  er  in  dnj  das  erste 
Bildungselement  des  Namens  Tve-tyayßos,  der  inzwischen  (Rec.  25  [1903]  S.  190) 

')  Vgl.  Somtüs  aus  Smi-tiwj.  -  -)  Siehe  dazu  Sethe,  Unters,  z.  alten  Geschichte  V  S.  123 
und   145  Anm.  2. 

3)  Inzwischen  habe  ich  noch  ein  weiteres  Stück  in  derselben  Sammlung  (Nr.  1774)  ge- 
funden, in   dem  ein 

[Jmj(.y)\  wnw-t  n  Rc-üwj  ti  ntr-t  [«•*(?)]  »Horoskop  (?)  der  Ra-töwwe,  der  [großen?]  Göttin«  er- 
wähnt ist. 

')     Auch  das  n.  pr.  "%?  1      1  ^  ^  ^  Tij*f-dn(j-t)    »sein  Teil-    (Rec.  36   [1914]  S.  110)  wird 

theophor  mit  zu   ergänzendem  Gottesnamen  zu  erklären  sein. 

B)    Zu   dem   Worte  siehe  jetzt  Sethe,  Zahlwörter  S.  75  und   135. 

D 


'■)  Statt  vieler  Beispiele  nur  zwei:  q^\  q  xrirN.Jl  Legraiwj  Repertoire  S.  30  Nr.  46 

-£E^  l_A\_]  /wwv\  dl  \Jli  j-,       /WWVA       - 

ng    des    X.  R.  nicht    18.  Dynastie).      Rec.   travanx   30    (1908)    S.  87  q^\  nn  M  P  ^k 

ynastie). 

')  Transactions  Royal  Soc.  Literat.  X  (1874)  S.  193  und  Lieblein.  Dict,  noms  hierogl.  1352. 


U.uhI  ö4.]        K.  Sethe:    Die  Bedeutung  der  Konsonantenverdopplung  im  Sahidischen.  129 


eine  andere  Erklärung  gefunden  hat.    Wir  besitzen  aber  wirklich  eine  griechische 
Wiedergabe  des  ganzen   Namens  in  Thiqv%w<tig1. 

Dabei  ist  dnj-t  oder  ti  dnj-t  durch  rqi  wiedergegeben  mit  demselben  Abfall 
des  n.  der  auch  nach  dem  überzeugenden  Nachweis  von  Sethe  (Zahlwörter  S.  89) 
in  dem  koptischen  Derivat  toc:toi  vorliegt.  Dabei  lehrt  der  Wechsel  von 
3  dnj  und  tv_g  tj-t,  daß  das  n  bereits  am  Ausgang  des  Neuen  Reichs  abgefallen 
war,  ein  Befund,  der  ja  von  Sethe  schon  durch  andere  Belege  festgestellt  worden 
ist.  Die  gelegentliche  Nichtschreibung  des  Artikels  beruht  darauf,  daß  die  bei- 
den gleichen  Konsonanten  t  zusammengezogen  wurden",  d.  h.  daß  man  statt 
t-dnj-t  nach  dem  Übergang  der  Media  in  die  Tenuis  tnj-t  >  ty\i  sprach.  Selt- 
sam ist  es,  daß  der  koptischen  Vokalisation  oe:oi  griech.  v\i  entspricht.  Dazu 
möchte  ich  an  die  Schreibung  yivov  für  oivov3  erinnern  und  an  die  Wiedergaben 
des  n.  pr.  Pn-Gbg  durch  na,xo7ßig,  Uuxvißxig  und  von  Sbk-tfm  durch  Xvx&ToipLig,  wo  in 
Evnjfu?  auch  die  e -Vokalisation  t/jju  vorliegt,  sowie  an  -xotyig  neben  kopt.  RHne4. 
Das  genitivische  ln  ist  unter  der  Einwirkung  des  folgenden  6  von  -%w<rig  zu 
"n  geworden  mit  der  in  den  griechischen  Transkriptionen  so  häufigen  Vokal- 
angleichung5.  Danach  dürfte  es  keinem  Zweifel  unterliegen,  daß  der  Personen- 
name Tv\iov%wv<nc  auf  Ti  dnj't  n  Hnsiv   «der  Teil  des  Gottes  Chons«    zurückgeht. 


Die  Bedeutung  der  Konsonantenverdopplung  im  Sahidischen 
und  die  Andeutung  des  s  durch  den  übergesetzten  Strich. 

Von  Kurt  Sethe. 


Aus  der  Verdopplung,  die  im  sahidischen  Dialekte  die  Konsonanten  &,  \,  m, 
ii,  p  nach  einem  betonten,  in  offener  Silbe  stehenden  ?  zu  erfahren  pflegen, 
hat  Erman  den  Schluß  gezogen,  daß  auch  die  koptischen  Wörter,  in  denen  ein 
anderer  kurzer  betonter  Vokal  scheinbar  in  offener  Silbe  steht,  mit  Verdopp- 
lung des  folgenden  Konsonanten  zu  lesen  seien,  p^uje,  das  aus  räSwet  hervor- 
gegangen ist,  sei  räsSe,  eione,  das  aus  jöpwet  hervorgegangen  ist,  sei  jöppe  zu  lesen6. 


l)  Wilcken,  Ostraka  Nr.  681.  686.  1014  und  Pap.  Par.  5  Col.  44. 8  (die  letzten  Stellen 
verdanke  ich  einer  freundlichen  Mitteilung  von  Fr.  Preisigke).  --  2)  Sethe,  Verbuin  I  §  58.  Als 
Beispiel  einer  griechischen  Transkription  nenne  ich  <PSoi/.wi>SYit;  aus  Pl-IV-Mnt  »die  4  Montgötter«. 

—  3)  Mayser,  Papyrusgrammatik  §  15  S.  112.  —  4)  Siehe  dazu  Griffith,  Rylands  Pap.  III  S.  190 
und  267  Anm.  7.  —  5)  VgL  z.  B.  Sethe,  Unters,  zur  alten  Gesch.  Agypt.  II  S.  62  Anm.  3,  Sarapis 
S.  8.  —  Genau  einsprechende  Beispiele  für  das  genitivische  °n  sind  Xot-o-jrc  (Kl-n-P>-Rc),  BoxovtvJiuq 
(Bk-n-Tm).  —  6)  Sitzungsber.  d.  Berl.  Akad.  d.  Wiss.  1912,  S.  958  Anm.  3.'  Agypt.  Gramm. :!  §  98.  405. 

—  Daß  die  Verdopplung  des  &,  <V,  m,  n,  p  nach  «  die  Unterlage  für  diese  Auffassung  ist.  ist  dort 
nicht  gesagt,  mir  aber  aus  persönlichen  Gesprächen   mit  Erman  bekannt. 

Zeitsehr.  f.  Agypt.  Spr.,  54.  Baiukv  1  ' 


130  K.  Sethe:    Die  Bedeutung  der  Konsonantenverdopplung  im  Sahidischen.      [54.  Hand 


Dieser  Schluß  geht  von  den  Verhältnissen  der  deutschen  Sprache  aus,  die 
in  der  Tat  einen  kurzen  betonten  Vokal  in  offener  Silbe  nicht  kennt  und  da, 
wo  ein  solcher  Vokal  vorlag,  entweder  Dehnung  desselben  (z.  B.  Aristoteles, 
aristotelisch.  Philologe)  oder  Verdopplung  des  folgenden  Konsonanten  (z.  B.  Rasse, 
Ratte)  aufweist.  Andere  Sprachen  kennen  aber  den  kurzen  betonten  Vokal  in 
offener  Silbe  sehr  wohl,  ohne  den  nachfolgenden  Konsonanten  zu  verdoppeln. 
Vgl.  griech.  ijl&ols  neben  EAA>]v,  croßoc  neben  l\x\xct,  lat.  sümi/s  »wir  sind«  neben 
summus  »der  Höchste«,  catus  »Katze«,  änus  »altes  Weib«  neben  annus  »Jahr«, 
arab.  katala  I.   neben  kattala  IL   und  katala  III. 

Die  allgemeine  phonetische  Voraussetzung  zu  Erman's  Schluß  ist  also  nicht 
zutreffend,  dieser  selbst  unberechtigt.  Er  übersieht  zudem  ganz,  daß  jene  Kon- 
sonantenverdopplung  im  Sahidischen  nur  bei  bestimmten  Konsonanten  und  auch 
da  nur  nach  *  eintritt  und  daß  sie  in  diesem  Falle  nicht  selten  auch  da  er- 
folgt, wo  das  r'  keineswegs  betont  war  (z.  B.  ppo,  g\Xo,  eMio,  ppHT,  it.uMA.ej)1 
und  wo  also  jeder  Anlaß  zu  einer  wirklichen  Verdopplung  des  folgenden  Kon- 
sonanten fehlte.  Wäre  Erman's  Schluß  richtig,  so  sollte  die  Verdopplung  nicht 
bloß  nach  *  bei  &,  \,  m,  n,  p,  sondern  auch  nach  ä  und  6  und  auch  nach  e 
bei  anderen  Konsonanten  in  der  Schrift  zutage  treten.  Dafür,  daß  sie  das  nicht 
tut,  müßte  doch  notwendigerweise  ein  Grund  gefunden  werden. 

Tatsächlich  ist  die  Verdopplung  des  &  und  der  Liquiden  im  Sahidischen, 
die  eben  nur  auf  den  Fall,  daß  ein  *  vorangeht,  beschränkt  ist,  offenbar  eine 
Erscheinung,  die  mit  diesem  Laute  auf  das  Innigste  verknüpft  ist.  Die  Schluß- 
folgerung, die  daraus  zu  ziehen  ist,  bzw.  die  Erklärung,  die  dafür  zu  geben 
ist,  dürfte  eine  ganz  andere  sein. 

Die  Bezeichnung  des  dünn  gesprochenen  ',  wie  es  sich  im  Sahidischen 
besonders  vor  &,  \,  m,  h,  p  statt  des  vollen  e  (e)  einzustellen  liebt,  durch  den 
übergesetzten  Strich,  ist  gewiß  etwas  Sekundäres  gewesen.  Dieser  Strich  wird 
ein  erst  nachträglich  in  die  sahidische  Rechtschreibung  eingeführtes  Element 
darstellen,  gleich  den  hebräischen  Vokalzeichen.  Ursprünglich  wird  das  dünne  * 
in  geschlossener  Silbe  im  Sahidischen  gewiß  ebensowenig  in  der  Schrift  be- 
zeichnet worden  sein,  wie  bei  den  Südslawen  z.  B.  in  Wörtern  wie  Srb  (Serbe), 
Trst  (Triest).  Man  schrieb  eben  einfach  &K,  pjw.,  w,  gu)T&  für  ffl,  rgm,  *n,  höftb, 
wie  man  auch  uj  für  *s  (»können«)  und  o*ycoujT,  coiTn,  ncopuj,  cthm  für  wö&t, 
söfip,  pö~rgs,  'stem  usw.   schrieb. 

Wo  ein  solches  *  aber  in  offener  Silbe  und  zumal  in  betonter  stand  — 
und  das   kam   eben  nur  vor  6  und  den  Liquiden  vor"  — ,  hatte  man,   bevor  der 

')  Besonders  bemerkenswert  ist  das  Wort  -»Mio  »demütigen«,  das,  aus  d-hebjo  entstanden, 
das  *  ursprünglich  in  geschlossener  Silbe  hatte  (wie  tcRko,  -eJwco),  nun  aber,  da  das  i  (altj)  die 
rein  vokalisclie  Aussprache  i  angenommen  hat,  in  offener  Silbe  zeigt,  wie  die  Verdopplung  des  k 

erkennen   läßt. 

'-)  Vor  allen  andern  Konsonanten  hielt  sieh  das  betonte  e  in  offener  Silbe  in  der  Regel 
als   volles  e. 


I>;m<l  54.]  W.  Spiegelberg:    Koptische  Kleinigkeiten.  131 


übergesetzte  Strich  als  Zeichen  dafür  eingeführt  wurde,  kein  anderes  Mittel, 
die  richtige  Lesung  anzudeuten,  als  daß  man  den  auf  das  tY  folgenden  Konso- 
nanten doppelt  schrieb.  fe\\e,  gut/une,  *rppe  konnte  man  nur  b'/e,  hgme,  Vre 
lesen,  nicht  bh\  hme,  tri  oder  gar  'btr,  'hm?.  *tre,  wie  es  mit  einem  &\e,  gMe 
(vgl.  gjw.e  »vierzig«),  Tpe  (vgl.  Tpe  »Geier«)  geschriebenen  Worte  unfehlbar  ge- 
schehen wäre. 

Da  die  oben  S.  130  Anmerkung  1  besprochene  Form  nicht  mehr  thebjo  ge- 
sprochen wurde,  mußte  sie  efe&io  geschrieben  werden,  um  richtig  Wbiö  aus- 
gesprochen zu   werden. 

Die  Konsonantenverdopplung  nach  c  im  Sahidischen  würde,  wenn  diese 
Anschauung  zutrifft,  demnach  zunächst  eine  rein  graphische  Erscheinung  ge- 
wesen sein,  nicht  eine  phonetische,  für  die  sie  auch  Steindorff,  Kopt.  Gramm.2 
§  Hl.  46,  noch  ansehen  wollte.  Inwieweit  diese  graphische  Erscheinung  dann 
später  etwa  auch  eine  phonetische  nach  sich  gezogen  und  eine  wirkliche  Ver- 
dopplung des  doppelt  geschriebenen  Konsonanten  auch  in  der  Aussprache  zur 
P'olge  gehabt  hat,   stehe  dahin. 

Bemerkenswert  ist  jedenfalls  das,  daß  überall  da  im  Koptischen,  wo  eine 
etymologisch  begründete  alte  Doppelkonsonanz  zu  erwarten  ist,  der  betreffende 
Konsonant  ebenso  Avie  im  Altägyptischen  und  im  Semitischen  nur  einfach  ge- 
schrieben und  keineswegs  verdoppelt  erscheint,  z.  B.  n*oge  »Hälfte  <  passet 
<  passet,  cä.tc|  »ihn  werfen«  <  satte/ (von  crre  <  sTtet),  tk&o  »kühlen  <  d-kebbö. 


Koptische  Kleinigkeiten. 

Von  Wilhelm  Spiegelbekg. 


1.  £H   »Steinbruch«. 

In  meiner  Veröffentlichung  der  Steinbruch  inschriften  von  Gebel-Silsile1  habe  ich 
(S.  7  Anm.  7)  kurz  die  Gruppe  a—=»(l<?9^  hß't  besprochen,  mit  welcher  die  de- 
motischen Texte  den  »Steinbruch«  bezeichnen.  Sie  sieht  ganz  wie  das  alte 
Wort  h-t  kopt.  £h:£h  »Leib«  aus  und  lehrt  zum  mindesten2,  daß  das  alte  "^  ^ 
hi4  »Steinbruch«,  das  die  demotische  Schreibung  offenbar  wiedergibt,  die  Aus- 
sprache des  Wortes  »Leib«  (also  =  £h:£h)  hatte.  Sonst  würde  man  diese 
demotische  Gruppe  nicht  benutzt    haben.      Diese  Annahme   wird   nun    dadurch 


2)    Preisigke-Spiegelberu.  Ägyptische  und  griechische  Inschriften  .  .  .  aus  den  Steinbrüchen 
des  Gebel-Silsile.  Straßburg  191ö.  2)  Ich  lasse  also  dahingestellt,  ob  nicht  beide  Wörter  über- 

haupt identisch  sind,  ob  nicht  etwa  der  .Steinbruch  als  »Leib.  Bauch«  des  Gebirges  gedacht  wurde. 
Diese  Frage  wird  einmal    das  Wörterbuch   zu  beantworten  haben. 

17* 


132  W.  Spiegelberg:    Koptische  Kleinigkeiten.  [54.  Band. 

als  richtig  erwiesen,  daß  sich  ein  Wort  gH  »Steinbruch«,  wenn  nicht  alles  täuscht, 
tatsächlich  noch  im  Koptischen  nachweisen  läßt.  In  Ri.  (>,  2  heißt  es  in  der 
vortrefflichen  Ausgabe  von  Sir  Herbert  Thompson  von  den  vor  den  Midianitern 
Schutz  suchenden  Israeliten  ^tco  ^Trr^.ueio  h^v  us'i  nujHpe  Mnicpd.H'X.  £*.no' 
jtui&,tfc!0<8tM   nnoTcouj   eT£ii   mvroTreiH  •  .umiecnHA^iou  •  m«ji£h   niyATcoite   »x#i 

c~QlYttj0LV   SCtVTOlS  Ol  VIOl  '\<jpoLYj?<  U7T0  7rpo<7U)7TOV  MoLOlcUJ.  TOLQ  Tp'Uy.CtXlOLQ  TMS  SV  TOiq  optGl   Y.OLl   TOL 

g-yiAöliol  y.ciL  tu  koz\xcl(J7cl.  «  Es  sind  demnach  toi,  y.pqjL&tGTcL  »die  Abhänge«  od.  ä.2  durch 
i\£H  itujdwT-tone  wiedergegeben,  d.  h.  »die  £H  des  Steinbrechers«3.  Das  sieht 
so  aus,  als  habe  man  das  mehrdeutige  Wort  £h:  a)  Leib,  b)  Vorderteil,  c)  un- 
ortliographisch  »Art«  durch  den  Zusatz  als  »Steinbrecher-gH«  bezeichnen  wollen. 
Jedenfalls  liegt  hier  ein  unserem  »Steinbruch«  oder  ?,&otoimoc  sp.  AötrcjUtk,  lapi- 
cidina  entsprechender  Ausdruck  vor,  in  welchem  gH  die  Bedeutung  des  alten 
h?-t  »Steinbruch«  hat.  Der  Kopte  hat  demnach  den  griechischen  Ausdruck 
rot  y.psjxctdTol  »die  Abhänge«  od.  ä.  frei  durch  »die  Steinbrüche«  wiedergegeben, 
wenn  er  nicht  etwa  in  seinem  griechischen  Texte  ein  Wort  für  »Steinbruch«4 
vorfand. 

2.  caouT  »Weber«. 

Ludwig  Stern  hat  (ÄZ.  16  [1878]  S.  25  Anm.  2)  in  nencon  nn^n^&iKTiop 

nc^ujT  den  letzten  Zusatz  als  »der  Enthaltsame«  gedeutet,  offenbar  weil  er  das 
Wort  von  cooujt  »continere,  se  continere«  ableitete.  Diese  von  Stern  selbst 
als  zweifelhaft0  bezeichnete  Übersetzung  ist  neuerdings  von  Thompson"  als  sicher 
betrachtet  worden,  vielleicht  deshalb,  weil  das  von  Stern  seinem  Übersetzungs- 
vorschlag hinzugefügte  arab.  -**>\J\  zu  der  irrigen  Meinung  verführt  hat,  daß  er 
sich  auf  eine  koptisch-arabische  Skala  stütze.  Nun  bezeichnen  in  den  Grab- 
inschriften, zu  denen  auch  die  von  Stern  zitierte  koptische  Inschrift  des  Va- 
tikans gehört,  solche  Zusätze  hinter  dem  Eigennamen  in  der  Regel  Berufe,  z.  B. 
Sakkara  Nr.  294  [n]n^n&.  idJHoß  neKoyr,  177  imcon  gepe^m  itckoot  Miut>ift&.- 
.ueon  <5>&.MUje.  So  wird  auch  cä.ujt  eine  Berufsbezeichnung  und  wohl  nichts 
anderes  sein  als  das  Wort  »Weber«,  das  freilich  bisher  nur  in  den  Formen 
cioge :  cw^i  und  ujtit  bekannt  war,  oder  als  cö^t-  in  der  Form  des  Parti- 
cipium  conjunetum.  Unsere  Form  c&.ujt  »Weber«  ist  von  sht  *ciouje  »weben«  ge- 
bildet wie  pa^gT  »Wäscher«  von  rht  pcoge  »waschen«  ',  es  ist  also  eine  Nisbe- 
bildung  auf  /  von  dem  männlichen  Infinitiv  8$t8.  Demnach  existieren  von  sht 
»weben«    (cioge :  co)£i)  zwei  verschieden  gebildete  Nomina  agentis:    1.  ujtit  aus 


')    Lies  £&.<£o;'  *)  Das  Wort  ist  un«'£  XsyoiJisvov  und  in  keinem  der  großen  griechischen 

\\  örterbücher  verzeichnet.     Das  alte  Sonderwörterbuch  zu  den  Septuaginta  von  Schleusner  erklärt 
es  als  ..pendula   inontiuin  caeuinina«.  3)  ujö^t- ist  also  die  Form  des  sog.  Partizipiums  mit  imper- 

fektischer  Bedeutung.     Siehe  Seihe,  Verbum  II  §  958.  —  4)  Die  überlieferte  Variante  hat  xcti  {lv) 
to7s  oyyowxccriv.  -     "')    »scheint  zu  bedeuten«.  r')  Bei  Quibell,  Excavations  at  Sakkara  IV  S.  90 

Anm.  2.  --  7j   Vgl.  Sethe,  ÄZ.  44  (1907)  S.  94.    —   8)    Siehe  dazu  Sethe,  Verbum  II  S.  422  An- 
merkung. 


Band  54. |  W.  Si'ikgei.bekg:    Koptische   Kleinigkeiten.  133 

*seä(h)titej\  d.  h.  der  von  mir  Rec.  trav.  XVI  (1804)  S.  191"  besprochenen  No- 
minalbildung, 2.  ca>ujt  aus  *sas{h)t-j,  der  von  dem  Infinitiv  abgeleiteten  Adjek- 
tivform   auf  j. 

3.  eß*i  »Spitze«. 

Im  letzten  Bande  dieser  Zeitschrift  (53  S.  139  Anm.  7)  habe  ich  das  alt- 
koptische T&dJiTioT  als  Umschrift  von  ®  tpj  dw*f  erklärt.  Dabei  zeigt  T&&.I 
die  von  Sethe  (ÄZ.  44  [1907]  S.  93 ff.)  behandelte  Nisbeform  wie  £p^i:gpHi 
»oben«,  £p&.i:äpHi  »unten«.  Auffallend  ist  der  Übergang  der  Tenuis  p  in  die 
Muta,  der  sich  auch  abgesehen  von  dem  von  Sethe  (Verbum  I  §  213(7)  er- 
wähnten Fall  (vor  c^a  d),  z.  B.  in  eie&-  neben  eien-  (aus  jp-t-)  nacliweisen 
läßt.  Dieses  T&dä  »befindlich  auf«  gibt  nun  auch  die  Erklärung  für  das  bisher 
mißverstandene  Wort  e&*.i,  das  ich  aus  folgender  Stelle  kenne  (Amelineau,  Histoire 
des  monasteres  S.  186):  oiro£  ct^iu  eßoX  enepnv?  ^nogi  ep^ren  jvhujXhA.  otto^ 
it&.pe  oiroit  oTCRAen^pi  e^enmeß^i  itTe  ^-jieTp^  irre  üvftftes.  Au\u<\p\  tc  oto£ 
*aui^T  £Hnne  ic  ovcnrWoc  n^ptoM  ^.qogi  ep&.Tq  js-swq  eqepX^Miiiii  oiro£ 
eq^MOire  eAusiyco  eqcoci  e^pHi  eTt^e  »und  als  wir  zu  sieben  herausgekommen 
waren,  standen  wir  da  und  beteten.  Und  es  war  ein  Lichtschein  (?)3  auf  der  Spitze 
des  Felsens  (-n-erpu)  des  Abba  Makarios  und  wir  sahen  hin,  da  stand  eine  Säule 
(crTvXog)  von  Feuer  auf  ihr  (seit,  der  Felsspitze),  die  leuchtete  (Xdij.7reiv)  und  sehr 
strahlte,  indem  sie  sich  zum  Himmel  erhob.«  eisA.i  kann  in  dieser  Verbindung 
kaum  eine  andere  Bedeutung  als  »Spitze«  haben,  und  die  von  Peyron  s.  v. 
im  Anschluß  an  Zoega,  Catal.  651  Anm.  68  vorgeschlagene  Bedeutung  »cella, 
spelunca«  verträgt  sich  nicht  mit  der  Präposition  exen.4.  Habe  ich  in  eß^i 
das  Derivat  von  ®  richtig  ermittelt,  so  folgt  daraus  weiter,  daß  die  bisherige 
Lesung  tp  fiir   »Kopf,  Spitze«    durch  tpj  zu  ersetzen  ist. 

4.  Der  Berufsname  ^ttuj. 

Unter  den  von  Sir  Herbert  Thompson  herausgegebenen  und  bearbeiteten 
koptischen  Inschriften  des  Jeremiasklosters  bei  Sakkara  befindet  sich  als  Nr.  66 5 
auf  einem  Kalksteinpfeiler  das  Gebet  eines  ^i^oeeoc  mit  dem  von  dem  Her- 
ausgeber unübersetzt  gelassenen  Zusatz  rjjivimj".  Ich  glaube,  daß  dieser  eine 
Variante  von    n£fc.MUje    darstellt   und    in    dem    ersten  Teil    die  Nebenform    £ä.it 

')    Ebenda  I  §  59. 

2)  Den  dort  gegebenen  Beispielen  füge  ich  noch  hinzu  |  M{  ndtj  »Schützer«  (Erman, 
Gramm.3  §  43(L4),  <ffi>D^^K  J\  u.  varr.  (Brugsch,  Wb.  III  922)  %pwtj  »Späher«.  j|  IU>  blwtj 
»Schafhirt«  von  bi  »ovis  longipes«  (nach  Loret,  Faune  momifiee).  A'ielleicht  ist  "x.ooirr  impurns 
eine  Bildung  *(dswtj  von  o|    K5^ ^  c-;'  wie  2?°*"*  »männlich«   sicher  auf  cfawtj  zurückgeht. 

3)  Das  griechische  Wort  vermag  ich  nicht  zu  ermitteln.  Es  könnte  o-«Xe(*j)7r«3«oi'(<?)  od.  ä.  lauten. 
—  4)  Amelineau  hat  a.  a.  O.  dem  Sinne  nach  richtiger  übersetzt  »le  devant  du  rocher«.  —  5)  In 
Quibell,  Excavations  at  Sakkara  1907 — 1908  (III)  S.  48.  —  6)  Die  Lesung  ist  von  Thompson  als 
sicher  bezeichnet. 


134  W.  Spiegelberg:    Koptische  Kleinigkeiten.  [54.  Band. 

für  £*m  enthält,  die  auch  aus  £^Trnoirfe  var.  von  gaamo'V&i  mit  Artikel  t|»&.Tiiov& 

(Krau.,  Kopt.  Texte  11)9)  »der  Goldarbeiter«  bekannt  ist.     Demnach  wird  ^ttuj 
für  n^MUje  stehen  mit  Abfall  des  auslautenden  e  und  »Zimmermann«  bedeuten. 

5.  <xcopM  (S.):^uipcM  (B.)  »winken«  im  Altägyptischen. 

Wie  auch  heute  noch  das  koptische  Derivat  eines  ägyptischen  Wortes  das 
Verständnis  eines  altägyptischen  Textes  fördern  kann,  mögen  die  folgenden  Aus- 
führungen zeigen.  In  dem  Kap.  22  der  Sarkophagtexte  (ed.  Lacau,  Rec.  29,  145) 
verspricht  Horus  dem  mit  Osiris  identifizierten  Toten  u.  a. : 

»Ich  gebe  dir  deine  beiden  Füße, 
Du  gehst  und  bewegst  schnell  (?)  deine  Sandalen. 
Ich  gebe,  daß  du  läufst  mit  dem  Südwind, 
daß  du  eilst  wie  der  Nordwind. 


I 


r 


J\  °  s    W>  <=:>  K>V   -^^~  AAAAAA 


Dein  Gang  ist  wie1   der  Blick   des  Gesichtes. 
Eile  wie  das  Zwinkern  des   Auges!« 
In  den  letzten  Sätzen  soll  offenbar  die  Schnelligkeit  des  Gehens  geschildert 
werden,  und  dazu  werden  Vergleiche  gebraucht.    Der  Verstorbene  geht  so  schnell 


wie  der  Wind  oder  wie  das  Auge  sieht.    Was  ist  nun  ~      v\  j®>-w^  das 

a  :j_m^  a    I 

ich  durch  »Zwinkern  des  Auges«  übersetzt  habe?  Ich  glaube,  daß  uns  hier 
das  Koptische  auf  den  richtigen  Weg  hilft.  Dort  heißt  das  Verbum  »winken« 
«xcopM  :  srcopeM  »nuere«  und  steht  nicht  selten  in  bezug  auf  das  Auge,  wie  die 
folgenden  Beispiele  lehren,  die  ich  Lemms  Alexanderroman  S.  101  entnehme: 
Psalm  84,  19  »ctmoctc  mjwoi  ivxiivxh  eTxojpM  imeir&iv?V :  «He^MOc^  mmoi 
traiiraH  ev^üipeM  £eimoirfed».\  »oj  fjLicrovvTeg  jus  Swpeav  xul  SiavevovTsg  ccp^-otXfxoig«.  ; 
Fragm.  Golenischeff  "XtopM  gn  neq&evX  »mit  seinen  Augen  zwinkern«  ;  Jes.  3,  16 

A.TTMOOUje  gMUCTTM^K^  eq^OCC  M«  OTKIAi   IlÄdvX  :  iMTMOUJI  £€It  £Ä.nttdwg&I  €lT£OpUJ 

neu  oevitS'topeM  M&&A.  »xotl  E7rcpev§vi(7o(,v  v-^/yiXu)  Tpur/j\kw  xou  ev  vvj\xcl<jiv  o(p§a\iJ.w «  ; 
Prov.  6,  13    ueoq  ^e  cm  ujA.q^iopeM   ntieq&Ä.?V.    »o  frctvTog  ivvevei  ocpS-uXfjLui«. 

Das  Prototyp  dieses  koptischen  Verbums  haben  wir,  wenn  mich  nicht  alles 
täuscht,  in  dem  Sarkophagtexte  vor  uns.  Nur  muß  man  statt  °~~"  ^\  -*®~  ,  dessen 
zweiter  Konsonant  in  dem  einen  der  beiden  überlieferten  Texte  von  Lacau  als 
zweifelhaft  gegeben  ist,  °  It^-^-  trm  lesen  mit  einer  Änderung,  die  vielleicht 
der  hieratischen  Vorlage  entspricht,  in  der  o  und  <c=>  ja  oft  gar  nicht  zu  unter- 
scheiden sind.  Das  koptische  Derivat  «xcopM :  ^copcu  entspricht  auf  das  ge- 
naueste dem  altäg.  trm.     Sahid.  «x  :  boh.  <3  sind  bekanntlich  die  Konsonanten,  die 


')    rin  der  Bedeutung  "gemäß«:  oder  vielleicht  noch  besser,  wie  mir  Skthe  vorschlägt,  »Dein 
Gang  ist  schneller  als   der  Blick   des  Gesichtes.     Eile  schneller  als  das  Zwinkern  des  Auges!« 


Band  54.]  W.  Spiegelberg :    Koptische  Kleinigkeiten.  lo5 


altäg.  s=>  t  voraussetzen.     Das  Wort  ist  übrigens  auch  demotisch  als  1 1  _£=& 

[^ ^lj  Mythus  982  und  1 1  _Äsa  1 1\   *&  Pap.  Krall  N.  1   zu  belegen. 

Dieses  "  v\  -^5-  trm  » winken,  zwinkern,  blinzeln«  liegt  zweifellos  auch 
Totb.  125.  26  vor.  Wenn  eine  einzelne  Variante  des  Totenbuches  (ed.  Na  villi.) 
und  die  demotische  Version1  daraus  ein  Kausativum  von  rmj  »weinen«  machen, 
so  beweist  das  nur,  daß  spätere  Schreiber  mit  dem  seltenen  und  an  der  betreffen- 
den Stelle  nicht  leicht  verständlichen  Wort  nichts  anzufangen  wußten.  Denn  ein 
Präfix  t  als  Kausativbildner  ist  nicht  bekannt,  Was  aber  die  Unschuldsbeteuerung 
jener  Totenbuchsteile  ^s^~~^  f\  ,$^_v&  in  (?)  trirnj  »nicht  habe  ich  gezwinkert« 
bedeutet,  ergibt  sich  aus  einem  dritten  Beispiel,  das  ich  den  Sammlungen  des 
Berliner  Wörterbuches  entnehme.  In  dem  Grabe  des  Tij  zu  Theben  (Abschrift 
von  Sethe)   findet  sich  unser  Wort  in  folgender  Verbindung 

J*: 


i  £i 

~a   I 


J» 


U=fl 


/WwV\A 

/VWW. 
J     <0« 


»nicht  habe   ich  mit  der  Hand  zugewinkt. 


i^v 


nicht  habe  ich  mit  dem  Auge  zugeblinzt. 

nicht  habe  ich   ....... 

nicht  bin  ich  parteiisch   gewesen. 

nicht  habe  ich  getan,  was  der  Gott  verabscheut. « 
Wie  mir  Hr.  Geheimrat  Erman  bemerkt,  dem  ich  die  Stelle  verdanke,  zeigt 
die  Zusammenstellung  mit  ^^f^^^'  "Zeichen  geben«  (vgl.  Pap.  Koller  2,  5) 
und  nmc  »parteiisch  sein" «  (vom  Richter)  deutlich,  daß  vom  bestechlichen  Richter 
die  Rede  ist.  Daher  wird  trm  »zublinzen«  irgendwie  ein  ungehöriges  Verhalten 
des  Richters  bezeichnen,  der  etwa  durch  Zeichen  mit  Hand  (>rt  m  d-t)  oder 
Auge  (trm)  eine  Partei  zu  beeinflussen  sucht.  Und  das  wird  auch  der  Sinn  im 
Totenbuch  sein,  wo  die  Varianten  ^n  (?)  trm=j  Jcj  und  >n  (?)  V=/  trm  r  Jcj  »nicht  habe 
ich  einem  anderen  zugeblinzt«  bedeuten  werden  »nicht  habe  ich  mich  mit  einem 
anderen  (vor  Gericht)  durch  Augenzwinkern  verständigt«,  sei  es,  daß  an  den 
Richter  gedacht  ist  wie  in  der  Inschrift  des  27/-Grabes,  sei  es  an  die  vor  Gericht 
stehende  Person.  Vielleicht  gibt  eine  Übersetzung  wie  »nicht  habe  ich  einen 
Zeugen  vor  Gericht  beeinflußt«  den  ungefähren  Sinn  der  Totenbuchstelle  wieder. 


')    Siehe  Brugsch,  Wh.  III  S.  857   und  Lexa,  Demot.  Totenh.  I  32.    —    *)    Zu  dieser  Bedeu 
tunuj.  s.  Gabdiner,  Journal  <>f  Eg.  Arch.  I  (1914)  S.  '2li  Anm.  und  106. 


136  Miszellen.  [54.  Band. 


Miszellen. 

'a  imf-t,  Name  des  Steinbockweibchens  —    I   1t 'o  sm?-i,  Name 

der  Wildkuh.  —  F.W.  von  Bissing  hat  ÄZ.  53, 148  in  einer  Miszelle  «Über  die 
Verwendung  von  Musterbüchern  im  Alten  Reich«  auf  Grund  einer  bei  Klebs, 
Reliefs  des  Alten  Reichs  S.  63  abgebildeten  Darstellung  aus  dem  Sonnenheiligtum 
von  Abu  Gorab  vermutet,  daß  das  Wort  (1    1} 'o ,  das  bei  Davies,  Ptahhetep  II  19 

AA/VWA 

statt  des  gewöhnlichen  A^K  (volle  Form  nrl-w)  als  Benennung  des  Steinbocks  er- 
scheint, in  I      ~p  a  zu  korrigieren  sei  und  dort  nur  durch  ein  Versehen  des  Künstlers 

zu  dem  Bilde  des  Steinbocks  gesetzt  sei.  Diese  Vermutung  ist  indes  irrig.  Die 
Namensform  imi4  und  ihre  Anwendung  auf  den  Steinbock  wird  durch  Steindorff, 
Grab  des  Ti,  Tafel  128  (Brugsch,  Gräberwelt  10)  gestützt.  Nach  dieser  Stelle 
ist  es  wahrscheinlich,  daß  wir  in  dem  Worte  die  besondere  Benennung  für  das 
Weibchen   des  Steinbocks   zu   erkennen  haben;    denn  dort  lesen  wir:   tyri(Vc^ 


»das  Herbeibringen    eines  weiblichen  Tieres,    einer  tm?-i«    über    einem 


weiblichen,   von  seinem  Jungen   begleiteten  Tier  mit  Steinbocksgehörn. 

In   der  nächsten  Reihe  desselben  Wandbildes  ist  ein  männlicher  Steinbock  ab- 

gebildet,  der  die  Beischrift  Alk  hß  hat.    Bestätigt  wird  dies  durch  eine  Darstellung 

in  Benihassan  (Newberry  II  4,    dazu  Champollion,    Not.   descr.  II  360,   Lepsius, 

Denkmäler,  Text  II  96),   wo  ein  Steinbockweibchen  mit  der  Beischrift  (1    1? a  von 

einem  Männchen    mit  der  Beischrift  <=m>  nrhw  srefolg-t  ist. 


Der  Pluralis  des  Wortes  im$-t  findet  sich,  determiniert  mit  drei  Stück  ver- 
schieden gehörnten  Wüstenwildes,  deren  erstes  wieder  ein  Steinbock  zu  sein 
scheint,  in  dem  religiösen  Texte  Petrie,  Dendereh  pl.  37  A,  1.  189  erwähnt. 
Hiernach  scheint  das  Wort  neben  seiner  speziellen  eigentlichen  Bedeutung  Stein- 
bockweibchen auch  eine  allgemeinere  Verwendung  für  die  Weibchen  anderer 
Wildarten  gehabt  zu  haben,  ebenso  wie  im  Deutschen  die  Wörter  Kuh,  Bulle 
bzw.  Bock,  Kalb  nicht  nur  speziell  das  weibliche  Rind,  die  männliche  Ziege, 
das  Junge  des  Rindes  bezeichnen,  sondern  auch  allgemein  zur  Bezeichnung  von 
Weibchen  (Hirschkuh),  Männchen  (Elefantenbulle,  Rehbock)  und  Jungen  (Reh- 
kalb) anderer  Tierarten  verwendet  werden. 

Das  in  dem  Relief  von  Abu  Gorab  abgebildete  Tier  ist  die  »Wildkuh«  sm!-l, 
die  in  den  Pyramidentexten  sooft  als  göttliche  Mutter  des  toten  Königs  genannt 
wird  (Pyr.  388.  389.  729.  1370.  1566.  2003),  während  der  Name  des  Männchens, 
smi  der  »Wildstier«,  als  Bezeichnung  des  toten  Königs  selbst  bzw.  des  Osiris 
(Pyr.  481.  486.  625.  913.  944.  998.  1145.  1477)   oder  seines  göttlichen  Vaters 


Band  54.]  Miszellen.  137 

(Pyr.  201.  809)  vorkommt.  Nach  Pyr.  1124  ist  dieser  Wildstier  das  Tier,  dessen 
Füße,  in  Elfenbein  nachgebildet,  die  königlichen  Möbel  (Stuhl  und  Bett)  der 
ältesten  Zeit  schmückten.  Es  ist  dasselbe  Tier,  auf  das  Amenophis  III.  nach  dem 
Bericht  eines  seiner  Skarabäen  Jagd  machte  (Proceed.  21,  155).  Der  Name  sm? 
scheint  nach  den  Schreibungen  der  Pyramidentexte  mit  dem  Wortstamme  *m/ 
»töten«  zusammenzuhängen.  Er  findet  sich  später  im  Neuen  Reich  denn  auch 
mit  der  zweifellosen  Bedeutung  des  »Opfers«  (victima),  z.  B.  in  der  »poetischen 
Stele«  Thutmosis'  III.  (Urk.  IV  616):  »als  Rächer  auf  dem  Rücken  seines  Opfers 
(~^\7pp^    )«;   vgl.  dazu  Pyr.  1544.  1977. 

In  diesem  ///?/-Tiere  glaubte  Schweinfurth  seinerzeit,  als  er  mit  mir  die 
soeben  im  Berliner  Museum  eingetroffenen  Reliefs  aus  dem  Sonnenheiligtum  von 
Abu  Gorab  (darunter  auch  das  obenerwähnte)  betrachtete,  das  Hartebeest  zu 
erkennen.  Dagegen  bestanden  indessen  schwere  Bedenken.  Das  Hartebeest,  die 
Kuhantilope  mit  dem  leierförmigen  Gehörn,  ägypt.  X  MCpTl^v  V  $s*'w  (kopt. 
ujotu).  zoologisch  Bubalis  bubalis  genannt,  wird  davon  in  den  ägyptischen  Bildern 
deutlich  unterschieden.  Sie  ist  viel  schlanker  gebaut  als  unser  Tier,  das  weit 
mehr  einem  Rinde  als  einer  Antilope  ähnelt  und  auch  kürzere  und  weiter  aus- 
einanderstehende Hörn  er,  eben  wie  ein  Rind,  hat.  Vgl.  insbesondere  die  Dar- 
stellung Newberry.  Benihasan  II  14,  wo  ein  solches  ganz  wie  ein  Stier  aus- 
sehendes Tier  in  der  Wüste  mit  dem  Lasso  gefangen  und  mit  Pfeilen  erlegt 
wird.  Ebenso  schon  in  dem  großen  Jagdbild  aus  dem  Pyramidentempel  des 
Sahurer  (Borchardt,  Sahure^  II  Blatt  17).  Hilzheimer  hat  in  der  eingehenden 
Untersuchung,  die  er  diesem  letzteren  Bilde  gewidmet  hat  (ebenda,  Text  S.  173), 
wahrscheinlich  gemacht,  daß  wir  in  unserem  Tiere  den  afrikanischen  Ur  zu  er- 
kennen haben.  Mit  dem  Rinde  setzen  es  ja  auch  die  ägyptischen  Texte  in  Par- 
allele (z.  B.  Pyr.  1544.  1977),  in  denen  es  wie  der  Stier  als  Bild  der  Kraft 
erscheint. 

Eine  charakteristische  Eigentümlichkeit  des  imj'-Tieres  scheint  es  gewesen 
zu  sein,  daß  es  im  Stehen  den  Schwanz  zwischen  die  Beine  »eingekniffen«  trug; 
so  zeigen  es,  mit  einziger  Ausnahme  von  Davies,  Deir  el  Gebrawi  I  pl.  11,  alle 
mir  bekannten  Darstellungen  der  älteren  Zeiten,  das  Ideogramm  ^yQ  ,  das  den 
Namen  des  Tieres  in  den  Pyramidentexten  begleitet  (Pyr.  201.  2ro2.  389.  481. 
486)  \  sowohl  wie  die  noch  unveröffentlichten  Reliefs  von  Abu  Gorab,  wie  auch 
die  Jagdbilder  von  Benihassan  (Newberry,  I  13.  30;  II  13.  14.  29);  in  dem  Bilde 
des  Sahure^-Tempels  ist  das  Hinterteil  des  Tieres  beide  Male  nicht  erhalten.  Wo 
das  Tier  dagegen  sitzt  (Benihassan  I  30,  verwundet)  oder  liegt  (in  der  oben  zitier- 
ten Stelle  aus  der  poetischen  Stele  Thutmosis'  III.)  streckt  es  den  Schwanz  in 
eigenartiger  Weise   steif  von  sich. 


')  Nicht  so  in  der  Inschrift  des  Jagdskarabäus  Amenophis"  III.  (Proceed.  21,  155)  und  in  der 
Inschrift  des  Admirals  Amosis  von  Elkab  (Urk.  IV  2),  wo  das  Wort  in  dem  Namen  eines  Schiffes 
vorkommt.     Hier  steht  einfach  das  gewöhnliche  Zeichen  des  Stieres. 

Zeitsclir.  f.  Ägypt.  Spr..  54.  Ran.l.  18 


1 38  Miszellen.  [54.  Rand. 

Wie  Bissing  bei  der  kalbenden  hn?-t-K\ih  auf  dem  Relief  von  Abu  Gorab 
an  die  Mendesantilope  (Addax  nasomaculata)  denken  konnte,  die  doch  längst  und 
auch    in    seinem    eigenen  Werke    »Die  Mastaba  des  Gemnikai«    (I  S.  36)  richtig 

mit  dem   ägypt.    ^    nwd-w  genannten  Tiere  identifiziert  ist  (vgl.  jetzt  auch  Hilz- 

heimer  bei  Borchardt,  Sahurer  II  Text  S.  175),  ist  mir  unerfindlich.       K.  Sethe. 


Die  sogenannten  Nilgötter  mit  den  Wappenpflanzen  der  beiden 
Länder.  —  Im  Text  zu  Borchardts  Grabdenkmal  des  Sahu-rec  II  S.  103.  108/9 
habe  ich  im  Gegensatz  zur  allgemeinen  Auffassung1,  aus  Gründen,  die  mir  zwin- 
gend schienen,  die  »Nilgötter«,  welche  die  Wappenpflanze  von  Ober-  oder  Unter- 
ägypten auf  dem  Kopfe  tragen,  für  Personifikationen  dieser  beiden  Landesteile 
selbst  erklärt.  Wie  ich  sehe,  haben  Gauthier  und  Jequier,  Fouilles  de  Licht 
(Mein.  Inst,  frang.  VI)   S.  25  bereits  vor  mir  dieselbe  Erklärung  gegeben. 

Bei  ihnen  findet  sich  auch  der  Beweis  für  die  Richtigkeit  dieser  Deutung. 
Auf  einer  der  Statuen  Sesostris'  I.  a.  a.  0.  S.  33  werden  die  beiden  mit  den 
Wappenpflanzen  geschmückten  »Nilgötter«,  die  dem  Könige,  wie  üblich,  zusammen 
die  Vereinigung  der  beiden  Länder  symbolisch  vollziehen,   in  ihren  Beischriften 

geradezu    *1*  \\©  (var.  ===lLJ    »Oberägypten«    und  oo<  %>©    »das   unterägyp- 
tische Land«   genannt. 

Entsprechend  sind  auf  der  von  Maspero,  Musee  egyptien  II  Taf.  15  (Text 
S.  42)  veröffentlichten  Statue  Amenemmes'  III.  die  Reden,  die  die  dort  ohne  die 
Wappenpflanzen  dargestellten  beiden  »Nilgötter«  bei  dieser  Handlung  des  Ver- 
einigens  der  beiden  Länder  an  den  König  richten,   eingeleitet  durch  die  Worte: 

^li /WWVA*k  I  A  T  »Rede  Oberägyptens,   das  alles  Leben  gibt«. 

I^  (1  am™  y~ ~*  °<=>\  ^  A  T  »Rede  des  unterägyptischen  Landes,  das  alles  Leben 
gibt«. 

Also  auch  hier  sind  die  beiden  »Nilgötter«  deutlich  als  die  beiden  Länder 
selbst  bezeichnet.  Das  schließt  natürlich  nicht  aus,  daß  anderwärts  auch  Per- 
sonifikationen des  Nils  wie  andere,  ebenfalls  wie  »Nilgötter«  ohne  die  Wappen- 
pflanzen dargestellte  Personifikationen  (z.  B.  Sß  und  Hw)  die  Vereinigung  der 
beiden  Länder  vollziehen  (Gauthier-Jequier  a.  a.  0.  S.  34).  K.  Sethe. 

Drei  Thuerisfiguren  des  Berliner  Museums.  —  Das  hierneben  als 
Abb.  1  dargestellte  Figürchen  der  Göttin  Thueris  ist  im  Jahre  1913  aus  dem 
Nachlaß  des  englischen  Sammlers  M.  Kennard  für  die  Ägyptische  Abteilung  der 
Königlichen  Museen  erworben.  Es  trägt  die  Inventarnummer  20599,  ist  4,4  cm 
hoch  und  leidlich   sauber  aus   Lapislazuli   geschnitten.     Die  Göttin   ist,   wie   ge- 


')    Der  sich  auch  Borchardt  ebenda  S.  4]   anschloß. 


Band  54.] 


Miszellen. 


189 


wohnlich,  als  aufrecht  stehendes  trächtiges  Nilpferd  dargestellt,  die  Vordertatzen 
hängen  herab.  Auf  dem  Scheitel  trägt  sie  eine  9  mm  hohe  goldene  Doppelfeder- 
krone. Die  Figur  hat  keine  Öse  auf  dem  Rücken,  sie  ist  also 
nicht  als  Amulett  getragen.  Dafür  befindet  sich  unter  den 
Hinterfüßen  ein  kurzer  Zapfen  zur  Befestigung  in  der  jetzt 
fehlenden  Basis.  Durch  diesen  Zapfen  ist  senkrecht  zwischen 
den  Hinterschenkeln  ein  zylindrisches  Loch  in  den  Unterleib 
gebohrt,  die  Bohrung  ist  durch  ein  3  mm  dickes,  aus  Gold- 
blech zusammengebogenes  Röhrchen  ausgefüllt,  das  einige  Fa- 
sern eines  Leinengewebes  enthält.  Gewiß  sind  dieselben  dem 
Gewände  einer  werdenden  Mutter  entnommen,  die  sich  durch 
die  Stiftung  dieser  Gabe  den  Beistand  der  Göttin  für  ihre  Ent- 
bindung sichern  wollte1. 

Durch  das  eben  besprochene  Figürchen  wird  auch  eine 
andere,  aus  Holz  geschnitzte  Thueris- 
figur  (Berlin  Inv.  19650,  Abb.  2)  ver- 
ständlich. Die  Göttin  ist  in  gleicher  Hal- 
tung dargestellt,  den  Scheitel  schmückt 
die  aus  dem  Sonnendiskus  und  Kuhhör- 
nern gebildete  Krone.  Der  Leib  ist  weit 
ausgehöhlt,  die  aus  einem  andern  Holzstück  gefertigte 
Bauchdecke  fehlt  jetzt,  sie  war  wohl  nach  Einfügung  des 
Gewandstücks  eingeleimt.  Das  ziemlich  roh  gearbeitete 
Figürchen  ist  7  cm  hoch. 

Zu  diesen  Weihgeschenken  an  die  Göttin  Thueris  ge- 
hört schließlich  wohl  auch  die  bei  Borcharot,  Das  Grab- 
denkmal des  Königs  Sahurec  Band  1  S.  130  als  Abb.  177 
wiedergegebene  Fayencefigur  Berlin  Inv.  19791  (Höhe 
jetzt  6,5  cm).  Dieses  Mal  ist  die  Göttin  säugend  darge- 
stellt, die  rechte  Tatze  hält  die  linke  Brust.  An  Stelle  der 
Warze  befindet  sich  eine  runde  Öffnung,  die  mit  einem 
Hohlraum  im  Innern  der  Figur  in  Verbindung  steht;  füllte 
man  diesen  mit  Milch,  so  mußte  sie  aus  der  Brust  der 
Göttin  herauströpfeln.  Gewiß  hat  sich  die  Stifterin  durch 
die  Darbringung  dieser  Figur  reichliche  Nahrung  für  ihren 
Säugling  sichern   wollen. 

Georg  Möller. 


Abb.  1. 


')  Den  Zweck  derartiger  Weihgeschenke  hat  H.  Gressmann  in  seinem  Sehriftchen  »Palästinas 
Erdgeruch  in  der  israelitischen  Religion«  (Berlin  1909)  S.  1*2  trefflich  mit  folgenden  Worten  prä- 
zisiert: »Das  ist  kein  Opfer  und  nie  ein  Opfer  gewesen,  sondern  das  Stück  vom  Kleide  ist  ein 
stellvertretender  Ersatz  für  die  Person  des  Verehrers,  der  sich  damit  in  den  Schutz  des  Gottes 
oder  des  Heiligen  begibt  und  ihm  die  Sorge  für  sein  Geschick  anvertraut. « 

18* 


Uli  MiszeUen.  [54.  Band. 

Das  Heiligtum  der  zwei  Brüder  in  Oxyrhynehus.  —  In  Pap. 
Oxyrh.  II  Nr.  254  ist  ein  iepov  Ai/'o.  \$ek(pov  (lies  'ASeXtyoov)  'Aeyöfxevov  erwähnt,  das 
in  der  Nähe  des  Serapeums  von  Oxyrhynehus  lag.  In  den  »beiden  Brüdern« 
wollten  die  Herausgeber  (Irenfell-Hunt  die  Dioskuren  sehen,  eine  Annahme, 
gegen  die  sich  das  schwere  Bedenken  erheben  läßt,  daß  diese  Bezeichnung  des 
griechischen  Götterpaares  sonst  nicht  nachweisbar  ist1.  Unter  diesen  Umständen 
liegt  die  Frage  nahe,  ob  diese  »zwei  Brüder«  nicht  dem  ägyptischen  Pantheon 
angehören  können,  und  sie  läßt  sich  bejahen.  Ich  habe  vor  längerer  Zeit  in 
meinen  demotischen  Studien  I  (1901)  S.  35  auf  eine  Gruppe  von  Personennamen 
hingewiesen,  die  2,  3,  4  Brüder  oder  allgemein  den  Plural  »die  Brüder« 
nennen,  und  die  Vermutung  ausgesprochen,  daß  in  diesen  »Brüdern«  Götter- 
bezeichnungen steckten.  Ja,  in  einem  Falle  konnte  ich  durch  die  Kmendation 
XsfAGrvetag  TrpotyqTyg  »Prophet  des  Gottes  Xef/.<rvevg  (d.  i.  3  Brüder)«2  den  Beweis 
erbringen,  daß  die  »3  Brüder«  eine  Gottheit  bezeichnen.  Daß  das  auch  für  die 
»2  Brüder«  gilt,  erweist  jetzt  eine  zuletzt  bei  Preisigke,  Sammelbuch  Nr.  5827 
abgedruckte,  aus  Euhemereia  stammende  Inschrift,  die  ein  iepov  VocrvoLVTog  xou 
Ylvecpeporog  y.ui  Xo^nog  Sewv  Kpozo&eiAwv  nennt.  Der  erste  Gott  '¥o(7vxvg  (==  kopt. 
nconcnMf,  mit  der  bekannten  Angleich ung  des  n  an  das  folgende  s)  bedeutet 
»die  2  Brüder«.  Nach  der  Inschrift  war  er  ebenso  wie  Wevetyepwg  »der  Schön- 
gesichtige«  (=  der  Gnädige?"5)  und  Xo^ig,  eine  auch  sonst4  bekannte  Form  des 
Sobk  =  Xov%og,  ein  Krokodilsgott.  Welche  mythologische  Spekulationen  hinter 
diesen  Brüdernamen  stecken,  die  vielleicht  alle  besondere  Gestaltungen  des 
Krokodilsgottes  des  Fajum  bezeichnen',  lasse  ich  dahingestellt.  Aber  so  viel 
scheint  mir  sicher,  daß  die  Au'o  'A$e?,<poi  des  Pap.  Oxyrh.  254  die  griechische 
Übersetzung*'  des  eben  besprochenen  ägyptischen  Gottes  ypo<rvuvg  »die  2  Brüder« 
sind  und  nichts  mit  den  griechischen  Dioskuren  zu  tun  haben.      W.  Spiegelberg. 

Tretmaschinen  zur  Bewässerung  im  alten  Ägypten.  —  Im  letzten 
(53.)  Bande  der  Zeitschrift,  S.  113,  hat  Spiegelberg  den  Text  einer  Berliner  Toten- 
figur (10814)  aus  dem  Anfang  des  Neuen  Reiches  so  gedeutet,  daß  er  darin  die 
Arbeit  an  den  beiden  heutigen  Bewässerungsmaschinen,  derSäkjeunddemSchädüf, 
genannt  fand. 

r)  Sie  fehlt  z.B.  in  Bethes  Zusammenstellung  bei  Pauly -Wissowa  unter  «Dioskuren«.  Der 
Name  wäre  höchstens,  wie  mir  mein  Freund  Reitzenstein  bemerkte,  bei  Dichtern  und  Rhetoren. 
aber  nie  im  offiziellen  Tempelkult  denkbar.  -  2)  Derselbe  Titel  liegt  vielleicht  in  einem  hiero- 
glyphischen Mumienschild,  Demot.  Studien  I,  S.  17  (==  Möller,  Mumienschilder  Nr.  75)  vor.  — 
3)  Damit  wird  die  kürzlich  von  H.  Junker  geäußerte  Ansicht  widerlegt,  daß  n/r  hr  nur  vor 
menschlich  gedachten  Göttern  steht.  Zu  der  Übertragung  »gnädig«  s.  Ägypt.  Zeitschr.  53  S.  115. 
—  4)  -ou£»e  (Archiv  f.  Papyruskunde  IV  S.  559).  Vgl.  auch  das  n.  pr.  Ucc-c'^iq,  Brit.  Museum  II 
(Index).  —  B)  Steidnorff  sprach  die  hübsche  Vermutung  aus,  daß  diese  »Brüder«  die  in  einem 
heiligen  Teiche  gehaltenen  Krokodile  sein  könnten.  Vgl.  dazu  P.  Teb.  I  Nr.  33  und  die  dort  von 
Grexfell-Hunt  angegebene  Literatur.  —  6)  Dazu  vgl.  das  n.  pr.  T ota&b.tpri,  Demot.  Studien  I  S.  54 
Nr.  394,  das  Xeixrysvg  »drei  Brüder«  übersetzt.  In  dem  Beinamen  TgucSelcpos  eines  Kotvsvs,  Pap. 
Brit.  Museum  II  (Index)  liegt  eine  ungenaue  Übersetzung  vor. 


Band  54. |  Miszellen.  1-41 

Das  Schäduf  können  wir  in  mehreren  Abbildungen  bis  in  die  18.  Dynastie 
surückverfolgen.  Ein  bisher  noch  unveröffentlichtes  Bild  ist  in  Berlin,  14410; 
es  stammt  von  einer  Mumienhülle  römischer  Zeit1. 

Ob  die  Deutung  des  sMw-t  der  Berliner  Inschrift  auf  die  Sakje  richtig  ist,  lasse 
ich  dahingestellt.  Ich  war  bisher  geneigt,  sie  von  vornherein  abzulehnen.  Denn 
wir  hatten  ja  keine  archäologische  Spur,  die  uns  berechtigte,  eine  andere  Schöpf- 
maschine als  das  Schäduf  so  früh  schon  als  bekannt  anzunehmen. 

Nun  erwähnte  in  diesen  Tagen  mir  H.  Gressmaxn  die  Deuteronomium- 
stelle  11.  10,   die  nach  der  Übersetzung  von   K.  Marti  bei  Kautzsch3  lautet: 

»Denn  das  Land,  in  das  du  hineinziehst,  um  es  in  Besitz  zu  nehmen,  ist  nicht 
wie  das  Land  Ägypten,  aus  dem  ihr  weggezogen  seid,  das  du.  wenn  du  es 
mit  deinem  Samen  besät  hattest,  Avie  einen  Gemüsegarten  [durch]  mit  deinem 
Fuße  [getriebene  Schöpfräder]  bewässern  mußtest. 

Das  Land,  in  das  ihr  hinüberzieht,  um  es  in  Besitz  zu  nehmen,  ist  ein 
Land  mit  Bergen  und  Tälern,  das,  wenn  der  Regen  vom  Himmel  fallt,  Wasser 
trinkt,   ein  Land,  für  das  Jahve,   dein   Gott,   Sorge  trägt«    usw. 

Es  soll  damit  gesagt  werden,  wieviel  leichter  der  Landmann  es  im  Lande 
der  Verheißung  habe.  Marti  fügt  als  Erklärung  richtig  hinzu:  »In  Ägypten 
fällt  kein  Regen.  Die  künstliche  Bewässerung,  die  man  in  Palästina  nur  bei 
Gemüsegärten  anwenden  konnte,  muß  dort  überall  in  die  Lücke  treten.«  Ich 
würde  lieber  »anzuwenden  brauchte«  gesagt  und  in  den  erläuternden  Klammern 
der  Übersetzung  statt  des  Ausdrucks  »Schöpfräder«  Arorsichtiger  »Schöpfwerke« 
od.  ä.  gebraucht  haben,  denn  es  ließen  sich  ja  immer  noch  andere  Tretwerke 
als  gerade  Räderwerke  denken,   obgleich  die  wohl  am  nächsten  liegen. 

Immerhin  ist  die  Stelle,  die  gewiß  manchem  archäologischen  Fachgenossen 
ebenso  unbekannt  sein  wird,  wie  sie  es  mir  gewesen  ist,  wichtig,  da  sie  uns 
aus  dem  7.  Jahrhundert  v.  Chr.  ein  mit  Füßen  zu  tretendes  Hebewerk  als 
Kennzeichen  des  ägyptischen  Ackerbaues  kennen  lehrt.  Die  Säkje  mit  ihrem 
von  Rindern  getriebenen  Zahnradwerk  ist  damit  immer  noch  nicht  als  alt  nach- 
gewiesen, aber  ich  müßte  jetzt  doch  eher  die  Möglichkeit  zugeben,  daß  auf 
der  allerdings  um  mehr  als  ein  halbes  Jahrtausend  älteren  Berliner  Totenfigur 
wenigstens  irgendeine  Radschöpfmaschine  gemeint  sein  könnte. 

Bei  den  Deuteronomiumversen  denkt  man  in  gewisser  Beziehung  an  die  ägypti- 
schen Stellen,  wo  die  Völker  nach  der  Art,  woher  sie  ihr  Trinkwasser  nehmen,  un- 
terschieden werden  (vgl.  Brugscü,  Ägypt.  Zeitschr.  Bd.  2  [1864],  S.  25).  Auch  im 
großen  Hymnus  von  Teil  el-Amarna  ist  »der  Nil  am  Himmel«,  der  als  Regen  herab- 
steigt, für  die  Fremdländer  da,  der  Nil,  der  aus  der  Tiefe  kommt,  für  Ägypten. 

Im  übrigen  beleuchtet  das  Ganze  wieder  einmal,  wie  dicht  unsern  Augen 
das  wirkliche  Leben  des  späteren  Ägyptens  dadurch  verhüllt  ist,  daß  aus  den 
Gräbern  des  ersten  Jahrtausends  v.  Chr.  alle  weltlichen  Darstellungen  verschwin- 
den. Nur  durch  einen  Zufall  hören  wir  aus  einer  ausländischen  Quelle  von  einem 
sehr  wichtigen  alltäglichen  Gerät  des  ägyptischen  Bauern.        H.  Schäfer. 

*)  Der  Mann  steht  dort  auf  (an)  der  Beetreihe. 


142  Adolf  Rost  y.  [54.  Band. 


Adolf  Rost, 

geboren  5.  August  1858  —  gestorben   15.  April  1918. 

Am  lö.  April  verschied  nach  schwerem  Leiden  in  Naunhof  bei  Leipzig 
Adolf  Rost,  der  fürsorgliche  Verleger  unserer  Zeitschrift.  Fast  40  Jahre, 
nachdem  er  1879  in  das  väterliche  Geschäft  eingetreten  war,  hat  er  seine 
ganze  Kraft  der  J.  C.  HiNRicHs'schen  Buchhandlung  gewidmet  und  seit  dem 
1896  erfolgten  Tode  seines  unvergeßlichen  Vaters  Hermann  Rost  die  Ge- 
schäfte des  Verlages  ausschließlich  geleitet.  Was  er  in  dieser  langen  Zeit  in 
unermüdlicher  Tätigkeit  für  die  Ägyptenforschung  geleistet  hat,  bedarf 
kaum  besonderer  Erinnerung.  Die  meisten  wissenschaftlichen  Werke  der 
deutschen  Ägyptologen,  zahlreiche  Veröffentlichungen  ausländischer  For- 
scher hat  die  J.  C.  HiNRicns"sche  Buchhandlung  unter  der  Führung  Adolf 
Rosts  in  bester  äußerer  Gestalt  auf  den  Büchermarkt  gebracht.  Zu  den 
Werken  der  älteren  Vertreter  unserer  Wissenschaft,  der  Brugsch,  Dümichen, 
Lieislein,  Mariette  u.  a.,  die  der  Vater  verlegt  hatte  und  die  unter  dem 
Sohne  in  der  Veröffentlichung  des  LErsiusschen  Denkmälertextes  ihren 
klassischen  Abschluß  fanden,  gesellten  sich  die  Arbeiten  einer  jüngeren 
Generation :  Sethes  Verbum  und  Pyramidentexte,  die  zahlreichen  demo- 
tischen Arbeiten  Spiegelbergs,  Möllers  ägyptische  Paläographie  und  hiera- 
tische Lesestücke,  Schäfers  Nastesen,  Wreszinskis  Textpublikationen  und 
sein  kulturgeschichtlicher  Atlas,  Crum-Steindorffs  koptische  Rechtsurkun- 
den, die  von  Carl  Schmidt  herausgegebenen  koptischen  Texte  u.  a.  m. 
Ein  besonderes  Verdienst  erwarb  sich  Adolf  Rost  aber  dadurch,  daß  er 
sich  entschloß,  die  großen  fortlaufenden  Publikationen  unserer  Wissen- 
schaft in  seinen  Verlag  zunehmen:  die  » Veröffentlichungen  der  Deutschen 
Orient-Gesellschaft«,  in  deren  stattlicher  Reihe  die  Bände  Borchardts  über 
die  Ausgrabungen  von  Abusir  und  Teil  el-Amarna  eine  Hauptstelle  ein- 
nehmen, die  »Veröffentlichungen  der  Ernst  von  SiEGLiN-Expedition«,  Sethes 
»Untersuchungen  zur  Geschichte  und  Altertumskunde  Ägyptens«,  die  »Ur- 
kunden des  ägyptischen  Altertums«,  »die  Hieratischen  Papyrus  aus  den 
Königlichen  Museen  zu  Berlin«,  Gardiners  »Egyptian  Hieratic  Texts«, 
Reisners  Veröffentlichungen  der  Ausgrabungen  der  University  of  California 
—  und  wie  leicht  ließe  sich  diese  lange  Liste  noch  vermehren,  um  Zeug- 
nis abzulegen  von  dem  rastlosen  Wirken  des  Verlegers. 

Adolf  Rost  gehörte  nicht  zu  den  Verlegern  neuen  Schlages,  denen 
das  Buch  nur  eine  Ware  ist;  er  stand  zu  jedem,  auch  dem  kleinsten 
Buche,   das   er  herausgab,    in  einem    persönlichen  Verhältnis.     Bedacht- 


Band  54.]  Adolf  Rost  f.  143 


sam  und  vorsichtig  abwägend,  entschloß  er  sich  nicht  schnell  für  ein 
neues  Verlagswerk ;  war  er  aber  von  der  Güte  der  Arbeit  überzeugt  und 
konnte  man  ihm  zeigen,  wie  wertvoll  und  wichtig  sie  für  die  Wissen- 
schaft sein  werde,  so  überwand  er  jedes  geschäftliche  Bedenken  und 
nahm  sich  des  Buches  mit  warmer  Teilnahme  an.  So  hat  er,  getreu  den 
alten  Überlieferungen  seines  Hauses,  als  Verleger  das  Beste  für  unsere 
Wissenschaft  geleistet;  dankbar  wird  die  deutsche  und  die  ausländische 
Ägyptologie  dieses  ihres  buchhändlerischen  Vertreters  stets  gedenken  und 
Adolf  Rost  ein   ehrendes  Gedächtnis  bewahren.  G.  St. 


1 44  Erschienene  Schriften.  [54.  Band. 


P^rschienene  Schriften. 

Thomas  George  Allen,  Horus  in  tue  Pyramid  Texte  (Doktordissertation  der  Universität  Chicago). 

Chicago  1916.  ■ —  Besprochen  von  Gunn,  Journ.  Eg.  Arch.  3,287. 
Oric  Bates.  The  Eastern  Libyans.     XXII  und  298  S.,   12  Taf.  und  100  Textabi).     London  1914. 

—  Vgl.  die  ausfiihrl.  Besprechung  von  Pect  im  Journ.  Eg.  Arch.  1,303 — 304. 
Edward  Bell.  The  architecture  of  Ancient  Egypt.  an  historical  outline.      London  1915. 
M.  W.  Blackden.  The  ritual  of  the  mystery  of  the  judgemcnt  of  the  soul,  from  an  ancient  Egyptian 

papyrus,  translated  and  edited.     London. 
A.  M.  Blackman.  The  temple  of  Derr  (Les  temples  imnierges  de  la   Nubie).     131  S.  und  71  Taf. 

Kairo  1913. 

-  — .  The  temple  of  Bigeh  (Les  temples  imnierges  de  la  Nubie).    72  S.   und  43  Tai'.    Kairo  1915. 
— ,  The  rock-tombs  of  Meir,  I.  II.  III  (Bd.  22—24  des  Arch;eological  Survey  of  Egypt.)    I:  The 

Tomb-chapel  of  Ukh-hetep"s  son  Senbi.  41  S.,  33  Taf.  -  -  II:  46  S.,  35  Taf.  —  III:  36  S.. 
39  Taf.     London  1914/15. 

P.  A.  A.  Boescr,  Beschreibung  der  ägyptischen  Sammlung  des  Niederländischen  Reichsmuseuins 
der  Altertümer  in  Leiden.  —  IX.  Mumiensärge  des  Neuen  Reiches^  Zweite  Serie.  Pol.  IV 
und  8  S.  mit  17  Abb.  auf  1  Farben-  und  11  Lichtdrucktafeln  und  31  Fig.  im*Text.  Haag  1917. 
— ,  Beschrijving  van  de  Egyptische  Verzameling  in  het  Rijksmuseum  van  Oudheden  te  Leiden. 
— :  Mummiekisten  van  het  nieuwe  Rijk.  Tweede  Serie.  Titel  und  8  S..  mit  12  Lichtdruck- 
tafeln, darunter  eine  farbig.     "S-Gravenhage   1917. 

Ludwig  Borchardt,  Die  Annalen  und  die  zeitliche  Festlegung  des  alten  Reiches  der  ägyptischen 
Geschichte  (Quellen  und  Forschungen  zur  Zeitbestimmung  der  ägyptischen  Geschichte,  heraus- 
gegeben von  Ludwig  Borchardt,  Band  1).  4.  IV,  64  S.  mit  8  Abbildungsblättern  und  10  Ab- 
bildungen im  Text.     Berlin  1917. 

-  — ,  Wie  wurden  für  die  altägyptische  Geschichte  die  zeitlich  festen  Punkte  gewonnen !'    (Inter- 
v  nationale   Monatsschrift    für  Wissenschaft.    Kunst   und   Technik,    12.  Jahrg.  5).     Leipzig   und 

Berlin  1918. 

-  — ,   Aus   der  Arbeit  an   den  Funden  von  Teil  el-Amarna   (Mitteilungen  der  Deutschen  Orient- 

Gesellschaft  Nr.  57,  März  1917).     8.    32  S.  mit  18  Abb. 
— .    Sphinxzeichnung  eines  ägyptischen  Bildhauers    (Amtl.  Berichte    aus  d.  Kgl.  Preuß.  Kunst- 
sammlungen.    XXXIX.  Jahrg.  Nr.  5,  Februar  1918.  Spalte  105 — 110). 
E.  A.  Wallis  Budge,    Egyptian  Sculptures    in    the  British  Museum.     24  S..  54  Tafeln.     London. 

.  History  of  the  Egyptian  People.     XX  und  280  S..  mit  14  Abb.  und  Karte.     London  1914. 

,  The  literature  of  the  ancient  Egyptians.     XIII  und  272  S.     London  1914. 

— .  Coptic  Martyrdoms   etc.  in   the   dialect   of  Upper  Egypt.     LXXVI  und  524  S.  mit  37   Taf. 

London  1914.  —  Vgl.  die  ausfuhr!.  Besprechung  von  S.  Gaselee  im  Journ.  Eg.  Arch.  1,  299 — 301. 
Colin  Campbell,  The  miraculous  birth  ofAmenhotep  III  and  other  Egyptian  studies.     XIV  und 

204  S.,  46  Photogr.     Edinburg  1912.    —  Vgl.  die   ausfiihrl.  Besprechung   von  Hall   im  Journ. 

Eg.  Arch.  1,230—231. 
Somers  Clarke,    Christian    antiquities   in    the  Nile  Valley,    a   contribution  towards  the  study  of 

the  Ancient  Churches.     Oxford  1912.  —  Vgl.  die  ausfiihrl.  Besprechung  von   R.  Weir  Schultz 

im  Journ.  Eg.  Arch.  1,301—303. 
Nina  de  Garis  Davies  and  Alan  H.  Gardiner,   The  tomb  of'Amenemhet    (The  Theban  tomb 

series,  published  under  the  auspices  of  the  Egypt  Exploration  Fund).  132  S.,  46  Taf.  London  1915. 
A.  Erman,    Römische  Obelisken    (Abhandl.  der  Kgl.  Preuß.  Akademie  der  Wissenschaften.  Jahrg. 

1917.  phil.-hist.  Klasse.  Nr.  4).     Berlin  1917. 
— ,  Drei  Geister  als  Boten  des  Zauberers  (Mitteil,  der  Vorderasiat.  Gesellschaft  1916:  Hommel- 

Festschrift  S.  301—304). 
J.  G.  Frazer.  The  golden  bough :  Adonis,  Attis.  Osiris:  studies  in  the  history  of  oriental  religion. 

3.  Aufl.     2  Bde.     Bd.  I:  XVIII  und  317  S.;  Bd.  II:  X  und  321  S.     London  1914.  —  Vgl.  die 

ausführliche  Besprechung  Gardiners  im  Journ.  Eg.  Arch.  2,  121 — 126. 


Band  54.]  Erschienene  Schriften.  145 


Hermann   Grapow.    Religiöse   Urkunden.     Drittes   Heft:    Ausgewählte   Texte   des   Totenbuches 

(Urkunden  des  ägypt  Altertums,  herausgeg.  von  (i.  Steindorff.  V.  Abt.  Heft  3).    4.    S.  137 — 208 

(Autogr.)  und  Übersetzung  S.  53 — 80.     Leipzig  1917. 
Hugo  Greßmann.  Die  Keliquien  der  kuhköpfigen  Göttin  in  Hvblos  (Festschrift  für  Eduard  Hahn, 

S.  250—268).     Stuttgart  1917. 
Walentine  Gross.    Sur  quelques  danses  egyptiennes   (Revue  archeolog.  4me  Serie,    XXIII.    1914. 

S.  332—336). 
H.  R.  Hall,   (atalogue  of  Egyptian  Scarabs  in  the  British  Museum.     Vol.  I.   Roval  Scarabs.  —  8. 

XXXA'II  und  310  S.  mit  vielen  Abb.     London   1913.  —  Vgl.  die  ausführt.  Besprechung  von 

Beet  im  Journ.  Kg.  Arch.  2.  192—193. 
— .  Aegean  Archaeology.    XXI  und  270  S..  32Taf.  und  112Textabb.,   1  Karte.    London  1915.  — 

Vgl.   die   Besprechung  von  I).  (i.  Hogarth.  Journ.  Kg.  Arch.  2,47. 
I).  G.  Hogarth,     The  ancient  Käst.     London  1914.  —   Besprochen  von  King.   Journ.  Kg.  Arch.  2. 

258—260. 
Journal  of  the  Manchester  Egyptian  and  Oriental  Society,   1913 — 1914.     VIII  und  102  S.     Man- 
chester 1914.  —  Vgl.  die  Besprechung  von   L.  W.  King  im  Journ.  Kg.  Arch.  2.  50 — öl. 
Hermann  Junker,    Die   ( )nurislegende    (Denkschriften    der   Kais.  Akademie   der  Wissensch.    in 

Wien.     Phil. -bist.  Klasse.  59.  Band,   1.   und  2.  Abhandlung).     4.     XI   und    169  S.     Wien  1917. 

—  — .  Vorläufiger  Bericht  über  die  dritte  Grabung  bei  den  Pyramiden  von  Gizeh  vom  3.  Januar 

bis  23.  April  1914    (Anzeiger  der  philos.-hist.  Klasse  der  Kais.  Akademie  der  Wissenseh.  vom 

HL  Juni,  Jahrg.  1914   Xr.  XIV).     8.      45  S.   mit   11  Taf.      Wien  1914. 
Alfred  K.  Knight.   Amentet:  an  account  of  the  gods.  amulets  and  scarabs  of  the  Ancient  Kgvptians. 

XI   und  274  S-,  mit  Taf.  und  193  Textabb.     London  1915. 
Camille  Lagier,  L'Egypte  monumentale  et  pittoresque.     240  S.,  48  Taf.     Brüssel  1914. 
Kranz  Lexa.   Beiträge  zum  demotischen  Wörterbuche  aus  dem   Papyrus  Insinger.     4.     39  auto- 

graph.  Seiten.     Prag  1916. 
R.  A.  Stewart    Macalister,    The  Philistines:    their    history    and    civilization.     Oxford   1913.    — 

Vgl.  die  ausführt.  Besprechung  von   Canney  und  Hall.  Journ.  Kg.  Arch.  1.297 — 299. 
Donald  A.  Mackenzie.   Kgyptian  myth  and  legend.    X  und  1(>4  S..  4(1  Karbentaf.    London  1915. 
G.  Maspero.  Le  Musee  Egyptien:   Recueil  de  monuments  et  de  notices  sur  les  fouilles  d"Kgvpte. 

Tome    troisieme.    second   fascicule.     Taf.  XXIX" — XXXVI.     Kairo   191.").    —    Besprochen   von 

(Jardiner,  Journ.  Kg.  Arch.  3,  143 — 146. 
Bruno  Meißner.  Der  Staatsvertrag  Rarnses"  IL  von  Ägypten   und  Hattusils  von  Hatti  in  akkadi- 

scher  Passung   (Sitzungsberichte  der  Kgl.   Preuß.  Akad.  d.  Wissensch.   1917.   X.   S.  282 — 295). 

Berlin  1917. 
Cr.  Möller,    Kine    neue    demotische  Krzählung    (Amtl.  Berichte    aus    den  Kgl.  Preuß.  Kunstsamml. 

XXXIX.  Jahrg.  Nr.  8.  Mai  1918.  Spalte  180—184). 

—  — .   Zwei  ägyptische  Eheverträge  aus  vorsa'itischer  Zeit.      (Abhandlungen  der  Kgl.  Preuß.  Akad. 

d.  Wissensch.  1918  Xr.  IV)  31  S.  mit  3  Tafeln.     Berlin   1918. 
David  Paton,    Karly  Kgyptian  records    of  travel.     Vol.  I.     To  the  end  of  the  XVIIth  Dvnastv. 

Oxford  und   London  1915. 
Führer    durch    das    Pelizaeus-Museum    zu   Hildesheim.    Zweite  Auflage.    8.    32  S.  mit  10  Abb. 

Hildesheim  1918. 
W.  M.  Flinders  Petrie.    G.  A.  Wainwright,    A.  H.  Gardiner,    Memphis  V  and  Tarkhan   I. 

81  Taf.     London. 

—  — .  Amulets.   illustrated  by  the  Kgyptian  collection   in  University  College.   London.     48  S.  und 

L1V  Taf.     London  1914. 

.  and  Kniest  Mackay.  Heliopolis.  Kafr  Ammar.  and  Shurafa.  With  chapters  by  G.  A.  Wain- 
wright. R.  Engelbach,  D.  K.  Derry,  VV.  W.  Midgley  (British  School  ot  Archaeology  in  Kgypt 
and  Kgyptian  Research  Account,  18th  Vear,  1912).  VI  und  öö  S..  58  Taf.  London  1915.  — 
Besprochen  von  Griffith,  Journ.  Kg.  Aach.  3.  141 — 142. 

A.  Reinach,  Les  Portraits  Greco-Egyptieus  (Rev.  archeol..  4""  Serie,  tome  XXIV.  1914  (S.  32 — 53: 
5""- Serie,  tome  IL   191  j  S.  1—36). 

Zeitsei. r.  ('.  Ägypt  Spr..  04.  Hand.  19 


140  Erschienene  Schriften.  [54.  Band.] 


Günther  Roeder,    Aegyptologie.  wissenschaftlicher  Jahresbericht  1916  (Zeitschrift  d.  Deutschen 

Morgenland.  Gesellsch.,  71.  Band.  S.  272 — 295).     Leipzig  11)17. 
Heinrich  Schäfer.  Nubische  Texte  im  Dialekte  der  Kunüzi  (Mundart  von  Abuhor)    (Abh.  der 

Kgl.   Preuß.  Akad.  der  Wissensch..    Jahrg.   1917.    phil.-hist.  Klasse.    Nr.  ö).     4.     289  S.    mit 

24  Textfiguren.     Berlin  1917. 

—  .  Zwei  Tierköpfe  (Amtl.  Berichte  aus  den  Kgl.  Preuß.  Kunstsamini.  XXXVIII.  Jahrg.  Nr.  5, 
Februar  1918,  Spalte   144—158). 

P.  D.  Scott-M  oncrieff,  Paganism  and  Christianity  in  Egypt.    VIII  und  225  S.    Cambridge  1913. 

—  Vgl.   die  Besprechung  von   F.  ('.  Burkitt  im  .lourn.  Eg.  Arch.  1,75. 

Kurt  Sethe.  Der  Ursprung  des  Alphabets  (Nachrichten  von  der  K.  Gesellsch.  d.  Wissensch.  zu 
Göttingen.     Geschäft.  Mitteilungen  1916,  Heft  2  S.  88— 161). 

—  — .  Die  neuentdeckte  Sinai-Schrift  und  die  Entstehung  der  semitischen  Schrift  (ebenda,  philol.- 

histor.  Klasse  1917.  S.  4:57—47.")). 

—  — .  Der  Name   der  Phönizier   bei   Griechen    und  Ägyptern    (Mitt.  Vorderas.  Gesellschaft   1916: 

Hommel-Festschrift  S.  305 — ;>.'!2). 
— .  Spuren  der  Perserherrschaft  in  der  späteren  ägyptischen  Sprache  (Festgabe  für  Theodor 
Nöldeke  zum  achtzigsten  Geburtstage,  S.  112 — 133).  8.  Göttingen,  den  2.  März  1916. 
G.  El  Hot  Smith.  The  migrations  of  Early  Culture.  On  the  Significance  of  the  Geographieal 
distribution  ot  the  practice  of  mummification.  A  study  of  the  migrations  of  peoples  and  the 
spread  of  certain  customs  and  beliefs.  Manchester.  —  Vgl.  die  ausführl.  Besprechung  von 
Rivers  im  .lourn.  Eg.  Arch.  Bd.  2  .(1915),  S.  256—258. 

—  - — .  The  influence  of  ancient  Egyptian  civilization  in  the  East  and  in  America  (Bulletin  of  the 

John  Kylands  Library,  January — March  1916).     Manchester  191(5. 
W.  Spiegelberg.  Das  Isis-Mysterium  des  Firmicus  Maternus  (Archiv  für  Religionswissenschaft  XIX). 

—  — .  Zu  den  Wörtern  für   »Kuchen..    (Zeitschrift  für  romanische  Philologie   1917,  S.  103 — 104). 
— .  Ein   koptischer  Vertrag  (Papyrusurkunden  der  öftentl.  Bibliothek  der  Universität  zu  Basel. 

Abhandl.  der  Kgl.  Gesellsch.  der  Wissensch.  zu  Göttingen.  Piniol. -hist.  Klasse.  Neue  Folge. 
Band  XVI.  Nr.  3,  S.  75—84).     Berlin  1917. 

Felix  Stähelin.  Die  Philister.  Vortrag,  gehalten  in  der  Historischen  und  antiquarischen  Ge- 
sellschaft zu  Basel.     8.     40  S.     Basel  1918. 

Paul  Timme.  Teil  el-Amarna  vor  der  Deutschen  Ausgrabung  im  Jahre  1911  (31.  wissenschaftl. 
Veröffentlichung  der  Deutschen  Orient-Gesellschaft).  4.  8*  und  80  S.  mit  66  Abb.  im  Te\t. 
einein  schwarzen  Übersichtsblatt  und  einer  farbigen  Karte  in  8  Blatt.     Leipzig  1917. 

Oskar  Viedebantt.  Forschungen  zur  Metrologie  des  Altertums  (Abb.  der  philol.-hist.  Klasse  der 
Kgl.  Sachs.  Gesellsch.  d.  Wissensch.  Bd.  XXXIV  NTr.  III).     8.     VIII  und  184  S.     Leipzig  1917. 

—  Darin  besonders  Abschnitt  XII :  Studien  zur  altägyptischen   Metrologie. 

W.  M.  Tattersall .  A  general  guide  to  the  collections  in  the  Manchester  Museum.  Manchester 
1915. 

F.  AVeindler.  Geburts-  und  Wochenbettsdarstellungen  auf  altägyptischen  Tempelreliefs.  Ein  Bei- 
trag zur  prähistorischen  Urgeburtshilfe  an  der  Hand  von  16  Originalaufnahmen  in  Lichtdruck 
und   12  Abbildungen   im  Text.     8.     IV  und  41  S..  28  Abb.     München  1915. 

A.  Wiedemann.  Die  Memnonskolosse  (Bonner  Jahrbücher,  Heft  124.  S.  53 — 72).  Bonn  1917. 
-  — .  Der  »lebende  Leichnam.,  im  Glauben  der  alten  Ägypter  (Zeitschr.  des  Vereins  für  rhein. 
und  westf.  Volkskunde.  1.  und  2.  Heft,  1917).     Elberfeld  1917. 

—  — .  Beschreibung  eines  Holzsarges  in  Mumienform,   in  der  ägypt.  Allteilung  des  Bonner  Akad. 

Kunstmuseums  (Archäologischer  Anzeiger  1917.  Heft  1/2.  S.  13 — 17). 

—  — ,  Bild    und   Zauber   im    alten    Ägypten    (Korrespondenzblatt    der   deutschen    Gesellschaft   für 

Anthropologie.  Ethnologie  und  Urgeschichte,  48.  Jahrg.  Nr.  1/3,  Januar — März  1917). 
W.  H.  Worrell.    The    Goptic    Psalter   in    the    Freer   Collection.     XXVI    und    112  S.    mit   6  Taf. 
New  York  1916. 


Leipzig,  ,1.  G.  Hinrichs'sche  Buchhandlung.  —  Verantwortl.  Redakteur  Prof.  Dr.  G.  Steindorff,  I.eipzig-Gohlis,  Fritzsehcstr.  10. 

Berlin,  gedruckt   in  der  Itcichsdnickerei.